TE Bvwg Erkenntnis 2024/4/16 W278 2274204-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2024
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Entscheidungsdatum

16.04.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W278 2274204-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2023, Zahl: 1302787400-221091235, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2023, Zahl: 1302787400-221091235, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2024, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Flucht aus Syrien begründete er in der am 06.04.2022 durchgeführten polizeilichen Erstbefragung damit, dass es in seiner Heimat keine Zukunft gebe und er Angst davor gehabt habe, zum Militärdienst eingezogen zu werden.

2. Nach Zulassung des Verfahrens legte der Beschwerdeführer am 10.06.2022 einen syrischen Personenstandsregisterauszug vor. Aus dem amtswegig eingeholten Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 15.11.2022 geht hervor, dass nach derzeitigem Kenntnisstand weder eine Beurteilung der Authentizität noch der Ausstellungsmodalitäten dieses Auszuges möglich ist.

3. Am 06.04.2023 legte der Beschwerdeführer dem BFA einen weiteren, am 26.05.2022 ausgestellten, Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister samt deutscher Übersetzung vor.

4. Am 09.05.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Der Beschwerdeführer gab an, in XXXX im Gouvernement Idlib geboren und aufgewachsen zu sein. Im Jahr 2012 sei er in das Dorf XXXX in der Nähe der Stadt XXXX gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise Ende 2021 außerhalb der Kontrolle der syrischen Behörden gelebt habe. Bezüglich seiner Fluchtgründe führte er zusammengefasst aus, dass er Syrien verlassen habe, um sich dem verpflichtenden Militärdienst des syrischen Regimes zu entziehen. Auch bestehe die Gefahr, dass er von der Freien Syrischen Armee (FSA) zur Teilnahme an Kampfhandlungen gezwungen zu werde. 4. Am 09.05.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Der Beschwerdeführer gab an, in römisch XXXX im Gouvernement Idlib geboren und aufgewachsen zu sein. Im Jahr 2012 sei er in das Dorf römisch XXXX in der Nähe der Stadt römisch XXXX gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise Ende 2021 außerhalb der Kontrolle der syrischen Behörden gelebt habe. Bezüglich seiner Fluchtgründe führte er zusammengefasst aus, dass er Syrien verlassen habe, um sich dem verpflichtenden Militärdienst des syrischen Regimes zu entziehen. Auch bestehe die Gefahr, dass er von der Freien Syrischen Armee (FSA) zur Teilnahme an Kampfhandlungen gezwungen zu werde.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass aufgrund der bestehenden individuellen Situation des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland Syrien eine tatsächliche Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht glaubhaft sei und daher kein Asylgrund vorliege. Im Fall der Rückkehr könne eine Einberufung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst ausgeschlossen werden, da das syrische Regime keinerlei Kontrolle über dessen Herkunftsregion ausübe. Es bestehe auch keine Gefahr für den Beschwerdeführer, von oppositionellen Milizen rekrutiert zu werden, da den Länderberichten zu entnehmen sei, dass diese Zivilisten keine Wehrpflicht auferlegen. Aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

