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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann sowie die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt vom 6. April 1995, Zl. 06 3546/234-V/6/94-Str, betreffend Parteistellung im Verfahren gemäß § 29 Abs. 8 AWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Die T. I. AG beantragte mit Schreiben vom 3. bzw. 10. März 1994 die Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 AWG. Mit Schreiben vom 13. Juni 1994 stellte sie den Antrag auf Bewilligung eines Versuchsbetriebes.
Bereits mit Eingabe vom 25. März 1994 stellte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Kärnten den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Sinne des § 8 AVG, welchen er mit Eingabe vom 9. Juni 1994 wiederholte. Mit Eingabe vom 4. Juli 1994 erhob der Beschwerdeführer inhaltliche Einwendungen gegen die geplante Erweiterung der Nickelröstanlage und die geplante Genehmigung eines Versuchsbetriebes der T. I. AG.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1994 genehmigte der Landeshauptmann von Kärnten der T. I. AG die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung zur Durchführung eines Versuchsbetriebes mit der Nickelröstanlage. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nicht zugestellt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 29. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung sowie Akteneinsicht im Verfahren der T. I. AG auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Nickelröstanlage - Versuchsbetrieb - gemäß § 8 AVG, § 29 Abs. 8 letzter Satz AWG i.V.m. § 354 GewO 1994 abgewiesen. In der Begründung führte der Landeshauptmann hiezu aus, die Anordnung des Versuchsbetriebes diene der Ausarbeitung des Projektes und Erarbeitung von besseren Entscheidungsgrundlagen für die Behörde; ausreichende Maßnahmen seien zum Schutz der Nachbarn gesetzt worden, um eine Gesundheitsgefährdung und eine unzumutbare Belästigung und Beeinträchtigung auszuschließen. Im Versuchsbetriebsverfahren hätten die Nachbarn keine Parteistellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde aus, primärer Sinn der Versuchsbetriebsgenehmigung sei eine möglichst rationelle und effektive Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, auf Grund dessen erst entschieden werden solle, ob die Betriebsanlagengenehmigung zu erteilen sei oder nicht. Sie diene also ausschließlich der Beschaffung zusätzlicher Beweismittel im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren. Dem Nachbarn komme daher in diesem Verfahren keine Parteistellung zu. Eine unterschiedliche Regelung der Parteistellung zu anderen Genehmigungsverfahren sei sachlich gerechtfertigt, da die Versuchsbetriebsgenehmigung nach dem Konzept des Gesetzes keine selbständige Bedeutung besitze, sondern lediglich einer möglichst rationellen Verfahrensgestaltung zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes für das Genehmigungsverfahren diene. Schon aus dem Begriff "Versuchsbetrieb" ("Vorarbeiten") gehe hervor, daß die in Versuchsbetriebsverfahren zu genehmigenden Vorhaben nur vorübergehender Natur seien und es daher sachlich begründbar sei, daß der Schutz der öffentlichen Interessen im Verfahren der Behörde von Amts wegen obliege und den Nachbarn keine Stellung eingeräumt sei, die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten geltend zu machen. Die Rechtsstellung der Nachbarn werde auch nicht beschränkt, da diese ihr Recht im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren geltend machen könnten, bei dem die Ergebnisse des Versuchsbetriebes als Ermittlungsergebnisse dem Parteiengehör zu unterziehen seien. Auch könne das Verfahren nicht mit einer Probebetriebsgenehmigung verglichen werden, welche eine andere Zielrichtung verfolge und grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage voraussetze. Schon aus dem Zweck der Bestimmung des § 29 Abs. 4 AWG ergebe sich, daß von einer Bekanntmachung durch die Behörde dann abgesehen werden könne, wenn sich schon aus der behördeninternen Vorprüfung ergebe, daß für das beantragte Projekt ein Versuchsbetrieb gemäß § 29 Abs. 8 letzter Satz AWG notwendig sein werde. Eine Bekanntmachung eines Antrages vor dem Vorliegen von Ergebnissen, für die ein Versuchsbetrieb genehmigt werde, sei vom Gesetzgeber nicht normiert worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Zuerkennung der Parteistellung sowie Akteneinsicht im Verfahren der T. I. AG auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Nickelröstanlage - Versuchsbetrieb - im Sinne der § 8 AVG i.V.m. § 29 Abs. 8 AWG i.V.m. den §§ 354, 356 sowie 74 und 75 GewO verletzt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer geht - wie die belangte Behörde - davon aus, daß ein Antrag der T. I. AG auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligung einer Nickelröstanlage gemäß § 29 AWG vorliegt, für welche mit dem angefochtenen Bescheid antragsgemäß die Durchführung eines Versuchsbetriebes gemäß § 29 Abs. 8 leg. cit. erteilt worden ist. Für dieses Versuchsbetriebsverfahren hat der Beschwerdeführer Parteistellung und Gewährung der ihm durch das AVG eingeräumten Parteienrechte begehrt.
