TE Bvwg Erkenntnis 2024/3/14 W117 2277660-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2024
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Entscheidungsdatum

14.03.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. BFA-VG § 21 heute
  2. BFA-VG § 21 gültig von 01.06.2018 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. BFA-VG § 21 gültig ab 01.06.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. BFA-VG § 21 gültig von 20.07.2015 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  7. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  8. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W117 2277662-1/4E

W117 2277663-1/4E

W117 2277658-1/4E

W117 2277660-1/4E

W117 2277661-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX und 5.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, die Minderjährigen gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , alle vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2023, 1.) Zl. 1324340604-222881353, 2.) Zl. 1324340800-222881396, 3.) Zl. 1324303208-222881455, 4.) Zl. 1324304401-222881418 und 5.) Zl. 1324304009-222881477 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 2.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 3.) mj. römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 4.) mj. römisch XXXX , geb. römisch XXXX und 5.) mj. römisch XXXX , geb. römisch XXXX , alle StA. Syrien, die Minderjährigen gesetzlich vertreten durch ihre Mutter römisch XXXX , alle vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die jeweiligen Spruchpunkte römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2023, 1.) Zl. 1324340604-222881353, 2.) Zl. 1324340800-222881396, 3.) Zl. 1324303208-222881455, 4.) Zl. 1324304401-222881418 und 5.) Zl. 1324304009-222881477 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF 1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF 2), beide syrische Staatsangehörige, sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer (BF 3, BF 4 und BF 5).

Die Beschwerdeführer (BF) reisten spätestens am 14.09.2022 illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und beantragten (die Minderjährigen gesetzlich vertreten durch die BF 2) internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF 1, zu seinen Fluchtgründen befragt, an, seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, weil er dort keine Arbeit finde; es gebe keine Zukunft in Syrien und er fürchte sich vor Armut.

Die BF 2 gab in ihrer Erstbefragung (ebenfalls am 14.09.2022) zu den Gründen für ihre Ausreise aus Syrien an, dass die allgemeine Lage dort sehr schlecht sei und sie Angst vor der Zukunft habe.

Am 06.06.2023 wurden der BF 1 und die BF 2 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) einvernommen.

Dabei gab der BF 1, abermals zu seinen Fluchtgründen befragt, an, starkem Druck durch die syrische Regierung ausgesetzt gewesen zu sein, die ihn Anfang 2012 mehrfach dazu aufgefordert habe, als Reservist einzurücken. Konkret habe er binnen zweieinhalb Monaten dreimal eine postalische Aufforderung bekommen, drei weitere Male sei ein Polizist zu ihm nachhause gekommen und habe ihn mündlich zur Einrückung aufgefordert. Er sei diesen Aufforderungen aber nicht nachgekommen. Der Polizist habe ihm auch mitgeteilt, dass sein Name auf einer Liste stehe und ihm dazu geraten, das Land zu verlassen. Seit 2012 sei jedoch keine Aufforderung seitens der syrischen Regierung mehr gekommen. Hauptsächlich habe er Syrien verlassen, weil er nicht als Reservist eingezogen werden habe wollen, aber auch die Sicherheit seiner Kinder hätten ihn zur Ausreise bewegt.

Die BF 2 gab im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, sich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes zu beziehen. Weder sie selbst noch die Kinder (BF 3 – BF 5) hätten eigene Fluchtgründe.

Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 19.07.2023 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 14.09.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkte I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkte II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkte III.).Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 19.07.2023 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 14.09.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkte römisch eins.), erkannte ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkte römisch II.) und erteilte ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkte römisch III.).

Begründend führte die Behörde – zu den hier einzig relevanten Spruchpunkten I. – im Wesentlichen aus, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat Syrien keiner wie immer gearteten konkreten und individuellen Verfolgung ausgesetzt seien. Insbesondere liefe der BF 1 nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, zum Reservedienst eingezogen zu werden, zumal das syrische Regime (bzw. Militär) keinen Zugriff auf die von der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrollierte Herkunftsregion der BF habe. Eine Einberufung durch türkische Einheiten oder die FSA sei ebenfalls nicht erfolgt. Weiters könnten die BF über den Irak, beispielsweise über den Grenzübergang Semalka, ohne Kontakt zu den syrischen Behörden in ihre Heimatregion einreisen. Die BF 2 – BF 5 hätten keine eigenen (asylrelevanten) Fluchtgründe vorgebracht und seien solche auch von Amts wegen nicht hervorgekommen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die BF Syrien wegen der allgemein prekären Sicherheitslage aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges und der daraus resultierenden Bedrohungssituation verlassen hätten.Begründend führte die Behörde – zu den hier einzig relevanten Spruchpunkten römisch eins. – im Wesentlichen aus, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat Syrien keiner wie immer gearteten konkreten und individuellen Verfolgung ausgesetzt seien. Insbesondere liefe der BF 1 nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, zum Reservedienst eingezogen zu werden, zumal das syrische Regime (bzw. Militär) keinen Zugriff auf die von der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrollierte Herkunftsregion der BF habe. Eine Einberufung durch türkische Einheiten oder die FSA sei ebenfalls nicht erfolgt. Weiters könnten die BF über den Irak, beispielsweise über den Grenzübergang Semalka, ohne Kontakt zu den syrischen Behörden in ihre Heimatregion einreisen. Die BF 2 – BF 5 hätten keine eigenen (asylrelevanten) Fluchtgründe vorgebracht und seien solche auch von Amts wegen nicht hervorgekommen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die BF Syrien wegen der allgemein prekären Sicherheitslage aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges und der daraus resultierenden Bedrohungssituation verlassen hätten.

Gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. der genannten Bescheide erhoben die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 17.08.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die BF günstigerer Bescheide erzielt worden wären.Gegen die jeweiligen Spruchpunkte römisch eins. der genannten Bescheide erhoben die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 17.08.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die BF günstigerer Bescheide erzielt worden wären.

Dazu wurde zunächst ausgeführt, der BF 1 werde nachweislich zum Reservedienst gesucht und sei bereits wiederholt aufgefordert worden, diesen anzutreten, wobei der BF 1 zudem über eine militärische Spezialausbildung als Panzerfahrer verfüge. Darüber hinaus würden auch der Umstand, dass der BF 1 aus einem oppositionellen Gebiet stamme sowie seine illegale Ausreise mit der Familie und die Asylantragstellung in Österreich die asylrelevante Verfolgungsgefahr noch weiter erhöhen. Der BF1 weigere sich aus persönlichen Gewissens- sowie aus politischen Gründen, den Reservedienst zu absolvieren. In dieser Weigerung komme seine Ablehnung des politischen Systems des syrischen Regimes zum Ausdruck. Das Heimatdorf der BF befinde sich in unmittelbarer Nähe zum syrischen Regierungsgebiet, eine Einreise sei nur über dieses möglich. Die Heimatregion der BF sei nicht sicher und legal erreichbar, zumal große Teile Aleppos einerseits unmittelbar vom syrischen Regime kontrolliert würden, andererseits könne dieses aber auch im von der FSA kontrollierten Gebiet auf den BF 1 zugreifen. Dem BF 1 und – im Rahmen des Familienverfahrens von ihm abgeleitet – auch den BF 2 – BF 5 wäre sohin der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Darüber hinaus lägen aber auch im Falle der BF 2 – BF 5 eigenständige Fluchtgründe vor, denen Asylrelevanz zukomme:

So sei der Bruder der BF 2 aufgrund seiner Weigerung, für das Assad-Regime zu kämpfen, in Syrien getötet worden. Der BF 2 drohe somit eine asylrelevante Reflexverfolgung, weil ihr aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ihrem Bruder ebenso eine feindlich-oppositionelle politische Gesinnung iSd Genfer Flüchtlingskonvention zumindest unterstellt werde. Auch sie verfüge – ebenso wie der BF 1 – über keinen gültigen syrischen Reisepass, weshalb (auch) sie ihre Heimatregion nicht erreichen könne, ohne das syrische Regierungsgebiet zu durchqueren.

Den BF 4 – BF 5 drohe eine Einziehung zum Militärdienst, sobald sie das wehrfähige Alter erreicht haben.

Zudem würde den BF 2 – BF 5 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Familie des BF 1 sowie ihrer Herkunft aus dem oppositionellen FSA-Besatzungsgebiet, ihrer illegalen Ausreise sowie ihrer Asylantragstellung in Österreich vom syrischen Regime eine feindlich-oppositionelle politische Gesinnung iSd GFK zumindest unterstellt werden.

Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragten die BF die Abänderung der jeweiligen Spruchpunkte I. der bekämpften Bescheide und Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (allenfalls iVm § 34 Abs. 4 AsylG) an die BF; in eventu, die Behebung der bekämpften Bescheide im angefochtenen Umfang und Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA.Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragten die BF die Abänderung der jeweiligen Spruchpunkte römisch eins. der bekämpften Bescheide und Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG (allenfalls in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 4, AsylG) an die BF; in eventu, die Behebung der bekämpften Bescheide im angefochtenen Umfang und Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA.

In Bezug auf das am 26.02.2024 gewährte Parteiengehör zur aktuellen Ländersituation erstatteten die Beschwerdeführer innerhalb offener Frist eine Stellungnahme.

Sie führten nochmals wie in der Beschwerde aus, dass ihre Heimatregion nur über Regimegebiet erreichbar sei und dass Rückkehrern im wehrfähigen und reservepflichtigen Alter bei der Einreise über einen Grenzübergang, der von der syrischen Regierung kontrolliert werde, die sofortige Verhaftung bzw Einziehung in den Militärdienst drohe.

Die BF würden unvermeidlich in Kontakt mit dem syrischen Regime kommen, wo ihnen, wie dargestellt, Verfolgungshandlungen drohen würden. Die BF würden daher alle Voraussetzungen für die Asylzuerkennung erfüllen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I. Sachverhalt:römisch eins. Sachverhalt:

Zu den BF:

Die BF führen die im Spruch genannten Identitäten. Sie sind syrische Staatsangehörige, gehören der arabischen Volksgruppe an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Arabisch. Der BF 1 und die BF 2 sind verheiratet und die Eltern der BF 3, des BF 4 und des BF 5.

