Entscheidungsdatum
14.05.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W123 2244734-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Georg BÜRSTMAYR, Mag. Ralf NIEDERHAMMER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2021, Zl. 1264106008-210529346, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Georg BÜRSTMAYR, Mag. Ralf NIEDERHAMMER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2021, Zl. 1264106008-210529346, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz eins und 2 VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 09.01.2020 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt und stellte dort am 30.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 21.04.2021 reiste der Beschwerdeführer legal mit dem Flugzeug von Griechenland über Wien/Schwechat in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
3. Im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass es in Logar viele Taliban gegeben habe. Sein Vater habe viele Probleme mit seiner Familie wegen der Grundstücke gehabt und in der Moschee gepredigt. Deswegen sei er auch von den Taliban bedroht worden.
4. Am 03.05.2021 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„[…]
LA: Was war Ihrer Meinung nach der fluchtauslösende Moment, das Sie Afghanistan verlassen haben? Schildern Sie dies bitte möglichst chronologisch und lebensnah, dh. Mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde ihr Vorbringen nachvollziehen kann. Nehmen Sie sich dafür im Rahmen einer freien Erzählung ruhig Zeit.
VP: Als ich noch in Afghanistan gelebt habe, wurden wir alle bedroht und mein Vater wurde von seinem Cousin väterlicherseits und den Taliban bedroht. Sein Cousin wollte seine Grundstücke haben, aber mein Vater hat sie geerbt. Mein Vater hat seinen Job, als Lehrer aufgegeben und hat auf den Grundstücken gearbeitet und am Abend ist er in die Moschee gegangen und hat mit den Jungs gesprochen, dass sie nicht kämpfen sollen und nicht alles wegen dem Geld machen sollen, das haben die Taliban erfahren und sie haben meinen Vater bedroht, aber auch mitgenommen und geschlagen. Außerdem war der Cousin meines Vaters verlobt. Mein Bruder XXXX ist mit seiner Verlobten gemeinsam geflüchtet, das war nicht 2015 sondern vier Jahre zuvor. Die Taliban und der Cousin meines Vaters haben, meinen Vater bedroht, deshalb wollten wir von dort weggehen.VP: Als ich noch in Afghanistan gelebt habe, wurden wir alle bedroht und mein Vater wurde von seinem Cousin väterlicherseits und den Taliban bedroht. Sein Cousin wollte seine Grundstücke haben, aber mein Vater hat sie geerbt. Mein Vater hat seinen Job, als Lehrer aufgegeben und hat auf den Grundstücken gearbeitet und am Abend ist er in die Moschee gegangen und hat mit den Jungs gesprochen, dass sie nicht kämpfen sollen und nicht alles wegen dem Geld machen sollen, das haben die Taliban erfahren und sie haben meinen Vater bedroht, aber auch mitgenommen und geschlagen. Außerdem war der Cousin meines Vaters verlobt. Mein Bruder römisch XXXX ist mit seiner Verlobten gemeinsam geflüchtet, das war nicht 2015 sondern vier Jahre zuvor. Die Taliban und der Cousin meines Vaters haben, meinen Vater bedroht, deshalb wollten wir von dort weggehen.
[…]
LA: Weshalb geben Sie heute an kein religiöses Bekenntnis zu haben und haben noch bei Ihrer Erstbefragung angeben, dass Sie Moslem sind?
VP: Ich habe auch damals gesagt, dass ich kein Bekenntnis habe, aber die Dolmetscherin hat gefragt, welche Religion mein Vater hatte.
LA: Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar, die Fragen sind völlig einfach gestellt und leicht verständlich? Nehmen sie hierzu Stellung!
VP: Am Anfang habe ich gesagt, dass es ein Paar Fehler gibt.
LA: Weshalb haben Sie trotz der Fehler die Niederschrift mit einer Rückübersetzung unterfertigt?
VP: Die Dolmetscherin hat gesagt, dass ich es später korrigieren kann, sie hat gesagt, dass die Einvernahme nicht so wichtig ist, bei der nächsten Einvernahme könnte ich alles korrigieren.
LA: Seit wann haben Sie kein Bekenntnis mehr bzw. wann haben Sie sich vom Islam abgewandt?
