TE Vfgh Erkenntnis 1993/3/23 V95/92

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Veröffentlicht am 23.03.1993
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Index

L3 Finanzrecht
L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, Ortstaxe

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs3 erster Satz
Oö FremdenverkehrsabgabeG 1969 §3 Abs1
FremdenverkehrsabgabeO der Gemeinde Edlbach vom 09.09.80 §1

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der FremdenverkehrsabgabeO der Gemeinde Edlbach hinsichtlich der Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe für einen bestimmten Personenkreis in gesetzwidriger Höhe

Spruch

1. Der Zahlenteil ",50" in der Wortfolge ", für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr von

S 2,50 je Nächtigung" in §1 der Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde Edlbach, Beschluß des Gemeinderates vom 9. September 1980, idF des Beschlusses des Gemeinderates der genannten Gemeinde vom 22. Dezember 1988, Zl. Fin-29/1988, war gesetzwidrig.

Die oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

2. Im übrigen war die in Prüfung genommene Wortfolge nicht gesetzwidrig.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B332/92 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

1.1. Mit einem im zweiten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde Edlbach wurden der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. November 1988 bis 31. Oktober 1989 folgende Fremdenverkehrsabgaben nach dem diesfalls noch anzuwendenden (vgl. ArtIV Abs1 des Landesgesetzes, mit dem ein O.ö. Tourismusabgabe-Gesetz 1991 erlassen wird und das O.ö. Tourismus-Gesetz 1990 sowie das O.ö. Kurtaxengesetz geändert werden, LGBl. für Oberösterreich 53/1991) O.ö. Fremdenverkehrsabgabegesetz 1969, LGBl. für Oberösterreich 7/1970, idF der Landesgesetze LGBl. für Oberösterreich 30/1984 und 81/1989 (im folgenden: FvAbgG), in Verbindung mit der Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde Edlbach, Beschluß des Gemeinderates vom 9. September 1980, Zl. Fin-29/1980, teilweise in der Stammfassung, teils idF des Beschlusses des Gemeinderates vom 22. Dezember 1988, Zl. Fin-29/1988, und teils idF der Verordnung des Gemeinderates vom 28. Februar 1989, Zl. Fin-29/1989, (im folgenden: FvAbgO) zur Zahlung vorgeschrieben:

"Nächtigungen                                 Abgabe in Schilling

   742 (Schulschikurse) . . . . . . . .                -----

   232 (Kinder unter 6 Jahre) . . . . .                -----

1.777 (Kinder zwischen 6 und 15 Jahre) . a S 2,--     3.554,--

3.073 (Pers. ab dem 15. Lebensjahr)      a S 4,--    12.292,--

       (bis 31.01.1989)

15.038 (Pers. ab dem 15. Lebensjahr)      a S 5,--    75.190,--

20.862 Nächtigungen                   zusammen:     S 91.036,--

       bisher wurden an Abgaben entrichtet:         S 83.136,--

       Abgabenrückstand somit                       S  7.900,--"

                                                    ===========

1.2. Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung gab die o.ö. Landesregierung mit Bescheid vom 24. Jänner 1992, Zl. Wi(Ge) - 5737/5 - 1992/Pö/Neu, mit der Feststellung keine Folge, daß die Vorstellungswerberin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werde.

1.3. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die eingangs erwähnte, auf Art144 B-VG gestützte und zu B332/92 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

1.4. Die o.ö. Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die - kostenpflichtige - Abweisung der Beschwerde beantragt. Es seien zwar vom 14. Jänner (richtig: vom 1. Februar) 1989 bis 23. März 1989 Abgaben für Nächtigungen für Personen ab dem vollendeten

6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr berechnet worden. Doch sei nicht - wie dies die FvAbgO für diesen Zeitraum vorgesehen habe -

S 2,50, sondern S 2,-- pro Nächtigung in Anschlag gebracht worden, was zwar objektiv rechtswidrig sei, die Beschwerdeführerin aber nicht in ihren Rechten verletze.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat im gegenständlichen verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge ", für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr von S 2,50 je Nächtigung" in §1 der Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde Edlbach, Beschluß des Gemeinderates vom 9. September 1980, idF des Beschlusses des Gemeinderates der genannten Gemeinde vom 22. Dezember 1988, Zl. Fin-29/1988, mit der Begründung beschlossen, die Festsetzung der Abgabe mit S 2,50 für den genannten Personenkreis widerspreche der Anordnung des §3 Abs1 FvAbgG, wonach diese Abgabe je Nächtigung

S 2,-- nicht übersteigen dürfe.

