TE Bvwg Erkenntnis 2024/5/16 W295 2270417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2024
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.05.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W295 2270417-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Susanne PFANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 14.03.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Susanne PFANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 14.03.2022, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.02.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass in Syrien Bürgerkrieg herrsche und täglich jemand aus ihrer Ortschaft getötet werde. Es gebe keine Sicherheit mehr in Syrien. Außerdem müsse er als Reservist in das Militär einrücken und er wolle keine Waffe tragen. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr befürchte er ein Verfahren vor dem Militärgericht wegen einer langen Haftstrafe.

2. Am 29.11.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „Bundesamt“, „belangte Behörde“) niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass die Kurden bzw. YPG in seiner Heimatregion seien und verlangen würden, dass sie zum Militär gehen. Das Regime sei nicht weit weg und dort könne er auch nicht hingehen. Er wolle in keiner Armee dienen. Er habe von 2010 bis 2012 den Militärdienst als einfacher Soldat (Koch) geleistet. Er wolle keine Waffe tragen, nicht töten und nicht getötet werden. Bei einer Rückkehr müsse er einrücken.

3. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom 14.03.2023, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.). Es wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsdauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Hinsichtlich Spruchpunkt I. führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer keine konventionsrelevanten Motive einer Kriegsdienstverweigerung vorgebracht habe. Weiters sei der Beschwerdeführer aufgrund seines Alters auch nicht von einer Rekrutierung durch die in Nordostsyrien maßgeblichen Akteure betroffen. Die Befürchtungen einer Rekrutierung in Nordostsyrien seien nicht glaubhaft gewesen. Die syrische Regierung habe im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers keinen Zugriff und der Beschwerdeführer könne etwa aus dem Irak wieder einreisen, ohne in das durch die syrische Regierung beherrschte Gebiet reisen zu müssen. 3. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom 14.03.2023, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Es wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsdauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer keine konventionsrelevanten Motive einer Kriegsdienstverweigerung vorgebracht habe. Weiters sei der Beschwerdeführer aufgrund seines Alters auch nicht von einer Rekrutierung durch die in Nordostsyrien maßgeblichen Akteure betroffen. Die Befürchtungen einer Rekrutierung in Nordostsyrien seien nicht glaubhaft gewesen. Die syrische Regierung habe im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers keinen Zugriff und der Beschwerdeführer könne etwa aus dem Irak wieder einreisen, ohne in das durch die syrische Regierung beherrschte Gebiet reisen zu müssen.

4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 14.03.2023 wurde am 12.04.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht wurden. Der Beschwerdeführer habe regelmäßig an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen. Bei einer Razzia durch die kurdische Polizei sei sein Bruder verhaftet worden. Der Beschwerdeführer habe sich nach dem Verbleib seines Bruders erkundigt und sei aus diesem Grund ebenfalls von den Kurden inhaftiert und für eine Woche gefangen gehalten worden. Während der Haft sei der Beschwerdeführer im Bereich der Hoden geschlagen worden und sei deswegen operiert worden, weil er eine Venenerweiterung erlitten habe. Als der IS in seinem Heimatort an der Macht gewesen sei, sei der Beschwerdeführer von diesen geschlagen worden, weil er geraucht habe. Im Fall einer Rückkehr fürchte er Verfolgung durch den IS. Im Jahr 2021 sei der Beschwerdeführer geflohen, weil er sich kurdischen Streitkräften hätte anschließen sollen. Er habe eine mündliche Aufforderung durch den Mukhtar sowie auf der Webseite der kurdischen Partei erhalten, auf der alle in seinem Jahrgang aufgefordert worden seien, sich den Kurden anzuschließen. Schließlich wolle der Beschwerdeführer nicht am Bürgerkrieg beteiligen und habe sich der Aufforderung entzogen und vor allem zu Hause aufgehalten und nur sporadisch gearbeitet. Aktuell sei der Beschwerdeführer XXXX Jahre alt und somit noch immer im wehrpflichtigen Alter. Der Beschwerdeführer habe Syrien aus Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung verlassen, weil er sich dem Reservedienst entzogen und an Demonstrationen teilgenommen habe. Im Fall seiner Rückkehr drohe ihm asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der willkürlichen Einziehungen sowie auch durch die kurdischen Streitkräfte, weil er ihren Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Weiters werde er aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich vom syrischen Regime als Gegner gesehen und verfolgt. 4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides vom 14.03.2023 wurde am 12.04.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht wurden. Der Beschwerdeführer habe regelmäßig an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen. Bei einer Razzia durch die kurdische Polizei sei sein Bruder verhaftet worden. Der Beschwerdeführer habe sich nach dem Verbleib seines Bruders erkundigt und sei aus diesem Grund ebenfalls von den Kurden inhaftiert und für eine Woche gefangen gehalten worden. Während der Haft sei der Beschwerdeführer im Bereich der Hoden geschlagen worden und sei deswegen operiert worden, weil er eine Venenerweiterung erlitten habe. Als der IS in seinem Heimatort an der Macht gewesen sei, sei der Beschwerdeführer von diesen geschlagen worden, weil er geraucht habe. Im Fall einer Rückkehr fürchte er Verfolgung durch den IS. Im Jahr 2021 sei der Beschwerdeführer geflohen, weil er sich kurdischen Streitkräften hätte anschließen sollen. Er habe eine mündliche Aufforderung durch den Mukhtar sowie auf der Webseite der kurdischen Partei erhalten, auf der alle in seinem Jahrgang aufgefordert worden seien, sich den Kurden anzuschließen. Schließlich wolle der Beschwerdeführer nicht am Bürgerkrieg beteiligen und habe sich der Aufforderung entzogen und vor allem zu Hause aufgehalten und nur sporadisch gearbeitet. Aktuell sei der Beschwerdeführer römisch XXXX Jahre alt und somit noch immer im wehrpflichtigen Alter. Der Beschwerdeführer habe Syrien aus Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung verlassen, weil er sich dem Reservedienst entzogen und an Demonstrationen teilgenommen habe. Im Fall seiner Rückkehr drohe ihm asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der willkürlichen Einziehungen sowie auch durch die kurdischen Streitkräfte, weil er ihren Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Weiters werde er aufgrund seiner illegalen Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich vom syrischen Regime als Gegner gesehen und verfolgt.