Gemäß § 29 Abs. 1 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von dort näher aufgezählten Anlagen einer Genehmigung des Landeshauptmannes. Gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat der Landeshauptmann den Antrag auf Genehmigung gemäß Abs. 1 durch Anschlag in der Gemeinde und in einer örtlichen Zeitung öffentlich bekanntzumachen. Mit der Bekanntmachung ist eine Frist von 6 Wochen einzuräumen, innerhalb der gegen die Genehmigung der Behandlungsanlage von den Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994) begründete schriftliche Einwendungen beim Landeshauptmann eingebracht werden können.
Gemäß Abs. 5 Z. 6 dieses Paragraphen haben Parteistellung in diesem Verfahren u.a. Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994), die Einwendungen gemäß Abs. 4 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben haben.
Gemäß Abs. 8 letzter Satz dieser Gesetzesstelle ist die Durchführung eines Versuchsbetriebes unter den Voraussetzungen des § 354 GewO 1994 in der jeweils geltenden Fassung zulässig.
Gemäß § 354 GewO 1994 kann die Behörde, wenn sich das Ermittlungsverfahren wegen des außergewöhnlichen Umfanges oder der besonderen Beschaffenheit der Anlage voraussichtlich auf einen längeren Zeitraum erstrecken wird und anzunehmen ist, daß die Errichtung und der Betrieb der Anlage bei Vorschreibung bestimmter Auflagen zulässig sein wird, oder wenn zur Ausarbeitung des Projektes einer Anlage Vorarbeiten erforderlich sind oder wenn das Vorliegen des Ergebnisses bestimmter Vorarbeiten für die Entscheidung der Behörde (§§ 333, 334 und 335) von wesentlicher Bedeutung ist, nach Durchführung der Augenscheinsverhandlung (§ 356 Abs. 1) mit Bescheid, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, schon vor der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes der Anlage die Durchführung der erforderlichen Arbeiten (z.B. eines Versuchsbetriebes) genehmigen. Gegen diese Genehmigung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß dem Nachbarn auch im Versuchsbetriebsgenehmigungsverfahren Parteistellung zukommt und bezweifelt die Richtigkeit der diesbezüglichen hg. Rechtsprechung zu § 354 GewO 1973 unter Hinweis auf Aichlreiter, Versuchsbetriebsgenehmigungen und Nachbarparteistellung in WBl 1990, 334 ff.
Die Schaffung von subjektiven Rechten, die die Parteistellung begründen (wozu auch die Schaffung von Legalparteien zählt), ist eine Angelegenheit des materiellen Rechts und hat durch den nach den Kompetenzvorschriften der Verfassung zur Regelung der Sachmaterie zuständigen Gesetzgeber zu erfolgen (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, Rz. 126). Im Rahmen der gegebenen verfassungsrechtlichen Schranken - deren Einhaltung der Verfassungsgerichtshof bezüglich § 354 GewO 1973 hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes und des Legalitätsprinzipes in seinem Erkenntnis vom 4. März 1992, B 1208/90, bereits bejaht hat - kann der Materiengesetzgeber anordnen, in welchem Verfahren einer bestimmten Partei bestimmte Rechte einzuräumen sind; die Durchsetzung eines anders gearteten rechtspolitischen Anliegens ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, und zwar selbst dann, wenn die positive Rechtslage als rechtspolitisch verfehlt oder doch unbefriedigend angesehen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10220/A sowie das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0321).
