TE Bvwg Erkenntnis 2024/4/30 W272 2267715-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2024
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Entscheidungsdatum

30.04.2024

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs2a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. FPG § 88 heute
  2. FPG § 88 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  3. FPG § 88 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  4. FPG § 88 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2009

Spruch


W272 2267715-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2023, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX alias römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2023, Zahl römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2024, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 88 Abs. 2a FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 88, Absatz 2 a, FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger stellte am 09.02.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 23.01.2023, Zl. XXXX den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchteil I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG aber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchteil II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil III.). Die Spruchteile II. und III. erwuchsen in Rechtskraft.Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 23.01.2023, Zl. römisch XXXX den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ab (Spruchteil römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG aber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchteil römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil römisch III.). Die Spruchteile römisch II. und römisch III. erwuchsen in Rechtskraft.

Die gegen den Spruchteil I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde des BF wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 17.04.2023, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen worden.Die gegen den Spruchteil römisch eins. dieses Bescheides erhobene Beschwerde des BF wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 17.04.2023, Zl. römisch XXXX , als unbegründet abgewiesen worden.

Gegenständliches Verfahren

2. Am 06.06.2023 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte (§ 88 Abs. 2a FPG 2005).2. Am 06.06.2023 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte (Paragraph 88, Absatz 2 a, FPG 2005).

3. Mit 09.06.2023 erfolgte seitens des Bundesamtes ein Parteiengehör (Übermittlung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation) und eine Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von vier Wochen.

4. Mit Eingabe vom 07.07.2023 übermittelte der BF eine Stellungnahem zum Parteiengehör des Bundesamtes. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass es dem BF nicht möglich oder zumutbar sei persönlich oder online mit den syrischen Behörden in Kontakt zu treten, um ein Reisedokument zu beantragen. Diese Kontaktaufnahme würde einerseits die syrischen Behörden darüber informieren, wo sich der BF derzeit aufhalte und eine Sicherheitsüberprüfung auslösen. Diese könne dann negative Konsequenzen für die noch in Syrien verbliebenen Verwandten des BF haben. Schließlich möchte der BF auch nicht mit Gebühren und Zusatzzahlungen für die Erstellung eines Reisepasses das syrische Regime mitfinanzieren, welches für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sei. Diese Befürchtungen würden sich auch mit der übermittelten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Reisedokumente für syrische Staatsangehörige decken. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die gegen die Ausstellung eines Reisedokumentes für den unbescholtenen BF sprechen würden, bestehen nicht und daher sei dem BF der beantragte Fremdenpass auszustellen.

