Entscheidungsdatum
15.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W127 2271056-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2023, Zl. 1292051809-212005755, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von römisch XXXX , geboren am römisch XXXX Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2023, Zl. 1292051809-212005755, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 26.12.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er habe sein Heimatland 2012 verlassen und danach im Libanon gelebt, wo er auch die Schule besucht und unter anderem als Bauarbeiter gearbeitet habe. Er begründete seine Antragstellung damit, dass in seiner Heimat Krieg und Armut herrsche und es gebe keine Sicherheit. Er müsse zum Militär und wolle keine Waffen tragen und Menschen töten. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.
3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.02.2023 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Fluchtgründe. Er sei in Damaskus, in der Stadt XXXX , geboren und habe dort bis 2005 gelebt. Danach habe die Familie in der Provinz Daraa, Dorf XXXX , gelebt. Er habe als 16-Jähriger Syrien 2012 verlassen und daher seinen Wehrdienst nicht abgeleistet. Seine Eltern und ein Bruder seien im Libanon, ein Bruder sei in Syrien vermisst und ein weiterer Bruder lebe in Deutschland. Seine beiden Schwestern seien verheiratet und würden im Libanon leben. Eine seiner Schwestern habe einen Reisepass, ausgestellt auf seinen Namen, in Syrien abgeholt; auf der letzten Seite sei daher auch der Vermerk „Dieser Reisepass wurde für jemanden ausgestellt, der nicht im Lande wohnt“.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.02.2023 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Fluchtgründe. Er sei in Damaskus, in der Stadt römisch XXXX , geboren und habe dort bis 2005 gelebt. Danach habe die Familie in der Provinz Daraa, Dorf römisch XXXX , gelebt. Er habe als 16-Jähriger Syrien 2012 verlassen und daher seinen Wehrdienst nicht abgeleistet. Seine Eltern und ein Bruder seien im Libanon, ein Bruder sei in Syrien vermisst und ein weiterer Bruder lebe in Deutschland. Seine beiden Schwestern seien verheiratet und würden im Libanon leben. Eine seiner Schwestern habe einen Reisepass, ausgestellt auf seinen Namen, in Syrien abgeholt; auf der letzten Seite sei daher auch der Vermerk „Dieser Reisepass wurde für jemanden ausgestellt, der nicht im Lande wohnt“.
4. Im Zuge der Befragung legte der Beschwerdeführer einen Reisepass, ausgestellt am 21.07.2019, sowie einen Personalausweis, ausgestellt am 18.04.2010, jeweils im Original, vor. Zu beiden Dokumenten wurde seitens der Landespolizeidirektion mit 22.03.2023 festgestellt, dass keine offensichtlichen Hinweise auf das Vorliegen einer Fälschung oder Verfälschung festzustellen seien.
5. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 5. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, i.V.m. Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zuge der Erstbefragung angegeben, dass er Syrien verlassen habe, da er zum Militär einrücken müsse. Im Rahmen der Einvernahme habe sich jedoch „herausgestellt, dass Sie ihre Heimat bereits im Jahr 2012 im Jugendalter gemeinsam mit Ihrer Familie verlassen hätten und von 2012 bis 2021 im Libanon aufhältig waren. Abschließend versuchten Sie Ihre Fluchtgründe dahingehend zu steigern, indem Sie von einer Einberufung zum Militärdienst sprachen. Wenn Ihnen eine Einberufung zum syrischen Militär drohen würde, wäre es Ihnen nicht möglich gewesen im Jahr 2019 einen syrischen Reisepass durch die syrischen Sicherheitsbehörden ausstellen zu lassen.“
6. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde Beschwerde erhoben.6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides wurde Beschwerde erhoben.
7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 28.04.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Am 24.01.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch insbesondere zu seinen Fluchtgründen befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation zu Syrien, Gesamtaktualisierung am 17.07.2023; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.09.2022: SYRIEN - Fragen des BVwG zu syrischen Wehrdienstgesetzen (als Quelle referenziert im LIB vom 17.07.2023); EUAA, Country Guidance: Syria, vom Februar 2023; EASO, Syria: Targeting of Individuals, September 2022; Danish Immigration Service (DIS), Syria: Treatment upon return, Mai 2022 (als Quelle referenziert in EASO, Syria: Targeting of Individuals); EASO, Syria: Military service, April 2021; UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021.
