TE Bvwg Erkenntnis 2024/4/17 W140 2270391-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2024
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Entscheidungsdatum

17.04.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W140 2270390-1/12E
W140 2270391-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , beide StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2023, Zl. XXXX und XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , und römisch XXXX , geb. römisch XXXX , beide StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2023, Zl. römisch XXXX und römisch XXXX , zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Den Beschwerden wird stattgegeben und römisch XXXX und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX und römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (infolge: BF1) ist der Bruder des Zweitbeschwerdeführers (infolge: BF2). Gemeinsam werden sie in der Folge als „die Beschwerdeführer“ (infolge: BF) bezeichnet.

Die BF, syrische Staatsangehörige, reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellten am 27.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es erfolgte am 28.07.2022 eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Der BF1 begründete seine Fluchtgründe im Wesentlichen damit, dass in Syrien Unruhe herrsche, dort zu leben sehr gefährlich sei, deshalb sei er aus Syrien geflüchtet. Der BF2 begründete seine Flucht aus dem Heimatstaat im Wesentlichen damit, dass in Syrien Krieg herrsche. Er müsse zum Militär, er wolle nicht kämpfen und nicht töten.

Am 14.02.2023 wurden die BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte der BF1 aus, dass er im Jahr 2018 aus dem Libanon zurück nach Syrien gereist sei. Er habe nicht mehr aus Syrien ausreisen können, weil er erfahren habe, dass er von einer Geheimdienstabteilung gesucht werde. Er habe damals nicht daran gedacht, illegal in die Türkei zu gehen, bis das Regime näher nach XXXX gekommen sei und auch aufgrund der Bombardierungen von türkischer Seite aus, habe er Angst bekommen und sei ausgereist. Der BF2 gab im Wesentlichen an, er werde als Reservist gesucht. Deshalb habe er nicht mehr in den Libanon reisen können. Die syrische Regierung sei immer näher zu seinem Heimatort gekommen, die türkischen Truppen würden immer wieder angreifen und es gäbe keine Sicherheit. Den BF gelang in weiterer Folge die Flucht. Im Zuge der Einvernahme legte der BF2 ein syrisches Familienbuch, ein Militärbuch und drei Personalausweise in Kopie vor. Im Zuge der Einvernahme legten die BF ihre syrischen Personalausweise im Original vor. Eine durch die zuständige Landespolizeidirektion veranlasste Dokumentenüberprüfung ergab die Unbedenklichkeit der vorgelegten Personalausweise. Am 16.02.2023 übergab der BF2 dem BFA eine Kopie seines syrischen Reisepasses. Am 14.02.2023 wurden die BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte der BF1 aus, dass er im Jahr 2018 aus dem Libanon zurück nach Syrien gereist sei. Er habe nicht mehr aus Syrien ausreisen können, weil er erfahren habe, dass er von einer Geheimdienstabteilung gesucht werde. Er habe damals nicht daran gedacht, illegal in die Türkei zu gehen, bis das Regime näher nach römisch XXXX gekommen sei und auch aufgrund der Bombardierungen von türkischer Seite aus, habe er Angst bekommen und sei ausgereist. Der BF2 gab im Wesentlichen an, er werde als Reservist gesucht. Deshalb habe er nicht mehr in den Libanon reisen können. Die syrische Regierung sei immer näher zu seinem Heimatort gekommen, die türkischen Truppen würden immer wieder angreifen und es gäbe keine Sicherheit. Den BF gelang in weiterer Folge die Flucht. Im Zuge der Einvernahme legte der BF2 ein syrisches Familienbuch, ein Militärbuch und drei Personalausweise in Kopie vor. Im Zuge der Einvernahme legten die BF ihre syrischen Personalausweise im Original vor. Eine durch die zuständige Landespolizeidirektion veranlasste Dokumentenüberprüfung ergab die Unbedenklichkeit der vorgelegten Personalausweise. Am 16.02.2023 übergab der BF2 dem BFA eine Kopie seines syrischen Reisepasses.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.03.2023 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Ihnen wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.03.2023 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Ihnen wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht Beschwerde aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit, beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und wiederholten hierbei im Wesentlichen ihr Fluchtvorbringen. Im Zuge der Beschwerde legten die BF jeweils einen Suchbefehl der kurdischen Sicherheitsbehörde XXXX in Kopie vor und der BF2 übermittelte zwei Screenshots XXXX in Kopie. Gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht Beschwerde aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit, beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und wiederholten hierbei im Wesentlichen ihr Fluchtvorbringen. Im Zuge der Beschwerde legten die BF jeweils einen Suchbefehl der kurdischen Sicherheitsbehörde römisch XXXX in Kopie vor und der BF2 übermittelte zwei Screenshots römisch XXXX in Kopie.

