TE Vwgh Beschluss 1995/7/28 95/02/0024

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Veröffentlicht am 28.07.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §124 Abs7;
ASchG 1972 §127 Abs1 Z1;
ASchG 1972 §22 Abs2;
ASchG 1994 §116 Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, in der Beschwerdesache der A-GmbH in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24. November 1994, Zl. 61.760/16-3/94, betreffend Bewilligung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. Februar 1991 auf Befreiung von der Pflicht zur Einrichtung einer betriebsärztlichen Betreuung gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 idgF., abgewiesen.

Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde ist nicht zulässig:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist sohin, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Daß es für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem behaupteten Recht verletzt sein kann, (auch) auf den Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung ankommt, dafür spricht nicht nur der Wortlaut des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG (arg.: "... verletzt zu sein"), sondern auch die Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGG, der sich entnehmen läßt, daß der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren als Prozeßvoraussetzung versteht. Führt nämlich die Klaglosstellung des Beschwerdeführers in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, daß eine Beschwerde von vornherein als unzulässig betrachtet werden muß, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Lage bereits bei der Einbringung der Beschwerde vorliegt. Eine derartige Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluß vom 8. Oktober 1992, Zl. 92/18/0162 mit weiteren Hinweisen).

Gemäß § 22 Abs. 2 zweiter Satz Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, kann das Arbeitsinspektorat auf Antrag des Arbeitgebers, wenn es die betrieblichen Verhältnisse unter Berücksichtigung des Ausmaßes und des Grades der Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer sowie unter Berücksichtigung des Umfanges des Betriebes geboten erscheinen lassen, durch Bescheid zulassen, daß erst bei einer höheren Zahl als 250 Arbeitnehmer eine betriebsärztliche Betreuung einzurichten ist oder daß in Betrieben, in denen regelmäßig mehr als 750 Arbeitnehmer beschäftigt sind, die betriebsärztliche Betreuung nicht durch einen betriebseigenen Arzt erfolgt.

Nach § 79 Abs. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, haben Arbeitgeber Arbeitsmediziner zu bestellen.

Gemäß § 115 Abs. 2 leg. cit. gilt für Arbeitsstätten, in denen ein Arbeitgeber regelmäßig mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt, bis zum Inkrafttreten einer Verordnung über Mindesteinsatzzeiten gemäß § 90 Abs. 2 und 5, die für Arbeitsmediziner in § 22c Abs. 3 des Arbeitnehmerschutzgesetzes festgelegte Mindesteinsatzzeit. Arbeitnehmer, die auf Baustellen oder auswärtigen Arbeitsstellen beschäftigt werden, sind bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl nach Abs. 1 und Abs. 2 jener Arbeitsstätte zuzurechnen, der sie organisatiorisch zugehören, im Zweifel dem Unternehmenssitz (§ 115 Abs. 3).

§ 127 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sieht vor, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren nach der bisherigen Rechtslage weiterzuführen sind. Dies gilt nicht für Verwaltungsverfahren, die die Genehmigung von Ausnahmen von Bestimmungen zum Gegenstand haben, die mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft treten. Nach § 116 Abs. 5 erster Satz ASchG werden u. a. Bescheide gemäß § 22 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz mit Inkrafttreten des ASchG "gegenstandslos". Letzteres ist hier dem Begriff "außer Krafttreten" gleichzuhalten (vgl. ErlRN 1590 Blg. XVIII.GP., 124, zu § 116 Abs. 5 ASchG).

Nach § 124 Abs. 7 ASchG tritt mit dem Inkrafttreten des AschG das Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 650/1989, außer Kraft, soweit sich aus den §§ 112 und 115 bis 117 nicht anderes ergibt.

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß Ausnahmen von der Verpflichtung zur Bestellung eines Arbeitsmediziners seit dem Inkrafttreten des ASchG, dem 1. Jänner 1995 (vgl. § 131 Abs. 1 leg. cit.), nicht mehr möglich sind. Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde, dem 13. Jänner 1995, mangelte es daher im vorliegenden Fall an einer Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG und damit am Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin würde sich durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht ändern, weil es der belangten Behörde selbst im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides verwehrt wäre, der Beschwerdeführerin bei Anwendung der geltenden Bestimmungen über die Verpflichtung zur Bestellung eines Arbeitsmediziners die angestrebte Ausnahmebewilligung zu erteilen.

Die vorliegende Beschwerde war sohin unter Abstandnahme von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995020024.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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