Entscheidungsdatum
16.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W135 2280251-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 07.08.2022 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 08.08.2022 fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien im Jahr 2018 illegal in die Türkei verlassen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er zum syrischen Militär einberufen worden sei. Er wolle weder töten noch getötet werden. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat fürchte er den Tod. Die Frage nach konkreten Hinweisen, dass ihm im Falle seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde oder ob er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, beantwortete der Beschwerdeführer mit „keine“.
Am 28.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei im Dorf XXXX geboren worden. Der Beschwerdeführer sei traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame Kinder. Er habe in XXXX neun Jahre die Schule besucht und sechs Jahre in der Familienlandwirtschaft gearbeitet. Im Jahr 2018 seien sie nach XXXX gegangen, wo er drei Monate gewesen sei. Dann sei er alleine, illegal, zu Fuß in die Türkei gegangen, wo er sich vier Jahre aufgehalten habe und als Schneider gearbeitet habe. Seit seiner Ausreise im Jahr 2018 sei er etwa noch zehn Mal in Syrien gewesen, um in XXXX die Familie zu besuchen. Er sei nie politisch tätig gewesen und sei auch kein Mitglied einer politischen Partei gewesen. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er für keine Kriegspartei Waffen tragen und niemanden töten wolle. Weitere Gründe, weshalb er Syrien verlassen habe, gäbe es keine. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien würde er von der Regierung und der Opposition getötet werden. Der Beschwerdeführer habe Kinder und sei hergekommen, um deren Zukunft zu sichern. Er wolle nicht, dass die Kinder im Krieg leben. Die FSA und die HTS seien insgesamt etwa zehn Mal zu ihrem Zelt gekommen, um den Beschwerdeführer zu rekrutieren. Das erste Mal sei im Sommer 2019 gewesen und das letzte Mal im Sommer 2022. Der Beschwerdeführer habe die FSA und die HTS jedoch nie angetroffen. Immer, wenn er die Autos von ihnen gesehen habe, sei er geflüchtet und habe sich wo versteckt. Die Beantwortung der Frage, weswegen seine Brüder nicht rekrutiert worden seien, verweigerte der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass er für sich zuständig sei und keine Fragen über andere beantworte. Am 28.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei im Dorf römisch XXXX geboren worden. Der Beschwerdeführer sei traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame Kinder. Er habe in römisch XXXX neun Jahre die Schule besucht und sechs Jahre in der Familienlandwirtschaft gearbeitet. Im Jahr 2018 seien sie nach römisch XXXX gegangen, wo er drei Monate gewesen sei. Dann sei er alleine, illegal, zu Fuß in die Türkei gegangen, wo er sich vier Jahre aufgehalten habe und als Schneider gearbeitet habe. Seit seiner Ausreise im Jahr 2018 sei er etwa noch zehn Mal in Syrien gewesen, um in römisch XXXX die Familie zu besuchen. Er sei nie politisch tätig gewesen und sei auch kein Mitglied einer politischen Partei gewesen. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er für keine Kriegspartei Waffen tragen und niemanden töten wolle. Weitere Gründe, weshalb er Syrien verlassen habe, gäbe es keine. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien würde er von der Regierung und der Opposition getötet werden. Der Beschwerdeführer habe Kinder und sei hergekommen, um deren Zukunft zu sichern. Er wolle nicht, dass die Kinder im Krieg leben. Die FSA und die HTS seien insgesamt etwa zehn Mal zu ihrem Zelt gekommen, um den Beschwerdeführer zu rekrutieren. Das erste Mal sei im Sommer 2019 gewesen und das letzte Mal im Sommer 2022. Der Beschwerdeführer habe die FSA und die HTS jedoch nie angetroffen. Immer, wenn er die Autos von ihnen gesehen habe, sei er geflüchtet und habe sich wo versteckt. Die Beantwortung der Frage, weswegen seine Brüder nicht rekrutiert worden seien, verweigerte der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass er für sich zuständig sei und keine Fragen über andere beantworte.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA seinen syrischen Personalausweis im Original vor.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.08.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.08.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die maßgebliche Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer im regimekontrollierten Gebiet in Syrien zwangsrekrutiert oder wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung verfolgt werde. Doch stehe seine Heimatregion aktuell nicht unter Kontrolle der syrischen Regierung. Es bestehe somit keine maßgebliche Gefahr, dass er in seiner Heimatregion durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert oder wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung verfolgt werde oder zwangsweise zum Militärdienst eingezogen werden würde bzw. durch die seine Heimatregion kontrollierenden Gruppen verfolgt werden würde. Seine Heimatregion sei über einen der nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergänge über die Türkei oder den (kurdischen) Irak (Dreiländereck Türkei/Irak/Syrien) grundsätzlich ohne Verfolgung erreichbar. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung festgestellt werden können. Es würden jedoch Gründe für die Annahme bestehen, dass im Falle der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung derzeit eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides mit Eingabe vom 26.09.2023 fristgerecht Beschwerde. Er führte im Wesentlichen aus, dass er seine Heimat wegen seiner Befürchtung, den syrischen Militärdienst antreten zu müssen, aber auch wegen der Angst, auf Seiten der oppositionellen Kräfte in seiner Heimat vor Ort zwangsrekrutiert zu werden, verlassen habe. Der Beschwerdeführer lehne es strikt ab, gar auf eigene Landesleute schießen zu müssen. Auch sei ein möglicher Einsatz im Nachschub oder bei der Versorgung für ihn ausgeschlossen. Es gäbe nämlich keine Garantien, dass man von diesen Funktionen nicht schnell wieder abgezogen und an eine Front beordert werde. Der Beschwerdeführer sei ein friedliebender Mensch und verabscheue Auseinandersetzungen jeglicher Art. Die Einflusssphäre des Regimes in diesem, derzeit von der Opposition eroberten Gebiet (Anm.: XXXX ) sei an die sechs Kilometer entfernt. Ein Machtwechsel könne daher sehr schnell erfolgen und der Beschwerdeführer habe noch keinen Militärdienst abgeleistet. Er lehne es aus Gewissensgründen ab, auf nur irgendeiner Seite mit der Waffe zu kämpfen. Die Oppositionskräfte würden sehr wohl auch wehrfähige Männer zu einer Art Wehrdienst verpflichten können. Es habe in XXXX vor der Zwangsvertreibung des Beschwerdeführers nach XXXX permanent Rekrutierungs- und Anwerbungsversuche der oppositionellen Kräfte gegeben. Er habe sich immer rechtzeitig verstecken können, wenn wieder einmal eine Rekrutierungswelle der Opposition angerollt sei. Dem Beschwerdeführer könne im Falle der Rückkehr in seine Heimat wegen seiner Haltung, dem Assad-Regime keinesfalls dienen zu wollen, und ebenso wegen seiner beharrlichen Weigerung, sich den oppositionellen Kräften anschließen zu wollen, sogar eine Inhaftierung oder Hinrichtung drohen. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides mit Eingabe vom 26.09.2023 fristgerecht Beschwerde. Er führte im Wesentlichen aus, dass er seine Heimat wegen seiner Befürchtung, den syrischen Militärdienst antreten zu müssen, aber auch wegen der Angst, auf Seiten der oppositionellen Kräfte in seiner Heimat vor Ort zwangsrekrutiert zu werden, verlassen habe. Der Beschwerdeführer lehne es strikt ab, gar auf eigene Landesleute schießen zu müssen. Auch sei ein möglicher Einsatz im Nachschub oder bei der Versorgung für ihn ausgeschlossen. Es gäbe nämlich keine Garantien, dass man von diesen Funktionen nicht schnell wieder abgezogen und an eine Front beordert werde. Der Beschwerdeführer sei ein friedliebender Mensch und verabscheue Auseinandersetzungen jeglicher Art. Die Einflusssphäre des Regimes in diesem, derzeit von der Opposition eroberten Gebiet Anmerkung, römisch XXXX ) sei an die sechs Kilometer entfernt. Ein Machtwechsel könne daher sehr schnell erfolgen und der Beschwerdeführer habe noch keinen Militärdienst abgeleistet. Er lehne es aus Gewissensgründen ab, auf nur irgendeiner Seite mit der Waffe zu kämpfen. Die Oppositionskräfte würden sehr wohl auch wehrfähige Männer zu einer Art Wehrdienst verpflichten können. Es habe in römisch XXXX vor der Zwangsvertreibung des Beschwerdeführers nach römisch XXXX permanent Rekrutierungs- und Anwerbungsversuche der oppositionellen Kräfte gegeben. Er habe sich immer rechtzeitig verstecken können, wenn wieder einmal eine Rekrutierungswelle der Opposition angerollt sei. Dem Beschwerdeführer könne im Falle der Rückkehr in seine Heimat wegen seiner Haltung, dem Assad-Regime keinesfalls dienen zu wollen, und ebenso wegen seiner beharrlichen Weigerung, sich den oppositionellen Kräften anschließen zu wollen, sogar eine Inhaftierung oder Hinrichtung drohen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt am 24.10.2023 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom 04.03.2024, einlangend mit 05.03.2024, legte die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH die ihr erteilte Vertretungs- und Zustellvollmacht vom 22.09.2023 zurück.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.03.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer erklärte zu Beginn der Verhandlung ausdrücklich, die Verhandlung ohne Anwesenheit eines Rechtsberaters bzw. Rechtsvertreters durchführen zu wollen und wurde im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und einer Vertrauensperson zu seinen Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Syrien Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 18.03.2024 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichts die „Länderinformation der Staatendokumentation, Syrien, Version 10“ vom 14.03.2024 in das Verfahren eingebracht wird und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens besteht. Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien, ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX im Gouvernement Idlib geboren und wuchs dort auch auf. Im Jahr 2018 war er für etwa drei Monate im Flüchtlingscamp XXXX (auch XXXX oder XXXX ) aufhältig und reiste anschließend illegal in die Türkei aus, wo er sich für vier Jahre aufhielt. Zwischenzeitlich kehrte er mehrmals für kürzere Zeiträume nach XXXX zurück. Schließlich gelangte der Beschwerdeführer über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Am 07.08.2022 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde in römisch XXXX im Gouvernement Idlib geboren und wuchs dort auch auf. Im Jahr 2018 war er für etwa drei Monate im Flüchtlingscamp römisch XXXX (auch römisch XXXX oder römisch XXXX ) aufhältig und reiste anschließend illegal in die Türkei aus, wo er sich für vier Jahre aufhielt. Zwischenzeitlich kehrte er mehrmals für kürzere Zeiträume nach römisch XXXX zurück. Schließlich gelangte der Beschwerdeführer über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Am 07.08.2022 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist XXXX im Gouvernement Idlib. Sie steht unter Kontrolle der HTS (Hai?at Tahrir asch-Scham). Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist römisch XXXX im Gouvernement Idlib. Sie steht unter Kontrolle der HTS (Hai?at Tahrir asch-Scham).