VP: Als ich im Iran war, habe ich nicht gebetet und als ich in der Türkei war habe ich ganz aufgehöhrt.
LA: Wie ist das möglich, Sie haben sich über viele Jahre in muslimischen Ländern aufgehalten und haben nicht die Moschee besucht? Wie ist das möglich?
VP: In Afghanistan schon, aber im Iran und der Türkei nicht mehr. Es war für mich bedeutungslos.
LA: Wie haben Sie sich gefühlt, in der Zeit, als Sie nicht mehr gebetet haben?
VP: Es hat mir nichts ausgemacht, auch in Afghanistan habe ich nicht viel gebetet.
LA: Was hat sie dazu bewogen nicht mehr zu beten?
VP: Ich wollte nicht von etwas abhängig sein, ich habe auch nicht viel von Religion verstanden und habe mich nicht interessiert. Als ich im Iran war habe ich die Moschee nicht besucht, auch sind die dort Schiitisch und ich habe alles vergessen.
[…]
LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr nach Afghanistan passieren? Was würde Sie dort erwarten?
VP: Ich habe dort keinen. Die Hälfte meines Leben habe ich im Ausland verbracht und wegen meiner Religion kann ich auch nicht dort hin zurückkehren.
LA: Weshalb können Sie als junger und gesund Mann, ohne Bekenntnis sich nicht in einer Millionenstadt wie Kabul oder Mazar-e-Sharif oder Herat ein eigens Leben aufbauen?
VP: Wie schon gesagt, ich habe dort keinen, ich habe nur einen Bruder und der lebt hier.
LA: Wie lässt es sich vereinbaren, dass Sie behaupten schon seit längerem ohne Bekenntnis zu sein und aber auch in Griechenland, angeben muslimischer-Sunnit zu sein?
VP: Ich wurde nie befragt in Griechenland.
[…]“
5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkte II. und III.).5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß 8 Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkte römisch II. und römisch III.).
6. Gegen Spruchpunkt I. des obgenannten Bescheides der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 19.07.2021, in der der Beschwerdeführer zusammenfassend ausführte, er habe sich von der ihm aufgezwungenen Religion des Islam schrittweise abgewandt und sich dieser Prozess in Österreich deutlich weiter verstärkt. Außerdem sei der Beschwerdeführer bei Verlassen seines Herkunftsstaats 10 Jahre alt gewesen und habe sich jahrelang irregulär im Iran aufgehalten, von einer kontinuierlichen „Sozialisierung“ könne daher schwerlich die Rede sein. Weiters wurde die Einvernahme von XXXX und von XXXX als Zeugen beantragt.6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des obgenannten Bescheides der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 19.07.2021, in der der Beschwerdeführer zusammenfassend ausführte, er habe sich von der ihm aufgezwungenen Religion des Islam schrittweise abgewandt und sich dieser Prozess in Österreich deutlich weiter verstärkt. Außerdem sei der Beschwerdeführer bei Verlassen seines Herkunftsstaats 10 Jahre alt gewesen und habe sich jahrelang irregulär im Iran aufgehalten, von einer kontinuierlichen „Sozialisierung“ könne daher schwerlich die Rede sein. Weiters wurde die Einvernahme von römisch XXXX und von römisch XXXX als Zeugen beantragt.
7. Am 07.04.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher XXXX als Zeuge zum Beweis für die auch nach außen tretende Abwendung vom Islam beantragt wurde.7. Am 07.04.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher römisch XXXX als Zeuge zum Beweis für die auch nach außen tretende Abwendung vom Islam beantragt wurde.
8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2022, W123 2244734-1/5E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
9. In Folge einer seitens des Beschwerdeführers erhobenen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hob der Verwaltungsgerichtshof am 12.12.2023, Ra 2022/19/0239-11, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2022 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
10. Am 03.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer sowie die beantragten Zeugen, Frau XXXX und Herr Mag. XXXX , zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers befragt wurden.10. Am 03.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer sowie die beantragten Zeugen, Frau römisch XXXX und Herr Mag. römisch XXXX , zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers befragt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist in Afghanistan, Provinz Logar, geboren und aufgewachsen und verließ 2015, gemeinsam mit seiner Familie seinen Herkunftsstaat. Nachdem die Familie des Beschwerdeführers bei der Flucht getrennt wurde, lebte der Beschwerdeführer für ca. drei Jahre alleine im Iran, bevor er schließlich im April 2021 nach Österreich kam.
