TE Bvwg Erkenntnis 2024/5/23 W290 2117818-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2024
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Entscheidungsdatum

23.05.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W290 2117818-3/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christopher MERSCH über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian SCHMAUS, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christopher MERSCH über die Beschwerde von römisch XXXX , geboren am römisch XXXX Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian SCHMAUS, gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch IV. und römisch VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX , Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis IV. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben. römisch II. Die Spruchpunkte römisch II. bis römisch IV. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang: römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „Bundesamt“) vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , GZ. XXXX abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt. 1. Der Beschwerdeführer stellte erstmals am römisch XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „Bundesamt“) vom römisch XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz , in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom römisch XXXX , GZ. römisch XXXX abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt.

In der Folge wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund Straffälligkeit des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG von Amts wegen aberkannt. In der Folge wurde die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , GZ. XXXX (im Wesentlichen) bestätigt und die Revision für nicht zulässig erklärt. In der Folge wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund Straffälligkeit des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 9, Absatz eins und Absatz 2, AsylG von Amts wegen aberkannt. In der Folge wurde die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom römisch XXXX , GZ. römisch XXXX (im Wesentlichen) bestätigt und die Revision für nicht zulässig erklärt.

2. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer zu seinem Folgeantrag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt. Zu seinem Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass die Taliban die Macht in Afghanistan ergriffen hätten und ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan die Todesstrafe drohe. Er habe die Todesstrafe bereits vor acht Jahren – vor seiner Ausreise nach Europa – von den Taliban erhalten. Der Vater und Bruder des Beschwerdeführers seien bereits von den Taliban getötet worden. 2. Der Beschwerdeführer stellte am römisch XXXX erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer zu seinem Folgeantrag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt. Zu seinem Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass die Taliban die Macht in Afghanistan ergriffen hätten und ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan die Todesstrafe drohe. Er habe die Todesstrafe bereits vor acht Jahren – vor seiner Ausreise nach Europa – von den Taliban erhalten. Der Vater und Bruder des Beschwerdeführers seien bereits von den Taliban getötet worden.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, dass eine Feindschaft zwischen seiner Familie und den Taliban schon vor seiner Geburt bestanden hätte. Die Taliban hätten bereits den Vater, Bruder und Halbbruder des Beschwerdeführers getötet. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer ebenso von den Taliban verfolgt und getötet werden. 3. Am römisch XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, dass eine Feindschaft zwischen seiner Familie und den Taliban schon vor seiner Geburt bestanden hätte. Die Taliban hätten bereits den Vater, Bruder und Halbbruder des Beschwerdeführers getötet. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer ebenso von den Taliban verfolgt und getötet werden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 sowie § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG nicht zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom römisch XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13, sowie Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II.), ihm kein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG nicht zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.) und gegen ihn gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer eins, FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VI.).

5. Gegen die Spruchpunkte I. bis IV. sowie VI. des Bescheides des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer am XXXX fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Bundesamtes gerügt und vorgebracht wurde, dass das Bundesamt nicht berücksichtigt habe, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung bzw. ein Verfahren vor dem Scharia-Gericht drohe; dies sei von den Taliban angekündigt worden. 5. Gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch IV. sowie römisch VI. des Bescheides des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer am römisch XXXX fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Bundesamtes gerügt und vorgebracht wurde, dass das Bundesamt nicht berücksichtigt habe, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung bzw. ein Verfahren vor dem Scharia-Gericht drohe; dies sei von den Taliban angekündigt worden.

6. Am 18.03.2022 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Mit Beschluss vom 14.04.2022 setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren über die Beschwerde bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union aus.

8. Mit Schreiben vom 17.10.2023 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladung zur Verhandlung.

9. Mit Schriftsatz vom 02.11.2023 richtete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht.

10. Am 06.11.2023 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Das Bundesamt blieb der Verhandlung fern.

11. Die Niederschrift der Verhandlung wurde im Anschluss an die Verhandlung dem Bundesamt zur Kenntnis übermittelt.

12. Mit Schriftsatz vom 04.12.2023 legte der Beschwerdeführer Beweismittel vor. Weitere Beweismittel wurden am 05.12.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