3. Die o.ö. Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde hat den Verordnungsakt vorgelegt und von einer Äußerung im Hinblick auf den Prüfungsbeschluß abgesehen. Der Gemeinderat der Gemeinde Edlbach erstattete keine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. §1 des FvAbgG ermächtigt die Fremdenverkehrsgemeinden, zur Deckung des Aufwandes für die Förderung des Fremdenverkehrs aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates eine Fremdenverkehrsabgabe zu erheben. Gemäß §2 Abs1 leg.cit. ist Abgabenschuldner jede Person, die in dem in der Gemeinde gelegenen Fremdenverkehrsgebiet im Sinne des §2 Abs1 des O.ö. Fremdenverkehrsgesetzes 1965 nächtigt, in der Gemeinde nicht ihren ordentlichen Wohnsitz hat und nicht von der Entrichtung der Abgabe befreit ist. §3 Abs2 leg.cit. sieht solche Befreiungstatbestände vor, Abs3 dieser Regelung ermächtigt die Gemeinden zu weiteren Befreiungen zur Verhinderung unbilliger Härten oder aus Gründen sozialer Art. Gemäß §2 Abs2 FvAbgG entsteht die Abgabenpflicht mit der Nächtigung. Gemäß §4 Abs1 leg.cit. kann die Gemeinde die Abgabenschuldner verpflichten, die Abgabe an die den Nächtigungsplatz zur Verfügung stellende Person (Quartiergeber) zu entrichten. In diesem Falle ist der Quartiergeber verpflichtet, die Abgabe vom Abgabenschuldner für die Gemeinde einzuheben, hierüber Aufzeichnungen zu führen, die eingehobenen Abgaben mit der Gemeinde abzurechnen und sie vollständig an die Gemeinde abzuführen; der Quartiergeber haftet für die Entrichtung der Abgabe mit dem Abgabenschuldner zur ungeteilten Hand (§4 Abs2 leg.cit.). Nach §3 Abs1 leg.cit. darf die Abgabe S 5,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr S 2,-- je Nächtigung nicht übersteigen.

1.2. Die Gemeinde Edlbach wurde zunächst mit Verordnung der o. ö. Landesregierung LGBl. für Oberösterreich 45/1951 (Fremdenverkehrsgebiet "Windischgarsten und Umgebung"), in der Folge durch die Verordnung der o.ö. Landesregierung LGBl. für Oberösterreich 17/1966 (nunmehr Fremdenverkehrsgebiet "Garstnertal") zum Fremdenverkehrsgebiet erklärt. Als Fremdenverkehrsgemeinde im Sinne des §1 Z2 des O.ö. Fremdenverkehrsgesetzes 1965, Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. für Oberösterreich 64/1964 - das gemäß seinem §51 Abs1 mit 1. Jänner 1990 in Kraft getretene O.ö. Tourismus-Gesetz 1990, LGBl. für Oberösterreich 81/1989 ist hier außer Betracht zu lassen - ist die Gemeinde Edlbach dazu ermächtigt, durch Beschluß des Gemeinderates eine Fremdenverkehrsabgabe zu erheben.

1.3.1. Von dieser Möglichkeit hat die Gemeinde Edlbach - soweit dies hier beachtlich ist - dadurch Gebrauch gemacht, daß ihr Gemeinderat am 9. September 1980 eine Fremdenverkehrsabgabeordnung beschloß, welche durch Anschlag an die Amtstafel kundgemacht wurde und gemäß ihrem §5 mit 1. November 1980 in Kraft getreten ist. §1 dieser Verordung setzte die Fremdenverkehrsabgabe mit S 4,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr mit S 2,-- je Nächtigung fest. §4 Z1 verpflichtet die Abgabenschuldner, die Abgabe an die den Nächtigungsplatz zur Verfügung stellende Person (Quartiergeber) zu entrichten.

1.3.2. Mit Beschluß vom 22. Dezember 1988 änderte der Gemeinderat der Gemeinde Edlbach §1 der FvAbgO wie folgt (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Aufgrund des Oö. Fremdenverkehrsgesetzes 1969, LGBl. Nr. 7/1970 i.d.g.F. hat der Gemeinderat am 22. Dezember 1988 die Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde Edlbach vom 09. September 1980 geändert.

§1 hat zu lauten

Zur Deckung des Aufwandes für die Förderung des Fremdenverkehrs wird eine Fremdenverkehrsabgabe von S 5,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr von S 2,50 je Nächtigung erhoben.