Mit Parteiengehör vom 30.05.2023 wurden die BF aufgefordert, das Schreiben, welches mit der Beschwerde vorgelegt wurde, im Original samt Kuvert, in welchem es erhalten wurde, samt beglaubigter Übersetzung innerhalb von zwei Wochen vorzulegen.

Mit Schreiben vom 07.06.2023 gaben die BF im Wege ihrer Vertretung eine Stellungnahme ab. Diese wurde samt Beilagen dem BFA zur Kenntnisnahme und weiteren Verwendung am 12.06.2023 übermittelt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.2023 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der vormals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

Mit Parteiengehör vom 22.02.2024 wurden die BF aufgefordert weitere Fragen zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu beantworten. Den BF wurden weitere Länderinformationen übermittelt und ihnen wurde eine 14-tägige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 01.03.2024 bzw. 04.03.2024 übermittelten die BF im Wege ihrer Vertretung hierzu jeweils eine Stellungnahme. Der BF1 legte eine Heiratsurkunde, einen Familienregisterauszug sowie einen Auszug aus einem Militärbuch, ein Militärdienst-Absolvierungszertifikat, eine Entlassungsbescheinigung, einen Abholschein der militärischen Ausrüstung und einen Entlassungsbefehl in Kopie vor.

Mit Parteiengehör vom 21.03.2024 wurden weitere Länderinformationen übermittelt und den BF eine 3-tägige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 25.03.2024 brachten die BF im Wege ihrer Vertretung eine Stellungnahme ein und führten im Wesentlichen aus, dass sich die BF im reservepflichtigen Alter befinden, der Personalbedarf des syrischen Militärs unverändert hoch bleibe und Reservisten vielfach zum Militärdienst eingezogen werden sowie dass Reservisten unabhängig ihrer Qualifikation einberufen werden. Laut einem aktuellen Bericht sei ein Freikauf für Reservisten überhaupt nicht möglich und es werde auf die aktuelle Entscheidung des VfGH vom 26.02.2024, E 2592/2023 verwiesen. Der VfGH verlange eine Prüfung, ob die Freikaufsoption nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch bestehe. Es sei darauf abzustellen, ob die Person die finanziellen Mittel für den Freikauf nicht aufbringen könne, sowie ob sie ihren Status nicht bereinigen könnte, u. a., weil Dokumente fehlen. Die BF würden nicht über die finanziellen Mittel für einen Freikauf verfügen und aufgrund der illegalen Ausreise würden ihnen jedenfalls die für die Statusbereinigung erforderlichen Dokumente fehlen. Im Falle der Rückkehr drohe ihnen aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes aus politischer Überzeugung schwere Bestrafung, Verschwindenlassen und Folter. Erschwerend komme hinzu, dass die BF aus einem Oppositionsgebiet kommen und daher noch größerer Gefahr laufen würden, zum Wehrdienst eingezogen zu werden.

