TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/2 93/13/0278

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Veröffentlicht am 02.08.1995
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Index

23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §9;
BAO §77 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG 1972 §79 Abs2;
EStG 1988 §79 Abs2;
KO §1;
KO §3;
KO §6 Abs1;
KO §80 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Oktober 1993, Zl. GA 7 - 1201/93, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Jänner 1992 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als vormaligen Masseverwalter einer Handelsgesellschaft für deren aushaftende Abgabenschuldigkeiten an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag samt Zuschlägen einschließlich eines Säumniszuschlages für die Jahre 1987 bis 1990 im Gesamtbetrag von S 253.330,-- gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung heran.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß das Konkursverfahren am 7. November 1990 aufgehoben worden sei, weshalb sich seine allfällige Haftung nur auf den Zeitraum von März 1987 bis Oktober 1990 beziehen könnte. Daß er nur für diesen Zeitraum in Anspruch genommen werde, könne dem Bescheid nicht entnommen werden. Es treffe den Beschwerdeführer am Unterlassen der Abführung der nunmehr vorgeschriebenen Abgaben kein Verschulden, weil er mit dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin über die Ausbezahlung der Löhne an die Mitarbeiter und die Abführung der Abgaben eine Vereinbarung getroffen habe, nach welcher der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Löhne so wie bisher an seine Mitarbeiter direkt und bar ausbezahlen und gleichzeitig auch die Lohnabgaben an das Finanzamt überweisen habe sollen. Grund dieser Vorgangsweise sei gewesen, daß der Geschäftsführer der Gemeinschulderin über ein EDV-Lohnverrechnungsprogramm verfügt habe, über welches die Lohnverrechnung auch weiterhin habe durchgeführt werden sollen. Der Beschwerdeführer habe während des mehr als dreijährigen Fortbetriebes des Unternehmens der Gemeinschuldnerin keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, daß die Lohnabgaben vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vereinbarungsgemäß an das Finanzamt abgeführt worden wären. Die anläßlich der Besprechung mit dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vom Beschwerdeführer diesem fallweise gestellten Fragen nach der ordnungsgemäßen Durchführung der Lohnverrechnung seien von diesem immer bejaht worden. Angesichts der Bestimmung des § 79 Abs. 2 der Einkommensteuergesetze habe der Beschwerdeführer auch darauf vertrauen können, im Falle des Ausbleibens der Lohnabgaben vom Finanzamt eine Erinnerung zu erhalten. Auf diese Verpflichtung des Finanzamtes vertrauend, habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, daß die Lohnabgaben tatsächlich auch abgeführt würden. Über die Üblichkeit solcher Erinnerungen wisse der Beschwerdeführer aus anderen von ihm geführten Konkursen Bescheid.

Eine Anfrage des Finanzamtes nach den konkreten Handlungen, mit welchen der Beschwerdeführer seinen Überwachungspflichten, betreffend Einbehaltung und Abfuhr der Lohnabgaben durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin nachgekommen sei, beantwortete der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf regelmäßig stattgefundene Besprechungen mit dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, in deren Verlauf ihm vom Geschäftsführer zumeist auch die erstellten Umsatzsteuererklärungen übergeben worden seien, woraufhin er die Umsatzsteuer anhand dieser Erklärungen auch überwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe bei diesen Gelegenheiten den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin immer wieder danach gefragt, ob dieser auch die Lohnabgaben bezahle, was stets bejaht worden sei. Da der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin seine Verpflichtungen hinsichtlich der Umsatzsteuer stets erfüllt habe, habe der Beschwerdeführer auch davon ausgehen können, daß dessen Erklärungen über die Bezahlung der Lohnabgaben richtig seien. Eine ununterbrochene Überwachung des Gemeinschuldners könne vom Masseverwalter nicht verlangt werden. Den Überprüfungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers seien auch sehr enge Grenzen gesetzt gewesen, weil weder er noch der Steuerberater Buchhaltungsunterlagen für zu erstellende Steuererklärungen trotz mehrmaliger Urgenzen erhalten hätten, weswegen auch keine Jahresabschlüsse erstellt worden seien, aus denen der Beschwerdeführer die Tatsache der unterbliebenen Abfuhr der Lohnabgaben ersehen hätte können. Im Glauben an die Richtigkeit der Antworten des Geschäftsführers über die regelmäßige Entrichtung der Lohnabgaben habe sich der Beschwerdeführer auch durch die Tatsache der Beschäftigung eines Steuerberaters bestärkt fühlen dürfen, weil der Steuerberater andernfalls doch sonst tätig geworden wäre. Die Verpflichtung des Finanzamtes, nach § 79 Abs. 2 der Einkommensteuergesetze vorzugehen, habe umsomehr bestanden, als das Finanzamt aus den in der Größenordnung von monatlich durchschnittlich S 100.000,-- erklärten Umsätzen erkennen hätte müssen, daß solche Umsätze nicht ohne Einsatz von Personal erzielt worden sein konnten. Jedenfalls werde ersucht, aus den in den Haftungsbescheid einbezogenen Abgaben die außerhalb der Zeiträume der Funktion als Masseverwalter gelegenen Abgabenanteile auszuscheiden.