13. Die – vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene – Übersetzung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente wurde dem Bundesamt zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Dazu erstattete das Bundesamt keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan, in der Provinz Maidan Wardak, im Distrikt Saidabad, im Dorf XXXX geboren, wo er mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2014 lebte. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Pakistan, in der Stadt Islamabad. 1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan, in der Provinz Maidan Wardak, im Distrikt Saidabad, im Dorf römisch XXXX geboren, wo er mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2014 lebte. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Pakistan, in der Stadt Islamabad.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er ist grundsätzlich gesund.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich ua. die Pflichtschulabschluss-Prüfung abgelegt, den Kurs „ XXXX “ besucht, das ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A1 erworben und ist seit dem 02.03.2020 als Lehrling beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat in Österreich ua. die Pflichtschulabschluss-Prüfung abgelegt, den Kurs „ römisch XXXX “ besucht, das ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A1 erworben und ist seit dem 02.03.2020 als Lehrling beschäftigt.

1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet straffällig:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt, unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX in Wien vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, und zwar 2.318,50 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 182,41 Gramm THCA (angenommener unterdurchschnittlicher Reinsubstanzgehalt von 7,87%) mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er […] Folie und Packpapier zur Verfügung stellte und zumindest teilweise beim Einwickeln des Suchtgifts half. Mildernd wurden das umfassende und reumütige Geständnis und der ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers gewertet. Als erschwerend wertete das Strafgericht die Überschreitung der Grenzmenge um das Vierfache. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom römisch XXXX , rechtskräftig seit römisch XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach Paragraph 28, Absatz eins, zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt, unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am römisch XXXX in Wien vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (Paragraph 28 b,) übersteigenden Menge, und zwar 2.318,50 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 182,41 Gramm THCA (angenommener unterdurchschnittlicher Reinsubstanzgehalt von 7,87%) mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er […] Folie und Packpapier zur Verfügung stellte und zumindest teilweise beim Einwickeln des Suchtgifts half. Mildernd wurden das umfassende und reumütige Geständnis und der ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers gewertet. Als erschwerend wertete das Strafgericht die Überschreitung der Grenzmenge um das Vierfache.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach den §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG (zu A.), wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach den § 28a Abs. 1 vierter und fünfter Fall SMG, 15 StGB (zu B.), und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG (zu C.), unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB sowie gem. §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon wurden zwölf Monate Freiheitsstrafe unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, A.) im Zeitraum von Frühjahr 2017 bis 06.12.2017 in einer die Grenzmenge (§28b SMG) um das 6-fache übersteigenden Menge aus Tschechien aus- und nach Österreich eingeführt, indem er zu einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2017 die Schmuggelfahrt von fünf Kilogramm Cannabiskraut eines unbekannten gebliebenen Täters, aus Tschechien nach Wien im Auftrag des [...] als Beifahrer beaufsichtigte, wofür er mit EUR 500,-- von […] entlohnt wurde; B.) im Zeitraum Dezember 2017 Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, in einer die Grenzmenge (§28b SMG) das fünffache übersteigenden Menge anderen 1.) überlassen, und zwar eine Probe mit konkret nicht mehr feststellbarem Gewicht von etwa einem Gramm an […] zu einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt etwa Anfang Dezember 2017; 2.) zu verschaffen versucht, und zwar a./ am 04.12.2017, indem er den Kontakt zwischen […] und einem unbekannt gebliebenen Suchtgiftlieferanten herstellte, wobei […] gemeinsam mit […] zum Ankauf von – für den gewinnbringenden Verkauf bestimmten – 2.000 Gramm Cannabiskraut nach Wien fuhr, wo das Suchtgift am 04.12.2017 im Einkaufszentrum XXXX übergeben werden sollte, die Tat jedoch beim Versuch blieb, weil die Bezugsquelle „ XXXX “ nicht zum vereinbarten Übergabeort kam; b./ am 06.12.2017, indem er den Kontakt zwischen […] und einem unbekannt gebliebenen Suchtgiftlieferanten herstellte und zum Ankauf von – für die Einfuhr und den gewinnbringenden Verkauf bestimmten – 2.000 Gramm Cannabiskraut von Wien nach Tschechien fuhr, es mangels Übergabe aber beim Versuch blieb, obgleich [….] seinen „Kontaktmann“ in Tschechien zuvor mehrfach telefonisch kontaktiert hatte und […] in Tschechien auch das von […] verwendete Fahrzeug lenkte; C.) im Zeitraum von Juli 2017 bis etwa 13.04.2018 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar eine konkret nicht mehr feststellbare Menge Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, zum Eigenkonsum. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom römisch XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach den Paragraphen 12, dritter Fall StGB, 28a Absatz eins, zweiter und dritter Fall SMG (zu A.), wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach den Paragraph 28 a, Absatz eins, vierter und fünfter Fall SMG, 15 StGB (zu B.), und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach Paragraph 27, Absatz eins, Ziffer eins, erster und zweiter Fall, Absatz 2, SMG (zu C.), unter Anwendung des Paragraph 28, Absatz eins, StGB sowie gem. Paragraphen 31,, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom römisch XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon wurden zwölf Monate Freiheitsstrafe unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, A.) im Zeitraum von Frühjahr 2017 bis 06.12.2017 in einer die Grenzmenge (§28b SMG) um das 6-fache übersteigenden Menge aus Tschechien aus- und nach Österreich eingeführt, indem er zu einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2017 die Schmuggelfahrt von fünf Kilogramm Cannabiskraut eines unbekannten gebliebenen Täters, aus Tschechien nach Wien im Auftrag des [...] als Beifahrer beaufsichtigte, wofür er mit EUR 500,-- von […] entlohnt wurde; B.) im Zeitraum Dezember 2017 Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, in einer die Grenzmenge (§28b SMG) das fünffache übersteigenden Menge anderen 1.) überlassen, und zwar eine Probe mit konkret nicht mehr feststellbarem Gewicht von etwa einem Gramm an […] zu einem konkret nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt etwa Anfang Dezember 2017; 2.) zu verschaffen versucht, und zwar a./ am 04.12.2017, indem er den Kontakt zwischen […] und einem unbekannt gebliebenen Suchtgiftlieferanten herstellte, wobei […] gemeinsam mit […] zum Ankauf von – für den gewinnbringenden Verkauf bestimmten – 2.000 Gramm Cannabiskraut nach Wien fuhr, wo das Suchtgift am 04.12.2017 im Einkaufszentrum römisch XXXX übergeben werden sollte, die Tat jedoch beim Versuch blieb, weil die Bezugsquelle „ römisch XXXX “ nicht zum vereinbarten Übergabeort kam; b./ am 06.12.2017, indem er den Kontakt zwischen […] und einem unbekannt gebliebenen Suchtgiftlieferanten herstellte und zum Ankauf von – für die Einfuhr und den gewinnbringenden Verkauf bestimmten – 2.000 Gramm Cannabiskraut von Wien nach Tschechien fuhr, es mangels Übergabe aber beim Versuch blieb, obgleich [….] seinen „Kontaktmann“ in Tschechien zuvor mehrfach telefonisch kontaktiert hatte und […] in Tschechien auch das von […] verwendete Fahrzeug lenkte; C.) im Zeitraum von Juli 2017 bis etwa 13.04.2018 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar eine konkret nicht mehr feststellbare Menge Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta-9-THC, zum Eigenkonsum.