5. Am 19.04.2023 langte die Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 30.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben vom 05.04.2024 auf die Teilnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch XXXX und das Geburtsdatum römisch XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Er wurde in der Stadt XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren, wo er auch aufwuchs. Von 2007 bis 2010 lebte er im Libanon als Pendler, bevor er ganz nach XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, zurückkehrte. Im Jahr 2017 lebte er ca. sechs Monate lang in XXXX (auch: XXXX ; 20 km von XXXX ) und kehrte dann wieder nach XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, zurück. Im Jahr 2021 reiste der Beschwerdeführer nach Europa aus. Er wurde in der Stadt römisch XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren, wo er auch aufwuchs. Von 2007 bis 2010 lebte er im Libanon als Pendler, bevor er ganz nach römisch XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, zurückkehrte. Im Jahr 2017 lebte er ca. sechs Monate lang in römisch XXXX (auch: römisch XXXX ; 20 km von römisch XXXX ) und kehrte dann wieder nach römisch XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, zurück. Im Jahr 2021 reiste der Beschwerdeführer nach Europa aus.

Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre lang die Grundschule. Anschließend war er in verschiedenen Branchen tätig: Er arbeitete als Taxifahrer, Süßigkeitenhersteller, Liftmechaniker, Hilfsarbeiter auf Baustellen, in einem Handyshop und als Gemüsehändler.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder. Die Ehefrau sowie die Kinder des Beschwerdeführers sind in XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, aufhältig. Die Mutter des Beschwerdeführers sowie drei Brüder und fünf Schwestern leben ebenfalls in XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa. Der Vater des Beschwerdeführers lebt in Saudi-Arabien. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder. Die Ehefrau sowie die Kinder des Beschwerdeführers sind in römisch XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, aufhältig. Die Mutter des Beschwerdeführers sowie drei Brüder und fünf Schwestern leben ebenfalls in römisch XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa. Der Vater des Beschwerdeführers lebt in Saudi-Arabien.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafrechtlich unbescholten.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Die Altersgrenze hängt laut Experten von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst von 2010 bis 2012 als Rekrut der Polizei in XXXX abgeleistet. Da die internen Sicherheitsdienste gemäß Artikel 10 des Wehrpflichtgesetzes zu den syrischen Streitkräften gezählt werden ist Polizeidienst als Wehrdienst möglich. Im Rahmen des Wehrdienstes war der Beschwerdeführer als Polizist sowie auch als Koch tätig. Vier Monate war der Beschwerdeführer auch als Personenschützer für den Polizeipräsidenten tätig. Er erhielt zunächst eine 90-tägige Grundausbildung zum Polizisten und war danach für die Aufrechterhaltung der Sicherheit beispielsweise bei Veranstaltungen zuständig, sowie teilweise als Koch tätig. Im Jahr 2011 erhielt er zusätzliche Ausbildungskurse und wurde u.a. für den Umgang mit russischen Waffen oder den Einsatz bei Demonstrationen ausgebildet. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst von 2010 bis 2012 als Rekrut der Polizei in römisch XXXX abgeleistet. Da die internen Sicherheitsdienste gemäß Artikel 10 des Wehrpflichtgesetzes zu den syrischen Streitkräften gezählt werden ist Polizeidienst als Wehrdienst möglich. Im Rahmen des Wehrdienstes war der Beschwerdeführer als Polizist sowie auch als Koch tätig. Vier Monate war der Beschwerdeführer auch als Personenschützer für den Polizeipräsidenten tätig. Er erhielt zunächst eine 90-tägige Grundausbildung zum Polizisten und war danach für die Aufrechterhaltung der Sicherheit beispielsweise bei Veranstaltungen zuständig, sowie teilweise als Koch tätig. Im Jahr 2011 erhielt er zusätzliche Ausbildungskurse und wurde u.a. für den Umgang mit russischen Waffen oder den Einsatz bei Demonstrationen ausgebildet.