Die BF stammen aus dem Dorf XXXX , welches nahe der Stadt Al-Bab gelegen ist und sich im Gouvernement Aleppo befindet. Dort haben sie bis zu ihrer Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 gelebt. Anschließend reisten die BF über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich ein, wo sie am 14.09.2022 internationalen Schutz beantragten.Die BF stammen aus dem Dorf römisch XXXX , welches nahe der Stadt Al-Bab gelegen ist und sich im Gouvernement Aleppo befindet. Dort haben sie bis zu ihrer Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 gelebt. Anschließend reisten die BF über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich ein, wo sie am 14.09.2022 internationalen Schutz beantragten.

Den BF kommt in Österreich seit 24.07.2023 (Zustelldatum Bescheid) der Status von subsidiär Schutzberechtigten zu.

Die BF sind gesund und – soweit strafmündig – strafgerichtlich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF sind in ihrem Herkunftsstaat keiner konkreten individuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung durch das syrische Regime oder andere Akteure ausgesetzt.

Der BF 1 hat seinen Pflichtwehrdienst bereits abgeleistet und im Rahmen dessen Spezialkenntnisse als Panzerfahrer erworben. 2012 wurde er von der syrischen Armee (wiederholt) zum Reservedienst einberufen, leistete den jeweiligen Einberufungsbefehlen jedoch nicht Folge. Er wird (laut einer Online-Abfrage auf einem Webauftritt des Verteidigungsministeriums des syrischen Staats) von der syrischen Regierung auch aktuell noch als Reservist geführt, lehnt es aber (weiterhin) aus persönlichen Gewissens- sowie aus politischen Gründen ab, für das syrische Regime zu kämpfen.

Das Herkunftsgebiet der BF, Al-Bab, befindet sich im Nordwesten Syriens, nahe der türkischen Grenze, und steht unter Kontrolle der Türkei und Türkei-naher Milizen, darunter die Syrische Nationalarmee (SNA, vormals „Freie Syrische Armee“). Das syrische Regime hält dort keine Präsenz und hat auch keinen Zugriff auf Personen, die sich dort aufhalten.

Der BF 1 kann seine Heimatregion über einen der türkisch-syrischen Grenzübergänge im Norden Syriens, die nicht vom syrischen Regime kontrolliert werden – wie beispielsweise über jenen in Al-Rai (auch: Al Ra’ee oder Ar-Ra’i), der unter der Kontrolle der oppositionellen „Syrischen Interimsregierung“ (SIG) steht und auch für den Personenverkehr geöffnet ist – erreichen, ohne dabei durch Gebiete reisen zu müssen, die unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehen.

Er liefe daher – im Falle seiner Rückkehr in die Heimatregion – nicht Gefahr, vom syrischen Regime zum Reservedienst zwangsrekrutiert zu werden.

Dem BF 1 droht darüber hinaus auch keine Zwangsrekrutierung durch die SNA, da diese den Bürgern in den von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrpflicht auferlegt.

Er liefe weiters nicht Gefahr, von kurdischen Einheiten, oder anderen Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden, da auch diese keine Präsenz in den von der Türkei (bzw. der SNA) gehaltenen Gebieten halten und dort keine Personen für die Armee rekrutieren können.

Dem neunjährigen BF 4 sowie dem knapp fünfjährigen BF 5 droht – entgegen dem Beschwerdevorbringen – von vorne herein keine Rekrutierung zum Pflichtwehrdienst durch die syrische Regierung, zumal beide sich fernab des wehrpflichtigen Alters befinden.

Weiters droht der BF 2 – wiederum entgegen dem Beschwerdevorbringen – keine individuelle Bedrohung oder Verfolgung aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu ihrem Bruder, der (ihren eigenen Angaben zufolge) – infolge seiner Weigerung für das Assad-Regime zu kämpfen – getötet wurde.

Den BF drohen in Syrien auch keine psychischen oder physischen Eingriffe in ihre körperliche Integrität aufgrund ihrer Herkunft aus einem oppositionell kontrollierten Gebiet, oder wegen ihrer Ausreise und Asylantragstellung in Österreich.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden folgende Quellen herangezogen:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 9, vom 17.07.2023

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: TÜRKEI – Ein- und Durchreisebestimmungen für Syrer, Passieren von Grenzübergängen zu Syrien, vom 24.10.2023

?        Themenbericht der Staatendokumentation: Syrien – Grenzübergänge, vom 25.10.2023

?        EUAA – Country Guidance Syria, Februar 2023

?        UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021

1.) Auszug aus dem Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (Version 9, 17.07.2023, Schreibfehler teilweise korrigiert):

„[…]

Politische Lage

Letzte Änderung: 10.07.2023

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).

Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).

Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023). […]Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023). […]

Syrische Arabische Republik

Letzte Änderung: 10.07.2023

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v.a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 29.3.2023).

Institutionen und Wahlen

Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).

Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 % und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 % und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).

Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 % (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).

Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).

Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023). […]

Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung

Letzte Änderung: 11.07.2023

Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).

Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).

Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Tü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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