6. Gegen Spruchpunkt I. des dargestellten Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seine nunmehr bevollmächtigte Rechtsvertretung mit am 06.06.2022 beim BFA eingelangtem Schriftsatz vom 05.06.2022 das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde nach zusammenfassender Wiederholung des Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr drohe, als Mann im wehrfähigen Alter zum Militärdienst eingezogen zu werden und im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer lehne die Ableistung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen ab. Auf Grund der Wehdienstverweigerung, der schlepperunterstützten Ausreise sowie der Asylantragstellung im Ausland könne dem Beschwerdeführer von Seiten der syrischen Regierung leicht eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Generell sei laut aktualisierten UNHCR-Erwägungen die Schwelle vom syrischen Regime als oppositionell wahrgenommen zu werden sehr niedrig. Die Herkunft aus einem Oppositionsgebiet hindere die syrische Regierung auch nicht daran den Beschwerdeführer aufzugreifen, da es quasi unmöglich sei, in das von der FSA kontrollierte Gebiet zurückzukehren, ohne zuvor bereits am Flughafen Damaskus oder den Ländergrenzen vom syrischen Regime angehalten zu werden. Zudem sei der Beschwerdeführer auch im Oppositionsgebiet der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die FSA ausgesetzt. 6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des dargestellten Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seine nunmehr bevollmächtigte Rechtsvertretung mit am 06.06.2022 beim BFA eingelangtem Schriftsatz vom 05.06.2022 das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde nach zusammenfassender Wiederholung des Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr drohe, als Mann im wehrfähigen Alter zum Militärdienst eingezogen zu werden und im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer lehne die Ableistung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen ab. Auf Grund der Wehdienstverweigerung, der schlepperunterstützten Ausreise sowie der Asylantragstellung im Ausland könne dem Beschwerdeführer von Seiten der syrischen Regierung leicht eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Generell sei laut aktualisierten UNHCR-Erwägungen die Schwelle vom syrischen Regime als oppositionell wahrgenommen zu werden sehr niedrig. Die Herkunft aus einem Oppositionsgebiet hindere die syrische Regierung auch nicht daran den Beschwerdeführer aufzugreifen, da es quasi unmöglich sei, in das von der FSA kontrollierte Gebiet zurückzukehren, ohne zuvor bereits am Flughafen Damaskus oder den Ländergrenzen vom syrischen Regime angehalten zu werden. Zudem sei der Beschwerdeführer auch im Oppositionsgebiet der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die FSA ausgesetzt.

7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 27.06.2023 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: BVwG) eingelangt.

8. In einer nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eingebrachten Stellungnahme vom 01.02.2023 wurde das Beschwerdevorbringen dahingehend richtiggestellt, dass sich der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise in einem Gebiet aufgehalten habe, in dem die HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) und nicht die FSA junge, unverheiratete Männer zwangsrekrutiere. Daneben wurde erneut darauf hingewiesen, dass die Einreise nach Syrien sehr beschränkt, und grundsätzlich nur für bestimmte, privilegierte Personengruppen möglich sei. Das gelte auch für als „offen“ klassifizierte Grenzübergänge. Der Beschwerdeführer gehöre nicht zum bevorzugten Personenkreis, womit eine (legale) Einreise in sein Herkunftsgebiet ohne Kontakt mit dem Regime unmöglich sei.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.02.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus personellen und dienstlichen Gründen nicht möglich sei. Im Zuge der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt und es wurden ihm die im Verfahren herangezogenen Berichte zur Beurteilung der Lage in seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.

10. Mit am 15.02.2024 beim BVwG eingebrachten Schriftsatz erstattete der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung Stellungnahme zu den in der Verhandlung eingebrachten Länderberichten. Darin führte er aus, dass es in Syrien zwar grundsätzlich möglich sei, dem Wehrdienst durch Bezahlung einer Befreiungsgebühr zu entgehen, diese Zahlung in der Realität aber keine Sicherheit vor einer Rekrutierung gewährleisten könne. Zusätzlich sei dem Beschwerdeführer die Entrichtung der Gebühr aufgrund seiner finanziellen Situation nicht möglich und aufgrund moralischer Bedenken nicht zumutbar. Die Ablehnung der Ableistung des Wehrdienstes basiere auf politischen Gründen. Durch Leistung der Befreiungsgebühr würde der Weigerung als politischen Akt die Wirksamkeit genommen.