Mit Parteiengehör vom 10.04.2024 wurden den BF die aktuellen Länderinformationen, Version 11, übermittelt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt binnen 3 Tagen eine Stellungnahme abzugeben. Die BF gaben keine weitere Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person der Beschwerdeführer:

Die BF führen die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum). Sie sind syrische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Die BF sind in dem Ort XXXX (alternative Schreibweise: XXXX ), in der Nähe der Stadt XXXX , im Gouvernement Aleppo, geboren und dort aufgewachsen. Der BF1 besuchte keine Schule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete in seinem Herkunftsstaat in einem Lebensmittelgeschäft und im Libanon in der Dekorationsbranche. Der BF2 besuchte zumindest vier Jahre die Grundschule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete im Libanon ebenfalls in der Dekorationsbranche. Die BF sind in dem Ort römisch XXXX (alternative Schreibweise: römisch XXXX ), in der Nähe der Stadt römisch XXXX , im Gouvernement Aleppo, geboren und dort aufgewachsen. Der BF1 besuchte keine Schule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete in seinem Herkunftsstaat in einem Lebensmittelgeschäft und im Libanon in der Dekorationsbranche. Der BF2 besuchte zumindest vier Jahre die Grundschule, verfügt über keine Berufsausbildung und arbeitete im Libanon ebenfalls in der Dekorationsbranche.

Zumindest zwischen 2012 und 2018 hielt sich der BF1 bzw. zwischen 2005 und 2019 hielt sich der BF2 neben Syrien, auch regelmäßig im Libanon auf. Als die BF Syrien im Jahr 2022 letztendlich endgültig verließen, begaben sie sich in die Türkei, reisten danach weiter nach Europa und stellten am 27.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Den BF kommt in Österreich der Status der subsidiär Schutzberechtigten zu.

Die Eltern der BF sind verstorben. Die BF sind verheiratet. Die Ehefrau des BF1 sowie dessen fünf Kinder und die Ehefrau des BF2 sowie dessen vier Kinder leben aktuell noch im Herkunftsort der BF. Eine Schwester der BF lebt in Deutschland; zwei Brüder der BF sind im Libanon aufhältig.

Die BF sind gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:

Der im Norden Syriens gelegene Herkunftsort der BF, XXXX , im Gouvernement Aleppo, befindet sich in den kurdischen Selbstverwaltungsgebieten (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES). Allerdings ist die Sicherheitslage im Nordosten Syriens besonders volatil und sind seit der türkischen Militäroffensive gegen die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) syrische Regimekräfte in allen größeren Städten Nordostsyriens präsent.Der im Norden Syriens gelegene Herkunftsort der BF, römisch XXXX , im Gouvernement Aleppo, befindet sich in den kurdischen Selbstverwaltungsgebieten (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES). Allerdings ist die Sicherheitslage im Nordosten Syriens besonders volatil und sind seit der türkischen Militäroffensive gegen die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) syrische Regimekräfte in allen größeren Städten Nordostsyriens präsent.

Im Oktober 2019 haben das syrische Regime und die Kräfte der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES), die „Syrian Democratic Forces – SDF“ ein Abkommen geschlossen, um sich der türkischen Aggression in Nordsyrien entgegenzustellen. Seither verfügt das syrische Regime über Präsenzen in allen größeren Städten Nordsyriens. Wie bereits festgestellt, stammen die BF aus einem Ort in der Nähe der Stadt XXXX , sodass auch in dieser größeren Stadt Nordsyriens das syrische Regime präsent ist. Trotz grundsätzlicher kurdischer Gebietskontrolle hat das syrische Regime daher Zugriff auf die Region XXXX und somit auf die Heimatregion der BF.Im Oktober 2019 haben das syrische Regime und die Kräfte der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES), die „Syrian Democratic Forces – SDF“ ein Abkommen geschlossen, um sich der türkischen Aggression in Nordsyrien entgegenzustellen. Seither verfügt das syrische Regime über Präsenzen in allen größeren Städten Nordsyriens. Wie bereits festgestellt, stammen die BF aus einem Ort in der Nähe der Stadt römisch XXXX , sodass auch in dieser größeren Stadt Nordsyriens das syrische Regime präsent ist. Trotz grundsätzlicher kurdischer Gebietskontrolle hat das syrische Regime daher Zugriff auf die Region römisch XXXX und somit auf die Heimatregion der BF.