5. Mit Bescheid vom 24.08.2023 (zugestellt am 29.08.2023) wies das Bundesamt den Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG ab. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass es dem BF zumutbar sei, sich ein Reisedokument bei der syrischen Vertretungsbehörde zu beschaffen. Wie aus dem Vorverfahren hervorgehen, konnte der BF eine konkrete Verfolgungsgefahr in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien nicht glaubhaft machen.5. Mit Bescheid vom 24.08.2023 (zugestellt am 29.08.2023) wies das Bundesamt den Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz 2 a, FPG ab. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass es dem BF zumutbar sei, sich ein Reisedokument bei der syrischen Vertretungsbehörde zu beschaffen. Wie aus dem Vorverfahren hervorgehen, konnte der BF eine konkrete Verfolgungsgefahr in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien nicht glaubhaft machen.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 18.09.2023 (eingebracht am 25.09.2023) binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, die er im Wesentlichen folgendermaßen begründete: die belangte Behörde habe die konkrete Situation des BF unzureichend ermittelt, obwohl aus der Stellungnahme vom 07.07.2023 hervorgehe, dass er sich aus mehreren Gründen nicht an die syrische Botschaft wenden könne und es ihm somit faktisch nicht möglich sei, einen syrischen Reisepass zu erlangen. Das Bundesamt habe den Inhalt der Stellungnahme ignoriert. Der BF fürchte im Falle der Kontaktaufnahme mit der Botschaft das Bekanntwerden seines Aufenthaltsortes und seiner unrechtmäßigen Ausreise aus Syrien und eine Sicherheitsüberprüfung. Zudem fürchte er Repressionen gegen seine in Syrien verbliebenen Verwandten, das brutale und willkürliche Vorgehen des syrischen Regimes sei allgemein bekannt. Abgesehen lehne er es auch ab, das syrische Regime durch die Beantragung des kostspieligen Reisedokuments zu finanzieren. Es wäre jedenfalls Pflicht der belangten Behörde gewesen hierzu nähere Ermittlungen durchzuführen. Die Feststellung der belangten Behörde wonach der BF in der Lage sei, sich einen Reisepass des Herkunftsstaates zu beschaffen stehe im Widerspruch zum Vorbringen und sei daher aktenwidrig. Zudem sei die mangelhafte Beweiswürdigung nicht geeignet, die Entscheidung nachvollziehen zu können. Der BF habe in der Zwischenzeit einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei ihm aufgrund begründeter Furcht vor Verfolgung die Beantragung eines Reisedokuments bei der Botschaft nicht möglich. Zusätzlich missachte die belangte Behörde mit angefochtenen Bescheid den Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC. Die Ausstellung des Fremdenpasses sei derzeit die einzige Möglichkeit für den BF seine Reisefreiheit in Anspruch zu nehmen. Er habe Familienangehörige im Ausland, welche er besuchen möchte. Es liegen daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Voraussetzungen gemäß § 88 Abs. 2a FPG vor und wäre ein Fremdenpass auszustellen gewesen.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 18.09.2023 (eingebracht am 25.09.2023) binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, die er im Wesentlichen folgendermaßen begründete: die belangte Behörde habe die konkrete Situation des BF unzureichend ermittelt, obwohl aus der Stellungnahme vom 07.07.2023 hervorgehe, dass er sich aus mehreren Gründen nicht an die syrische Botschaft wenden könne und es ihm somit faktisch nicht möglich sei, einen syrischen Reisepass zu erlangen. Das Bundesamt habe den Inhalt der Stellungnahme ignoriert. Der BF fürchte im Falle der Kontaktaufnahme mit der Botschaft das Bekanntwerden seines Aufenthaltsortes und seiner unrechtmäßigen Ausreise aus Syrien und eine Sicherheitsüberprüfung. Zudem fürchte er Repressionen gegen seine in Syrien verbliebenen Verwandten, das brutale und willkürliche Vorgehen des syrischen Regimes sei allgemein bekannt. Abgesehen lehne er es auch ab, das syrische Regime durch die Beantragung des kostspieligen Reisedokuments zu finanzieren. Es wäre jedenfalls Pflicht der belangten Behörde gewesen hierzu nähere Ermittlungen durchzuführen. Die Feststellung der belangten Behörde wonach der BF in der Lage sei, sich einen Reisepass des Herkunftsstaates zu beschaffen stehe im Widerspruch zum Vorbringen und sei daher aktenwidrig. Zudem sei die mangelhafte Beweiswürdigung nicht geeignet, die Entscheidung nachvollziehen zu können. Der BF habe in der Zwischenzeit einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei ihm aufgrund begründeter Furcht vor Verfolgung die Beantragung eines Reisedokuments bei der Botschaft nicht möglich. Zusätzlich missachte die belangte Behörde mit angefochtenen Bescheid den Artikel 8, EMRK/Art. 7 GRC. Die Ausstellung des Fremdenpasses sei derzeit die einzige Möglichkeit für den BF seine Reisefreiheit in Anspruch zu nehmen. Er habe Familienangehörige im Ausland, welche er besuchen möchte. Es liegen daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Voraussetzungen gemäß Paragraph 88, Absatz 2 a, FPG vor und wäre ein Fremdenpass auszustellen gewesen.

7. Das Bundesamt legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens am 29.09.2023 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

8. Mit Eingabe vom 09.01.2024 übermittelte der BF seine Meldebestätigung und ersuchte um eine rasche Entscheidung über seine Beschwerde.

9. Mit Parteiengehör vom 08.02.2024 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation und gewährte eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen.