11. Mit Parteiengehör vom 15.03.2024 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme betreffend die Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 14.03.2024 gewährt. Es langte keine weitere Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der im Jahr 2000 geborene Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und beherrscht die arabische Sprache in Wort und Schrift.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX , einem Dorf im Gouvernement Idlib, geboren und aufgewachsen und hat dort fünf Jahre die Grundschule besucht. Im Jahr 2012 reiste der Beschwerdeführer mit seiner Familie aufgrund von Kriegsgeschehnissen aus seinem Heimatort und lebte anschließend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes. Zuletzt lebte er im Dorf XXXX , nahe dem Ort XXXX . Sein Geburtsort XXXX steht im Entscheidungszeitpunkt unter dem Einfluss des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer war in Syrien als Schlosser und Fliesenleger tätig. Der Beschwerdeführer ist in römisch XXXX , einem Dorf im Gouvernement Idlib, geboren und aufgewachsen und hat dort fünf Jahre die Grundschule besucht. Im Jahr 2012 reiste der Beschwerdeführer mit seiner Familie aufgrund von Kriegsgeschehnissen aus seinem Heimatort und lebte anschließend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes. Zuletzt lebte er im Dorf römisch XXXX , nahe dem Ort römisch XXXX . Sein Geburtsort römisch XXXX steht im Entscheidungszeitpunkt unter dem Einfluss des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer war in Syrien als Schlosser und Fliesenleger tätig.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Dezember 2021 und reiste in der Folge über die Türkei, Griechenland, Albanien, den Kosovo, Serbien und Ungarn schlepperunterstützt nach Österreich und stellte hier am 05.04.2022 einen Asylantrag. Die Kosten der Reise beliefen sich auf USD 6.000,-.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Seine Eltern, drei seiner Brüder und fünf seiner Schwestern sind nach wie vor in Syrien aufhältig. Zwei seiner Schwestern leben in Europa. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner in Syrien lebenden Familie.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

In Österreich ist der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten.

1.2 Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2021 wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst der syrischen Streitkräfte eingezogen werden. Der Beschwerdeführer ist im wehrdienstpflichtigen Alter, nicht vom Wehrdienst befreit und hat den Wehrdienst für das syrische Regime noch nicht abgeleistet. Dementsprechend gehört er zu jenem Personenkreis, der zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet ist, und im Fall einer Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst eingezogen werden kann.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrische Regierung jeden im Ausland lebenden Syrer, der seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, zwangsläufig einer oppositionellen Gesinnung bezichtigt. Auch hat der Beschwerdeführer kein Verhalten gesetzt, infolge dessen ihm seitens des syrischen Regimes eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. So war der Beschwerdeführer in Syrien bzw. im Ausland nicht politisch aktiv oder außenwirksam tätig und nie Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch das syrische Militär ausgesetzt (er hat weder ein Militärbuch noch einen Einberufungsbefehl erhalten und wurde nicht der Musterung unterzogen) und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Nach dem Beschwerdeführer wurde in Syrien nie gefahndet, er wurde nie festgenommen oder inhaftiert.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund des nicht abgeleisteten Wehrdienstes, die im Zusammenhang mit einer (unterstellten) politischen Gesinnung steht.

Zudem ist die Wehrdienstverweigerung nicht das einzige Mittel, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes entgehen kann. Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die – wie der Beschwerdeführer – im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien. Es bestehen keine individuellen Gründe, die es dem Beschwerdeführer verunmöglichen würden, von dieser Befreiungsgebühr Gebrauch zu machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr systematisch bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dennoch zum Wehrdienst einziehen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.

Auch aufgrund des Aufenthalts in einem Oppositionsgebiet, seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Inhaftierung und Folter aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.

Ferner droht dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr keine Verfolgung respektive Zwangsrekrutierung durch die HTS.

Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

?        Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2024,

?        EUAA, Country Guidance: Syria, Februar 2023,

?        Danish Immigration Service (DIS), Syria: Treatment Upon Return, Mai 2022,

?        Danish Immigration Service (DIS), Syria: Military Service, Jänner 2024

?        EASO, Syria: Targeting of Individuals, September 2022.

?        Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023

1.3.1. Zur allgemeinen Lage in Syrien:

Das Gericht verkennt nicht, dass zwischenzeitlich ein neues Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien: Version 11 vom 27.03.2024 veröffentlicht wurde.

Dieses neue Länderinformationsblatt ist jedoch ausschließlich eine Teilaktualisierung und betrifft insbesondere nur die Klarstellung einer Formulierung bezüglich der Selbstverteidigungspflicht im AANES-Gebiet in der zweiten Hälfte des ersten Absatzes des Unterkapitels Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien.

Diese Änderung ist für das gegenständliche Verfahren nicht relevant.

„Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.03.2024

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf 15 lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):

Quelle: UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)

[…]

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024)

[…]

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen 20 Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen 20 Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).

