TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/20 95/07/0041

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Veröffentlicht am 20.07.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §66 Abs2;
VwRallg;
WRG 1959 §111 Abs1;
WRG 1959 §124;
WRG 1959 §29 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1. des R in M und 2. des B in M, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Jänner 1995, Zl. IIIa1-12.449/9, betreffend Feststellung des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Oktober 1994 stellte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) gemäß den §§ 29 Abs. 1 und 27 Abs. 1 lit. c des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) fest, daß die dem Rechtsvorgänger des Zweitbeschwerdeführers mit Bescheid der BH vom 30. September 1926, Zl. 3005/3 (Wasserbuch-Postzahl NN1) erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von 6 Minutenlitern Wasser aus der auf Grundstück Nr. 554, KG F., entspringenden Quelle zum Betrieb einer Trinkwasserleitung, welche auf die Dauer von 60 Jahren erteilt wurde, durch Ablauf der Zeit erloschen ist und daß weiters die dem Rechtsvorgänger des Erstbeschwerdeführers mit Bescheid der BH vom 30. September 1926, Zl. 3004/4 (Wasserbuch-Postzahl NN2) erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von 18 Minutenliter Wasser aus der auf Grundstück Nr. 554, KG F., entspringenden Quelle zum Betrieb einer Trinkwasserleitung, welche auf die Dauer von 60 Jahren erteilt wurde, ebenfalls durch Ablauf der Zeit erloschen ist (Spruchabschnitt I).

Unter Spruchabschnitt II wurde gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 ausgesprochen, daß hinsichtlich der Wasserbenutzungsrechte, deren Erlöschen unter Spruchabschnitt I festgestellt wurde, keine letztmaligen Vorkehrungen erforderlich sind und daß die - näher beschriebene - Trinkwasserleitung bestehen bleiben kann.

Spruchabschnitt III enthält gemäß § 29 Abs. 5 WRG 1959 den Ausspruch, daß die durch das Erlöschen der Wasserbenutzungsrechte entbehrlich gewordenen, nicht im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten erloschen sind.

Unter Spruchabschnitt IV wurden den Anträgen der Beschwerdeführer auf Feststellung, welche Anlageteile von einem allfälligen Erlöschungsbescheid betroffen seien bzw. welche noch benützt würden, keine Folge gegeben.

Unter Spruchabschnitt V wurden nicht näher konkretisierte Einwendungen des Zweitbeschwerdeführers abgewiesen.

In der Begründung wird ausgeführt, die unter Spruchabschnitt I angeführten wasserrechtlichen Bewilligungen seien befristet auf die Dauer von 60 Jahren erteilt worden und daher 1986 erloschen.

Der dem Verfahren beigezogene kulturbautechnische Amtssachverständige habe ausgeführt, daß die Leitung gemäß "Situationsplan" aus dem Jahr 1926 nicht mehr der tatsächlich ausgeführten und derzeit genutzten Versorgungsanlage entspreche. Die Leitung von der Quellstube bis zum "O-Gut" solle daher gelöscht werden. Letztmalige Vorkehrungen seien nicht erforderlich.

Ausdrücklich werde festgehalten, daß sich das Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes nur auf die bewilligten Anlageteile beziehen könne. Demnach lege die BH ihrem Bescheid die Situationspläne aus dem Jahre 1926 zugrunde. Die darin eingezeichneten und bewilligten Leitungen gälten daher als gelöscht. Der vorliegende Bescheid beziehe sich nicht auf Anlagenteile, welche (offensichtlich ohne wasserrechtliche Bewilligung) nachträglich errichtet worden seien. Eine Bewilligung zur Änderung der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage habe nicht gefunden werden können. Aus diesem Grunde erübrige sich auch die beantragte Durchführung einer Gesamterhebung, welche Anlagenteile heute noch in Verwendung stünden und vom einzelnen Wasserberechtigten benötigt würden.

Der Einwand des Zweitbeschwerdeführers, daß das Erlöschen eines zivilrechtlichen Wasserbezugsrechtes nicht im Wege eines verwaltungsrechtlichen Bescheides festgestellt werden könne, gehe ins Leere. Mit dem vorliegenden Bescheid werde nämlich nur festgestellt, daß von der Wasserrechtsbehörde erteilte wasserrechtliche Bewilligungen erloschen seien. Ein zivilrechtliches Wasserbezugsrecht solle (und könne) nicht gelöscht werden.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Mit Bescheid vom 10. Jänner 1995 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit Folge, als Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wurde.