Der BF übermittelte am 05.03.2024 eine Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und brachte zusammengefasst vor, dass aus den in der Anfragebeantwortung zitierten Berichten deutlich werde, dass die syrischen Botschaften und Vertretungsbehörden Eckpfeiler der Überwachung von syrischen Staatsangehörigen darstellen. Die Passanträge tragen dazu bei, Datenbanken zur Kontrolle von syrischen Staatsangehörigen aufzubauen und führe die syrische Regierung weltweit systematische Überwachungsmaßnahmen im Ausland durch. Die Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft stelle ein zusätzliches Sicherheitsrisiko für den BF und seine Familienangehörigen in Syrien dar, welches der BF keinesfalls eingehen wolle. Der BF habe einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt und könne sich auch aus diesem Grund nicht an die syrische Botschaft wenden. Zudem sei der BF ein Gegner des syrischen Regimes und wolle es nicht mit hunderten von Euro für Passgebühren finanziell unterstützen, die eigentlich dazu diesen das Unrechtsregime an der Macht zu halten. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls sei auch objektiv nachvollziehbar, dass es dem BF nicht zumutbar und er daher nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Reisedokument seines Herkunftslandes Syrien zu beschaffen.

Mit Eingabe vom 12.03.2024 teilte das Bundesamt mit, dass der BF am 04.09.2023 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt habe und dieses Verfahren beim Bundesamt anhängig sei.

10. Am 22.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch durch. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der mündlichen Verhandlung teil (OZ 10). Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht die aktuellen Länderinformationen zu Syrien in das Verfahren ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Zur Person des BF:

1.1.1. Der BF ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger. Er heißt XXXX , und wurde am XXXX in Syrien geboren. Er gehört der Volksgruppe der Araber und der islamisch-sunnitischen Glaubensrichtung an. Seine Erstsprache ist Arabisch. Seine Identität steht fest.1.1.1. Der BF ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger. Er heißt römisch XXXX , und wurde am römisch XXXX in Syrien geboren. Er gehört der Volksgruppe der Araber und der islamisch-sunnitischen Glaubensrichtung an. Seine Erstsprache ist Arabisch. Seine Identität steht fest.

Der BF ist seit 2007 mit einer syrischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Sie haben gemeinsam zwei minderjährige Töchter sowie drei Söhne im Alter von 7 bis 15 Jahren.Der BF ist seit 2007 mit einer syrischen Staatsangehörigen römisch XXXX verheiratet. Sie haben gemeinsam zwei minderjährige Töchter sowie drei Söhne im Alter von 7 bis 15 Jahren.

1.1.2. Der BF ist im Dorf XXXX in Deir ez Zor geboren und aufgewachsen. Im Jahr 2017 verzog er mit seiner Familie nach Reef Damaskus/ XXXX , wo er zuletzt bis zu seiner Ausreise Ende 2021 lebte.1.1.2. Der BF ist im Dorf römisch XXXX in Deir ez Zor geboren und aufgewachsen. Im Jahr 2017 verzog er mit seiner Familie nach Reef Damaskus/ römisch XXXX , wo er zuletzt bis zu seiner Ausreise Ende 2021 lebte.

1.1.3. In Syrien, leben im Geburtsort des BF weiterhin all seine Geschwister. Seine Eltern sind bereits verstorben. Der BF hat eine Schwester und von zwei weiteren Ehefrauen seines Vaters (vor seiner Mutter) auch noch insgesamt sechs Halbschwestern sowie drei Halbbrüder. Seine Ehefrau lebt gemeinsam mit seinen fünf Kindern weiterhin in Reef Damaskus (südwestlich der Stadt Damaskus ca. 60 km entfern) in einer Mietwohnung. Die Frau des BF arbeitet als Schneiderin in einem eigenen kleinen Geschäft neben der Wohnung und finanziert mit Unterstützung ihrer zwei Brüder, welche in Saudi-Arabien leben, den Lebensunterhalt für sie und die Kinder. Der BF hat Kontakt regelmäßig, bis zu täglich, telefonischen Kontakt mit seiner Frau und Kinder über WhatsApp. Seiner Frau und Kindern geht es, abgesehen von den finanziellen Herausforderungen, gut.

1.1.4. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Verfahrensgang und zum Passantrag des BF:

1.2.1. Der BF reiste im Februar 2022 illegal nach Österreich ein und stellte am 09.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 23.01.2023, Zl. XXXX wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr, welche mit Bescheid vom 22.01.2024 für zwei Jahre verlängert wurde.1.2.1. Der BF reiste im Februar 2022 illegal nach Österreich ein und stellte am 09.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 23.01.2023, Zl. römisch XXXX wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr, welche mit Bescheid vom 22.01.2024 für zwei Jahre verlängert wurde.