Als mildernd wurde beim Beschwerdeführer der ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, durch welches der Angeklagte einen Beitrag zur Wahrheitsfindung leistete, es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Sicherstellung des Suchtgifts. Erschwerend war die mehrfache Tatbegehung über einen längeren Zeitraum (zu C./), das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen (in Zusammenschau mit dem Vorurteil) und das mehrfache Überschreiten der Grenzmengen (zu A./ und B./).

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er aufgrund der Tätigkeit seines Vaters, seiner Onkel, seines Schwagers für die ehemalige afghanische Regierung sowie seiner Schwester für eine internationale Organisation ins Visier der Taliban geraten ist und deswegen von den Taliban eine (Reflex-) Verfolgung befürchtet.

Aus den genannten Gründen hat der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung durch die Taliban zu erwarten.

Aus den in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers geht hervor, dass die Taliban bereits vor der Machtübernahme gezielte Tötungen von wichtigen Regierungsvertretern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten vorgenommen haben. Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräften abzusehen, solange diese sich ihnen nicht widersetzten und die Autorität der Taliban akzeptierten, wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Auch wird berichtet, dass es eine neue Strategie der Taliban sei, die Beteiligung an gezielten Tötungen zu leugnen, während sie ihren Kämpfern im Geheimen derartige Tötungen befehlen. Es wurde von Hinrichtungen von Zivilisten und Zivilistinnen sowie ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Personen, die vor Kurzem Anti-Taliban-Milizen beigetreten waren, berichtet. In vielen Städten suchten die Taliban nach ehemaligen Mitgliedern der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANDSF), Beamten der früheren Regierung oder deren Familienangehörigen, bedrohten sie und nahmen sie manchmal fest oder richteten sie hin.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden ua. die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 28.09.2023.