1.2. Der Beschwerdeführer hat sich spätestens seit seinem Aufenthalt in Österreich vom islamischen Glauben ernsthaft und willentlich entfernt und lebt nunmehr ohne Religionsbekenntnis. Er beschäftigte sich insbesondere im Internet mit den naturwissenschaftlichen Theorien, las Beiträge über Religionen und bezeichnet sich selbst als Atheist.
Dem Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht zuzumuten, seine (verinnerlichten) religionskritischen Ansichten zu verleugnen. Dem Beschwerdeführer kann aufgrund seiner glaubhaften Abwendung vom Islam insbesondere nicht zugemutet werden, in den von den Taliban regierten „Islamischen Emirat Afghanistan" zurückzukehren und ein Leben nach den Gesetzen der Scharia zu führen.
1.3. Zum Herkunftsstaat (Auszug der Staatendokumentation):
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2024-04-05 14:09
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 1.2.2024; vgl. AA 26.6.2023). Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 1.2.2024; vgl. USDOS 15.5.2023). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte. Zuverlässige Schätzungen über die Gemeinschaften der Baha'i und der Christen sind nicht verfügbar. Es gibt eine geringe Anzahl von Anhängern anderer Religionen. Es gibt keine bekannten Juden im Land (USDOS 15.5.2023).Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 1.2.2024; vergleiche AA 26.6.2023). Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 1.2.2024; vergleiche USDOS 15.5.2023). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte. Zuverlässige Schätzungen über die Gemeinschaften der Baha'i und der Christen sind nicht verfügbar. Es gibt eine geringe Anzahl von Anhängern anderer Religionen. Es gibt keine bekannten Juden im Land (USDOS 15.5.2023).
Anhänger des Baha'i-Glaubens leben vor allem in Kabul und in einer kleinen Gemeinde in Kandahar. Im Mai 2007 befand der Oberste Gerichtshof, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie sei. Auch wurden alle Muslime, die den Baha'i-Glauben annehmen, zu Abtrünnigen erklärt. Internationalen Quellen zufolge leben Baha'is weiterhin in ständiger Angst vor Entdeckung und zögerten, ihre religiöse Identität preiszugeben (USDOS 15.5.2023).
Sikhs sehen sich seit Langem Diskriminierungen im mehrheitlich muslimischen Afghanistan ausgesetzt (EUAA 23.3.2022; vgl. DW 8.9.2021). Als die Taliban im August 2021 nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in der Hauptstadt wiedererlangt hatten, floh eine weitere Welle von Sikhs aus Afghanistan (EUAA 23.3.2022; vgl. TrI 12.11.2021). Nach der Machtübernahme gaben die Taliban öffentliche Erklärungen ab, wonach deren Rechte geschützt werden würden (EUAA 23.3.2022; vgl. USCIRF 3.2023, USDOS 15.5.2023). Trotz dieser Zusicherungen äußerten sich Sikh-Führer in Medienerklärungen im Namen ihrer Gemeinschaft jedoch besorgt über deren Sicherheit (EUAA 23.3.2022; vgl. USDOS 15.5.2023). Berichten zufolge lebten mit Ende 2022 nur noch neun Sikhs und Hindu in Afghanistan (USDOS 15.5.2023).Sikhs sehen sich seit Langem Diskriminierungen im mehrheitlich muslimischen Afghanistan ausgesetzt (EUAA 23.3.2022; vergleiche DW 8.9.2021). Als die Taliban im August 2021 nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in der Hauptstadt wiedererlangt hatten, floh eine weitere Welle von Sikhs aus Afghanistan (EUAA 23.3.2022; vergleiche TrI 12.11.2021). Nach der Machtübernahme gaben die Taliban öffentliche Erklärungen ab, wonach deren Rechte geschützt werden würden (EUAA 23.3.2022; vergleiche USCIRF 3.2023, USDOS 15.5.2023). Trotz dieser Zusicherungen äußerten sich Sikh-Führer in Medienerklärungen im Namen ihrer Gemeinschaft jedoch besorgt über deren Sicherheit (EUAA 23.3.2022; vergleiche USDOS 15.5.2023). Berichten zufolge lebten mit Ende 2022 nur noch neun Sikhs und Hindu in Afghanistan (USDOS 15.5.2023).
Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023). Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten (USCIRF 3.2023). Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023); insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt (AA 26.6.2023).Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (USCIRF 3.2023; vergleiche AA 26.6.2023). Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten (USCIRF 3.2023). Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können (USCIRF 3.2023; vergleiche AA 26.6.2023); insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt (AA 26.6.2023).
Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023).
In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022).In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vergleiche RFE/RL 19.1.2022).
[…]
Apostasie, Blasphemie, Konversion
Letzte Änderung 2024-04-05 14:10
Es liegen keine zuverlässigen Schätzungen zur Anzahl der Christen in Afghanistan vor (USDOS 15.5.2023), jedoch gibt es Schätzungen, wonach sich etwa 10.000 bis 12.000 Christen im Land befinden (USCIRF 8.2022; vgl. ICC 29.9.2021). Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (AA 26.6.2023). Nach Angaben der NGO International Christian Concern arbeiten die Taliban daran, das Christentum vollständig aus dem Land zu entfernen, und behaupten sogar, dass es in Afghanistan keine Christen gibt. Viele Christen sind in den Untergrund gegangen, aus Angst vor den Gerichten (ICC 12.7.2023) oder Hausdurchsuchungen der Taliban (USDOS 15.5.2023).Es liegen keine zuverlässigen Schätzungen zur Anzahl der Christen in Afghanistan vor (USDOS 15.5.2023), jedoch gibt es Schätzungen, wonach sich etwa 10.000 bis 12.000 Christen im Land befinden (USCIRF 8.2022; vergleiche ICC 29.9.2021). Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (AA 26.6.2023). Nach Angaben der NGO International Christian Concern arbeiten die Taliban daran, das Christentum vollständig aus dem Land zu entfernen, und behaupten sogar, dass es in Afghanistan keine Christen gibt. Viele Christen sind in den Untergrund gegangen, aus Angst vor den Gerichten (ICC 12.7.2023) oder Hausdurchsuchungen der Taliban (USDOS 15.5.2023).
Der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ist nach der vor Gericht geltenden Hanafi-Rechtsschule Apostasie. Proselytenmacherei, also der Versuch, Muslime zu einer anderen Religion zu bekehren, ist nach der hanafitischen Rechtsschule, die vor Gericht gilt, ebenfalls illegal. Diejenigen, die der Proselytenmacherei beschuldigt werden, werden mit der gleichen Strafe belegt wie diejenigen, die vom Islam konvertieren. Auch Blasphemie, zu der unter anderem islamfeindliche Schriften oder Äußerungen gehören können, ist nach der hanafitischen Schule ein Kapitalverbrechen. Angeklagte Gotteslästerer, einschließlich Apostaten, haben drei Tage Zeit, um zu widerrufen, sonst droht ihnen der Tod, obwohl es nach der Scharia kein klares Verfahren für einen Widerruf gibt. Einige Hadithe (Aussprüche oder Überlieferungen des Propheten Muhammad, die als Quelle des islamischen Rechts dienen) empfehlen Gespräche und Verhandlungen mit einem Abtrünnigen, um ihn zum Widerruf zu bewegen (USDOS 15.5.2023).
Vor der Machtübernahme durch die Taliban berichteten christliche Vertreter, dass die öffentliche Meinung, wie sie in den sozialen Medien und anderswo zum Ausdruck kam, Konvertiten zum Christentum und der Idee christlicher Missionierung weiterhin feindselig gegenüberstand. Sie berichteten von Druck und Drohungen, vor allem vonseiten der Familie, dem Christentum abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Sie sagten, dass Christen aus Angst vor gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung weiterhin allein oder in kleinen Gemeinden, manchmal mit zehn oder weniger Personen, in Privathäusern beteten. Die Daten, Zeiten und Orte dieser Gottesdienste wurden häufig geändert, um nicht entdeckt zu werden. Öffentliche christliche Kirchen gibt es weiterhin nicht. Nach der Machtübernahme durch die Taliban berichten Christen über Razzien der Taliban in den Häusern christlicher Konvertiten, selbst nachdem diese aus dem Land geflohen oder ausgezogen waren. Christliche Quellen gaben an, dass die Machtübernahme durch die Taliban intolerante Verwandte ermutigt, ihnen Gewalt anzudrohen und die Konvertiten zu verraten, falls sie das Christentum weiter praktizierten (USDOS 2.6.2022).
