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L34007 Abgabenordnung Tirol;Norm
ABGB §354;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der A in I, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Dezember 1991, Zl. MD/Präs.Abt.II-9067/1991, betreffend Erschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Dezember 1991 wurden der Beschwerdeführerin und P "für die Errichtung einer Reihenhausanlage im Anwesen S-Straße 32 l-n" ein Erschließungsbeitrag gemäß § 19 Tiroler Bauordnung (TBO) in der Höhe von S 166.032,-- vorgeschrieben.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es (u.a.), daß die X-Gesellschaft m.b.H. mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 13. April 1989 die Baubewilligung zur Errichtung einer Reihenhausanlage im Anwesen S-Straße 32 l-n erhalten habe. Die erteilte Baubewilligung gestatte es dem Bauwerber, auf den Gpn. 1334/15, 16 und 17, KG H, eine Wohnanlage bestehend aus drei Reihenhäusern zu errichten. Dieser Baubescheid sei infolge Verzichtes auf ein Rechtsmittel am 31. Mai 1989 in Rechtskraft erwachsen. "Mit Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides am 31. 5. 1989 und nach erfolgtem Baubeginn am 12. 6. 1989" sei gegenüber P und der Beschwerdeführerin - als (damaligen) grundbücherlichen Eigentümern der Gpn. 1335/15, 16 und 17, alle KG H - die Abgabepflicht zur Entrichtung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung entstanden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Abgabenanspruch entsprechend § 3 Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) insofern entstanden, als der Tatbestand, nämlich der Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides, verwirklicht worden sei, an welchen die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpfe.
Nachdem die Tiroler Bauordnung den Begriff des Eigentümers bzw. Eigentums im Sinne des bürgerlichen Rechts (Sachenrechts) definiere, sei ungeachtet der in der TLAO grundsätzlich vorgesehenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise jeweils der Eigentümer zur Abgabe verpflichtet, der tatsächlich im Grundbuch eingetragen sei.
Der auf § 55 TBO gestützten Argumentation der Berufungswerber sei entgegenzuhalten, daß in der vorliegenden Angelegenheit abgabenrechtliche Pflichten aus Bescheiden nach der Tiroler Bauordnung nicht bestünden, sodaß das ins Treffen geführte Vorbringen der dinglichen Wirkung solcher Rechte und Pflichten nicht zum Tragen kommen könne. § 55 TBO könne nur dort Platz greifen, wo einerseits abgabenrechtliche Rechte bzw. Pflichten aus Bescheiden nach der Tiroler Bauordnung bereits existent seien, und zwar nicht abstrakt, sondern einem bestimmten Steuerschuldner gegenüber, und andererseits ein Umstand vorliege, der im bereits bestehenden Steuerschuldverhältnis auf Steuerschuldnerseite eine Änderung (z.B. Konkurs oder Tod des Steuerschuldners) hervorgerufen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung (u.a.) dieser Beschwerde mit Beschluß vom 28. September 1992, B 190/92-3 und Folgezahlen, ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich die Beschwerdeführerin - nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringes - in dem Recht verletzt, daß ihr gegenüber ein Erschließungsbeitrag nicht vorgeschrieben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989,
bestimmt:
"Änderung von Grundstücken
(1) Die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung der Grenzen von Grundstücken im Bauland bedürfen der Bewilligung der Behörde. Davon ausgenommen sind Grundstücksänderungen, die sich im Rahmen eines Verfahrens nach dem III. Teil des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 ergeben oder die nach den §§ 13 und 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. Nr. 91/1976, oder im Zusammenhang mit der Verwendung für öffentliche Verkehrsflächen und öffentliche Versorgungseinrichtungen vorgenommen werden.
(2) Um die Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 haben die betreffenden Grundstückseigentümer bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Dem Eigentümer eines Grundstückes ist eine Person gleichzuhalten, die einen Rechtstitel nachweisen kann, der für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentums am Grundstück geeignet ist."
§ 17 TBO hat folgenden Wortlaut:
"Erschließungslasten
Die Eigentümer von Bauplätzen haben die Verpflichtung, für die von der Gemeinde durchzuführende verkehrsmäßige Erschließung Leistungen zu erbringen (Erschließungslasten). Die Erschließungslasten umfassen die Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen und die Leistung von Erschließungsbeiträgen."
§ 19 TBO lautet auszugsweise:
"Beiträge zu den Kosten der Verkehrserschließung
(1) Mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung für den Neubau eines Gebäudes oder für die Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, entsteht für den Eigentümer des Bauplatzes die Verpflichtung, der Gemeinde einen Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag) zu leisten. Als Vergrößerung der Baumasse gilt auch, wenn landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude oder Teile davon durch bauliche Änderungen diesen Verwendungszweck verlieren.
