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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Pflegehelfernovelle betreffend das Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Stationsgehilfe und die Voraussetzungen für die Berufsausübung als Pflegehelfer mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des VerwaltungsrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Die Antragstellerinnen sind Stationsgehilfen im Sinne des §44 litb des Bundesgesetzes vom 22. März 1961, BGBl. Nr. 102/1961 (künftig: Krankenpflegefachdienstgesetz) in der vor seiner Novellierung durch das Bundesgesetz vom 28. Juni 1990, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste geändert wird, BGBl. Nr. 449/1990, (künftig: Pflegehelfernovelle) geltenden Fassung.
2.1. Mit dem vorliegenden Antrag begehren sie die Worte "§44 litb entfällt" in ArtI Z11, weiters die Wortfolge "Dieses Bundesgesetz tritt 1. hinsichtlich Artikel I Z11 mit 1. Jänner 1996, ... in Kraft." in ArtII Abs1 Z1 und 2 sowie ArtII Abs2 und 3 der Pflegehelfernovelle und den durch ArtI Z16 leg.cit. dem §52 Abs1 des Krankenpflegefachdienstgesetzes angefügten Satz "die Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Stationsgehilfe erlischt mit 31. Dezember 1995" als verfassungswidrig aufzuheben.
Eventualiter wird zusätzlich die Aufhebung des §43h Abs1 Z2 (erster Eventualantrag), des §43h Abs2 Z2 (zweiter Eventualantrag), die Aufhebung der Zitierung "43a" im ersten Satz des §3, des Untertitels "Pflegehelfer" des ersten Hauptstückes im IV. Teil, der §§43a bis 43i, des §52 Abs1 letzter Satz, des §52 Abs6, die Zitierung "43a" in §54 Abs1 erster Satz des §54 Abs5, die Zitierung "43a" in §59 Abs1 und 2 und die Zitierung "und 6" in §60 litc (dritter Eventualantrag), die Aufhebung der Zitierung "43a" in §3 erster Satz, des Untertitels des ersten Hauptstückes "Pflegehelfer" im IV. Teil, der §§43a bis 43i, des §52 Abs6, der Zitierung "43a" in §54 Abs1 erster Satz, des §54 Abs5, der Zitierung "43a" in §59 Abs1 und 2 und der Zitierung "und 6" in §60 litc (vierter Eventualantrag) und schließlich - fünfter Eventualantrag - die Aufhebung des §43g Abs2, des §43h sowie des ArtII Abs2 und 3 der Pflegehelfernovelle beantragt.
Mit dem Hauptbegehren streben die Antragstellerinnen, wie sie darlegen, an, daß "die Terminisierung des Stationsgehilfen/innenberufs mit 31.12.1995 eliminiert" wird; mit dem ersten Individualantrag "würden sowohl die Terminisierung des Stationsgehilfen/innenberufs mit 31.12. 1995 als auch die Vereinfachung der Ausbildung eliminiert"; mit dem zweiten Individualantrag soll zusätzlich die Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung über eine zu absolvierende Ergänzungsausbildung beseitigt werden; mit dem dritten Eventualantrag sollen "sowohl die Einführung des Pflegehelfer/innenberufs als auch die Terminisierung des Stationsgehilfinnenberufs mit 31.12. 1995 rückgängig gemacht" werden, mit dem vierten Eventualantrag "die Einführung des Pflegehelfer/innenberufs eliminiert" und mit dem fünften Eventualantrag Bestimmungen über die kommissionelle Prüfung und die Ergänzungsausbildung sowie Übergangsbestimmungen beseitigt werden.
2.2. Die Antragstellerinnen bringen vor, sie seien seit längerer Zeit - die Erstantragstellerin seit 1977, die Zweitantragstellerin seit 1979 und die Drittantragstellerin seit 1988 - als Stationsgehilfinnen tätig und hätten jeweils die Stationsgehilfenprüfung abgelegt. Mit Bundesgesetz vom 28. Juni 1990, BGBl. Nr. 449/1990 (Pflegehelfernovelle), sei das Bundesgesetz betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste, BGBl. Nr. 102/1961 idF BGBl. Nr. 747/1988 (Krankenpflegefachdienstgesetz) geändert worden.