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, seine Muttersprache ist arabisch und er gehört der Volksgruppe der Araber an. Er bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.
Der Beschwerdeführer ist am XXXX in Damaskus, in der Stadt XXXX , geboren. Zwischen 2005 und 2012 lebte er gemeinsam mit seiner Familie in der Provinz Dara‘a, Dorf XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über eine Grundschulbildung und ging dem Beruf eines Bauarbeiters nach. Der Beschwerdeführer ist am römisch XXXX in Damaskus, in der Stadt römisch XXXX , geboren. Zwischen 2005 und 2012 lebte er gemeinsam mit seiner Familie in der Provinz Dara‘a, Dorf römisch XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über eine Grundschulbildung und ging dem Beruf eines Bauarbeiters nach.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern leben im Libanon, zwei Brüder leben nunmehr in Deutschland. Der Aufenthaltsort eines weiteren Bruders ist unbekannt; bisher galt er als vermisst, nach den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung wisse man nun, dass er seit 2013 in Syrien inhaftiert sei. Zwei Schwestern leben in Syrien.
Der Beschwerdeführer ist volljährig und gesund. Er ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes.
1.2. Zum Fluchtvorbringen:
Der Beschwerdeführer hat Syrien nicht aufgrund einer gegen ihn oder seine Familienmitglieder persönlich gerichteten Verfolgung, sondern des Studiums und der Arbeit wegen verlassen. Es kann nicht festgestellt werden, dass seine Familie politisch aktiv ist bzw. war und ihr eine politische Gesinnung unterstellt wird bzw. wurde.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Er hat sich nicht geweigert, den Wehrdienst abzuleisten, sondern hat Syrien im Jahr 2012 als 16-Jähriger legal verlassen und hielt sich somit vor Erreichen seines Wehrpflichtalters außerhalb Syriens auf. Er konnte somit vom syrischen Regime weder gemustert noch einberufen werden. Der Beschwerdeführer kann sich vom Wehrdienst freikaufen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien ist der Beschwerdeführer keiner Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime ausgesetzt. Der Beschwerdeführer weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf. Der Beschwerdeführer hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben.
Auch sonst droht dem Beschwerdeführer aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den syrischen Staat oder durch Mitglieder regierungsfeindlicher oder –freundlicher (bewaffneter) Gruppierungen.
Der Geburtsort sowie die spätere Herkunftsregion des Beschwerdeführers stehen unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Nach den Länderberichten wird seit Oktober 2022 eine spürbare Verschlechterung der Sicherheitslage in der Provinz Dara’a beobachtet.
1.3. Zum verpflichtenden Wehr- und Reservedienst für das syrische Regime:
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend.
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.
Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind.
Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetzbuch, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt.
Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen.
Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in dem die Einberufung von männlichen Syrern im wehrpflichtigen Alter angekündigt wurde. Auch in den wiedereroberten Gebieten müssen Männer im wehrpflichtigen Alter den Militärdienst ableisten. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt aufgrund von Entlassungen langgedienter Wehrpflichtiger und zahlreicher Verluste durch Kampfhandlungen unverändert hoch.
Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert, wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt. Im September 2022 wurde beispielsweise von der Errichtung eines mobilen Checkpoints im Gouvernement Dara'a berichtet, an dem mehrere Wehrpflichtige festgenommen wurden. In Homs führte die Militärpolizei gemäß einem Bericht aus dem Jahr 2020 stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Im Jänner 2023 wurde berichtet, dass Kontrollpunkte in Homs eine wichtige Einnahmequelle der Vierten Division seien.
Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Lokale Medien berichteten, dass die Sicherheitskräfte der Regierung während der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2022 mehrere Cafés, Restaurants und öffentliche Plätze in Damaskus stürmten, wo sich Menschen versammelt hatten, um die Spiele zu sehen, und Dutzende junger Männer zur Zwangsrekrutierung festnahmen.
Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z. B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Das Gesetz verbietet allerdings die Publikation jeglicher Informationen über die Streitkräfte.
Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren. Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert.
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt. Anfang April 2023 wurde beispielsweise von verstärkten Patrouillen der Regierungsstreitkräfte im Osten Dara'as berichtet, um Personen aufzugreifen, die zum Militär- und Reservedienst verpflichtet sind. Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet.
Im Rahmen sog. lokaler "Versöhnungsabkommen" in den vom Regime zurückeroberten Gebieten sowie im Kontext lokaler Rückkehrinitiativen aus Libanon hat das Regime Männern im wehrpflichtigen Alter eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert. Diese wurde jedoch in zahlreichen Fällen, auch nach der Einnahme des Südwestens, nicht eingehalten. Sowohl in Ost-Ghouta als auch in den südlichen Gouvernements Dara‘a und Quneitra soll der Militärgeheimdienst dem Violations Documentation Center zufolge zahlreiche Razzien zur Verhaftung und zum anschließenden Einzug ins Militär durchgeführt haben.
Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen. Mit der COVID-19-Pandemie und der Beendigung umfangreicher Militäroperationen im Nordwesten Syriens im Jahr 2020 haben sich die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Nichtsdestotrotz wird die syrische Armee auch weiterhin an der Wehrpflicht festhalten, nicht nur zur Aufrechterhaltung des laufenden Dienstbetriebs, sondern auch, um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches "Hochfahren" dieses Systems scheint derzeit [Anm.: Stand 16.9.2022] nicht wahrscheinlich, kann aber vom Regime bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden.
Grundsätzlich vermeidet es die syrische Armee, neu ausgebildete Rekruten zu Kampfeinsätzen heranzuziehen, jedoch können diese aufgrund der asymmetrischen Art der Kriegsführung mit seinen Hinterhalten und Anschlägen, wie zuletzt beispielsweise in Dara'a, trotzdem in Kampfhandlungen verwickelt werden. Neue Rekruten aus ehemaligen Oppositionsbastionen sollen in der Vergangenheit an die vorderste Front geschickt worden sein. Alle Eingezogenen können dagegen laut EUAA (European Union Agency for Asylum) unter Berufung auf einen Herkunftsländerbericht vom April 2021 potenziell an die Front abkommandiert werden. Ihr Einsatz hängt vom Bedarf der Armee für Truppen sowie von den individuellen Qualifikationen der Eingezogenen und ihrem Hintergrund oder ihrer Kampferfahrung ab. Eingezogene Männer aus "versöhnten" Gebieten werden disproportional oft kurz nach ihrer Einberufung mit minimaler Kampfausbildung als Bestrafung für ihre Illoyalität gegenüber dem Regime an die Front geschickt. Reservisten werden in (vergleichsweise) kleinerer Zahl an die Front geschickt. [Anm.: In welcher Relation die Zahl der Reservisten zu den Wehrpflichtigen steht, geht aus dem Bericht nicht hervor.]
Befreiung, Aufschub, Befreiungsgebühren, Strafen bei Erreichung des 43. Lebensjahrs ohne Ableistung des Wehrdiensts
Das syrische Wehrdienstgesetz sieht vor, dass bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel der einzige Sohn einer Familie, aus medizinischen Gründen Untaugliche, manche Regierungsangestellte und Personen, welche eine Befreiungsgebühr bezahlen, vom Wehrdienst ausgenommen sind. Manche Studenten und Personen mit bestimmten Abschlüssen wie auch Personen mit vorübergehenden Erkrankungen können den Wehrdienst aufschieben, wobei die Rückstellungen jedes Jahr erneuert werden müssen. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen [als vor dem Konflikt] und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden. Das Risiko der Willkür ist immer gegeben.