...
(7) Der Erschließungsbeitrag ist nach Baubeginn mit Bescheid vorzuschreiben. Der Berechnung des Erschließungsbeitrages ist der im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft der Baubewilligung geltende Einheitssatz (Abs. 5) zugrundezulegen. Die Verjährungsfrist nach § 155 lit. a und § 156 Abs. 3 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984, beginnen mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Bau begonnen wurde, bzw. mit dem Baubeginn.
..."
§ 55 TBO hat folgenden Wortlaut:
"Dingliche Wirkung von Bescheiden
Die aus Bescheiden nach diesem Gesetz mit Ausnahme von Bescheiden nach § 53 sich ergebenden bau- und abgabenrechtlichen Rechte und Pflichten haften auf dem Grundstück und gehen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum bzw. im Baurecht über."
In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, die belangte Behörde hätte zu Unrecht § 12 Abs. 2 TBO nicht berücksichtigt. Aus dieser Regelung ergebe sich nämlich, daß der Begriff des Eigentums nach der TBO nicht mit jenem des bürgerlichen Rechts ident sei. Dem Eigentümer eines Grundstückes sei vielmehr nach der TBO eine Person gleichzuhalten, die einen Rechtstitel nachweisen könne, der für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentums am Grundstück geeignet sei.
Die Beschwerdeführerin vermag damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerdeführerin verkennt nämlich zunächst, daß § 12 Abs. 2 TBO lediglich eine Regelung darüber trifft, wer für eine Bewilligung (zur Änderung von Grundstücken) nach § 12 Abs. 1 TBO antragslegitimiert ist, wie dies aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes hervorgeht ("um die Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 ..."). Davon abgesehen trifft der zweite Satz des § 12 Abs. 2 TBO keine, wie die Beschwerdeführerin offenbar meint, eigene (weite) Begriffsbestimmung des "Eigentümers", sondern stellt vielmehr dem vom Gesetzgeber als vorgegeben behandelten Begriff des Eigentümers eine gesetzliche Fiktion ZUR SEITE
("... ist ... gleichzuhalten"). Eine allgemeine und eigenständige Begriffsdefinition des "Eigentümers" trifft die TBO damit nicht.
Die Beschwerdeführerin vermag auch nicht mit ihrem Hinweis auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 19 TLAO sowie den Zurechnungstatbestand des "wirtschaftlichen Eigentums" (§ 22 Abs. 1 lit. d TLAO) durchzudringen. Wenn sich der Gesetzgeber nämlich der gesetzestechnischen Methode der rechtlichen Anknüpfung bedient, die darin besteht, daß in anderen Rechtsbereichen vorgenommene Umschreibungen eines Zustandes, Verhältnisses oder sonst relevanter Tatsachen in die Steuernormen aufgenommen werden, und zwar mit der den Begriffen des anderen Rechtsgebietes zukommenden Bedeutung, dann muß das Ergebnis der Interpretation einer solchen steuerrechtlichen Vorschrift mit dem der Interpretation im Bereich des Rechtsgebietes, dem die Umschreibung entnommen wurde, übereinstimmen; bei einem tatbestandsmäßigen Anknüpfen an außersteuerrechtliche Regelungen und Begriffe geht der Grundsatz der rechtlichen Betrachtungsweise im Sinne des zweiten Absatzes des § 19 TLAO jener der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor, sodaß bei Anknüpfung des Abgabenrechts an Vorschriften anderer Regelungskreise für eine von dem Recht, an das angeknüpft wird, abweichende Begriffsinhaltsdeutung kein Raum ist (vgl. das zur inhaltsgleichen Regelung des § 21 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1994, Zl. 93/13/0009, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Band 1, 228, mit Nachweisen aus der hg. Judikatur). Der in § 19 TBO gebrauchte Begriff "Eigentümer" bildet einen geradezu typischen Beispielsfall für eine solche gesetzestechnische Anknüpfung und zwar an den Begriff des "Eigentümers" im Sinne des Baurechts und damit des bürgerlichen Rechts (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1986, Zl. 84/17/0164). Für eine nicht rechtliche, sondern wirtschaftliche Betrachtungsweise des Begriffes "Eigentümer" ist somit, entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin, kein Raum.
Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 17 TBO sowie den Umstand, daß sie zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung nicht mehr Eigentümerin des gegenständlichen Bauplatzes gewesen sei, vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen:
Die bloß allgemeine Regelung des § 17 TBO, daß die Eigentümer von Bauplätzen Erschließungslasten zu tragen haben und letztere die Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen sowie die Leistung von Erschließungsbeiträgen umfassen, ändert nichts daran, daß (erst) § 19 TBO die nähere Regelung hinsichtlich der Leistung von Erschließungsbeiträgen enthält. Wie die belangte Behörde aber zutreffend erkannt hat, entsteht gemäß § 3 Abs. 1 TLAO der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Dieser Tatbestand ist nach dem anzuwendenden Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 1 erster Satz TBO durch den Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft der Baubewilligung (für die dort vorgesehenen Fälle) umschrieben. Damit ist aber auch die Person des Abgabenschuldners eindeutig bezeichnet: Jener, der Eigentümer des Bauplatzes zum Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft der Baubewilligung ist, ist als Abgabenschuldner anzusehen.
Dabei sind aus Anlaß dieses Beschwerdefalles beim Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmung entstanden. Es erschiene vielmehr bei der Beurteilung der Sachlichkeit des objektiven Regelungsgehaltes als bedenklich, wenn, wie die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, die Person des Abgabenschuldner vom zufällig gewählten Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung abhängig sein sollte.
Die Beschwerdeführerin ist aber auch nicht im Recht, wenn sie sich auf § 55 TBO beruft. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, behandelt § 55 TBO (lediglich) die dingliche Wirkung von BESCHEIDEN. Für das AbgabenSCHULDVERHÄLTNIS (vor seiner bescheidförmigen Konkretisierung) ist eine solche "in-rem-Wirkung" oder "dingliche Wirkung" in der TBO nicht vorgesehen. Einer solchen ausdrücklichen Regelung - die im übrigen vom sonstigen System des Abgabenrechtes abweichen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 84/17/0046, betreffend die Verneinung der in-rem-Wirkung der Abgabenschuld nach § 9 NÖ Kanalgesetz) - hätte es allerdings bedurft, um in dem nach § 3 Abs. 1 TLAO (vgl. auch dessen Abs. 3) in Verbindung mit § 19 Abs. 1 TBO entstandenen Abgabenschuldverhältnis einen Schuldnerwechsel bei jedem Eigentümerwechsel annehmen zu können.
Soweit die Beschwerdeführerin - offenkundig unter dem Aspekt einer verfassungskonformen Interpretation - eine solche "in-rem-Wirkung" oder "dingliche Wirkung" für das Abgabenschuldverhältnis aus § 55 TBO abzuleiten sucht, vermag der Verwaltungsgerichtshof einer Umdeutung des diesbezüglich klaren Wortlautes ("die aus Bescheiden ... sich ergebenden bau- und abgabenrechtlichen Rechte und Pflichten ...") nicht zu folgen. Denn bei einer nach dem klaren Wortlaut zweifelsfreien Regel ist für eine verfassungskonforme Auslegung kein Platz.
Davon abgesehen vermag die Beschwerdeführerin Bedenken gegen die Sachlichkeit der Regelung des § 19 Abs. 1 TBO nicht hervorzurufen, wenn sie darauf hinweist, es stelle ein untragbares Ergebnis dar, daß die Zahlungsverpflichtung und somit auch die Rechte auf die Erschließung beim früheren Grundstückseigentümer verblieben, der Rechtsnachfolger im Grundeigentum aber keinen Anspruch gegenüber der Gemeinde auf Erschließung seines Grundstückes hätte. Bei dieser Argumentation wird nämlich schon vom Ansatz her verkannt, daß bei Interessentenbeiträgen die Abgabepflicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den dem einzelnen erwachsenden Vorteilen stehen muß; die Aufteilung muß nur nach irgendwelchen sachlichen bzw. objektiven Kriterien gerechtfertigt sein (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1986, Slg. 10.947).
Schließlich ist es aber auch verfehlt, wenn in der Beschwerde unter Hinweis auf § 220 TLAO vorgebracht wird, im vorliegenden Fall entfalte der Baubescheid zweifellos in Verbindung mit § 17 TBO abgabenrechtliche Wirkungen und leite sich vom Baubescheid auch der Bescheid hinsichtlich des Erschließungsbeitrages ab. Die Beschwerdeführerin verkennt dabei schon deshalb die Rechtslage, weil § 220 TLAO lediglich auf ABGABENRECHTLICHE Bescheide (in einem Grundlagen- und Folgebescheidsystem) abstellt.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992170266.X00Im RIS seit
11.07.2001