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung öffentlich mündlicher Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in dem Beschwerdeschriftsatz. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.12.2023, Ra 2022/19/0239-11, lautet auszugsweise:
„16 Für die Annahme einer Verfolgung wegen Apostasie ist Voraussetzung, dass der Revisionswerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch in seinem Heimatstaat leben wird (vgl. VwGH 14.11.2022, Ra 2022/19/0052, mwN; sowie VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, mit Verweis auf EuGH 4.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17, Rn. 88).„16 Für die Annahme einer Verfolgung wegen Apostasie ist Voraussetzung, dass der Revisionswerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch in seinem Heimatstaat leben wird vergleiche VwGH 14.11.2022, Ra 2022/19/0052, mwN; sowie VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, mit Verweis auf EuGH 4.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17, Rn. 88).
17 Wie der Verwaltungsgerichtshof anlässlich der Prüfung eines behaupteten Religionswechsels und von Scheinkonversionen wiederholt ausgesprochen hat, ist die Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung der Konversion in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände einschließlich Zeugenaussagen und religiöser Aktivitäten der betroffenen Person zu beurteilen (VwGH 12.9.2023, Ra 2022/19/0237, mwN). Dies gilt entsprechend auch für das Vorbringen einer Apostasie aus innerer Überzeugung.
18 Gegenständlich lag - wie die Revision zutreffend geltend macht - keiner der dargestellten Gründe, wonach von der beantragten Beweisaufnahme hätte Abstand genommen werden dürfen, vor. Vielmehr stellt sich die wiedergegebene Begründung des BVwG als eine vorgreifende Beweiswürdigung dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die freie Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG (hier iVm § 17 VwGVG) aber erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen; eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2018/19/0711, mwN).18 Gegenständlich lag - wie die Revision zutreffend geltend macht - keiner der dargestellten Gründe, wonach von der beantragten Beweisaufnahme hätte Abstand genommen werden dürfen, vor. Vielmehr stellt sich die wiedergegebene Begründung des BVwG als eine vorgreifende Beweiswürdigung dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die freie Beweiswürdigung gemäß Paragraph 45, Absatz 2, AVG (hier in Verbindung mit Paragraph 17, VwGVG) aber erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen; eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig vergleiche VwGH 5.3.2020, Ra 2018/19/0711, mwN).
19 Im Übrigen wendet sich die Revision auch zu Recht gegen die Beweiswürdigung des BVwG.
20 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu dem gemäß § 17 VwGVG auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 Abs. 2 AVG ausgesprochen hat, bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in die Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof bei Behandlung einer zulässigen Revision auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 30.3.2021, Ra 2020/19/0048, mwN).20 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu dem gemäß Paragraph 17, VwGVG auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden Paragraph 45, Absatz 2, AVG ausgesprochen hat, bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des Paragraph 45, Absatz 2, AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in die Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof bei Behandlung einer zulässigen Revision auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat vergleiche VwGH 30.3.2021, Ra 2020/19/0048, mwN).
21 Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht, weil sich das BVwG zwar mit den vom Revisionswerber im Verfahrensverlauf gemachten Aussagen auseinandersetzte, diese Auseinandersetzung jedoch in nicht nachvollziehbarer Weise und letztlich einseitig zu Lasten des Revisionswerbers erfolgte.