Im Gouvernement Dara’a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten ’Versöhnungsabkommens’. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).

Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).

Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nichtidentifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)

[…]

Zivile Todesopfer landesweit

[…]

Quellen: […]

GEBIETE UNTER REGIERUNGSKONTROLLE INKL. DAMASKUS UND UMLAND, WESTSYRIEN

Letzte Änderung: 08.03.2024

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) Anmerkung, siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).


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Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische

Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).

Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage

Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Die Hizbollah und andere von Iran unterstützte schiitische Milizen kontrollieren derzeit rund 20 Prozent der Grenzen des Landes. Obwohl die syrischen Zollbehörden offiziell für die Grenzübergänge zum Irak (Abu Kamal), zu Jordanien (Nasib) und zum Libanon (al-Arida, Jdeidat, al-Jousiyah und al-Dabousiyah) zuständig sind, liegt die tatsächliche Kontrolle bei anderen: Die libanesische Grenze ist von der Hizbollah besetzt, die auf der syrischen Seite Stützpunkte eingerichtet hat (Zabadani, al-Qusayr), von denen aus sie die Bergregion Qalamoun beherrscht. Auch die irakischen schiitischen Milizen verwalten beide Seiten ihrer Grenze von Abu Kamal bis at-Tanf (WI 10.2.2021).

Vor allem Aleppo, die größte Stadt Syriens und ihr ehemaliger wirtschaftlicher Motor, bietet einen Einblick in die derzeitige Lage: Die Truppen des Regimes haben die primäre, aber nicht die ausschließliche Kontrolle über die Stadt, weil die Milizen, auch wenn sie nominell mit dem Regime verbündet sind, sich sporadische Zusammenstöße mit Soldaten und untereinander liefern und die Einwohner schikanieren. Die Rebellen sind vertrieben, kein ausländischer Akteur hat ein Interesse an einer erneuten Intervention, um das Regime herauszufordern, und die Bevölkerung ist durch den jahrelangen Krieg zu erschöpft und verarmt und zu sehr damit beschäftigt, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, um einen weiteren Aufstand zu führen. Außerdem konnten die meisten Einwohner der Stadt, die in von der Opposition gehaltene Gebiete oder ins Ausland vertrieben wurden, nicht zurückkehren, vor allem, weil sie entweder die Einberufung oder Repressalien wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Aufstand fürchten (ICG 9.5.2022). Gebiete, in denen es viele Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten gab, wie Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs, werden nun auch verstärkt durch die Geheimdienste überwacht (Üngör 15.12.2021).

Andere Regionen wie der Westen des Landes, insbesondere die Gouvernements Tartus und Latakia (Kerneinflussgebiete des Assad-Regimes), blieben auch im Berichtszeitraum von aktiven Kampfhandlungen vergleichsweise verschont. Unverändert kam es hier nur vereinzelt zu militärischen Auseinandersetzungen, vorwiegend im Grenzgebiet zwischen Latakia und Idlib (AA 2.2.2024). Damaskus, insbesondere im Zentrum sowie die Provinz Latakia gelten als Gebiete mit relativ stabiler Sicherheitslage (NMFA 8.2023).

Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) [Anm.: Siehe dazu Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Die VN-Untersuchungskommissionfür Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vgl. CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) [Anm.: Siehe auch Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Aus den Gouvernements Dara'a, Quneitra und Suweida wurden in der ersten Jahreshälfte 2022 gezielte Tötungen, Sprengstoffanschläge, Schusswechsel, Zusammenstöße und Entführungen gemeldet, an denen Kräfte der syrischen Regierung und regierungsfreundliche Milizen, ehemalige Mitglieder bewaffneter Oppositionsgruppen, IS-Kämpfer und andere nicht identifizierte Akteure beteiligt waren (EUAA 9.2022). Generell kommt es in Quneitra trotz geringer Opferzahlen zu einer sehr hohen Anzahl an Angriffen, Kriminalfällen und Kampfhandlungen zwischen sich bekriegenden Fraktionen (NMFA 8.2023).Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) [Anm.: Siehe dazu Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Die VN-Untersuchungskommissionfür Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vergleiche CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) [Anm.: Siehe auch Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Aus den Gouvernements Dara'a, Quneitra und Suweida wurden in der ersten Jahreshälfte 2022 gezielte Tötungen, Sprengstoffanschläge, Schusswechsel, Zusammenstöße und Entführungen gemeldet, an denen Kräfte der syrischen Regierung und regierungsfreundliche Milizen, ehemalige Mitglieder bewaffneter Oppositionsgruppen, IS-Kämpfer und andere nicht identifizierte Akteure beteiligt waren (EUAA 9.2022). Generell kommt es in Quneitra trotz geringer Opferzahlen zu einer sehr hohen Anzahl an Angriffen, Kriminalfällen und Kampfhandlungen zwischen sich bekriegenden Fraktionen (NMFA 8.2023).