Die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde des BF wies das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündeten Erkenntnis am 17.04.2023, Zl. XXXX , als unbegründet ab und hielt fest, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat Syrien nicht glaubhaft machen konnte. Insbesondere eine konkrete Verfolgung des BF durch die Regierung wegen einer oppositionellen Haltung konnte nicht plausibel dargelegt werden. Es gibt keine Hinweise, dass der BF abseits der durch den Bürgerkrieg gegebenen allgemeinen Gefahren einer individuellen Verfolgung oder Gefährdung ausgesetzt wäre.Die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde des BF wies das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündeten Erkenntnis am 17.04.2023, Zl. römisch XXXX , als unbegründet ab und hielt fest, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat Syrien nicht glaubhaft machen konnte. Insbesondere eine konkrete Verfolgung des BF durch die Regierung wegen einer oppositionellen Haltung konnte nicht plausibel dargelegt werden. Es gibt keine Hinweise, dass der BF abseits der durch den Bürgerkrieg gegebenen allgemeinen Gefahren einer individuellen Verfolgung oder Gefährdung ausgesetzt wäre.

1.2.2. Am 06.06.2023 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte (§ 88 Abs. 2a FPG 2005), den das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.08.2023 abgewiesen hat.1.2.2. Am 06.06.2023 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte (Paragraph 88, Absatz 2 a, FPG 2005), den das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.08.2023 abgewiesen hat.

1.2.3. Für im Ausland lebende Syrer besteht die Möglichkeit, einen Reisepass in einer Auslandsvertretungsbehörde zu beantragen. Durch Vorlage seines abgelaufenen Reisepasses, Nr. XXXX und seines syrischen Personalausweises Nr. XXXX sowie seiner Aufenthaltskarte für subsidiär Schutzberechtigte zusammen mit zwei Passfotos und der persönlichen Antragstellung in der syrischen Botschaft kann der BF ein syrisches Reisedokument erlangen. Darüber hinaus ist dem BF eine Antragstellung über ein Online-Portal des syrischen Innenministeriums möglich. Auch für Syrer, die illegal aus Syrien ausgereist sind, ist es möglich, einen Reisepass in einer Auslandsvertretungsbehörde zu beantragen.1.2.3. Für im Ausland lebende Syrer besteht die Möglichkeit, einen Reisepass in einer Auslandsvertretungsbehörde zu beantragen. Durch Vorlage seines abgelaufenen Reisepasses, Nr. römisch XXXX und seines syrischen Personalausweises Nr. römisch XXXX sowie seiner Aufenthaltskarte für subsidiär Schutzberechtigte zusammen mit zwei Passfotos und der persönlichen Antragstellung in der syrischen Botschaft kann der BF ein syrisches Reisedokument erlangen. Darüber hinaus ist dem BF eine Antragstellung über ein Online-Portal des syrischen Innenministeriums möglich. Auch für Syrer, die illegal aus Syrien ausgereist sind, ist es möglich, einen Reisepass in einer Auslandsvertretungsbehörde zu beantragen.

1.2.4. Da sich der BF im Entscheidungszeitpunkt mit seinen 43 Jahren nicht mehr im wehrfähigen Alter befindet, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass er durch eine allfällige Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien die syrischen Behörden auf sich und seine noch in der Heimat befindlichen Angehörigen aufmerksam machen könnte und diese dadurch einer eventuellen Verfolgung aussetzen würde. Ein ausreichend konkret belegter oder glaubhafter Grund dafür, dass dem BF die Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft in Österreich nicht möglich oder unzumutbar ist, liegt nicht vor. Eine damit verbundene Gefährdung oder Repressalien für den BF bzw. seiner in Syrien lebenden Ehefrau und Kinder sowie weiteren Familienangehörigen ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Der BF hat bei der syrischen Botschaft in Wien die Ausstellung eines nationalen syrischen Reisedokumentes nicht beantragt und keinen Versuch unternommen, auf diesem Wege einen gültigen nationalen Reisepass zu erhalten.