22 Dabei definierte das BVwG wiederholt Erwartungshaltungen an das Verhalten und das Wissen eines Apostaten, ohne darzulegen, woher es diese Erfahrungssätze nahm. So führte das BVwG gegen die Glaubwürdigkeit des behaupteten Glaubensabfalls ins Treffen, dass sich der Revisionswerber nicht „eindringlich“ mit der Frage befasst habe, ob es einen oder mehrere Götter gebe. Der Revisionswerber habe eine tiefgreifende und kritische Auseinandersetzung mit den islamischen Glaubensinhalten vermissen lassen, zumal er kaum über Wissen zum Islam verfügt habe. Überdies habe der minderjährige Revisionswerber „nicht einmal“ den Begriff des Agnostikers gekannt, weshalb seine eigene Zuordnung zum Atheismus nicht glaubwürdig sei. Der Revisionswerber habe den Genuss von Alkohol und Schweinefleisch „nicht einmal“ behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt erkannt, dass es den Anforderungen an eine schlüssige Beweiswürdigung nicht entspricht, wenn Erfahrungssätze angewendet werden, ohne deren unterstellte generelle Geltung näher zu begründen (vgl. VwGH 26.9.2023, Ra 2022/19/0164). Im vorliegenden Fall hat das BVwG überdies das Alter des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt.22 Dabei definierte das BVwG wiederholt Erwartungshaltungen an das Verhalten und das Wissen eines Apostaten, ohne darzulegen, woher es diese Erfahrungssätze nahm. So führte das BVwG gegen die Glaubwürdigkeit des behaupteten Glaubensabfalls ins Treffen, dass sich der Revisionswerber nicht „eindringlich“ mit der Frage befasst habe, ob es einen oder mehrere Götter gebe. Der Revisionswerber habe eine tiefgreifende und kritische Auseinandersetzung mit den islamischen Glaubensinhalten vermissen lassen, zumal er kaum über Wissen zum Islam verfügt habe. Überdies habe der minderjährige Revisionswerber „nicht einmal“ den Begriff des Agnostikers gekannt, weshalb seine eigene Zuordnung zum Atheismus nicht glaubwürdig sei. Der Revisionswerber habe den Genuss von Alkohol und Schweinefleisch „nicht einmal“ behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt erkannt, dass es den Anforderungen an eine schlüssige Beweiswürdigung nicht entspricht, wenn Erfahrungssätze angewendet werden, ohne deren unterstellte generelle Geltung näher zu begründen vergleiche VwGH 26.9.2023, Ra 2022/19/0164). Im vorliegenden Fall hat das BVwG überdies das Alter des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt.
23 Somit erweisen sich die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG insgesamt als nicht schlüssig begründet.
24 Da das BVwG im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargestellten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Revision einzugehen war. Für das fortgesetzte Verfahren wird aber noch darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Beweiswürdigung nicht nur das jugendliche Alter des Asylwerbers im Zeitpunkt der Befragung (vgl. etwa VwGH 14.1.2023, Ra 2022/19/0149, mwN), sondern auch das Alter, in dem die fluchtauslösenden Ereignisse erlebt wurden, zu berücksichtigen ist (vgl. etwa VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0150).“24 Da das BVwG im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargestellten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer 3, Litera c, VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Revision einzugehen war. Für das fortgesetzte Verfahren wird aber noch darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Beweiswürdigung nicht nur das jugendliche Alter des Asylwerbers im Zeitpunkt der Befragung vergleiche etwa VwGH 14.1.2023, Ra 2022/19/0149, mwN), sondern auch das Alter, in dem die fluchtauslösenden Ereignisse erlebt wurden, zu berücksichtigen ist vergleiche etwa VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0150).“
2.2.2. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2024 lautet auszugsweise:
„R: Würden Sie sagen, der BF ist bekennender Atheist?
Z2: Ja.
R: Wie äußert sich das?