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 bis 42 Jahren. Der Reservedienst betrifft syrische Männer nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn sie sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheiden. Reservisten können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Die Altersgrenze für den Reservedienst kann erhöht werden, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Die BF sind im Entscheidungszeitpunkt XXXX bzw. XXXX Jahre und haben den verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee bereits abgeleistet. Der BF2 wird als Reservist von der syrischen Regierung gesucht.In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 bis 42 Jahren. Der Reservedienst betrifft syrische Männer nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn sie sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheiden. Reservisten können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Die Altersgrenze für den Reservedienst kann erhöht werden, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Die BF sind im Entscheidungszeitpunkt römisch XXXX bzw. römisch XXXX Jahre und haben den verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee bereits abgeleistet. Der BF2 wird als Reservist von der syrischen Regierung gesucht.

Die BF haben durch ihre Ausreise aus Syrien im Jahr 2022, im wehrfähigen Alter ( XXXX bzw. XXXX Jahre), die Ableistung des Reservedienstes verweigert, und würden daher bei einer Rückkehr als Regimegegner angesehen werden. Sie lehnen einen Militärdienst bei der syrischen Armee ab.Die BF haben durch ihre Ausreise aus Syrien im Jahr 2022, im wehrfähigen Alter ( römisch XXXX bzw. römisch XXXX Jahre), die Ableistung des Reservedienstes verweigert, und würden daher bei einer Rückkehr als Regimegegner angesehen werden. Sie lehnen einen Militärdienst bei der syrischen Armee ab.

Im Falle einer Rückkehr besteht für die BF daher die Gefahr, etwa an Checkpoints angehalten und wegen der Ausreise und damit einhergehenden Reservedienstverweigerung verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.

Auch die Ausreise der BF und die dadurch bewirkte Entziehung von der Ableistung des Reservedienstes wird vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.

Es besteht die Gefahr, dass die BF bei einer Rückkehr aufgrund ihres Alters von XXXX bzw. XXXX Jahren zum Reservedienst bei der syrischen Armee eingezogen werden, was sie jedoch ablehnen. Hinweise darauf, dass die BF vom Reservedienst befreit wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Die BF haben ihren verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet und eine Einziehung zum Reservedienst ist angesichts des willkürlichen Verhaltens der syrischen Behörden und des Bedarfs an kampffähigen Soldaten sehr wahrscheinlich.Es besteht die Gefahr, dass die BF bei einer Rückkehr aufgrund ihres Alters von römisch XXXX bzw. römisch XXXX Jahren zum Reservedienst bei der syrischen Armee eingezogen werden, was sie jedoch ablehnen. Hinweise darauf, dass die BF vom Reservedienst befreit wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Die BF haben ihren verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet und eine Einziehung zum Reservedienst ist angesichts des willkürlichen Verhaltens der syrischen Behörden und des Bedarfs an kampffähigen Soldaten sehr wahrscheinlich.

Bei einer Rückkehr nach Syrien laufen die BF Gefahr, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in ihre Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch das – in ihrem kurdisch kontrollierten Herkunftsgebiet präsente – syrische Militär ausgesetzt zu sein. Würden die BF in ihren Herkunftsort, eigentlich ein von den kurdischen Kräften (SDF) kontrolliertes Gebiet, zurückkehren, könnten sie sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einem Zugriff der syrischen Regierung und Armee entziehen, weil sich die SDF aufgrund der türkischen Vorstöße dazu gezwungen sahen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet ebenfalls Stellung zu beziehen, um die sich nach Syrien ausdehnende Türkei abzuschrecken. Die BF würden demnach Gefahr laufen, in ihrer Herkunftsregion, eigentlich Kurdengebiet, von syrischen Regimekräften, die nunmehr in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent sind, (etwa an Checkpoints) aufgegriffen und zwangsweise rekrutiert zu werden.

Im September 2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Die im Entscheidungszeitpunkt XXXX bzw. XXXX -jährigen BF unterliegen grundsätzlich nicht mehr der Selbstverteidigungspflicht der SDF. Im September 2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Die im Entscheidungszeitpunkt römisch XXXX bzw. römisch XXXX -jährigen BF unterliegen grundsätzlich nicht mehr der Selbstverteidigungspflicht der SDF.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, auszugsweise wiedergegeben:

„[…]

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

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Syrische Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

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Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).

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Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024).

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Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:

Kontrollgebiete der einzelnen Akteure farbig dargestellt auf einer Karte von Syrien

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).

Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operatione

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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