Durch die bekämpften Bestimmungen der Pflegehelfernovelle seien die Antragstellerinnen unmittelbar in ihrem subjektiven wohlerworbenen Recht auf Ausübung ihres Berufes als Stationsgehilfinnen verletzt. Nach der Pflegehelfernovelle seien nämlich als Stationsgehilfinnen tätige Personen nur dann über den 31. Dezember 1995 weiter zu beschäftigen, wenn sie einen Lehrgang (eine "Ergänzungsausbildung") absolvieren und eine kommissionelle Prüfung ablegen. Damit liege ein Eingriff in wohlerworbene Rechte vor, der als Verletzung des Sachlichkeitsgebots der Art7 Abs1 B-VG, 2 StGG, zu werten sei. Nach Ansicht der Antragstellerinnen umfasse der das Sachlichkeitsgebot verletzende Eingriff in wohlerworbene Rechte zwei Komponenten, nämlich einerseits das Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Stationsgehilfe mit 31. Dezember 1995, und andererseits die Notwendigkeit, zur Fortsetzung der Berufstätigkeit als Pflegehelfer(in) einen Lehrgang zu absolvieren und eine Prüfung abzulegen. Die Antragstellerinnen seien daher aktuell in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Da den Antragstellerinnen keine andere Möglichkeit zur Verfügung stehe, diese Verletzung in ihren Rechten geltend zu machen, seien sie zur Antragstellung nach Art140 Abs1 B-VG legitimiert.
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie begehrt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die von den Antragstellerinnen bekämpften Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
Die Bundesregierung begründet zunächst die Behauptung, daß die Voraussetzungen eines Individualantrages im vorliegenden Fall nicht zutreffen, wie folgt:
"Die Antragsteller bekämpfen Gesetzesbestimmungen, die entweder erst am 1. Jänner 1996 in Kraft treten oder ab diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfalten werden. Sie bringen jedoch in ihrem Antrag keine Argumente vor, die das Vorliegen der aktuellen Betroffenheit begründen.
In einem vergleichbaren Fall, in dem ebenfalls ein Gesetz erst zu einem Zeitpunkt nach Einbringung des Individualantrags in Kraft getreten ist, nahm der Verfassungsgerichtshof das Fehlen der aktuellen Betroffenheit mit folgender Begründung an (VfSlg. 10606/1985):
'Der VfGH stimmt dem Antragsteller zu, daß ein Gesetz schon von seiner Kundmachung an dem Bestand der Rechtsordnung angehört (vgl. VfSlg. 4049/1961). Es ist von diesem Zeitpunkt an ein Bundesgesetz iS des Art140 Abs1 B-VG. Daß die Geltung eines Gesetzes nicht von seinem zeitlichen Anwendungsbereich abhängig ist, ergibt sich unmittelbar aus Art49 Abs1 zweiter Satz B-VG, der die BG ermächtigt, den Beginn ihrer verbindlichen Kraft zu bestimmen (VfSlg. 6460/1971). Dem Antragsteller ist jedoch nicht zu folgen, wenn er daraus ableitet, daß ihm schon deshalb im Zeitpunkte der Antragstellung (27. November 1984) die Legitimation zustand, das angefochtene Gesetz zu bekämpfen, obwohl dieses ... ihm gegenüber erst mit 1. April 1985 Wirkungen entfaltete. Bis zu diesem Zeitpunkt kann nämlich nicht davon gesprochen werden, daß der Antragsteller durch die von ihm bekämpfte Regelung aktuell betroffen war.'
Nach Auffassung der Bundesregierung kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten: Auch hier entfalten einige Bestimmungen, durch die die Antragsteller berührt werden, erst mit Inkrafttreten Wirkungen für die Antragsteller. Bis zum 1. Jänner 1996 können diese ihren derzeitigen Beruf weiter ausüben.
Entsprechend dieser Auffassung wäre der Individualantrag hinsichtlich der oben zitierten Bestimmungen mangels Antragslegitimation zurückzuweisen."
In der Sache selbst wird die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen eingehend verteidigt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).
Mit der Pflegehelfernovelle soll - wie im Bericht des Gesundheitsausschusses (1392 BlgNR XVII. GP) dargelegt wird - der Beruf eines Pflegehelfers mit einer gegenüber dem bisherigen Stationsgehilfen erweiterten Ausbildung bzw. einem gegenüber §44a des Krankenpflegefachdienstgesetzes erweiterten Berufsbild geschaffen werden. Für einen Übergangszeitraum bis 1996 sollen zur Vermeidung von Engpässen noch Stationsgehilfen tätig sein dürfen. Ab 1996 sollen grundsätzlich nur mehr Pflegehelfer mit erweiterter Ausbildung und erweitertem Tätigkeitsprofil im Einsatz sein. Im Rahmen der Übergangsbestimmungen ist jedoch vorgesehen, daß berufserfahrenen Stationsgehilfen zwar eine auf diese Berufserfahrung abgestellte ergänzende Schulung vermittelt, aber von der Ablegung einer kommissionellen Prüfung abgesehen wird.