Z2: Fangen wir bei den kleinen Dingen an, dass er null religiöse Vorschriften einhält, jegliche Religion. Das geht weiter, dass er, wenn wir Nachrichten sehen aus irgendeiner Form mit Glauben oder einer Religion zu tun hat, sei es aus Afghanistan oder im Iran, Weltgeschehen oder Ereignisse hier in Österreich. Wenn hier etwas mit Religion zu tun hat, dann äußert sich der BF sehr abfällig über Religion. Speziell über die islamische Religion. Das letzte Mal was wir gelesen haben, ist das der Oberst der Taliban möchte in Afghanistan die Steinigung bei Ehebruch wiedereinführen. Die Reaktion des BF ist darauf gewesen, diese Menschen haben ihr Hirn in ihrer Waffe oder ihren Bart. Sie glauben, dass ihnen das Gott vorschreibt, aber einen solchen Gott brauche ich nicht, der solche Dinge vorschreibt. Das war ein Beispiel. Es zieht sich eigentlich durch. Jetzt z.B. ist Ramadan-Zeit und wir sprechen dann darüber. Es gibt muslimische Freunde die sehr wohl fasten. Wir sitzen beim Mittagessen und der BF sagt sinngemäß so ein Blödsinn sich an so etwas zu halten, dass ein Mensch irgendwann aufgeschrieben hat und die Leute glauben, sie müssen sich daran halten, aber eigentlich ist es nur ungesund. Das waren jetzt zwei aktuelle Beispiele, an die ich mich erinnern, weil sie vor Kurzem waren. Über längere Zeit kann ich sagen, dass der BF ein sehr nüchterner und trockener Atheist ist, der sagt, da gibt es nichts und wenn es aus ist dann ist es aus.
[…]
R: Würden Sie sagen, dass der BF seine atheistische Einstellung verinnerlich hat?
Z2: Auf jeden Fall.
R an RV: Haben Sie Fragen?
RV: Haben Sie dem BF jemals bei einem Gebet beobachtet?
Z2: Nein und dazu möchte ich ergänzen, dass wir speziell am Anfang sehr viel Zeit miteinander verbracht hat. Wenn man bedenkt, dass man sehr regelmäßig Gebete im Islam verrichten muss, dann wäre es zeitlich nicht möglich gewesen. Es wäre auch nicht möglich gewesen es vor mir zu verheimlichen, weil wenn man den ganzen Tag zusammen verbringt, dann geht das nicht.
RV: Hatte der BF in den vergangenen Jahren Hemmungen die Sie wahrgenommen hätten bestimmte Speisen zu Essen bzw. Getränke zu konsumieren?
Z2: Nein, wenn sie damit speziell meinen, Speise und Getränke die im Islam verboten sind, dann ganz gar nicht. Das einzige was der BF nicht mag sind bestimmte Gemüsesorten. Bei uns gibt es regelmäßig ein Feierabendbier oder das wir Wein trinken und der BF trinkt gerne mit. Was ich koche wird gegessen, das geht vom Frühstücksspeck über Schnitzel etc.
RV: Haben Sie sich mit dem BF konkret über Religion unterhalten?
Z2: Wenn so Gespräche sind über Nachrichten, die wir gelesen haben und dann kritisiert der BF was da passiert, aus religiösen Gründen. Dann kommt natürlich eine kurze Diskussion. Warum glaubt man an so etwas? Warum wollen Menschen einen Gott haben? Der BF hat diese Dinge immer sehr schnell sehr trocken abgetan, das braucht man nicht, das gibt man nicht. Im Gegensatz dazu habe ich mit seinem Bruder viel intensiver gesprochen, was gibt es außerhalb unserer Wahrnehmung? Wie ist die Welt entstanden? Ich habe den Eindruck, dass der BF, bevor er nach Österreich gekommen ist, sehr gefestigt in seinem Herzen mit jedem Glauben abgeschlossen hat und nichts davon für ihn existiert.
[…]
R: Sie haben jetzt gerade die Aussagen von Frau XXXX gehört. Können Sie die bestätigen?R: Sie haben jetzt gerade die Aussagen von Frau römisch XXXX gehört. Können Sie die bestätigen?
Z3: Ja, die kann ich bestätigen. Voll und ganz.
R: Sie würden auch sagen, dass der BF ein überzeugter Atheist ist?