Der Beschwerdeführer ist aktuell XXXX Jahre alt und wird auf der Website des syrischen Verteidigungsministeriums (http://mod.gov.sy/) für den Reservedienst gesucht. Der Beschwerdeführer ist aktuell römisch XXXX Jahre alt und wird auf der Website des syrischen Verteidigungsministeriums (http://mod.gov.sy/) für den Reservedienst gesucht.

Der Beschwerdeführer verweigert die Ableistung des Reservedienstes mit der Begründung, dass die syrische Armee Zivilisten umbringen würde.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Syrien die reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen und gezwungen zu werden, schwere Menschenrechtsverletzungen zu begehen, was er aus politischen (Ablehnung des Assad-Regimes) und Gewissensgründen ablehnt.

Im Falle einer Wehrdienstverweigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Die Haft sowie die damit verbundene Folter drohen dem Beschwerdeführer, weil er sich dem Reservedienst durch seine illegale Ausreise aus Syrien bzw. Flucht ins Ausland entzogen hat und sich in der Vergangenheit politisch betätigt hat, und die syrische Regierung ihm deswegen eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würde. Dabei spielt auch die Herkunftsregion für die Behörden bei der Behandlung von Rückkehrern eine große Rolle. Syrer aus (ehemaligen) Oppositionsgebieten werden dabei eher verdächtigt als Personen aus traditionell regierungstreuen Gebieten.

Einer aus der Verweigerung des Militärdienstes resultierenden Verfolgung kann sich der Beschwerdeführer insbesondere durch die Zahlung einer Befreiungsgebühr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht entziehen.

Eine Rückkehr nach Syrien ist nur über die Flughäfen in Damaskus, Latakia oder Aleppo möglich. Diese Städte und die ihnen zugehörigen Flughäfen befinden sich unter Kontrolle des syrischen Regimes. Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer am Grenzübergang bzw. am jeweiligen Flughafen verhaftet und dem Reservedienst bei der syrischen Armee zugeführt wird. Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung Männer, die für den Wehrdienst bzw. Reservedienst gesucht werden. Zwangsrekrutierungen finden u.a. auch an Checkpoints statt.

Es besteht folglich die maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei bzw. nach der Einreise nach Syrien durch das syrische Regime gefasst und dem Reservedienst zugeführt oder für dessen Verweigerung bestraft wird.

1.2.2. Die SDF/YPG operieren über die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES), eine offiziell nicht anerkannte Regierungseinheit, die unter der effektiven Kontrolle der Partei der Demokratischen Partei der Demokratischen Union (PYD), dem dominierenden politischen Akteur in den kurdisch kontrollierten Gebieten.

Die SDF verhaften und inhaftieren weiterhin willkürlich Personen, die Verbindungen zu politischen Parteien haben, die gegen die PYD oder die AANES sind, oder die deren Politik kritisieren. Zu diesen Inhaftierten zählen politische Aktivisten, humanitäre Helfer, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Medienschaffende. Die meisten dieser Personen gehörten entweder Parteien innerhalb des KNC an, einschließlich der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), oder arbeiteten für Organisationen, die dem KNC nahestehen. Die meisten wurden Berichten zufolge freigelassen, in Ausnahmefällen starben die Gefangenen jedoch an den Folgen der Folter in den Gefängnissen.

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2021 an der Organisation von Demonstrationen gegen die „Selbstverteidigungspflicht“ der kurdischen Kräfte beteiligt und wurde im gleichen Jahr deshalb auch für ca. eine Woche inhaftiert und gefoltert. Er erlitt Verletzungen im Intimbereich und wurde nach seiner Entlassung zweimal operiert. Anschließend reiste er im September 2021 aus Syrien aus.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, wegen seiner politischen Einstellung, die er durch seine Teilnahme und Organisation an gegen die SDF/YPG gerichtete Kundgebungen deutlich zum Ausdruck gebracht hat, von den kurdischen Kräften als politisch oppositioneller Aktivist gesehen zu werden und ist daher der Gefahr einer erneuten Inhaftierung sowie Folter ausgesetzt.

1.3.    Zur maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden ua. die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Gesamtaktualisierung vom 27.03.2024 (Version 11)

?        Themenbericht der Staatendokumentation (Syrien - Grenzübergänge) Datum der Veröffentlichung: 2023-10-25 (zitiert im Länderinformationsblatt)

?        LIveuamap LLC: Syria Live Map: https://syria.liveuamap.com/

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom  27.03.2024 (Version 11):

[…]

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

Syrische Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

Institutionen und Wahlen

Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).

Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).

Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).

Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).

Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).

Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung

Letzte Änderung 2023-07-11 09:24

Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).

Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).

Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).

In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten