TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/28 94/02/0153

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Veröffentlicht am 28.07.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §38;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs3;
FrG 1993 §48 Abs4 Z1;
FrG 1993 §48 Abs4;
FrG 1993 §51;
FrG 1993 §52;
FrG 1993 §54 Abs4;
FrG 1993 §65 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/02/0191

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden des R in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 2. März 1994, Zl. UVS-8/83/2-1994 und vom 17. März 1994, Zl. UVS-8/96/1-1994, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von "Restjugoslawien" und gehört der ethnischen Minderheit der Kosovo-Albaner bzw. der Zigeuner an. Der Beschwerdeführer war mit einem gefälschten Reisepaß über Slowenien nach Österreich eingereist, dies in der Absicht, zu Verwandten nach Deutschland weiterzureisen. Am 12. November 1993 wurde er von der deutschen Grenzpolizei bei der Einreise nach Deutschland kontrolliert und wies sich auch bei dieser Paßkontrolle mit dem gefälschten Reisepaß aus. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer nach Österreich zurückgeschoben. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 12. November 1993 wurde über ihn die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenhaltsverbotes oder einer Ausweisung bzw. der Abschiebung verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. November 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Der Vollzug dieser Freiheitsstrafe wurde für die Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Schreiben vom 24. November 1993 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung das jugoslawische Konsulat um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1994 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot.

Am 14. Februar 1994 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jugoslawien ein und stellte einen Eventualantrag auf Gewährung von Schutz vor Abschiebung nach Serbien (zunächst befristet auf ein Jahr). Diese Anträge wiederholte der Beschwerdeführer am 4. März 1994 auch hinsichtlich der Länder Ungarn und Slowenien.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. März 1994 hat die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer erhobenen Schubhaftbeschwerde dahingehend Folge gegeben, daß die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft für den Zeitraum vom 12. Jänner bis 26. Jänner 1994 festgestellt wurde; hinsichtlich des Zeitraumes vom 11. November 1993 bis einschließlich 11. Jänner 1994 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, daß ab dem 27. Jänner 1994 die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und eine weitere Anhaltung zulässig sei (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0153).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. März 1994 wurde die Beschwerde für den Zeitraum ab 4. März 1994 als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig festgestellt (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0l91).

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Zu der zu Zl. 94/02/0153 protokollierten Beschwerde:

Der Beschwerdeführer führt zunächst aus, die (umfassende) Überprüfung der Rechtmäßigkeit der über ihn verhängten Schubhaft durch die belangte Behörde hätte auch eine Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung zu umfassen gehabt. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebung sei eine wesentliche Bedingung für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft, weshalb die Unzulässigkeit der Abschiebung auch die Unzulässigkeit der Schubhaft nach sich ziehe. Eine Abschiebung nach Restjugoslawien und Slowenien sei unzulässig und faktisch unmöglich. Die Gründe, aus denen sich die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Jugoslawien und auch nach Slowenien ergebe, seien augenscheinlich und offenkundig.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß die in den angefochtenen Bescheiden zu dieser Frage dargestellte Rechtsmeinung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, wonach im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0410, vom 22. April 1994, Zl. 94/02/0082, vom 8. Juli 1994,

Zlen. 94/02/0124, 0127, und vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0l23). Von dieser Möglichkeit der Antragstellung auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung durch die Fremdenbehörde hat der Beschwerdeführer im übrigen mit seinen Anträgen (mehrmals) Gebrauch gemacht, indem er das Vorliegen von Abschiebungshindernissen unter anderem auch hinsichtlich der Länder Jugoslawien und Slowenien behauptete.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, eine Abschiebung sei aus tatsächlichen Gründen unmöglich, ist ihm zu entgegnen, daß nach § 36 Abs. 2 erster Satz FrG die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub) ist, wenn sie unter anderem aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für einen solchen Fall ist daher ein eigenes Verfahren vorgesehen, welches vor den Fremdenbehörden (§ 65 Abs. 1 FrG) zu führen ist. Die Überprüfung, ob eine Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint), hat daher nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1994, Zl. 94/02/0227).

Der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde die Zulässigkeit einer Abschiebung solange selbst zu beurteilen habe, solange keine rechtskräftige Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde über einen Antrag nach § 54 FrG vorliege. Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG obliegt der zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0038); eine diesbezügliche Prüfungskompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate besteht nicht; es ist ihnen diesfalls - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch die vorfrageweise Beurteilung dieses Umstandes verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1994, Zl. 94/02/0351).

Den Ausführungen, die Fremdenpolizeibehörde habe die Schubhaft nur "auf Vorrat" verhängt, ohne daß konkret geprüft worden sei, zu welchem Zweck die Schubhaft verhängt werde und ob überhaupt ein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe oder die Abschiebung zulässig sei, ist zu entgegnen, daß die Schubhaft verhängt bzw. aufrechterhalten werden darf, solange die begründete Annahme besteht, ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sei durchzuführen, und bedürfe aus bestimmten Gründen zu seiner Sicherung der Anhaltung des Fremden in Schubhaft. Durch die bloße Darlegung der an eine Schubhaftbeschwerde (seiner Meinung nach) anzulegenden Prüfungsmaßstäbe, die zudem mit der Rechtslage nicht in Einklang stehen, vermag der Beschwerdeführer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entkräften, daß im Beschwerdefall die dargestellten Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gegeben waren.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß seit dem 26. Jänner 1994 die Schubhaft ausschließlich der Sicherung seiner Abschiebung diene, die zuständige Fremdenpolizeibehörde aber bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht geklärt habe, in welchen Staat er tatsächlich abgeschoben werden solle und ob dieser Staat (die ehemalige Teilrepublik Serbien) bereit sei, ein Heimreisezertifikat auszustellen. Auch sei der Fremdenbehörde vorzuwerfen, daß sie hinsichtlich der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Slowenien untätig geblieben sei. Es sei daher der Fremdenpolizeibehörde eine Verletzung ihrer Verpflichtung, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauere, vorzuwerfen. Dieses Vorbringen ist im Hinblick darauf nicht zielführend, daß Gründe für die Verlängerung der Schubhaft vorlagen: Einerseits fehlte die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates (Heimreisezertifikat), andererseits war auch über den Antrag des Beschwerdeführers, gemäß § 54 FrG die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festzustellen, noch nicht rechtskräftig entschieden. Da sich die Dauer der Schubhaft innerhalb der zeitlichen Schranken des § 48 Abs. 4 FrG bewegte und dem Gesetz nicht entnommen werden kann, daß der belangten Behörde bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden eine Prüfungsmöglichkeit zukäme, in welcher Reihenfolge die Fremdenbehörden die zur Durchsetzung der Abschiebung geeignet erscheinenden Maßnahmen treffen, liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zlen. 94/02/0188, 0189, 0285).

2. zu der zur Zl. 94/02/0191 protokollierten Beschwerde:

Der Beschwerdeführer führt in diesem Beschwerdefall aus, daß die Fremdenpolizeibehörde dem Verhältnismäßigkeitsgebot des § 48 Abs. 1 FrG zuwider gehandelt habe, weil auch bei Zulässigkeit der Abschiebung eine mehrmonatige Anhaltung des fast noch jugendlichen Beschwerdeführers in Schubhaft in keinem Verhältnis zu einer derartigen Maßnahme stehe, zumal schon zu Beginn der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot hätte erlassen werden können. Ferner hätte bereits seit dem 12. November 1993 definitiv geklärt werden müssen, ob seitens der Republik Jugoslawien in Ansehung der Person des Beschwerdeführers überhaupt eine Einreisebewilligung ausgestellt werde. Bloße schriftliche Urgenzen seien nicht ausreichend gewesen. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft könne für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht damit begründet werden, daß die verhängte Haft nicht nur der Sicherung einer Abschiebung in die Republik Jugoslawien, sondern auch der Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers in einen anderen Zielstaat dienen könne.

Wie der Beschwerdeführer selbst darlegt, wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Fremdenbehörden mehrmals urgiert. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht nachvollziehbar, welche anderen Mittel - außer die vom Beschwerdeführer als "nicht ausreichend" bezeichneten schriftlichen Urgenzen bei der diplomatischen Vertretung der "Republik Jugoslawien" - die Fremdenpolizeibehörden zur Beschaffung eines Heimreisedokumentes einsetzen hätten können, sodaß auch in diesem Falle ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 FrG nicht zu erkennen ist.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich durch die Unterlassung der Verständigung im Sinne des § 48 Abs. 5 FrG und der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde beschwert erachtet, ist er darauf zu verweisen, daß Verstöße gegen Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind und ihre Wesentlichkeit vom Beschwerdeführer dargetan wird (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zlen. 94/02/0188, 0189, 0285). Da es der Beschwerdeführer jedoch unterläßt, die Relevanz dieser behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften darzutun, erübrigt es sich, auf die diesbezüglichen Ausführungen einzugehen. Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - die zur hg. Zl. 94/02/0153 protokollierte Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG - abzuweisen waren.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994020153.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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