Die im (Haupt-)Antrag angefochtenen Bestimmungen - sie sind hervorgehoben - haben den folgenden Wortlaut:
"Artikel I
...
11. §44 litb entfällt.
...
16. Dem §52 Abs1 wird folgender Satz angefügt:
'Die Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Stationsgehilfe erlischt mit 31. Dezember 1995.'
...
Artikel II
Schluß- und Übergangsbestimmungen
(1) Dieses Bundesgesetz tritt
1.
hinsichtlich ArtI Z11 mit 1. Jänner 1996,
2.
hinsichtlich der übrigen Bestimmungen des ArtI mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
(2) Der Landeshauptmann hat Personen, die vor dem 1. Juli 1990 bereits eine mindestens zehnjährige Berufstätigkeit als Stationsgehilfen augeübt und das 50. Lebensjahr vollendet haben, nach Absolvierung der gemäß §43 h Abs2 Z2 festzusetzenden Ergänzungsausbildung auch ohne Ablegung einer Prüfung gemäß §43 g die Berechtigung zur Berufsausübung als Pflegehelfer zu erteilen.
(3) Soweit dies im Falle eines Mangels an Pflegehelfern erforderlich ist, hat der Landeshauptmann auf Antrag des Rechtsträgers einer unter ärztlicher Leitung oder Aufsicht stehenden Kranken- oder Pflegeanstalt Personen, die am 31. Dezember 1995 den Beruf als Stationsgehilfen ausüben und ein gemäß §49 ausgestelltes Zeugnis besitzen, die weitere Berufsausübung im bisherigen Umfang, längstens jedoch bis 31. Dezember 1997 zu erteilen.
(4) ..."
Hieraus ergibt sich, daß durch die angefochtenen Bestimmungen tatsächlich ein Eingriff in das Recht der Antragstellerinnen erfolgt, ihren Beruf als Stationsgehilfen ab 1. Jänner 1996 weiter auszuüben und daß sie, um den Beruf eines Pflegehelfers ausüben zu dürfen, eine Ausbildung mit einer abschließenden Prüfung zu absolvieren hätten.
Die Bundesregierung hält den Individualanträgen entgegen, daß die Antragstellerinnen nicht aktuell betroffen seien, da ein Eingriff in ihre Rechte erst mit 1. Jänner 1996 erfolgen würde; es liege somit nur ein potentieller Eingriff vor.
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die gesetzlich geforderte Ergänzungsausbildung und Prüfung schon jetzt von einer aktuellen Betroffenheit der Antragstellerinnen gesprochen werden kann. Es steht nämlich den Antragstellerinnen offen, ein Verfahren auszulösen, in dem sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken zum Tragen bringen können. Z16 der Pflegehelfernovelle sieht zwar vor, daß die Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Stationsgehilfe mit 31. Dezember 1995 erlischt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die in ArtII - Schluß- und Übergangsbestimmungen - Abs2 vorgesehenen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Die Antragstellerinnen können daher gestützt auf diese Bestimmung auch auf dem Boden der Neuregelung einen administrativen Weg bestreiten mit dem Ziel, ihren bisherigen Beruf auch nach dem 31. Dezember 1995, und zwar als Pflegehelfer weiter auszuüben. Wie sich aus ArtII (Schluß- und Übergangsbestimmungen) Abs2 des Pflegehelfergesetzes nämlich ergibt, steht den Antragstellerinnen, da sie nach ihrem eigenen Vorbringen die Berufstätigkeit als Stationsgehilfen bereits vor dem 1. Juli 1990 ausgeübt haben, die Möglichkeit offen, an den Landeshauptmann mit dem Begehren heranzutreten, ihnen die Berechtigung zur Berufsausübung als Pflegehelfer zu erteilen. Im Zuge dieses Verfahrens steht es ihnen frei, gegen die in der Übergangsbestimmung genannten Voraussetzungen einer mindestens zehnjährigen Berufstätigkeit als Stationsgehilfen, der Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres und einer Ergänzungsausbildung und -prüfung Bedenken wegen Verfassungswidrigkeit in einer Beschwerde gegen einen abweisenden letztinstanzlichen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.
Dieser Weg ist den Antragstellerinnen offenkundig auch zumutbar.
Damit fehlt aber den Antragstellerinnen die Legitimation zur Stellung eines Antrages nach Art140 Abs1 B-VG; die Anträge sind daher als unzulässig zurückzuweisen.
5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Gesundheitswesen, KrankenpflegeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G229.1992Dokumentnummer
JFT_10069386_92G00229_00