Dieser Anfragebeantwortung schloß der Beschwerdeführer das an ihn gerichtete Schreiben einer Wirtschaftstreuhänderkanzlei vom 22. November 1989 an, in welchem darüber geklagt wurde, daß vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin noch nicht einmal die Unterlagen für das Jahr 1987 zu erhalten gewesen seien.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 15. März 1993 gab das Finanzamt der Berufung des Beschwerdeführers teilweise und zwar dahin statt, daß es die haftungsbetroffenen Abgaben, nach Abgabenarten aufgeschlüsselt, insoweit reduzierte, als der Beschwerdeführer im Ergebnis dieser Reduzierungen zur Haftung nur mehr in einem Gesamtbetrag von S 190.002,-- herangezogen wurde.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte der Beschwerdeführer zusammengefaßt sein bisheriges Vorbringen über das Fehlen einer ihm vorwerfbaren Pflichtverletzung auf Grund der bereits aufgezeigten Umstände.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers im Umfang des Ergebnisses der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes statt und wies die Berufung im übrigen als unbegründet ab. Die Uneinbringlichkeit der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten, führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründend aus, stehe infolge der erfolgten Aufhebung des neuerlich eröffneten Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens fest. Auf die Versicherungen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin vertraut und deswegen jegliche Überprüfungs- oder Überwachungsmaßnahmen unterlassen zu haben, begründe ein Verschulden des Beschwerdeführers an der nunmehrigen Uneinbringlichkeit der Abgaben. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß seiner Überprüfungsmöglichkeit enge Grenzen gesetzt gewesen seien, weil er trotz mehrmaliger Urgenzen keine Buchhaltungsunterlagen erhalten habe, sei dem zu erwidern, daß er zumindest den Versuch unternehmen hätte müssen, unmittelbar bei demjenigen, der die Aufzeichnungen geführt habe, Einsicht in diese zu nehmen, um so die geschuldeten Abgaben festzustellen und ihre Abfuhr zu überwachen. Ob die Behörde die Folgen der Pflichtverletzung des Beschwerdeführers bei gehöriger Aufmerksamkeit allenfalls verhindern hätte können, sei für die Frage der Haftung des Beschwerdeführers ohne Bedeutung. Der Berufung des Beschwerdeführers sei allerdings insoweit stattzugeben gewesen, als die Haftung auf den anteiligen Abgabenbetrag zu beschränken gewesen sei, welcher jenen Zeitraum betreffe, in welchem der Beschwerdeführer als Masseverwalter gesetzlicher Vertreter des Abgabepflichtigen gewesen sei.

Erkennbar nur gegen den die Berufung abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung beantragt, durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt zu sein, nicht zur Haftung von Abgabenschuldigkeiten der Gemeinschuldnerin herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den gesetzlichen Vertretern im Sinne des § 80 BAO gehört auch der Masseverwalter (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1993, 91/15/0007, ÖStZB 1993, 573, mit weiteren Nachweisen).

Die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten bei der vormaligen Gemeinschuldnerin ist im Beschwerdefall nicht mehr strittig, weshalb zu prüfen ist, ob eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer als den vormaligen Masseverwalter vorliegt, die zur Uneinbringlichkeit der Abgaben geführt hat.

