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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E, derzeit Justizanstalt X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. März 1995, Zl. SD 1012/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. März 1995 wurde gemäß § 54
Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, in Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im wesentlichen damit begründet, daß er in seiner Heimat von der geheimen "Ogboni-Vereinigung" verfolgt werde und bei seiner Rückkehr nach Nigeria befürchten müsse, von den Angehörigen dieser Organisation getötet zu werden, weil er sich geweigert habe, die Nachfolge seines Vaters als Führer dieser Vereinigung anzutreten. Dieses Vorbringen sei nicht mehr als eine Vermutung des Beschwerdeführers, zumal er konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen nicht einmal behaupte. Allfällige Hinweise darauf, daß er in Nigeria tatsächlich von der staatlichen Autorität oder doch mit deren Billigung verfolgt werde und die Mitglieder der besagten Vereinigung (als staatliche Machtträger) ihn tatsächlich töten würden, sei der Beschwerdeführer schuldig geblieben. Wenngleich insoweit nicht die Führung eines Beweises verlangt werden könne, so bedürfe es doch der Glaubhaftmachung konkreter und nachvollziehbarer Verfolgungshandlungen durch staatliche Behörden. Daß aber die Ogboni-Organisation eine staatliche Institution wäre, habe der Beschwerdeführer ebenfalls nicht behauptet. Hinsichtlich seines Vorbringens, es stünde ihm gegen diese Organisation kein staatlicher Schutz zur Verfügung, habe der Beschwerdeführer nicht einmal den Versuch unternommen, darzulegen, was ihn zu dieser Annahme kommen lasse. Eine Bedrohung, die - ohne Billigung durch staatliche Stellen - nur von Privatpersonen ausgehe, sei jedoch nicht geeignet, die Tatbestände des § 37 FrG zu erfüllen.
Schließlich erweise sich auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das von ihm vorgelegte Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Giessen vom 9. Februar 1993 als nicht zielführend. Der Beschwerdeführer übersehe dabei, daß die exakten und nachvollziehbaren Angaben des von diesem Urteil Betroffenen als wesentliche Entscheidungsgrundlage bei der Urteilsfindung herangezogen worden seien. Eben diese genauen Angaben lasse der Beschwerdeführer vermissen. Vielmehr sei seine Darstellung zu allgemein gehalten, um als stichhaltig i. S. des § 37 FrG bezeichnet werden zu können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0530, mwN).
2. Laut Beschwerde hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß sein Vater Oberhaupt der Nigeria beherrschenden Geheimorganisation "Ugboni Society" gewesen sei und er als ältester Sohn nach dessen Tod von den Mitgliedern dieser Organisation gezwungen werden sollte, die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Nur der älteste Sohn sei in der Lage, die Nachfolge des Vaters anzutreten. Das "Gesetz" dieser Gesellschaft erlaube erst dann den Eintritt einer anderen Person, wenn der primär dafür Vorgesehene tot sei. Die Gesellschaft habe daher beabsichtigt den Beschwerdeführer, da er sich geweigert habe, die Nachfolge seines Vaters anzutreten, zu töten. Der "Ugboni-Geheimbund" dominiere das gesamte Land; alle wichtigen Entscheidungsträger seien von diesem Geheimbund beherrscht. "Das Institut für Afrika-Kunde" betone ausdrücklich, daß es sich bei dem genannten Geheimbund um eine "Geheimgesellschaft" handle, über die wirklich verläßliche Angaben nicht vorlägen, da jeder, der ihre innersten Geheimnisse verrate, von ihr mit dem Tod bedroht werde.
3.1. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen als zur Glaubhaftmachung einer akutellen Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht geeignet erachtet. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
3.2. Zum einen sind die Angaben betreffend die Person des Vaters des Beschwerdeführers (gewesenes Oberhaupt der "Ugboni-Society") und des Beschwerdeführers selbst (ältester Sohn des Vaters) wie auch betreffend das die Nachfolge in der Leitung der Geheimorganisation regelnde "Gesetz" dieser Organisation bloße Behauptungen, die mangels Untermauerung durch entsprechende Bescheinigungsmittel in keiner Weise geeignet sind, die angeblich aktuelle Bedrohungssituation glaubhaft zu machen. Zum anderen wäre die vom Beschwerdeführer dargestellte Bedrohung seiner Person selbst dann, wenn man sie als glaubhaft gemacht ansehen würde, keine dem § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG subsumierbare, weil sie nicht dem Staat zuzurechnen wäre, ergibt sich doch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers (oben II.2.) nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß die von ihm beschriebene Gefahr bzw. Bedrohung - wenn sie gegeben wäre - vom Staat ausginge oder von ihm zumindest gebilligt würde. Eine Bedrohung aber, die lediglich von Privatpersonen (und sei es auch in Gestalt einer Geheimorganisation) ausgeht, vermag weder den Tatbestand des § 37 Abs. 1 noch den des § 37 Abs. 2 FrG zu verwirklichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0731).
Die vom Beschwerdeführer mit dem Argument, er habe dem Erfordernis der Glaubhaftmachung entsprochen, behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides liegt demnach nicht vor.
4.1. Nach Ansicht des Beschwerdeführers belege schon das "offiziell verfügbare Dokumentationsmaterial, zu dem die belangte Behörde - wie jeder andere - Zugang hat", daß die "Ogboni-Organisation gesellschaftsbeherrschend" sei. Schon allein daraus ergebe sich, daß dem Beschwerdeführer "kein staatlicher Schutz geboten werden kann". Verwiesen werde dazu auf das vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beigelegte "ohne jegliche Schwierigkeiten erlangte Material". Die belangte Behörde sei infolge des fehlenden Ermittlungsverfahrens "jegliche umfassende Begründung schuldig" geblieben. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, wieso die Angaben des vom Urteil des Verwaltungsgerichtes Giessen vom 9. Februar 1993 Betroffenen "exakter und nachvollziehbarer" seien als die des Beschwerdeführers. Die Ausführungen der belangten Behörde dazu seien oberflächlich und pauschal.
4.2. Auch diese unter dem Titel "Verletzung von Verfahrensvorschriften" vorgetragenen Rügen führen die Beschwerde nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, daß die Beschwerde nicht darlegt, aus welchem konkreten "Material" sich ergebe, daß dem Beschwerdeführer kein staatlicher Schutz vor der besagten Geheimorganisation zuteil würde, bietet die angeblich aus diesem "Material" ableitbare, von der Beschwerde als wesentlich erachtete Aussage, daß die Ogboni-Organisation "gesellschaftsbeherrschend" sei, infolge ihrer Unbestimmtheit der Ansicht, dem Beschwerdeführer stehe in Nigeria kein staatlicher Schutz vor der (angeblichen) Bedrohung seines Lebens durch die Organisation zur Verfügung, keine hinreichende Grundlage, zumal die Charakterisierung des Geheimbundes als "gesellschaftsbeherrschend" jedenfalls nicht dahin verstanden werden kann, der Heimatstaat des Beschwerdeführers sei generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage, derartige Verfolgungsmaßnahmen zu verhindern (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 94/18/0731).
Was schließlich den Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Giessen vom 9. Februar 1993 anlangt - offenbar handelt es sich bei diesem um das beigelegte, "ohne jegliche Schwierigkeiten erlangte Material" -, so hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid durchaus nachvollziehbar dargetan, daß und inwiefern sich der dort als maßgeblich festgestellte Sachverhalt von dem dem vorliegenden Beschwerdefall zugrunde gelegten unterscheidet.
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995180946.X00Im RIS seit
20.11.2000