TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/20 95/18/0856

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Veröffentlicht am 20.07.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1 Z2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §21;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §12;
SGG §16;
StGB §43 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. März 1995, Zl. SD 1396/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, idF BGBl. Nr. 314/1994, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. November 1994 wegen der §§ 12, 16 Suchtgiftgesetz und § 107 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei damit erfüllt. Die der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten rechtfertigten die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme. Im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer (seit seiner Geburt) und seine Familie im Bundesgebiet aufhielten, stelle das Aufenthaltsverbot einen sehr bedeutenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Den von ihm begangenen Strataten komme unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit derart erhebliches Gewicht zu, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 leg. cit. zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 Menschenrechtskonvention genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und des Lebens anderer, dringend geboten sei.

Bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung seien die durch die Straftaten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen ungleich höher zu veranschlagen als die im Hinblick auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers zweifellos beträchtlichen privaten und familiären Interessen, zumal bei Suchtgiftdelikten dieser Art auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig sei. Da die Tat des Beschwerdeführers auch die Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz (sogenannte "Übermenge") erfülle und bei Suchtgiftdelikten eine nicht von der Hand zu weisende Wiederholungsgefahr bestehe, wären auf Grund der Notwendigkeit einer wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer keinesfalls schwerer zu gewichten als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme davon. Auch § 20 Abs. 2 FrG stehe der getroffenen Maßnahme nicht entgegen, da sich das Aufenthaltsverbot auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG stütze und der Berufungswerber wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die auf Grund des obigen Sachverhaltes zutreffende Beurteilung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Der Beschwerdeführer bekämpft auch nicht die gleichfalls unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.

2. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessensabwägung hat die belangte Behörde auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, insbesondere den Umstand, daß sich der Beschwerdeführer seit Geburt in Österreich aufhält und auch seine Familie in Österreich lebt, Bedacht genommen und hat die auf diesen Umständen beruhenden negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als sehr bedeutend gewertet. Dieser zutreffenden Einschätzung hat sie aber ebenso zutreffend das sehr große Gewicht der maßgeblichen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegenübergestellt. Wenn die belangte Behörde wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig schwerer wiegend ansah als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Aus der der Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 12 SGG (Erzeugung, Einfuhr, Ausfuhr oder In-Verkehr-Setzung einer großen Menge Suchtgift) zugrundeliegenden Tat ergibt sich eindeutig die vom Beschwerdeführer bzw. dessen (weiteren) Aufenthalt in Österreich ausgehende schwere Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen. Daß gerade die im angefochtenen Bescheid unterstrichene Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG (deren Vorliegen vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt wird) diese Gefährdung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gesundheit, noch zu steigern geeignet ist, bedarf keiner näheren Darlegung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0987). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, daß der Beschwerdeführer auch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB verurteilt wurde, was die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen noch weiter unterstreicht.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in der Türkei keine Familienangehörigen, kenne dieses Land nur aus dem Urlaub und könne sich dort nicht verständigen, vermag das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG schon im Hinblick auf das Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht zu seinen Gunsten zu beeinflussen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0485). Das Gewicht der dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Straftaten wird auch dadurch nicht entscheidend verringert, daß es sich um seine erste derartige Verfehlung gehandelt hat. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß bei einer einmaligen Verurteilung der Schluß auf eine Wiederholungsgefahr nicht gezogen werden dürfe, kann nicht geteilt werden, zumal zwischen der gerichtlichen Verurteilung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur ein Zeitraum von vier Monaten liegt, welcher für die Erstellung einer Prognose über ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers viel zu kurz ist.

Auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, daß er in Österreich die Pflichtschule absolviert und eine Ausbildung als Dreher genossen habe, vermag sich bei der gemäß § 20 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung nicht entscheidend zu seinen Gunsten auswirken. Selbst wenn der Beschwerdeführer in seinem erlernten Beruf arbeitete - was in der Beschwerde gar nicht vorgebracht wird - wäre dem nur ein geringes Gewicht beizumessen, zumal die für eine daraus abzuleitende Integration wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0286).

Zusammenfassend vertritt somit der Gerichtshof die Auffassung, daß das von der belangten Behörde aus der Gegenüberstellung der privaten und familiären Interessen einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits gewonnene Ergebnis eines Überwiegens der zuletzt gennannten mit dem Gesetz in Einklang steht.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren wäre im Hinblick auf die vom Gericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht für eine Probezeit von lediglich drei Jahren völlig unangemessen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde auch bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht an die vom Gericht zur Frage der - im vorliegenden Fall im gemäß § 43 Abs. 1 StGB zulässigen Höchstausmaß von drei Jahren festgesetzten - Dauer der Probezeit angestellten Erwägungen gebunden ist. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0189) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Aus der von der belangten Behörde vorgenommenen Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren ergibt sich, daß sie die Auffassung vertreten hat, nach zehn Jahren würden die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes wegfallen. Darin kann schon im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers erblickt werden, zumal im vorliegenden Fall das Aufenthaltsverbot gemäß § 21 Abs. 1 FrG auch unbefristet hätte erlassen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0202).

Soweit im Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er bereits vor seiner Verurteilung die Voraussetzungen für die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt habe, die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 20 Abs. 2 Z. 1 FrG releviert wird, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung nach ihrem letzten Halbsatz bei einem auf § 18 Abs. 2 FrG zu gründenden Aufenthaltsverbot, dem eine Verurteilung wegen einer mit mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung zugrundeliegt (die Strafdrohung für das Verbrechen nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z. 3 SGG beträgt ein bis fünfzehn Jahre), nicht anwendbar ist.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180856.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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