Der Beschwerdeführer tritt der behördlichen Beurteilung des Vorliegens einer ihm vorwerfbaren haftungsbegründenden Pflichtverletzung wie schon im Verwaltungsverfahren so auch vor dem Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorbringen entgegen, mit dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Berechnung und Abfuhr der Lohnabgaben auf Grund eines von diesem bereits geführten EDV-Programmes vereinbart und bei regelmäßiger Nachfrage vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zugesichert bekommen zu haben, daß die Lohnabgaben ordnungsgemäß errechnet und abgeführt würden. Den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe am Eintritt der Zahlungsfähigkeit kein offensichtliches Verschulden getroffen, dieser habe auch seine umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen regelmäßig erfüllt, weshalb für den Beschwerdeführer kein Anlaß bestanden habe, sich auf diesen Geschäftsführer nicht zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe auch darauf vertrauen dürfen, daß das Finanzamt im Falle unvollständiger oder verspäteter Abfuhr von Lohnabgaben durch Erinnerung oder Schätzung tätig werden würde. Das Finanzamt sei irrigerweise von der Schließung des Betriebes ausgegangen und habe deshalb keine Prüfung durchgeführt, obwohl es angesichts der erklärten Umsätze erkennen hätte müssen, daß das Unternehmen der Gemeinschuldnerin unter Weiterbeschäftigung der Dienstnehmer fortgeführt werde. Es sei auch auf die Beschäftigung des Steuerberaters und den Umstand hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer keine Jahresabschlüsse erhalten habe, aus denen er die Tatsache des Unterbleibens der Abfuhr der Lohnabgaben erkennen hätte können. Eine ununterbrochene Überwachung des Gemeinschuldners durch den Masseverwalter sei nicht zumutbar und könne deshalb nicht gefordert werden. Eine Verletzung der Überwachungspflicht des Beschwerdeführers liege demnach nicht vor. Sollte eine solche Pflichtverletzung vorliegen, wäre dem Beschwerdeführer daran kein wesentliches Verschulden anzulasten, welches aber zur Rechtfertigung einer Heranziehung zur Haftung zu fordern sei.

Dieses Vorbringen zeigt die damit geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erfolgreich auf. Als rechtsirrig erweist sich die vom Beschwerdeführer vorgetragene Auffassung, daß nur ein "wesentliches" (nach heutiger Terminologie: grobes) Verschulden an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten die Heranziehung zur Haftung zur Folge habe. Diese unter Berufung auf eine Entscheidung des Reichsfinanzhofes aus dem Jahre 1933 vorgetragene Auffassung widerspricht Rechtsprechung und Lehre zum Verschuldensbegriff des § 9 Abs. 1 BAO, wonach diese Gesetzesstelle jede Form des Verschuldens und damit auch bloß leichte Fahrlässigkeit erfaßt und für die Haftung als ausreichend befindet (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 127, sowie Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 17 zu § 9 BAO, samt der an den angeführten Belegstellen wiedergegebenen hg. Judikatur).

Daß der vom Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt es rechtlich nicht zuließ, das Vorliegen einer ihm in der Schuldform zumindest leichter Fahrlässigkeit vorzuwerfenden Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu verneinen, hat die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum erkannt. Der Beschwerdeführer war als Masseverwalter Träger der Pflicht zur vollständigen und rechtzeitigen Abfuhr der lohnabhängigen Abgaben. In Erfüllung dieser Pflicht durfte er sich des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin gewiß bedienen, solange keine Umstände vorlagen, deren Mißachtung ein Auswahlverschulden des Beschwerdeführers deswegen begründen mußten, weil er Grund dafür haben mußte, an der ordnungsgemäßen Erfüllung der delegierten abgabenrechtlichen Pflichten durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zu zweifeln.