Dem BF ist es vor diesem Hintergrund daher – wie vom BFA aufgefordert – zumutbar, ein nationales Reisedokument bei der syrischen Botschaft in Wien zu beschaffen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen

-        die aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (Country of Origin Information-Content Management System), Version 11 vom 27.03.2024;

-        der EASO –Leitfaden November 2021;

-        die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021

-        der EUAA Country Guidance Syria vom April 2024

-        die Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen zu Möglichkeiten der Erlangung eines syrischen Reisedokuments (Möglichkeiten, Voraussetzungen, Rolle des konkreten Herkunftsortes, persönliche Anwesenheit, Folgen für Antragsteller innen im Inland und Verwandte im Herkunftsstaat [a-12313] auszugsweise wiedergegeben:

Sicherheitslage

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):

C:\Users\weinmei\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\B3B56A2E.tmpUNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)

Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:

C:\Users\weinmei\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\3115066C.tmpCC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).

Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:

C:\Users\weinmei\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\10E9735A.tmpJusoor 30.7.2023

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).

Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).

Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).

Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)

Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).

Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien (AA 2.2.2024). IS-Kämpfer sind in der Wüste von Deir ez-Zor, Palmyra und Al-Sukhna stationiert und konzentrieren ihre Angriffe auf Deir ez-Zor, das Umland von Homs, Hasakah, Aleppo, Hama und Raqqa (NPA 15.5.2023). In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet (NPA 8.7.2023).

Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-­Terror­-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).

Zivile Todesopfer landesweit

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London (SOHR), verzeichnete für das Jahr 2023 mit 4.361 getöteten Personen die höchste Todesopferzahl in drei Jahren. Darunter zählten sie 1.889 ZivilistInnen, darunter 307 Kinder und 241 Frauen (SOHR 31.12.2023).

C:\Users\weinmei\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\615AE478.tmpSOHR 31.12.2023

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) dokumentierte im Zeitraum 1.1.2021 bis 30.6.2023 in den syrischen Gouvernements die folgende Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer sowie Todesopfern. Demnach kamen im Jahr 2022 5.949 Menschen ums Leben und im ersten Halbjahr 2023 2.796 Personen.

Im Monatsverlauf dokumentierte ACLED im Zeitraum 1.1.2020-30.6.2023 die folgende Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer (Darstellung der Staatendokumentation basierend auf Daten von ACLED):

C:\Users\weinmei\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\B1755946.tmp ACLED o.D.; *2023: Zeitraum 1.1.-30.6.2023

Der Großteil der von ACLED gesammelten Daten basiert auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen. Die Daten können daher das Ausmaß an Vorfällen unterschätzen. Insbesondere Daten zur Anzahl an Todesopfern sind den Gefahren der Verzerrung und der ungenauen Berichterstattung ausgesetzt. ACLED gibt an, konservative Schätzungen zu verwenden (ACLED/ACCORD 25.3.2021).

Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 29.11.2021).

Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien

Die syrische Regierung wird beschuldigt mehrmals chemische Waffen eingesetzt zu haben, was zu internationalen Verurteilungen in den Jahren 2013, 2017 und 2018 führte (CFR 24.1.2024). Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Teams“ (IIT) zu ermitteln. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022 kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022).

Eine umfangreiche Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi) von 2019 konnte auf Basis der analysierten Daten im Zeitraum 2012 bis 2018 mindestens 336 Einsätze von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt bestätigen und geht bei 98 Prozent der Fälle von der Urheberschaft des syrischen Regimes aus (AA 29.11.2021).

Auch wenn es im Jahr 2022 kein Einsatz von chemischen Waffen berichtet wurde, so wird davon ausgegangen, dass das Regime weiterhin über ausreichende Vorräte von Sarin und Chlor verfügt, und über die Expertise zur Produktion und Anwendung von Chlor-hältiger Munition verfügt. Das Regime erfüllte nicht die Forderungen der Organization for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) Conference of the States Parties, weshalb seine Rechte in der Organisation suspendiert bleiben (USDOS 20.3.2023).

Kontaminierung mit Minen und nicht-detonierten Sprengmitteln

Neben der Bedrohung durch aktive Kampfhandlungen besteht in weiten Teilen des Landes eine dauerhafte und anhaltende Bedrohung durch Kampfmittel. So zählt die CoI in ihrem jüngsten Bericht 12.350 Vorfälle mit Blindgängern oder Landminen im Zeitraum 2019 bis April 2022. Die Gesamtzahl der durch Landminen (bekannten) getöteten Opfer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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