Seit einer Änderung des Wehrpflichtgesetzes im Juli 2019 ist die Aufschiebung des Militärdienstes jedenfalls nur bis zum Alter von 37 Jahren möglich und kann durch Befehl des Oberbefehlshabers beendet werden. Es gibt Beispiele, wo Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis, sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt – manchmal sogar Jahre danach – trotzdem eingezogen zu werden. Auch berichtet eine Quelle, dass Grenzbeamte von Rückkehrern trotz entrichteter [offizieller] Befreiungsgebühr Bestechungsgelder verlangen könnten, oder dass Personen mit gesundheitlichen Problemen, die eigentlich vom Wehrdienst befreit sein sollten, mitunter Bestechungsgelder bezahlen müssen, um eine Befreiung zu erwirken.
Gemäß Abschnitt 12 des Wehrpflichtgesetzes war eine Person vom Wehrdienst befreit, wenn sie mindestens zehn Jahre in den Diensten der inneren Sicherheit stand, einschließlich der Polizei. Diese Frist wurde mit dem Gesetzesdekret Nr. 1 von 2012 auf fünf Jahre verkürzt. Hat eine Person nicht die vollen fünf Jahre gedient, muss sie dennoch ihren Militärdienst ableisten. Wer bei der Polizei akzeptiert wird, unterschreibt jedoch einen Zehnjahresvertrag. Es ist auch möglich, dass ein Rekrut der Polizei beitritt und dort seinen Militärdienst ableistet, da die internen Sicherheitsdienste gemäß Artikel 10 des Wehrpflichtgesetzes zu den syrischen Streitkräften gezählt werden. Wenn eine Person der Polizei beitritt, wird das Rekrutierungsbüro, dem sie untersteht, angewiesen, sie nicht zum Militärdienst einzuberufen.
Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland eine Gebühr ("badal an-naqdi") zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Bis 2020 konnten Männer, die sich mindestens vier aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Syriens aufgehalten haben, einen Betrag von 8.000 US-Dollar zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden, wobei noch weitere Konsulargebühren anfallen. Im November 2020 wurde mit dem Gesetzesdekret Nr. 31 die Dauer des erforderlichen Auslandsaufenthalts auf ein Jahr reduziert und die Gebühr erhöht. Das Wehrersatzgeld ist nach der Änderung des Wehrpflichtgesetzes im November 2020 gestaffelt nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts und beträgt 10.000 USD (ein Jahr), 9.000 USD (zwei Jahre), 8.000 USD (drei Jahre) bzw. 7.000 USD (vier Jahre). Bei einem Aufenthalt ab fünf Jahren kommen pro Jahr weitere 200 USD Strafgebühr hinzu. Laut der Einschätzung verschiedener Organisationen dient die Möglichkeit der Zahlung des Wehrersatzgeldes für Auslandssyrer maßgeblich der Generierung ausländischer Devisen.
Auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, können Quellen zufolge durch die Zahlung der Gebühr vom Militärdienst befreit werden. Diese müssen ihren rechtlichen Status allerdings zuvor durch einen individuellen "Versöhnungsprozess" bereinigen.
Informationen über den Prozess der Kompensationszahlung können auf den Webseiten der syrischen Botschaften in Ländern wie Deutschland, Ägypten, Libanon und der Russischen Föderation aufgerufen werden. Bevor die Zahlung durchgeführt wird, kontaktiert die Botschaft das syrische Verteidigungsministerium, um eine Genehmigung zu erhalten. Dabei wird ermittelt, ob die antragstellende Person sich vom Wehrdienst freikaufen kann. Die syrische Botschaft in Berlin gibt beispielsweise an, dass u. a. ein Reisepass oder Personalausweis sowie eine Bestätigung der Ein- und Ausreise vorgelegt werden muss, welche von der syrischen Einwanderungs- und Passbehörde ausgestellt wird ("bayan harakat"). So vorhanden, sollten die Antragsteller auch das Wehrbuch oder eine Kopie davon vorlegen.
Offiziell ist dieser Prozess relativ einfach, jedoch dauert er in Wirklichkeit sehr lange, und es müssen viele zusätzliche Kosten aufgewendet werden, unter anderem Bestechungsgelder für die Bürokratie. Beispielsweise müssen junge Männer, die mit der Opposition in Verbindung standen, aber aus wohlhabenden Familien kommen, wahrscheinlich mehr bezahlen, um vorab ihre Akte zu bereinigen.