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt:
[…]

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung 2023-03-10 12:02

Quellenangabe und -verwendung

Administrative Einheiten (Distrikte und Provinzen von Afghanistan):

?        NSIA - National Statistics and Information Authority [Afghanistan] (4.2022): Estimated Population of Afghanistan 2022-23, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

Angaben zur Anzahl der Distrikte, den Distriktgrenzen und der administrativen Zugehörigkeit der Distrikte variieren mitunter. 2022 veröffentlichte die afghanische National Statistics and Information Authority (NSIA) eine Publikation mit der Anzahl der Distrikte (insg. 388). Da es sich hierbei um die aktuellste und umfassendste Publikation zur Anzahl und Einordnung der Distrikte in ganz Afghanistan handelt, stützt sich die Darstellung der regionalen Sicherheitslage auf diese Einteilung. Sogenannte "temporäre" Distrikte werden eigens ausgewiesen, ebenso wie kürzlich erfolgte Änderungen der Distrikt- oder Provinzgrenzen (NSIA 4.2022).

Temporäre Distrikte sind Verwaltungseinheiten, die nach Inkrafttreten der Verfassung 2004 vom Präsidenten aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, aber noch nicht vom Parlament beschlossen wurden (AAN 14.4.2020).

Die Transkription afghanischer Eigennamen erfolgt im Allgemeinen nicht nach universell angewandten Regeln. Im Folgenden wurde im Sinne einer Einheitlichkeit bezüglich der Distriktnamen weitgehend die Schreibweise der NSIA übernommen. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass Variationen möglich und üblich sind.

?        GADM - Database of Global Administrative Areas (o.D.): Download GADM data (version 3.6) (GADM o.D.)

Bei der Erstellung der Karten zu Afghanistan und seinen Regionen im Kapitel „Regionen Afghanistans“ wurden bezüglich der Grenzziehung Daten von GADM verwendet. GADM ist eine Datenbank, welche Daten zu administrativen Grenzen von Staaten weltweit auf subnationaler Ebene für nichtkommerzielle Zwecke bereitstellt. Da die Zugehörigkeit einzelner Distrikte zu afghanischen Provinzen mitunter wechselt, kann die Darstellung der Provinzgrenzen auf den Karten von der Zuordnung im Fließtext marginal abweichen (grundsätzlich orientiert sich die von der Staatendokumentation verwendete Zuordnung an jener der nationalen Statistikbehörde Afghanistans (NSIA), Anm.).

?        MapCruzin (o.D.): Download Free Afghanistan Roads ArcGIS Shapefile Map Layers (MapCruzin o.D.)

Bei der Darstellung der Straßen in den Karten des Kapitels „Regionen Afghanistans“ wurde aus Gründen der Verfügbarkeit auf Daten der Website MapCruzin zurückgegriffen. Die verwendete Kartenebene enthält zwei Arten von Straßen: primäre Allwetterstraßen und sekundäre Allwetterstraßen. Die Darstellung der Straßen in den Karten des Kapitels „Regionen Afghanistans“ dient der allgemeinen Übersicht, es wird hierbei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Regionen Afghanistans

Bei der regionalen Darstellung Afghanistans werden die 34 Provinzen in fünf Regionen (Nord-, Ost-, West-, Süd- und Zentralafghanistan) aufgeteilt, wobei neben den regionalen Gegebenheiten auch sämtliche Distrikte aufgezählt werden. In den jeweiligen Unterkapiteln "Aktuelle Lage und jüngste Ereignisse" werden die jeweilige Region betreffende Geschehnisse der jüngsten Zeit aufgeführt. Auch aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan kann diese Aufzählung nicht als abschließend betrachtet werden. Es mag weitere Vorfälle gegeben haben, die in den zugänglichen Quellen (bisher) keine Erwähnung fanden.

