TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/28 95/02/0168

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Veröffentlicht am 28.07.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. März 1995, Zl. UVS-03/P/30/840/95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem Inhalt der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgendes:

Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. März 1994 einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO schuldig erkannt; über ihn wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 7. März 1994 zugestellt. Am 28. März 1994 stellte der Vertreter des Beschwerdeführers einen Wiedereinsetzungsantrag und erhob gleichzeitig Berufung gegen das vorangeführte Straferkenntnis.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1994 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Behörde erster Instanz abgewiesen; der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. März 1995 keine Folge gegeben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche oder ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den hg. Beschluß vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0285, und vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0437). Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender entweder selbst auszuführen oder im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1976, Slg. Nr. 9040/A).

Der Beschwerdeführer begründet seinen Wiedereinsetzungsantrag damit, daß das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien am 7. März 1994 zugestellt worden sei, die Berufungsfrist sohin am Montag dem 21. März 1994 geendet habe. Am Tag der Zustellung dieses Straferkenntnisses habe sein Rechtsvertreter, der die Angelegenheit in der Anwaltskanzlei selbst bearbeitet habe, auf seinem Tischkalender das Ende der Berufungsfrist sofort vermerkt und mit Leuchtstift markiert, dies aber nicht mit 21., sondern mit (Montag dem) 28. März 1994. Dazu sei es deshalb gekommen, weil seinem Rechtsvertreter das Mißgeschick passiert sei, daß er beim zweimaligen Umblättern des Tischkalenders (ein Blatt pro Kalenderwoche) einmal zwei Blätter erwischt habe, welche sich ineinander verhängt hätten. Diese Fristvormerkung sei nicht in Unkenntnis der zweiwöchigen Berufungsfrist vorgenommen worden, sondern aufgrund eines bislang nicht dagewesenen unglücklichen Umstandes bei einer bloß manipulativen Tätigkeit, nämlich beim Umblättern des Stehkalenders. Sein Rechtsvertreter habe sich selbst um die Fristenvormerkung gekümmert und diese Frist schon am Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in seinen Fristvormerkkalender eingetragen und die Frist zusätzlich mit grünem Leuchtstift markiert. Diese Form der Fristvormerkung habe sich in der nun rund fünfeinhalbjährigen Tätigkeit seines Rechtsvertreters als Rechtsanwaltsanwärter und Rechtsanwalt in dieser Kanzlei bewährt und diese Vorgangsweise könne entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht als sorgloser Umgang mit Fristen bezeichnet werden. Der Stand der Technik allein könne nicht das entscheidende Kriterium für die Lösung der Frage sein, wie Fristen vorzumerken seien.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der vorliegenden Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Von einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden kann dann keine Rede sein, wenn die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt wird (vgl. zum Erfordernis größtmöglicher Sorgfalt bei der Einhaltung von Rechtsmittelfristen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, Zlen. 92/02/0273, 0274 und vom 22. April 1994, Zlen. 94/02/0095, 0096). Wenn daher der Beschwerdeführer den Irrtum bei der Eintragung des Fristablaufes aus einem bloß manipulativen Vorgang (dem "Umblättern des Fristenvormerkkalenders") abzuleiten versucht, so übersieht er, daß eine korrekte Fristenvormerkung - wie bereits ausgeführt - nicht nur in dem rein technischen Vorgang der Eintragung der Frist, sondern auch in der Berechnung ("Festsetzung") dieser Frist besteht. Daß eine derartige Fristenberechnung überhaupt stattgefunden hat, behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal, sodaß im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, daß auf Seiten des Rechtsanwaltes nur ein minderer Grad des Versehens vorgelegen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995020168.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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