In der Begründung heißt es, unbestritten sei, daß in den Bescheiden der BH vom 30. September 1926 den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung befristet auf die Dauer von 60 Jahren erteilt worden sei. Die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde erster Instanz, das Erlöschen der Wasserbenutzungsrechte festzustellen, sei daher richtig gewesen.

§ 29 Abs. 1 WRG 1959 ermächtige die Wasserrechtsbehörden nur, dem bisher Berechtigten die Beseitigung seiner von der wasserrechtlichen Bewilligung umfaßten Anlage, soweit dies im öffentlichen Interesse erforderlich oder im Interesse anderer Wasserberechtigter oder von Anrainern gelegen sei, aufzutragen. Sie werde aber nicht ermächtigt, solche Maßnahmen vorzuschreiben, die mit dem erloschenen Wasserrecht und dem Bestand der wasserrechtlich bewilligten und überprüften Anlage in keinem Zusammenhang stünden. Habe ein abtretender Wasserberechtigter durch Errichtung neuer Anlagen, die mit der erloschenen Bewilligung in keinem Zusammenhang stünden, das WRG 1959 übertreten, dann könne nur nach § 138 leg. cit. vorgegangen werden. In der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Kulturbautechnik werde ausgeführt, "daß die weitere gemäß Situationsplan aus 1926, nicht der tatsächlich ausgeführten und der derzeit genutzten Versorgungsanlage entspreche". In der damaligen Bewilligung sei jedoch auch die Quelle samt Fassungsanlagen mitumfaßt. Diesbezüglich seien seitens der Erstbehörde keine Erhebungen durchgeführt worden. Ein Abspruch nur betreffend die Wasserleitung unter Nichtbeachtung des wesentlichen Anlageteiles, nämlich der Quelle, mache die Entscheidung unvollständig. Im Rahmen der letztmaligen Vorkehrungen müßte auch eine Aussage getroffen werden, wie und in welchem Umfang das Wasser nach Löschung des Rechtes schadlos abgeleitet werden könne. Da der Sachverhalt sohin nicht vollständig erhoben worden sei, müsse die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückverwiesen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer sehen sich durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid nicht zur Gänze behoben hat.

Die Beschwerdeführer bringen vor, ergänzende Erhebungen wären nicht nur zum Spruchabschnitt II, sondern auch zum Spruchabschnitt I des erstinstanzlichen Bescheides notwendig gewesen, da nicht einmal feststehe, auf welchem Grundstück die in Rede stehende Quelle tatsächlich entspringe. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, festzustellen, inwieweit Wasserrechte auf Grund anderer Titel eingeräumt seien. Es werde auf die Servitutseinräumungsurkunde verwiesen, in der bereits J.O. als Rechtsvorgänger des Erstbeschwerdeführers vorkomme. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, den erstinstanzlichen Bescheid nicht nur in seinem Spruchabschnitt II zu beheben, sondern auch im Spruchabschnitt I und der BH aufzutragen, festzustellen, welche und ob überhaupt Wasserrechte erloschen seien bzw. inwieweit diese Wasserrechte auf Grund anderer Titel für die jeweils Betroffenen fortbestünden.

Auch in bezug auf die in Spruchabschnitt I des erstinstanzlichen Bescheides erwähnte Trinkwasserleitung wäre es notwendig gewesen, festzustellen, ob die Trinkwasserleitung aus dem Jahre 1926 überhaupt noch vorhanden sei, ob also das Recht zum Betrieb dieser Leitung überhaupt noch erlöschen könne.

Im angefochtenen Bescheid werde das Recht zur Wasserentnahme aus der Quelle für erloschen erklärt, obwohl dieses Entnahmerecht vom Bescheid aus dem Jahre 1926 nicht umfaßt gewesen sei, da in diesem Bescheid ebenso wie in der Eintragung im Wasserbuch von einem Privatgewässer die Rede sei, sohin auch die Entnahme privatrechtlich zu regeln gewesen sei. Im Wasserbuch sei im übrigen ebenso wie im Bescheid vom 30. September 1926 davon die Rede, daß das Entnahme- und Ableitungsrecht unbeschränkt eingeräumt werde. Die Befristung sei daher aufgehoben.