Seit der Rückeroberung der größtenteils landwirtschaftlich geprägten Provinz um Damaskus im Jahr 2018 versucht der syrische Präsident Bashar al-Assad, die Hauptstadt als einen ’Hort der Ruhe’ in einem vom Konflikt zerrissenen Land darzustellen (AN 1.7.2022; vgl. EUAA 9.2022). Nach mehreren Anschlägen in den Jahren zwischen 2020 bis 2023, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020; vgl. COAR 25.10.2021) und mehreren Anschlägen im Zeitraum von April 2022 bis Juli 2022, bei denen mehrere Personen mit Regimenähe ins Visier genommen wurden (AN 1.7.2022), ist die Sicherheitslage vertraulichen Quellen des niederländischen Außenministeriums zufolge in Damaskus Stadt mit Stand August 2023 relativ stabil. Die Syrische Regierung hat sogar alle Checkpoints aus der Innenstadt entfernt, weil die Sicherheitslage sich insbesondere im Zentrum so stark gebessert hat (NMFA 8.2023).Seit der Rückeroberung der größtenteils landwirtschaftlich geprägten Provinz um Damaskus im Jahr 2018 versucht der syrische Präsident Bashar al-Assad, die Hauptstadt als einen ’Hort der Ruhe’ in einem vom Konflikt zerrissenen Land darzustellen (AN 1.7.2022; vergleiche EUAA 9.2022). Nach mehreren Anschlägen in den Jahren zwischen 2020 bis 2023, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020; vergleiche COAR 25.10.2021) und mehreren Anschlägen im Zeitraum von April 2022 bis Juli 2022, bei denen mehrere Personen mit Regimenähe ins Visier genommen wurden (AN 1.7.2022), ist die Sicherheitslage vertraulichen Quellen des niederländischen Außenministeriums zufolge in Damaskus Stadt mit Stand August 2023 relativ stabil. Die Syrische Regierung hat sogar alle Checkpoints aus der Innenstadt entfernt, weil die Sicherheitslage sich insbesondere im Zentrum so stark gebessert hat (NMFA 8.2023).

In Gebieten wie Dara?a, der Stadt Deir ez-Zor und Teilen von Aleppo und Homs sind Rückkehrer mit ihre Macht missbrauchenden regimetreuen Milizen, Sicherheitsproblemen wie Angriffen des IS, mit schweren Zerstörungen oder einer Kombination aus allen drei Faktoren konfrontiert (ICG 13.2.2020).

Der Islamischer Staat (IS) verfügt über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun (AA 29.11.2021; Anm.: Siehe dazu auch Abschnitt "Provinz Deir ez-Zour / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet"). Der IS ist unter anderem im Osten der Provinz Homs aktiv. Es kommt immer wieder zu Anschlägen und Überfällen auf Einheiten/Konvois der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021; vgl. DIS 5.2022). Der Islamischer Staat (IS) verfügt über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun (AA 29.11.2021; Anmerkung, Siehe dazu auch Abschnitt "Provinz Deir ez-Zour / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet"). Der IS ist unter anderem im Osten der Provinz Homs aktiv. Es kommt immer wieder zu Anschlägen und Überfällen auf Einheiten/Konvois der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021; vergleiche DIS 5.2022).

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Quellen: […]

„Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 12.03.2024

Neben der Gefährdung durch militärische Entwicklungen, Landminen und explosive Munitionsreste, welche immer wieder zivile Opfer fordern, bleibt auch die allgemeine Menschenrechtslage in Syrien äußerst besorgniserregend (AA 2.2.2024). Von allen Akteuren agiert das Regime am meisten mit gewaltsamer Repression und die PYD am wenigsten - autoritär sind alle Machthaber nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung (BS 23.2.2022). Die im August 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (Commission of Inquiry, CoI) benennt in ihrem am 13.9.2023 veröffentlichten Bericht (Berichtszeitraum Januar bis Juni 2023) zum wiederholten Male teils schwerste Menschenrechtsverletzungen, identifiziert Trends und belegt diese durch die Dokumentation von Einzelfällen. Nach Einschätzung der CoI dürfte es im Berichtszeitraum in Syrien weiterhin zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen sein. Dazu gehörten u. a. gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele (z. B. durch Artilleriebeschuss und Luftschläge) sowie Folter. Darüber hinaus seien willkürliche und ungesetzliche Inhaftierungen, „Verschwindenlassen“, sexualisierte Gewalt sowie willkürliche Eingriffe in die Eigentumsrechte, unter anderem von Geflüchteten, dokumentiert. Obwohl die UN-Kommission die Verantwortung in absoluten Zahlen betrachtet für die große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten sieht, wurden erneut für alle Konfliktparteien und alle Regionen des Landes Menschenrechtsverstöße dokumentiert (AA 2.2.2024).

Regierungsgebiete

Die CoI geht davon, dass die syrische Regierung weiterhin Morde, Folter und Misshandlungen begeht, die sich gegen Personen in Haft richten, darunter auch Praktiken, welche zum Tod in der Haft führen. Hinzukommen willkürliche Haft und Verschwindenlassen. Die UN-Kommission sieht hierin ein Muster von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Im Berichtszeitraum wurden auch Fälle umfassender Verletzungen von Prozessrechten und des Rechts auf ein faires Verfahren im syrischen Justizstrafsystem dokumentiert (UNCOI 7.2.2023). Nach Einschätzung der UN-Kommission liegt die Verantwortung für die - in absoluten Zahlen betrachtet - große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften des syrischen Regimes und seinen Verbündeten. Darüber hinaus verweist die CoI auf massive Behinderungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, sowohl durch die Verweigerung des Zugangs nach Syrien als auch durch erhebliche Sicherheitsbedenken für die zu Befragenden. In ihrem Bericht von September 2022 vermerkte die CoI eine Verschärfung des staatlichen Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft. Herauszuheben sind ein im April 2022 verabschiedetes Gesetz gegen Cyberkriminalität, welches für regierungs- und verfassungskritische Äußerungen im Internet Haftstrafen von sieben bis 15 Jahren vorsieht und welches laut dem jüngsten Bericht der CoI vom August 2023 weiter zur Anwendung kommt (AA 2.2.2024). Mit dem Regime verbündete paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufig Menschenrechtsverletzungen, darunter Massaker, willkürliches Töten, Entführungen von Zivilisten, sexuelle Gewalt und ungesetzliche Haft. Alliierte Milizen des Regimes, darunter die Hizbollah, führen etwa zahlreiche Angriffe aus, die Zivilisten töten (USDOS 20.3.2023).

Personen, welche glaubwürdig in Gewaltverbrechen involviert sind, Organisationen innerhalb oder verbunden mit der syrischen Regierung sowie auch der sogenannte Islamische Staat unterliegen weiterhin Sanktionen durch die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und Großbritannien (HRW 11.1.2024). Die syrische Regierung nutzt die Erdbebenkatastrophe unterdessen, um für ein Ende westlicher Sanktionen zu werben (BAMF 13.2.2023). Die umfassenden Sanktionen gegen Syriens Machthaber, Unternehmer und Institutionen haben bislang nicht dazu geführt, dass Verhaltensänderungen eingetreten, politische Zugeständnisse erfolgt oder Menschenrechtsverletzung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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