Diese Verordnung tritt mit 01. Februar 1989 in Kraft; gleichzeitig tritt der §1 der Fremdenverkehrsabgabeordnung vom 09. September 1980 außer Kraft."

1.3.3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems teilte der Gemeinde Edlbach mit Schreiben vom 13. Februar 1989 mit, daß die Erhöhung der Fremdenverkehrsabgabe für Personen vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr auf S 2,50 je Nächtigung gesetzwidrig sei; nach §3 Abs1 FvAbgG dürfe die Abgabe für diesen Personenkreis S 2,-- je Nächtigung nicht übersteigen. Daraufhin beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Edlbach am 28. Februar 1989 eine abermalige Änderung der FvAbgO:

"Aufgrund des Oö. Fremdenverkehrsgesetzes 1969, LGBl. Nr. 7/1970 i.d.g.F. hat der Gemeinderat am 28. Februar 1989 die Fremdenverkehrsabgabeordnung der Gemeinde Edlbach vom 22. Dezember 1988 betreffend die Einhebung der Abgabe von S 2,50 für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr wegen Gesetzwidrigkeit geändert.

§1 hat zu lauten

Zur Deckung des Aufwandes für die Förderung des Fremdenverkehrs wird eine Fremdenverkehrsabgabe von S 5,-- je Nächtigung, für Personen vom vollendeten 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr von S 2,-- je Nächtigung erhoben.

Diese Verordnung tritt mit (dem auf den) Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft; gleichzeitig tritt der §1 der Fremdenverkehrsabgabeordnung vom 22. Dezember 1988 außer Kraft."

Dieser Beschluß des Gemeinderates wurde am 9. März 1989 an der Amtstafel kundgemacht und ist gemäß §94 der

O.ö. Gemeindeordnung 1979 mit 24. März 1989 in Kraft getreten; gleichzeitig ist die unter II.1.3.2. genannte Fassung außer Kraft getreten.

2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommene Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Wortfolge spricht. Die Präjudizialität einer Verordnung ist nämlich auch dann gegeben, wenn die Verordnung, die in einer Sache anzuwenden ist, von der Behörde bei Erlassung eines vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpften Bescheides tatsächlich nicht angewendet wurde (vgl. VfSlg. 3719/1960, 4571/1963, 4757/1964, 5845/1968, 8647/1979 und VfGH 15.6.1991, V603/90).

3. Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich als zutreffend.

3.1. Die in Prüfung genommene Anordnung, nämlich die Festsetzung der Abgabe mit S 2,50 für den mehrfach erwähnten Personenkreis, widerspricht der ausdrücklichen Anordnung des §3 Abs1 des FvAbgG, wonach diese Abgabe je Nächtigung S 2,-- nicht übersteigen darf.

3.2. In von Amts wegen eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11506/1987).

Im Sinne dieser Rechtsprechung erscheint die in Prüfung genommene Wortfolge nur insoweit gesetzwidrig, als sie den Zahlenteil ",50" enthält; fällt dieser weg, reduziert sich die Abgabe auf S 2,-- pro Nächtigung, welche Anordnung sich als gesetzmäßig erweist. Es handelt sich dabei auch um den geringeren Eingriff in die geprüfte Regelung als wenn die Abgabe überhaupt beseitigt würde, und das Ergebnis entspricht offensichtlich am ehesten den Intentionen des die Verordnung erlassenden Organes, das mit der Regelung offensichtlich die höchstzulässige Nächtigungsabgabe festsetzen wollte.

3.3. Der in Prüfung gezogene Zahlenteil ",50" in §1 der FvAbgO der Gemeinde Edlbach, Beschluß des Gemeinderates vom 9. September 1980, idF des Beschlusses des Gemeinderates der genannten Gemeinde vom 22. Dezember 1988, Zl. Fin-29/1988, erweist sich sohin als gesetzwidrig, während die verbleibende Anordnung, daß für Personen vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr S 2,-- je Nächtigung erhoben werden, dem Gesetz entspricht.

Da mit Beschluß des Gemeinderates vom 28. Februar 1989, in Kraft getreten mit 24. März 1989, die Fremdenverkehrsabgabe für den erwähnten Personenkreis wieder in der gesetzmäßigen Höhe festgesetzt wurde, hatte sich der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß der Zahlenteil ",50" der in Prüfung gezogenen Wortfolge gesetzwidrig war.

III. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art139 Abs5

B-VG.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V95.1992

Dokumentnummer

JFT_10069677_92V00095_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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