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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des D in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. März 1995, Zl. III 156/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. März 1995 verhängte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) über den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 19, 20 und 21 Fremdengesetz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet. In der Begründung ging die belangte Behörde von den rechtskräftigen Urteilen des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. Juni 1991, 22 Hv 86/91, wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 5 StGB, und vom 30. März 1994, 22 Hv 225/92, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 zweiter Fall und 15 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB aus. Mit dem letztgenannten Urteil sei der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, Probezeit drei Jahre, verurteilt worden. Die Verwaltungsstrafkarte des Beschwerdeführers weise unter anderem zwei rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO aus dem Jahr 1993 bzw. 1994 auf. Die zweitgenannte Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall Fremdengesetz, beide Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen erfüllten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall leg. cit. Die Verwaltungsstrafen erfüllten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz. Das diesen Verurteilungen bzw. Bestrafungen zugrundeliegende Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, daß sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit gefährde. Nach detaillierter Aufzählung der den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten erachtete die belangte Behörde den mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bewirkten schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen bzw. zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten. Die Kriterien des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz seien vom Beschwerdeführer in einem hohen Ausmaß erfüllt und es wiege der Eingriff in das Privat- und Familienleben schwer, wenn man sich dessen seinerzeitige Geburt in Österreich, den seitherigen Aufenthalt bzw. sein "Aufwachsen" im Bundesgebiet und seine engen verwandtschaftlichen Bindungen an das (gemeint: im) Bundesgebiet vor Augen halte. Im Hinblick auf den seit dem Jahr 1991 bis in die jüngste Vergangenheit zutage getretenen Hang zu schweren (Vermögens-)straftaten wögen jedoch die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf das Privat- und Familienleben nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der schwere Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot müsse aufgrund des genannten schwererwiegenden öffentlichen Interesses an dessen Nicht-Aufenthalt im Bundesgebiet in Kauf genommen werden. Der Hinderungsgrund des § 20 Abs. 2 Fremdengesetz liege nicht vor. Der für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz gegeben sind, entscheidende Zeitpunkt sei der der Rechtskraft der bisher letzten gerichtlichen Verurteilung. Im maßgeblichen Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz - derzufolge die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür biete, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde - nicht erfüllt. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für die Erlassung maßgeblichen Umständen. Eine "in Wien" geplante Gesetzesänderung des "sogenannten" Aufenthaltsgesetzes sei für das gegenständliche Administrativverfahren völlig belanglos. Für das gegenständliche Administrativverfahren bedürfe es nicht eines Rückgriffes auf das anhängige Strafverfahren beim Landesgericht Innsbruck, wo der Beschwerdeführer jetzt in Untersuchungshaft einsitze, bzw. des Abwartens des rechtskräftigen Ausganges dieses Strafverfahrens angesichts der bereits vorliegenden, rechtskräftigen Verurteilungen bzw. Bestrafungen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die auf den maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung, des Vergehens der gefährlichen Drohung und des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer unbedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen sowie zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und der rechtskräftigen Verwaltungsstrafen wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO beruhende - zutreffende - Beurteilung durch die belangte Behörde, daß im Beschwerdefall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 dritter und vierter Fall und Z. 2 Fremdengesetz verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft.
2. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde eine unrichtige Anwendung der §§ 19 und 20 Abs. 1 Fremdengesetz vor. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe es das erkennende Strafgericht nach der mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. März 1995 wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahles nach den §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten nicht für notwendig erachtet, zusätzlich zu der nunmehr über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe auch die mit Urteil vom 30. März 1994 ausgesprochene bedingte Strafnachsicht zu widerrufen, um ihn in Zukunft von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Sohin sei die Zukunftsprognose auch seitens des Landesgerichtes Innsbruck als Strafgericht aufgrund des persönlich gewonnenen Eindruckes positiv zu beurteilen. Hingegen habe es die belangte Behörde nicht der Mühe wert gefunden, sich von dem nunmehr "geläuterten Bild des Berufungswerbers" persönlich zu überzeugen.
Betreffend die von der belangten Behörde bejahte Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 Fremdengesetz vertritt auch der Gerichtshof die Auffassung, daß selbst unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde zutreffend als schwer gewerteten Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme aufgrund der Schwere und der Vielzahl der den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrundeliegenden - im angefochtenen Bescheid detailliert wiedergegebenen - Straftaten, darunter
13 Einbruchsdiebstähle mit Schadenssummen bis zu S 239.000,--, die von einer krassen Mißachtung des Lebens bzw. der körperlichen Integrität sowie des Eigentums anderer zeugen, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, insbesondere zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, dringend geboten ist. Es mutet mehr als sonderbar an, die (neuerliche) Verurteilung des Beschwerdeführers vom 23. März 1995 wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahles zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten als Begründung für eine positive Zukunftsprognose heranzuziehen. Wenn auch von einem Widerruf der mit Urteil vom 30. März 1994 ausgesprochenen Nachsicht des Vollzuges der Freiheitsstrafe von acht Monaten abgesehen wurde, kann die weitere Verurteilung des Beschwerdeführers nicht nur nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden, sondern es wird das Gewicht der öffentlichen Interessen erheblich verstärkt.
Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vorgenommenen Interessenabwägung nahm die belangte Behörde darauf Bedacht, daß der Beschwerdeführer seit seiner Geburt ununterbrochen in Österreich lebe und alle Familienangehörigen hier aufhältig seien. Was die daraus ableitbare Integration des Beschwerdeführers anlangt, so ist deren nicht unbeträchtliche Minderung wegen des Umstandes zu berücksichtigen, daß die für eine Integration wesentliche soziale Komponente aufgrund der schweren Straftaten erheblich beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/1043). Selbst bei Bedachtnahme auf die behauptete berufliche Integration des Beschwerdeführers kann das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vorgenommenen Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden. Es trifft zu, daß die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen als die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0071, und vom 5. April 1995, Zl. 94/18/1043).
3. Das behauptete Fehlen von Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatland vermag dessen von der belangten Behörde ohnehin als sehr gewichtig gewertetes privates Interesse nicht wesentlich zu verstärken, zumal mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht die Abschiebung in ein bestimmtes Land verbunden ist, weshalb der Hinweis des Beschwerdeführers auf kriegerische Handlungen in seinem Heimatstaat seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann.
4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210639.X00Im RIS seit
20.11.2000