Im Hinblick auf die Tatsache, daß das Wasserbezugsrecht seinerzeit privatrechtlich eingeräumt worden sei, sowie auf Grund des Umstandes, daß ausdrücklich von Privatgewässern die Rede sei, sei es der belangten Behörde nicht möglich, das Entnahmerecht für erloschen zu erklären. Es sei, wenn überhaupt, nur möglich, die Anlagen insoweit für erloschen zu erklären, als diese mit Bescheid aus dem Jahre 1926 eingeräumt seien.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 Abs. 1 lit. c WRG 1959 erlöschen Wasserbenutzungsrechte durch Ablauf der Zeit bei befristeten Rechten.

Nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 hat den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden, angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.

Gegenstand des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Spruchabschnittes I des erstinstanzlichen Bescheides sind die mit den Bescheiden der BH vom 30. September 1926 verliehenen Wasserbenutzungsrechte. Beide Wasserbenutzungsrechte wurden auf die Dauer von 60 Jahren befristet erteilt. Sie sind daher 1986 erloschen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Eintragungen im Wasserbuch unter der Rubrik "Dauer der wasserrechtlichen Bewilligung" den Vermerk "unbeschränkt" enthalten, da eine Wasserbucheintragung nicht eine im zugrundeliegenden wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid enthaltene Befristung aufzuheben vermag. Die Behauptung der Beschwerdeführer, die Bescheide aus dem Jahre 1926 enthielten keine Befristung, trifft nicht zu.

Das Vorhandensein eines privatrechtlichen Titels (verbücherte Servitut) zur Fassung und Ableitung einer (auf Grundstück Nr. 555) entspringenden Quelle hinderte nicht das Erlöschen der mit den Bescheiden aus dem Jahre 1926 eingeräumten Wasserbenutzungsrechte und stand daher der Feststellung dieses Erlöschens nicht entgegen. Der privatrechtliche Titel wurde durch die Erlöschensfeststellung nicht berührt, da sich diese lediglich auf die bescheidmäßig eingeräumten Wasserbenutzungsrechte bezieht.

Spruchabschnitt III des erstinstanzlichen Bescheides erfaßt nur die durch das Erlöschen der Wasserbenutzungsrechte entbehrlich gewordenen, nicht im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten, nicht aber die auf einem Privatrechtstitel beruhenden verbücherten Servituten.

Die Feststellung des Erlöschens der mit den Bescheiden aus dem Jahre 1926 eingeräumten Wasserbenutzungsberechtigungen stützt sich auf den Tatbestand des § 27 Abs. 1 lit. c WRG 1959, also auf den Ablauf der Zeit eines befristeten Wasserbenutzungsrechtes. Für diesen Erlöschenstatbestand ist es ohne Belang, welche der Bewilligung aus dem Jahre 1926 entsprechenden Anlageteile noch vorhanden sind.

Die Feststellung des Erlöschens der in Rede stehenden Wasserbenutzungsrechte erfolgte daher zu Recht.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus einem anderen Grund als rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides, welcher die Feststellung enthielt, daß keine letztmaligen Vorkehrungen erforderlich seien, gemäß § 66 Abs. 2 AVG wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes aufgehoben.

Eine Bescheidaufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG ist nur zulässig, wenn die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Im Verfahren zur Feststellung des Erlöschens von Wasserbenutzungsrechten und zur Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgesehen. Auch sonst ist im Beschwerdefall kein Grund ersichtlich, der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheinen ließe. Eine allfällige Zweckmäßigkeit einer mündlichen Verhandlung - welche auch von der belangten Behörde selbst durchgeführt werden könnte - berechtigte nicht zu der zu einer Trennung von Erlöschensfeststellung und Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen führenden Gebrauchnahme des § 66 Abs. 2 AVG bezüglich des die letztmaligen Vorkehrungen betreffenden Teiles des erstinstanzlichen Bescheides.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995070041.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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