1.4. Zur Situation bei einer Rückkehr nach Syrien:
Die UNO konstatiert im Bericht der von ihr eingesetzten Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (COI) vom 7.2.2023 landesweit schwere Verstöße gegen die Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht durch verschiedene Akteure, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen darstellen könnten, und sieht keine Erfüllung der Voraussetzungen für nachhaltige, würdige Rückkehr von Flüchtlingen gegeben.
RückkehrerInnen nach Syrien müssen laut Human Rights Watch mit einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen rechnen, von willkürlicher Verhaftung, Folter, Verschwindenlassen bis hin zu Schikanen durch die syrischen Behörden. Immer wieder sind Rückkehrende, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt. Fehlende Rechtsstaatlichkeit und allgegenwärtige staatliche Willkür führen dazu, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert, oder eingeschüchtert wurden. Zuletzt dokumentierten Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) unabhängig voneinander in ihren jeweiligen Berichten von September bzw. Oktober 2021 Einzelfälle schwerwiegendster Menschenrechtsverletzungen von Regimekräften an Rückkehrenden, die sich an verschiedenen Orten in den Regimegebieten, einschließlich der Hauptstadt Damaskus, ereignet haben sollen. Diese Berichte umfassen Fälle von sexualisierter Gewalt, willkürlichen und ungesetzlichen Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen bis hin zu Verschwindenlassen und mutmaßlichen Tötungen von Inhaftierten. Die Dokumentation von Einzelfällen – insbesondere auch bei Rückkehrenden – zeigt nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes, dass es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. Willkürliche Verhaftungen gehen primär von Polizei, Geheimdiensten und staatlich organisierten Milizen aus. Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten, es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt.
Darüber hinaus können belastbare Aussagen oder Prognosen zu Rückkehrfragen nach geografischen Kriterien laut Auswärtigem Amt weiterhin nicht getroffen werden. Insbesondere für die Gebiete unter Kontrolle des Regimes, einschließlich vermeintlich friedlicherer Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie in der Hauptstadt Damaskus, gilt unverändert, dass eine belastbare Einschätzung der individuellen Gefährdungslage aufgrund des dortigen Herrschaftssystems, seiner teilweise rivalisierenden Geheimdienste sowie regimenaher Milizen ohne umfassende zentrale Steuerung nicht möglich ist (AA 29.3.2023).
Laut Vereinten Nationen sind die Bedingungen für eine nachhaltige Flüchtlingsrückkehr in großem Umfang derzeit nicht gegeben.
Rückkehrende sind auch Human Rights Watch zufolge mit wirtschaftlicher Not konfrontiert wie der fehlenden Möglichkeit, sich Grundnahrungsmittel leisten zu können. Die meisten finden ihre Heime ganz oder teilweise zerstört vor, und können sich die Renovierung nicht leisten. Die syrische Regierung leistet keine Hilfe bei der Wiederinstandsetzung von Unterkünften. In der von der Türkei kontrollierten Region um Afrin nordöstlich von Aleppo Stadt wurde überdies berichtet, dass Rückkehrer ihre Häuser geplündert oder von oppositionellen Kämpfern besetzt vorgefunden haben. Auch im Zuge der türkischen Militäroperation 'Friedensquelle' im Nordosten von Syrien Anfang