TE Vfgh Beschluss 1993/6/14 G241/92, G249/92, G255/92, G264/92

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Veröffentlicht am 14.06.1993
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Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art129a Abs3
GüterbeförderungsG §15b Abs5

Leitsatz

Zurückweisung der Anträge eines unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung einer Bestimmung des GüterbeförderungsG mangels Präjudizialität der angefochtenen, im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht in Geltung gestandenen Norm

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich stellte zum AZ G241/92 aufgrund seines Kammerbeschlusses (§67 a Abs2 AVG) vom 7. Dezember 1992 in dem bei ihm anhängigen Verfahren über die Berufung des K S gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 15. Juli 1992, ZV/1-G-8224, womit ein Antrag auf Erteilung einer auf Abschleppdienst und Transport von Kraftfahrzeugen eingeschränkten Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr gemäß §5 Abs1 iVm §5 a Abs1 GüterbeförderungsG idF BGBl. 630/1982 abgewiesen wurde, gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "den §15 b Abs5 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952 idF BGBl. Nr. 453/1992, zur Gänze als verfassungswidrig auf(...)heben."

1.1.1.2. Der unabhängige Verwaltungssenat führte zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Norm aus:

"Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich ist eine Berufung des ... K S gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. Juli 1992, V/1-G-8224, anhängig. Mit diesem Bescheid wurde einem Ansuchen des Berufungswerbers um Erteilung gemäß §5 Abs1 iVm §5 a Abs1 GüterbeförderungsG, BGBl. Nr. 630/1982, nicht Folge gegeben. Die Berufung wurde rechtzeitig eingebracht. Gemäß §15 b Abs5 GüterbeförderungsG idF BGBl. Nr. 453/1992 entscheiden in den Fällen, in denen gegen den Bescheid des Landeshauptmannes eine Berufung zulässig ist, über die Berufungen in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Da sich die Berufung gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wendet, ist diese Bestimmung für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im vorliegenden Fall präjudiziell."

1.1.2.1. Die zur Äußerung aufgeforderte Bundesregierung gab schriftlich bekannt, daß sie im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Oktober 1992, G103-107/92 ua., von der Erstattung einer meritorischen Stellungnahme Abstand nehme.

1.1.2.2. Die am Verfahren beteiligten Parteien erstatteten keine Äußerungen.

1.2.1.1. Ferner stellte der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zum AZ G249/92 durch seine zuständige Kammer (Beschluß vom 10. Dezember 1992) in dem bei ihm gleichfalls anhängigen Verfahren über die Berufung des M J K gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 25. Mai 1992, ZV/1-G-5268/2, womit gemäß §87 Abs1 Z1 iVm §13 Abs3 GewO 1973 die - auf Verwendung von zwei Kraftfahrzeugen eingeschränkte - Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr im Standort Weinburg entzogen wurde, einen gleichlautenden Aufhebungsantrag, der im wesentlichen wie der frühere begründet ist.

1.2.1.2. Auf Grund seines Kammerbeschlusses vom 10. Dezember 1992 brachte derselbe Senat zum AZ G255/92 in dem bei ihm anhängigen Verfahren über die Berufung des F R gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 4. November 1992, ZV/1-G-4940/2, womit gemäß §87 Abs1 Z1 iVm §13 Abs3 GewO 1973 die - auf Verwendung von zehn Kraftfahrzeugen eingeschränkte - Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr im Standort Haugsdorf entzogen wurde, gemäß Art. 140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG einen im wesentlichen gleichen Aufhebungsantrag ein (s. 1.1.1. und 1.2.1.1.).

1.2.1.3. Auch im Verfahren über die Berufung der im Firmenbuch des Landes- als Handelsgerichts St. Pölten für die Ausübung des Güterfernverkehrs mit dreiunddreißig Kraftfahrzeugen im Standort Blindenmarkt eingetragenen K GesmbH gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 18. September 1992, ZV/1-G-2959/4, womit gemäß §91 Abs1 GewO 1973 die Bestellung des K K zum gewerberechtlichen Geschäftsführer widerrufen wurde, beantragte der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich durch seine zuständige Kammer (Beschluß vom 15. Dezember 1992), der Verfassungsgerichtshof wolle §15 b Abs5 GüterbeförderungsG, BGBl. 63/1952 idF 453/1992, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben. Der Senat wiederholt auch darin die in den Verfahren AZ G 241, 249 und 255/92 vorgetragene Begründung. Dieser Antrag ist zum AZ G264/92 protokolliert.

1.2.2.1. Die zur Äußerung eingeladene Bundesregierung beantwortete auch die in Abschnitt 1.2. angeführten Anträge mit der zu 1.1.2.1. zitierten Zuschrift.

1.2.2.2. Die an den Verfahren G 249, 255 und 264/92 beteiligten Parteien gaben keine Stellungnahmen ab.

1.3.1. §15 b GüterbeförderungsG idF BGBl. 453/1992 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Konzessionen für den Güternahverkehr (§3 Abs2 Z1) erteilt die Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Konzessionen für den Güterfernverkehr (§3 Abs2 Z2) erteilt der Landeshauptmann.

(3) Die Untersagung der Güterbeförderung (§7 b Abs4) verfügt die Bezirksverwaltungsbehörde.

(4) Den Entzug der erforderlichen Bewilligung oder der Kontingenterlaubnis (§7 b Abs6) verfügt der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, im Falle der Ermächtigung des Landeshauptmannes im Sinne des §7 a Abs3 der Landeshauptmann.

(5) In den Fällen, in denen gegen den Bescheid des Landeshauptmannes eine Berufung zulässig ist, entscheiden über die Berufungen in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern."

1.3.2. ArtIII des Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden, BGBl. 453/1992, lautet in seinem ersten Absatz:

"Dieses Bundesgesetz tritt mit Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße in Kraft."

2. Die Anträge werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Sie sind nicht zulässig.

2.1. Das Bundesgesetz BGBl. 453/1992, womit §15 b GüterbeförderungsG neu gefaßt wurde, trat nach seinem ArtIII erst "mit dem Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße in Kraft", das ist gemäß Art24 Abs3 dieses Abkommens mit dem 1. Jänner 1993 (s. BGBl. 823/1992, 4579). Demgemäß stand die angefochtene Bestimmung des §15 b Abs5 GüterbeförderungsG, BGBl. 63/1952 idF BGBl. 453/1992, noch gar nicht in Geltung, als der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im Dezember 1992 beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Vorschrift gemäß Art140 Abs1 B-VG beantragte. Zu einer solchen Antragstellung ist der Verwaltungssenat aber nur dann legitimiert, wenn er die angefochtene Norm in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hat: Der Senat ist zwar dieser Meinung und bejaht - ohne nähere Begründung - die Präjudizialität des §15 b leg. cit., doch muß der Verfassungsgerichtshof diese ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkmöglichkeit hin untersuchen (vgl. VfSlg. 9284/1981 uvam.); tritt dabei die Unrichtigkeit des Standpunkts des Verwaltungssenats offen zu Tage, ist der Antrag unzulässig. Eben dies trifft hier auf sämtliche Anträge zu, weil der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich eine im Zeitpunkt seiner Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof überhaupt noch nicht in Geltung stehende Gesetzesbestimmung unter keinen Umständen anwenden durfte (s. auch VfSlg. 11915/1988).

2.2. Die Anträge waren daher zurückzuweisen.

2.3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, Gewerberecht, Güterbeförderung, Unabhängiger Verwaltungssenat, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G241.1992

Dokumentnummer

JFT_10069386_92G00241_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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