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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. August 1994, Zl. 4.306.289/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. Februar 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein Staatsangehöriger Angolas, der am 15. September 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. Dezember 1990 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt hat - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1968 sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. August 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung im Asylverfahren am 8. Dezember 1990 hinsichtlich seiner Fluchtgründe im wesentlichen angegeben, daß die Partei M.P.L.A. eine regierungsverbundene Gruppierung seiner Heimat sei, welche im Kampf gegen die L"Unita eingesetzt werde. Der Beschwerdeführer sei im "richtigen" Alter gewesen, um in diese Organisation eingezogen zu werden und wisse, daß man ihn deshalb suche. Er wolle aber nicht gegen seine eigenen Brüder kämpfen, weil ihm bekannt sei, daß die L"Unita für die wahre Demokratie kämpfe. Er müsse die Einberufung ablehnen und das wäre für ihn das Todesurteil.
In seiner Berufung ergänzte er, daß in seiner Heimat die Menschenrechte nicht respektiert werden. Die Regierungspartei sei eine kommunistische Partei, die das Land diktatorisch regiere. Besonders für junge Leute wie ihn bestehe ständig die Gefahr, zwangsweise für die Regierungstruppen rekrutiert zu werden. Diese so zusammengestellten Truppen würden zum militärischen Kampf gegen die demokratische Oppositionsorganisation L"Unita eingesetzt. Er wolle sich deshalb nicht am Kampf gegen die Opposition beteiligen, weil auch er gegen die Diktatur der Regierung ankämpfen und nicht gegen seine eigenen Brüder, sein Volk, kämpfen wolle. Er habe die Einstellung, daß die Menschenrechte zu respektieren seien.
Bei einer Rückkehr nach Angola habe er nur zwei Möglichkeiten:
entweder gegen sein eigenes Volk zu kämpfen und dabei die Menschenrechte zu verletzen oder selbst zu sterben. Er werde daher in Angola wegen seiner politischen Einstellung mit dem Tod bedroht.
Da das Berufungsverfahren am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig war, ist gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1991 dieses Gesetz anzuwenden.
Die belangte Behörde stützte sich ausschließlich auf das Vorbringen des Berufungswerbers sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren. Sie kam zum Ergebnis, daß gegen den Beschwerdeführer keine persönlich gerichtete Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Asylgesetz 1991 vorliege. Ergänzend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer seine Befürchtung, zum Militärdienst eingezogen bzw. aus diesem Grund bereits gesucht zu werden, durch keine konkreten Anhaltspunkte substantiiert habe, weshalb das Vorbringen als Vermutung gewertet werden konnte.
Die Beschwerde rügt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde ihrer Manuduktionspflicht (§ 13a AVG) sowie ihrer Ermittlungspflicht (§§ 16 und 20 Asylgesetz) nicht nachgekommen sei. Vor allem unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994 (gemeint offensichtlich: Zl. 93/01/0377) wäre "zu untersuchen gewesen, ob in Anbetracht der Tatsache, daß der Beschwerdeführer ... aus "politischen Gründen" den Kampf im Bürgerkrieg ablehnen würde, dies einen Grund darstellen könnte, bei dem genaue Würdigung vor allem in Anbetracht der Verhältnisse, die im Heimatland des Beschwerdeführers, einer damit im Zusammenhang stehenden Bestrafung, eine berechtigte Furcht vor einer Verfolgung bestanden hat, welche zur Flüchtlingsanerkennung führen könnte."
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, daß es von entscheidender rechtlicher Bedeutung sei, ob dem Beschwerdeführer konzediert werden könne, daß er aus "politischen Gründen einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte". Der Ausdruck politische Gesinnung sei als "vermeintliche politische Meinung" zu verstehen. Diese brauche nicht in irgendeiner Form kundgetan werden. Es sei keineswegs auszuschließen, daß die "Entziehung aus dem Wehrdienst" keinen Fluchtgrund im Sinne der Konvention darstellen könne, wenn gleichzeitig dargelegt werden könne, daß die Sanktionen gegen den Wehrdienstverweigerer selbst eine politische Strafnorm darstellen, welche unangemessen hoch, allenfalls mit der Bedrohung des Lebens verbunden sei, so daß sie eine gezielte Maßnahme gegen politisch anders Gesinnte darstelle.
Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht - wie der Beschwerdeführer auch selbst darlegt - alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1989, Zl. 89/01/0230, und die dort zitierte Vorjudikatur). Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (vgl. dazu für viele z.B. die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718, und vom 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0734, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnte die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122).
Gerade eine solche relevante Verfolgung vermag der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen aber nicht darzutun. Denn die Einziehung zum Militärdienst und die Gefahr des Einsatzes in bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen droht in seinem Heimatland allen jungen Männern im vergleichbaren Alter. Daraus ergibt sich, daß deren Desertion strafrechtlich allen in gleicher Weise zum Vorwurf gemacht werden kann, unabhängig davon, aus welchem Grund sie dieses Verhalten gesetzt haben, und daher auch unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, weshalb sie auch in gleicher Weise mit entsprechenden Sanktionen seitens der staatlichen Behörden zu rechnen haben.
Es ist daher für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, wenn ihn seine politische Gesinnung für den Eventualfall, daß er zum Militärdienst verpflichtet würde und gegen die L"Unita eingesetzt würde, zur Desertion bewegen würde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0782). Hiebei ist zudem zu beachten, daß die politische Gesinnung des Beschwerdeführers seinen eigenen Angaben nach den Behörden seines Heimatstaates nicht bekannt war.
Damit ist den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Verfahrensrüge entgegenzuhalten, daß aus § 13a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. aus vielen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1991, Zl. 93/01/0800-0803).
Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln ( vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der gegenständliche Fall von jenem, der dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - verstärkter Senat - vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, zugrundelag.
Die vom Beschwerdeführer im ergänzenden Schriftsatz vom 10. Oktober 1994 vorgelegten Berichte von Amnesty International bringen lediglich die allgemeine Menschenrechtssituation in Angola zum Ausdruck, können aber keine konkrete individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung deutlich machen.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191369.X00Im RIS seit
20.11.2000