Die Parteistellung im Verfahren betreffend die Genehmigung besonderer Abfall- und Altölbehandlungsanlagen nach § 29 Abs. 1 AWG ist bezüglich der Nachbarn im Abs. 5 Z. 6 leg. cit. geregelt. Für die Durchführung eines Versuchsbetriebes bestimmt § 29 Abs. 8 letzter Satz AWG, daß diese unter den Voraussetzungen des § 354 GewO 1973 in der jeweils geltenden Fassung zulässig ist. Eine Bewilligung eines Versuchsbetriebes im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach § 29 AWG ist auf Grund der vorzitierten Verweisungsnorm daher eine provisorische Maßnahme mit dem Zweck der Gewinnung der für eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 AWG erforderlichen tatsächlichen Grundlagen (vgl. das zum § 354 GewO 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/04/0173), welche ein anhängiges Genehmigungsverfahren voraussetzt und nur auf Grund eines eigenen Antrages erteilt werden kann (vgl. Kinscher, Die Gewerbeordnung 1973, 8. Auflage, Anm. 3 zu § 354 sowie zur Bedeutung des Versuchsbetriebsverfahrens nach der Gewerbeordnung ausführlich das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0321). Das Verfahren nach § 29 Abs. 8 letzter Satz AWG i.V.m. § 354 GewO 1994 stellt sich somit auch als ein im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 29 Abs. 1 AWG unter den vorgegebenen gesetzlichen Voraussetzungen abzuführendes selbständiges Verfahren dar (vgl. den hg. Beschluß vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0153, und den hg. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 95/07/0090).
Da die im § 29 Abs. 5 Z. 6 AWG geregelte Parteistellung der Nachbarn nur das Genehmigungsverfahren nach § 29 Abs. 1 leg. cit. betrifft, ist auch im Verfahren nach dem AWG davon auszugehen, daß nach dem gemäß § 29 Abs. 8 AWG i.V.m. § 354 GewO 1994 abzuführenden Versuchsbetriebsgenehmigungsverfahren den Nachbarn aus den insbesonders im hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0321, angeführten Gründen Parteistellung nicht zukommt (vgl. auch das zuletzt ergangene Erkenntnis vom 12. Juli 1994, Zl. 92/04/0191). Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des Beschwerdevorbringens insbesondere deshalb nicht veranlaßt, weil § 354 GewO 1994 mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, der Schlußsatz angefügt wurde, daß gegen die Genehmigung eines Versuchsbetriebes ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist und der Gesetzgeber damit - in Kenntnis der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - eine Überprüfung der Ergebnisse des Versuchsbetriebsverfahrens durch verfahrensrechtliche Schritte in das Genehmigungsverfahren verlagert hat (vgl. hiezu auch die Stellungnahme des Handelsausschusses über die Regierungsvorlage betreffend die Gewerbeordnungsnovelle 1992, 876 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP zu § 354 GewO 1994, wonach das Ergebnis der im Versuchsbetriebsverfahren durchgeführten Arbeiten als Ermittlungsergebnis im Anlagengenehmigungsverfahren den Nachbarn, die gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 Parteistellung erlangt haben, zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen sind). In einem im Grunde des § 29 Abs. 8 letzter Satz AWG durchzuführenden Versuchbetriebsverfahren kommt daher den Nachbarn (§ 29 Abs. 5 Z. 6 AWG) keine Parteistellung zu.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß der Beschwerdeführer in dem vom Beschwerdepunkt umfaßten Recht nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Verfahrensrecht VwGG B-VGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995070089.X00Im RIS seit
24.01.2001