Studie zu sozio-ökonomischen Faktoren

Im Auftrag der Staatendokumentation führte ATR Consulting, ein in Kabul ansässiges Beratungsunternehmen, das sich auf Überwachung, Bewertung und Lernen spezialisiert hat, im November 2021 eine Studie zu sozio-ökonomischen Faktoren in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durch. ATR Consulting befragte hierbei 150 männliche und 150 weibliche Haushaltsmitglieder der Altersgruppe 16-35 Jahre. Insgesamt wurden 30 Gemeinden (10 Gemeinden in jeder Provinzhauptstadt) für die Stichprobenziehung ausgewählt. Die Gemeinden wurden mithilfe eines Zufallsprotokolls nach Sprache, ethnischer Zugehörigkeit und sozio-ökonomischem Status ausgewählt. Anfang November 2021 wurden insgesamt 150 Frauen und 150 Männer persönlich befragt, wobei 100 Befragte aus jeder Stadt stammten und die Geschlechter gleichmäßig verteilt waren. Für weitere Informationen zu Methodologie und Ergebnissen sei auf die nachfolgend zitierte Studie verwiesen (ATR/STDOK 18.1.2022).

Im Dezember 2022 führte ATR Consulting im Auftrag der Staatendokumentation eine weitere Studie durch, diesmal wurden ausschließlich Bewohner von Kabul befragt. ATR Consulting befragte hier 334 Männer und 172 Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren. Für weitere Informationen zu Methodologie und Ergebnissen sei auf die nachfolgend zitierte Studie verwiesen (ATR/STDOK 3.2.2023).

COVID-19

Informationen zu COVID-19 sind den jeweiligen Kapiteln (z. B. Medizinische Versorgung, Grundversorgung und Wirtschaft etc...) zu entnehmen.

Europäische Partner

Die Staatendokumentation bedankt sich bei ihren europäischen Partnern, deren COI-Berichte für die Erstellung der vorliegenden Länderinformationen sehr hilfreich waren. Da die Methodologie der Staatendokumentation vorgibt, soweit möglich, Primärquellen zu verwenden, werden die Produkte europäischer Partner jedoch nicht immer direkt zitiert. Hervorzuheben sind folgende Partnerorganisationen:

?        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland]

?        Danish Immigration Service - Dänische Einwanderungsbehörde [Dänemark]]

?        EUAA - European Union Agency for Asylum

?        Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen]

?        Migrationsverket - Schwedisches Migrationsamt [Schweden]

?        SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz]

Taliban-Regierung

Die Regierung der Taliban, das "Islamische Emirat Afghanistan" wurde mit Stand Februar 2023 von keinem Land der Welt anerkannt. Sie gilt als eine de-facto-Regierung mit de-facto-Ministerien und de-facto-Ministern. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Länderinformationen auf die wiederholte Bezeichnung "de-facto" verzichtet.

Politische Lage

Letzte Änderung 2023-09-21 13:02

Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 1.6.2023). Sie bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem "islamischen Recht und den afghanischen Werten" regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweisen bestimmen (USIP 17.8.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.6.2023). Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 1.6.2023). Sie bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USIP 17.8.2022; vergleiche VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem "islamischen Recht und den afghanischen Werten" regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweisen bestimmen (USIP 17.8.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.6.2023).

Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.8.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. REU 7.9.2021a; VOA 19.8.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 8.9.2021; vgl. DIP 4.1.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 1.6.2023) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.6.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansässige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 1.6.2023). Innerhalb weniger Wochen kündigten die Taliban "Interims"-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.8.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.8.2022; vgl. HRW 4.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge "Sittenpolizei" berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.8.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.8.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.9.2021; vgl. GD 20.9.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.6.2023).Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.8.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 7.7.2022a; vergleiche REU 7.9.2021a; VOA 19.8.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 8.9.2021; vergleiche DIP 4.1.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 1.6.2023) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.6.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansässige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 1.6.2023). Innerhalb weniger Wochen kündigten die Taliban "Interims"-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.8.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.8.2022; vergleiche HRW 4.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge "Sittenpolizei" berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.8.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.8.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.9.2021; vergleiche GD 20.9.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.6.2023).

Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 26.6.2023).

[…]

Die neue Regierung wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 8.9.2021; vgl. REU 7.9.2021b, Afghan Bios 18.7.2023a).Die neue Regierung wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 8.9.2021; vergleiche REU 7.9.2021b, Afghan Bios 18.7.2023a).

Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 7.9.2021; vgl. REU 7.9.2021b, Afghan Bios 16.2.2022) der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.2.2021 unterzeichnete (AJ 7.9.2021; vgl. VOA 29.2.2020) und Abdul Salam Hanafi (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 7.7.2022b) der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 7.7.2022b; vgl. UNSC o.D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 18.7.2023b; vgl. 8am 5.10.2021, UNGA 28.1.2022).Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 7.9.2021; vergleiche REU 7.9.2021b, Afghan Bios 16.2.2022) der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.2.2021 unterzeichnete (AJ 7.9.2021; vergleiche VOA 29.2.2020) und Abdul Salam Hanafi (REU 7.9.2021b; vergleiche Afghan Bios 7.7.2022b) der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 7.7.2022b; vergleiche UNSC o.D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 18.7.2023b; vergleiche 8am 5.10.2021, UNGA 28.1.2022).

Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 4.3.2023; vgl. JF 5.11.2021) als Innenminister (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 4.3.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 1.3.2023) welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 1.3.2023; vgl. UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 7.9.2021b; vgl. Afghan Bios 4.5.2023) dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 4.5.2023; vgl. RFE/RL 29.8.2020). Auch hohe Beamte auf subnationaler Ebene, darunter Provinzgouverneure, Polizeichefs, Abteilungsleiter, Bürgermeister und Distriktgouverneure, wurden in weiterer Folge ernannt (UNGA 28.1.2022; vgl. 8am 5.10.2021). Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 4.3.2023; vergleiche JF 5.11.2021) als Innenminister (REU 7.9.2021b; vergleiche Afghan Bios 4.3.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 7.9.2021b; vergleiche Afghan Bios 1.3.2023) welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 1.3.2023; vergleiche UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 7.9.2021b; vergleiche Afghan Bios 4.5.2023) dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 4.5.2023; vergleiche RFE/RL 29.8.2020). Auch hohe Beamte auf subnationaler Ebene, darunter Provinzgouverneure, Polizeichefs, Abteilungsleiter, Bürgermeister und Distriktgouverneure, wurden in weiterer Folge ernannt (UNGA 28.1.2022; vergleiche 8am 5.10.2021).

Nach ihrer Machtübernahme kündigten hochrangige Taliban-Führer eine weitreichende Generalamnestie an, die Repressalien für Handlungen vor der Machtübernahme durch die Taliban untersagte, auch gegen Beamte und andere Personen, die mit der Regierung vor dem 15.8.2021 in Verbindung standen (USDOS 12.4.2022a; vgl. UNGA 28.1.2022). Es wird jedoch berichtet, dass diese Amnestie nicht konsequent eingehalten wurde, und es kam zu willkürlichen Verhaftungen, gezielten Tötungen und Angriffen auf ehemalige afghanische Regierungsmitarbeiter (ANI 20.7.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, UNGA 28.1.2022).Nach ihrer Machtübernahme kündigten hochrangige Taliban-Führer eine weitreichende Generalamnestie an, die Repressalien für Handlungen vor der Machtübernahme durch die Taliban untersagte, auch gegen Beamte und andere Personen, die mit der Regierung vor dem 15.8.2021 in Verbindung standen (USDOS 12.4.2022a; vergleiche UNGA 28.1.2022). Es wird jedoch berichtet, dass diese Amnestie nicht konsequent eingehalten wurde, und es kam zu willkürlichen Verhaftungen, gezielten Tötungen und Angriffen auf ehemalige afghanische Regierungsmitarbeiter (ANI 20.7.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023, UNGA 28.1.2022).

Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.8.2022). Diese Dynamik wurde am 23.3.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.8.2022; vgl. RFE/RL 24.3.2022, UNGA 15.6.2022), was Experten als ein Zeichen für eine Spaltung der Gruppe in Bezug auf die künftige Ausrichtung der Herrschaft in Afghanistan bezeichnen (GD 6.7.2022). Seitdem sind die Mädchenbildung und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von "duellierenden Machtzentren" zwischen den in Kabul und Kandahar ansässigen Taliban zu sprechen (USIP 17.8.2022) und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 3.6.2022a). Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.8.2022).Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.8.2022). Diese Dynamik wurde am 23.3.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.8.2022; vergleiche RFE/RL 24.3.2022, UNGA 15.6.2022), was Experten als ein Zeichen für eine Spaltung der Gruppe in Bezug auf die künftige Ausrichtung der Herrschaft in Afghanistan bezeichnen (GD 6.7.2022). Seitdem sind die Mädchenbildung und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von "duellierenden Machtzentren" zwischen den in Kabul und Kandahar ansässigen Taliban zu sprechen (USIP 17.8.2022) und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 3.6.2022a). Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.8.2022).

In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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