Die Übertragung der steuerlichen Agenden an einen Dritten ist aber in jedem Fall mit Überwachungspflichten verbunden, deren schuldhafte Verletzung Haftungsfolgen nach sich zieht; der Vertreter im Sinne des § 80 BAO hat dafür einzustehen, daß er die Tätigkeit der mit Steuerangelegenheiten betrauten Personen in solchen zeitlichen Abständen und auf solche Weise überwacht, daß auszuschließen ist, daß ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1993, 91/15/0065, mit weiteren Nachweisen, sowie auch Stoll, a.a.O., 123, und das schon von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, 89/13/0258). Die dem Beschwerdeführer hinsichtlich der dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin übertragenen steuerlichen Aufgaben treffende Überwachungspflicht blieb nach dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt aber unerfüllt. Daß der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dem Beschwerdeführer Umsatzsteuererklärungen brachte, war kein Umstand, aus welchem der Beschwerdeführer auf die Erfüllung der Pflicht zur Abfuhr lohnabhängiger Abgaben durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin mit Sicherheit schließen konnte. Der vom Beschwerdeführer selbst aufgezeigte Umstand der "sehr engen Grenzen" seiner Überprüfungsmöglichkeit mangels Vorlage von Jahresabschlüssen durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin konnte den Beschwerdeführer von der ihm obliegenden Kontrolltätigkeit nicht entbinden, sondern mußte ihn zur Entfaltung einer solchen erst recht veranlassen. Wenn der Beschwerdeführer unter Darstellung der das Finanzamt nach § 79 Abs. 2 der Einkommensteuergesetze treffenden Pflichten sein Vertrauen darauf ins Treffen führt, daß die Abgabenbehörde mangels Erfüllung der dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin delegierten Pflichten durch diesen schon die gebotenen Aktivitäten entfalten würde, dann spricht dieses Vorbringen mehr für als gegen die dem Beschwerdeführer angelastete Sorgfaltswidrigkeit seines Handelns. Auf finanzbehördliche Aktivitäten durfte der Beschwerdeführer sich ebensowenig verlassen wie auf die bloßen Bekundungen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin. Konnte er doch über die Gründe der im Beschwerdefall ausgebliebenen finanzbehördlichen Schritte im Sinne des § 79 Abs. 2 der Einkommensteuergesetze nicht Bescheid wissen und konnten gegebenenfalls selbst Versäumnisse des Finanzamtes den Beschwerdeführer in keiner Weise davon entbinden, die ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen. An dieser Sorgfalt hat der Beschwerdeführer es aber jedenfalls insofern fehlen lassen, als er für eine auch nur ansatzweise effiziente Kontrolle der Einhaltung der an den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin delegierten abgabenrechtlichen Pflichten durch diesen nicht Sorge getragen hat.

Auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1981, 81/15/0108, 0109, und vom 20. Dezember 1982, 17/3092/80, beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht. Im erstgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich ausgesprochen, daß es Pflichten des Abgabenrechtes, aber nicht solche anderer Rechtsgebiete sein müssen, deren Verletzung haftungsbegründend ist. Der Beschwerdeführer hat mit der ihm zuzurechnenden Unterlassung der rechtzeitigen Abfuhr lohnabhängiger Abgaben eine abgabenrechtliche Pflicht verletzt. Auch die dem zweitgenannten Erkenntnis zugrunde gelegene Fallkonstellation ist dem Beschwerdefall nicht vergleichbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis nämlich einen Begründungsmangel des dort angefochtenen Bescheides darin erblickt, daß nicht dargetan worden war, daß die unterlassene stichprobenweise Überprüfung von Aufzeichnungen dazu geführt hätte, die materielle Unrichtigkeit formell ordnungsmäßiger Aufschreibungen zu erkennen. Vergleichbares hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nie vorgebracht.

Zum Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, daß dem angefochtenen Bescheid, welcher die Haftung lediglich auf S 190.002,-- anstatt bisher S 253.330,-- eingeschränkt habe, nicht entnommen werden könne, für welche konkreten Abgaben bezüglich welcher genauen Zeiträume er als Haftender in Anspruch genommen werde, weshalb der angefochtene Bescheid nicht überprüfbar sei.

Hiezu ist der Beschwerdeführer auf den Inhalt der Berufungsvorentscheidung zu verweisen, in welcher die aus der Herausnahme solcher Zeiten, während deren er nicht Masseverwalter war, resultierende Reduzierung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Abgabenarten aufgeschlüsselt worden war. Dieser als Vorhalt wirkenden Berufungsvorentscheidung ist der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz in der nunmehr aufgezeigten Hinsicht nicht entgegengetreten. Daß die in der Berufungsvorentscheidung angeführten Haftungsbeträge für die einzelnen Abgabenarten Zeiten umfassen würden, während deren eine Haftung des Beschwerdeführers mangels Eigenschaft als Masseverwalter nicht in Betracht kam, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Wenn er den ihm in der Berufungsvorentscheidung bekanntgegebenen reduzierten Abgabenbeträgen im Verwaltungsverfahren mit der Behauptung mangelnder Überprüfbarkeit nicht mehr entgegengetreten ist, dann muß es ihm verwehrt bleiben, die sachliche und rechnerische Nachvollziehbarkeit dieser reduzierten Haftungsbeträge erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgreich in Zweifel zu ziehen.

Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Masseverwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993130278.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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