Oktober 2019 kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen. Neben den fehlenden sozioökonomischen Perspektiven und Basisdienstleistungen ist es oft auch die mangelnde individuelle Rechtssicherheit, die einer Rückkehr entgegensteht. Nach wie vor gibt es Berichte über willkürliche Verhaftungen und das Verschwinden von Personen. Am stärksten betroffen sind davon Aktivisten, oppositionelle Milizionäre, Deserteure, Rückkehrer und andere, die unter dem Verdacht stehen, die Opposition zu unterstützen. Um Informationen zu gewinnen, wurden auch Familienangehörige oder Freunde von Oppositionellen bzw. von Personen verhaftet. Deutlich wird die mangelnde Rechtssicherheit auch laut ÖB Damaskus an Eigentumsfragen. Das Eigentum von Personen, die wegen gewisser Delikte verurteilt wurden, kann vom Staat im Rahmen des zur Terrorismusbekämpfung erlassenen Gesetzes Nr. 19 konfisziert werden. Darunter fällt auch das Eigentum der Familien der Verurteilten in einigen Fällen sogar ihrer Freunde. Das im April 2018 erlassene Gesetz Nr. 10 ermöglicht es Gemeinde- und Provinzbehörden, Zonen für die Entwicklung von Liegenschaften auszuweisen und dafür auch Enteignungen vorzunehmen. Der erforderliche Nachweis der Eigentumsrechte für Entschädigungszahlungen trifft besonders Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Konkrete Pläne für die Einrichtung von Entwicklungszonen deuten auf Gebiete hin, die ehemals von der Opposition gehalten wurden. Von den großflächigen Eigentumstransfers dürften regierungsnahe Kreise profitieren. Auf Druck von Russland, der Nachbarländer sowie der Vereinten Nationen wurden einige Abänderungen vorgenommen, wie die Verlängerung des Fristenlaufs von 30 Tagen auf ein Jahr. Flüchtlinge und Binnenvertriebene sind besonders von Enteignungen betroffen. Zudem kommt es zum Diebstahl durch Betrug von Immobilien, deren Besitzer - z.B. Flüchtlinge - abwesend sind. Viele von ihren Besitzern verlassene Häuser wurden mittlerweile von jemandem besetzt. Sofern es sich dabei nicht um Familienmitglieder handelt, ist die Bereitschaft der Besetzer, das Haus oder Grundstück zurückzugeben, oft nicht vorhanden. Diese können dann die Rückkehrenden beschuldigen, Teil der Opposition zu sein, den Geheimdienst auf sie hetzen, und so in Schwierigkeiten bringen. Der Mangel an Wohnraum und die Sorge um zurückgelassenes Eigentum gehören zu den Faktoren, die syrische Flüchtlinge davon abhalten, nach Syrien zurückzukehren.
Laut einer Erhebung der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD) ist für 58 Prozent aller befragten Flüchtlinge die Abschaffung der Zwangsrekrutierung die wichtigste Bedingung für die Rückkehr in ihre Heimat. Nach Einschätzung von Human Rights Watch nutzt das Regime Schlupflöcher in den Amnestiedekreten aus, um Rückkehrer unmittelbar nach der Einreise wieder auf Einberufungslisten zu setzen. Amnesty International dokumentierte Fälle von Rückkehrern, die aufgrund der Wehrpflicht zunächst festgenommen und nach Freilassung unmittelbar zum Militärdienst eingezogen wurden.
Die laut Experteneinschätzung katastrophale wirtschaftliche Lage ist ein großes Hindernis für die Rückkehr: Es gibt wenige Jobs, und die Bezahlung ist schlecht. Neben sicherheitsrelevanten und politischen Überlegungen der syrischen Regierung dürfte die Limitierung der Rückkehr auch dem Fehlen der notwendigen Infrastruktur und Unterkünfte geschuldet sein.