Der Beschwerdeführer ist (traditionell) verheiratet. Er hat einen Sohn und eine Tochter. Die Kinder des Beschwerdeführers leben gemeinsam mit seiner Ehefrau in Syrien, im Camp XXXX . Der Beschwerdeführer hat weitere Familienangehörige in XXXX , darunter zwei Brüder. Der Beschwerdeführer ist (traditionell) verheiratet. Er hat einen Sohn und eine Tochter. Die Kinder des Beschwerdeführers leben gemeinsam mit seiner Ehefrau in Syrien, im Camp römisch XXXX . Der Beschwerdeführer hat weitere Familienangehörige in römisch XXXX , darunter zwei Brüder.
Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien neun Jahre die Schule. Sechs Jahre war er in der Landwirtschaft der Familie tätig. Während seines Aufenthalts in der Türkei hat er als Schneider gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat in Syrien den verpflichtenden Wehrdienst nicht abgeleistet. Bisher wurde der Beschwerdeführer nicht zum Militärdienst einberufen und hat er sich sohin auch nicht einer konkret an ihn persönlich gerichteten Einberufung entzogen oder einer solchen nicht Folge geleistet. Das syrische Regime kann in jenen Teilen der Provinz Idlib, welche sich unter der Kontrolle der Gruppierung Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) befinden, keine Personen zum Militärdienst einberufen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist zudem ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.
Im gegenwärtigen Zeitpunkt droht dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsort in der syrischen Provinz Idlib nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die zwangsweise Rekrutierung durch die Streitkräfte des syrischen Regimes, durch Hay'at Tahrir ash-Sham und/oder durch eine der sonstigen Konfliktparteien. Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA/FSA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf.
Der Beschwerdeführer ist wegen seiner Herkunft, wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien, wegen seines Aufenthalts in Österreich, wegen seiner Asylantragstellung und/oder wegen seiner allgemeinen Wertehaltung in Syrien keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Er ist auch nicht aus sonstigen Gründen bedroht, von der syrischen Regierung oder einer sonstigen Konfliktpartei als oppositioneller Gegner angesehen zu werden.
Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021
? EUAA Country Guidance: Syria February 2023
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.03.2023 (Zwangsrekrutierung und Kontrolle in Idlib)
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.10.2022 (Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung)
Politische Lage
Letzte Änderung 08.03.2024
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 08.03.2024
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Quelle: UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
Quelle: CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Nordwest-Syrien
Letzte Änderung 08.03.2024
Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).
Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere
Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der vonAnkara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).
Auf diesem Kartenausschnitt sind die Machtverhältnisse in Nordwest-Syrien eingezeichnet:
Quelle: Zenith 11.2022
Das Gebiet unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien (BBC 2.5.2023). Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen (Alaraby 5.6.2023). Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden (BBC 2.5.2023). HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Sham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (Alaraby 5.6.2023).
Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden (AA 29.11.2021). Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca. 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters (UNSC 25.7.2023). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib - großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie (Zenith 11.2.2022). Der IS sieht den Nordwesten als potenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen (UNSC 25.7.2023). Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) - im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt - und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) - auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) - in Nordwestsyrien präsent (UNSC 13.2.2023).
Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als "terroristische Vereinigung" (Alaraby 8.5.2023; vgl. CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vgl. CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vgl. Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als "terroristische Vereinigung" (Alaraby 8.5.2023; vergleiche CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vergleiche CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.