Z3: Ja, das kann ich sagen. Ich traue mir das zu, weil ich in meiner Firma mehrere Muslime angestellt habe, die sehr streng nach den Regeln des Islams leben. Das kann ich bei dem BF absolut nicht sehen. Ein Beispiel, der BF ist sehr viel mit meinen Söhnen unterwegs. Meine Söhne feiern mehrmals im Jahr in unserem Haus große Partys und ich habe bei diesen Gelegenheiten und anderem wahrgenommen das der BF Alkohol trinkt. Das ist ein Beispiel. Ein zweites Beispiel, ganz konkret, er wohnt in unserem früheren Kindermädchenzimmer, wo auch Sachen verstaut sind. Es ist noch nicht so lange her, da habe ich dringend etwas aus diesem Zimmer gebraucht. Sonntag 10:00 Uhr. Ich habe fest angeklopft, niemand hat sich gemeldet. Ich dachte der BF ist schon bei der Familie XXXX und bin hineingegangen und zu meinem Schreck ist der BF mit seiner Freundin im Bett gelegen. Peinliche Situation. Ich weiß von meinen Angestellten, sie sind zwei junge Frauen die beide, eine mit 20 und eine mit 21 Jahren geheiratet haben, weil es ein absolutes No Go ist, sexuellen Verkehr vor der Ehe zu haben. Z3: Ja, das kann ich sagen. Ich traue mir das zu, weil ich in meiner Firma mehrere Muslime angestellt habe, die sehr streng nach den Regeln des Islams leben. Das kann ich bei dem BF absolut nicht sehen. Ein Beispiel, der BF ist sehr viel mit meinen Söhnen unterwegs. Meine Söhne feiern mehrmals im Jahr in unserem Haus große Partys und ich habe bei diesen Gelegenheiten und anderem wahrgenommen das der BF Alkohol trinkt. Das ist ein Beispiel. Ein zweites Beispiel, ganz konkret, er wohnt in unserem früheren Kindermädchenzimmer, wo auch Sachen verstaut sind. Es ist noch nicht so lange her, da habe ich dringend etwas aus diesem Zimmer gebraucht. Sonntag 10:00 Uhr. Ich habe fest angeklopft, niemand hat sich gemeldet. Ich dachte der BF ist schon bei der Familie römisch XXXX und bin hineingegangen und zu meinem Schreck ist der BF mit seiner Freundin im Bett gelegen. Peinliche Situation. Ich weiß von meinen Angestellten, sie sind zwei junge Frauen die beide, eine mit 20 und eine mit 21 Jahren geheiratet haben, weil es ein absolutes No Go ist, sexuellen Verkehr vor der Ehe zu haben.
R: Warum denken Sie, dass der BF, trotz seines offensichtlichen Interesses für den Atheismus (Beispiel lesen von Literatur) sich nicht in Vereinen engagiert und auch nicht öffentlich (gemeint Internet etc.) sich zum Atheismus bekennt?
BF: Der BF ist ein sehr smarter feinfühliger und leiser Mensch. Er ist sehr vorsichtig im Umgang und jedenfalls nicht ein lauter aktiver Mensch. Ich kenne sehr viele junge Menschen, auch von früher von meiner Pfarre und ich kann gut einschätzen welche Menschen laut in die Welt hineinposaunen und welche nicht oder sehr zurückhaltend sind. Es verwundert mich überhaupt nicht, dass er in keinem Verein ist.
RV: Haben Sie in den letzten vergangenen Jahren Wahrnehmungen darüber das er gebetet oder gefastet hätte?
Z3: Nein, absolut nicht. Letzte Woche waren wir gemeinsam eine Woche in Ischgl Ski fahren mit vier Familien in einem Haus, sehr eng. Im Gegensatz zu meiner Firma, wo wir die Muslimen für seine Freitagsgebete Zeit zu geben, wäre es unmöglich, dass er dort gebetet hätte. Ich weiß aber auch, dass er das sowieso nicht macht.
RV: Haben Sie sich über Religion unterhalten in den Jahren von dem Zusammenleben?
Z3: Ich bin sehr viel unterwegs. Ich habe nicht so intensive Gespräche, wie Frau XXXX , aber wir haben z.B. über den Wahnsinn der Hamas in Israel und die Tötung von der Iranerin wegen des Nichttragens des Kopftuches gesprochen. Z3: Ich bin sehr viel unterwegs. Ich habe nicht so intensive Gespräche, wie Frau römisch XXXX , aber wir haben z.B. über den Wahnsinn der Hamas in Israel und die Tötung von der Iranerin wegen des Nichttragens des Kopftuches gesprochen.
RV: Wissen Sie noch was er dazu gesagt hat?
Z3: Er hat gesagt es ist absurd und ich habe so große Angst, dass ich zurück nach Afghanistan muss.“
2.2.3. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist aufgrund des einschlägigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und der der v