Das geringe Angebot an Bildungs-, Gesundheits- und Grundversorgungsleistungen in Syrien wirken abschreckend auf potenzielle Rückkehrer. Eine geringere Lebensqualität im Exil erhöht nicht immer die Rückkehrbereitschaft. Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge seltener in Bezirke zurückkehren, die in der Vergangenheit von intensiven Konflikten geprägt waren. Ein relevanter Faktor im Zusammenhang mit der Schaffung von physischer Sicherheit ist auch die Entminung von rückeroberten Gebieten, insbesondere solchen, die vom IS gehalten wurden (z.B. Raqqa, Deir Ez-Zor). Laut aktueller Mitteilung von UNMAS vom November 2022 sind weder Ausmaß noch flächenmäßige Ausdehnung der Kontaminierung von Syrien mit explosiven Materialien bisher in vollem Umfang bekannt. Es wird geschätzt, dass mehr als zehn Mio. Menschen also rund 50 Prozent der Bevölkerung dem Risiko ausgesetzt sind, in ihrem Alltag mit explosiven Materialien in Kontakt zu kommen. Dabei sind Männer aufgrund unterschiedlicher sozialer Rollen dem Risiko stärker ausgesetzt als Frauen. Im Schnitt gab es seit Kriegsbeginn alle zehn Minuten ein Opfer des Kriegs oder mittelbarer Kriegsfolgen. Ein Drittel der Opfer von Explosionen sind gestorben, 85 Prozent der Opfer sind männlich, fast 50 Prozent mussten amputiert werden und mehr als 20 Prozent haben Gehör oder Sehvermögen verloren. Zwei Drittel der Opfer sind lebenslang eingeschränkt. 39 Prozent der Unfälle ereigneten sich in Wohngebieten, 34 Prozent auf landwirtschaftlichen Flächen, zehn Prozent auf Straßen oder am Straßenrand. Seit 2019 waren 26 Prozent der Opfer IDPs (ÖB Damaskus 12.2022) [Anm.: Infolge der Erdbeben im Februar 2023 erhöht sich die Gefahr, dass Explosivmaterialen wie Minen durch Erdbebenbewegungen, Wasser etc. verschoben werden].
Es ist wichtig, dass die Rückkehrer an ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann Zugang zu einem sozialen Netzwerk und/oder ihrem Stamm haben. Diejenigen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, verfügen nicht über ein solches Sicherheitsnetz.
Während die syrischen Behörden auf internationaler Ebene öffentlich eine Rückkehr befürworten, fehlen syrischen Flüchtlingen, im Ausland arbeitenden SyrerInnen und Binnenflüchtlingen, die ins Regierungsgebiet zurückkehren wollen, klare Informationen für die Bedingungen und Zuständigkeiten für eine Rückkehr sowie bezüglich einer Einspruchsmöglichkeit gegen eine Rückkehrverweigerung.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf dessen diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens sowie den vorgelegten Dokumenten.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Feststellungen zur aktuellen Kontrolle der Regionen Damaskus und Dara’a gründen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.12.2022 sowie der Kontrollgebietskarte des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria. html) und der Live Universal Awareness Map (“Liveuamap”) Syria (https://syria.liveuamap.com/).Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Feststellungen zur aktuellen Kontrolle der Regionen Damaskus und Dara’a gründen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.12.2022 sowie der Kontrollgebietskarte des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria. html) und der Live Universal Awareness Map (“Liveuamap”) Syria (https://syria.liveuamap.com/).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen:
Der Beschwerdeführer hat als Minderjähriger, sohin noch nicht Wehrpflichtiger sein Heimatland Syrien verlassen. Er wurde somit in Syrien noch keiner Musterung unterzogen und hat weder ein Wehrdienstbuch noch einen Einberufungsbefehl erhalten. Dies ergibt sich aus den einheitlichen und somit glaubhaften Schilderungen des Beschwerdeführers.
Grundsätzlich wäre daher zu befürchten, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion entweder schon bei seiner Einreise an einem Grenzübergang des syrischen Regimes oder bei einem Checkpoint in seinem Herkunftsort einer Kontrolle durch syrische Behörden unterworfen ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Feststellung seiner bisherigen Nicht-Ableistung seines Grundwehrdienstes führen würde.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich aufweist, ist aufgrund seiner diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Verfahren zu treffen, wonach er niemals politisch aktiv war bzw. sich nicht aufgrund einer inneren Einstellung politisch gegen das syrische Regime in einer für das Regime wahrnehmbaren Art und Weise betätigt hat. So hat er 2012 Syrien legal verlassen, um im Libanon zu studieren bzw. zu arbeiten. Beginnende Auseinandersetzungen bzw. Probleme mit der syrischen Regierung wurden vom Beschwerdeführer nicht als Ausreisegrund angegeben. Auch schon bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab er an, niemals wegen politischer Aktivitäten verfolgt worden zu sein. Weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er aus, sich aufgrund einer politischen Überzeugung oder entsprechender von ihm gesetzter außenwirksamer politischer Aktivitäten verfolgt zu fühlen. Hinsichtlich der Frage, was der Beschwerdeführer konkret im Rahmen des Wehrdienstes befürchte, gab er an, niemanden töten zu wollen und auch selbst nicht sterben zu wollen. Wenngleich diese moralische Ansicht des Beschwerdeführers mehr als nachvollziehbar erscheint, stellt diese Ansicht keine tiefgreifend verinnerlichte politische Überzeugung dar. Der Beschwerdeführer hat auch keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben.
Hinsichtlich einer möglicherweise durch das syrische Regime unterstellten oppositionellen Gesinnung aufgrund der Familie des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer bisher weder bei der Erstbefragung noch im Rahmen der Einvernahme bei der belangten Behörde aufgezeigt hat, dass seine Familie regimekritisch in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er aus, dass zwei Drittel seiner Familie bei der FSA waren und lange gegen das Regime gekämpft hätten.
Wenngleich die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. zu Widersprüchen zur Erstbefragung VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171 mwN), ist auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation bei der Erstbefragung nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine oppositionelle Haltung der Familie nicht angeführt hat. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, dass er dies auch nicht bei der Einvernahme vor der belangten Behörde angemerkt hat, obwohl er hiezu – entgegen den Ausführung der Vertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – genügend Möglichkeiten hatte. Vielmehr ist insgesamt das Vorbringen des Beschwerdeführers sehr vage geblieben und ist vielmehr der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer nach der negativen Entscheidung der belangten Behörde betreffend den Asylstatus durch den Umzug der Familie nach Dara‘a, der seinen Angaben nach keine politischen Hintergründe hatte, einen Vorteil in seinem Asylverfahren erreichen wollte. Einen Zusammenhang der Tätigkeit des Vaters als Grenzbeamter (bis 2009) bzw. der Beendigung dieser Tätigkeit mit einer unterstellten oppositionellen Gesinnung der Familie bzw. einem gewissen Bekanntheitsgrad der Familie konnte der Beschwerdeführer ebenso nicht aufzeigen, zumal diese Schlussfolgerung lediglich seitens der Vertreterin erfolgte, vom Beschwerdeführer hingegen nicht thematisiert wurde.Wenngleich die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat vergleiche zu Widersprüchen zur Erstbefragung VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171 mwN), ist auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation bei der Erstbefragung nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine oppositionelle Haltung der Familie nicht angeführt hat. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, dass er dies auch nicht bei der Einvernahme vor der belangten Behörde angemerkt hat, obwohl er hiezu – entgegen den Ausführung der Vertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – genügend Möglichkeiten hatte. Vielmehr ist insgesamt das Vorbringen des Beschwerdeführers sehr vage geblieben und ist vielmehr der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer nach der negativen Entscheidung der belangten Behörde betreffend den Asylstatus durch den Umzug der Familie nach Dara‘a, der seinen Angaben nach keine politischen Hintergründe hatte, einen Vorteil in seinem Asylverfahren erreichen wollte. Einen Zusammenhang der Tätigkeit des Vaters als Grenzbeamter (bis 2009) bzw. der Beendigung dieser Tätigkeit mit einer unterstellten oppositionellen Gesinnung der Familie bzw. einem gewissen Bekanntheitsgrad der Familie konnte der Beschwerdeführer ebenso nicht aufzeigen, zumal diese Schlussfolgerung lediglich seitens der Vertreterin erfolgte, vom Beschwerdeführer hingegen nicht thematisiert wurde.
Hinweise auf eine Verfolgung, wie etwa aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, haben sich nicht ergeben und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten und referenzierten Quellen. Angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden. Auch durch die Aktualisierungen der Länderinformationsblätter der Staatendokumentation Syrien, 14.03.2024 und 27.3.2024, sowie das ACCORD-Themendossier „Wehrdienst in Syrien“, 20.03.2024, hat sich seit der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht für den gegenständlichen Fall relevant keine entscheidende Lageveränderung ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG).
3.2. Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bediene