Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 9. März 1993, Zl. 6/3 - 3305/88-01, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens über Umsatzsteuer- und Einkommensteuer der Jahre 1983 bis 1985 sowie Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog in den Streitjahren sonstige Einkünfte aus einer ihr gewährten Apanage in Höhe von S 106.128,-- im Jahre 1983, S 100.167,30 im Jahre 1984, S 117.438,69 im Jahre 1985 und S 107.291,55 im Jahre 1986; neben Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von rund S 2.000,-- jährlich erzielte die Beschwerdeführerin des weiteren ausländischer Besteuerung unterliegende Einkünfte in Höhe von rund S 60.000,-- im Jahre 1983 und von knapp S 40.000,-- jeweils in den Jahren 1984 bis 1986.
Den Gegenstand einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1983 bis 1986 bildete ein von der Beschwerdeführerin durch eigene Tätigkeit seit dem Jahre 1980 betriebenes "Schreibbüro", aus welchem die Beschwerdeführerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt hatte, zu dem ein noch aus dem Jahre 1986 begonnener Handel mit Bridgeartikeln hinzugetreten war. In seinem am 8. März 1988 erstatteten Bericht traf der Prüfer folgende Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin habe seit Beginn des Betriebes ihres Schreibbüros im Jahre 1980 nur im Jahre 1981 einen Gewinn von S 5.039,-- und im Jahre 1986 einen solchen von S 3.533,--, demgegenüber aber im Jahre 1980 einen Verlust von S 69.439,-- und in den Jahren 1982 bis 1985 Verluste von S 81.534,-- (1982), S 91.415,-- (1983), S 94.861,-- (1984) und S 65.146,-- (1985) erwirtschaftet. Auf Grund der eingesehenen Unterlagen könne auch für 1987 mit einem Gewinn nicht gerechnet werden. Die Beschwerdeführerin habe das Schreibbüro offensichtlich nur deshalb betreiben können, da für ihren Lebensunterhalt eine andere Einkunftsquelle in Form der Apanage und der (der ausländischen Besteuerung unterliegenden) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Verfügung stehe. Die Einnahmen aus dem Schreibbüro hätten im Prüfungszeitraum nicht einmal die jährlichen Kosten gedeckt, weshalb der Betrieb des Schreibbüros steuerlich als Liebhaberei eingestuft werden müsse. An Wiederaufnahmegründen für die Jahre 1983 bis 1985 sei hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin ihre Ausgaben für "Miete" durch Eigenbelege in Form eines pauschalen Ansatzes von S 750,-- pro Monat dokumentiert habe. Eine Berechnung des tatsächlichen Aufwandes auf Grund der Fläche des Arbeitsraumes im Verhältnis zur gesamten Wohnungsfläche sei unterblieben. Des weiteren habe die Beschwerdeführerin Ausgaben für Werbung angesetzt, bei denen es sich um Beträge für Bewirtungen und Blumen gehandelt habe, welche zu den nicht abzugsfähigen Ausgaben gehörten. Im Jahre 1985 sei eine a conto erhaltene Zahlung von S 3.000,-- nicht erklärt worden, ohne daß bei entsprechender Zurechnung und Berichtigung der angeführten Beträge sich im Prüfungszeitraum positive Betriebsergebnisse ergeben würden. Eine der Beschwerdeführerin im Jahre 1985 zugeflossene Provision sei gemäß § 29 Z. 3 EStG 1972 den sonstigen Einkünften zuzurechnen gewesen. Angesichts der gebotenen Beurteilung des Betriebes des Schreibbüros als Liebhaberei seien die aus dieser Tätigkeit erwirtschafteten Verluste ebenso wie der Gewinn des Jahres 1986 einkommensteuerrechtlich nicht beachtlich, unterlägen die Umsätze aus dem Schreibbüro desgleichen nicht der Umsatzsteuer und seien auch die damit zusammenhängenden Vorsteuern nicht abzugsfähig.
Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 1983 bis 1985 dementsprechende Sachbescheide für diese Jahre, wie es auch in der Erlassung der Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1986 den vom Prüfer eingenommenen Standpunkten Rechnung trug.
In ihrer gegen diese Bescheide erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, daß bei Einkünften aus Gewerbebetrieb grundsätzlich davon auszugehen sei, daß eine Einkunftsquelle und nicht Liebhaberei vorliege. Dem Prüfer sei als Beobachtungszeitraum nur die als zu kurz zu beurteilende Frist von acht Jahren zur Verfügung gestanden, innerhalb welches Zeitraumes es in zwei Jahren immerhin zu einem positiven Ergebnis gekommen sei. Daß der Gewinn des Jahres 1981 unter anderem aus einer Umsatzsteuergutschrift für das
4. Quartal 1980 resultiere, ändere nichts am Vorliegen eines Gewinnes für dieses Jahr. Die hohen Fixkosten resultierten aus dem Servicevertrag mit dem Hersteller des von der Beschwerdeführerin verwendeten Textverarbeitungssystems; diese Fixkosten hätten im Jahre 1986 bereits gedeckt werden können. Da das Schreibgerät der Beschwerdeführerin mittlerweile irreparabel geworden sei, habe die Beschwerdeführerin sich dazu entschlossen, ein neues (inzwischen billiger gewordenes) Textverarbeitungssystem zu kaufen, bei dem auch die Servicekosten nur einen Bruchteil der alten Servicekosten ausmachen würden. Die Beschwerdeführerin könne auch das Vorliegen geeigneter Wiederaufnahmegründe nicht erkennen. Die Feststellung von Liebhaberei stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO nicht dar. Zur Rüge des Prüfers, daß für den Arbeitsraum pauschal S 750,-- monatlich angesetzt worden seien, sei zu sagen, daß der Prüfer die Wohnung, in welcher sich das Arbeitszimmer befinde, besichtigt und auch eine Skizze angefertigt habe, aus der sich das Verhältnis der angesetzten Kosten zu den gesamten Wohnungskosten ergebe. Die Ausgaben für Werbungsaufwand hätten im Jahre 1983 S 447,-- und im Jahre 1984 S 445,-- betragen und seien damit derart geringfügig gewesen, daß sie das von der Behörde geübte Ermessen als unbillig erscheinen ließen.
In seiner zur Berufung der Beschwerdeführerin erstatteten Stellungnahme erwiderte der Prüfer, daß der pauschale Ansatz von S 750,-- pro Monat für den Arbeitsraum allein schon einen Wiederaufnahmegrund darstelle, da dies auch für die Folgejahre Auswirkungen habe. Würde man das Verfahren aus diesem Grund nicht wiederaufnehmen, stellte dies eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar, da gerade auf dem Gebiet des Arbeitsraumes die Rechtsprechung der letzten Jahre keine Ermessensentscheidungen zulasse. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahme ergebe sich auch durch die nicht verbuchten Eingänge von S 3.000,-- und S 12.000,--. Hinsichtlich der Liebhabereibeurteilung sei auszuführen, daß die im Beobachtungszeitraum erwirtschafteten unwesentlichen Überschüsse von S 5.039,-- im Jahre 1981 und S 3.533,-- im Jahre 1986 nicht dazu ausreichten, das Vorliegen von Liebhaberei zu entkräften. Eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben der Jahre 1980 bis 1986 ergebe, daß ein Gewinnstreben nicht vorhanden gewesen sei. Der behauptete subjektive Wille, Überschüsse zu erzielen, reiche für die Annahme einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle dann nicht aus, wenn objektiv keine Möglichkeit einer Erzielung von Einnahmenüberschüssen bestehe. Auf das Vorliegen anderer Quellen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sei zu verweisen.
Dieser Stellungnahme des Prüfers hielt die Beschwerdeführerin entgegen, daß der Überschuß im Jahre 1986 nicht durch eine Einsparung bei den Ausgaben, sondern durch gesteigerte Umsätze erzielt habe werden können. Die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin aus anderen Quellen zur Verfügung stehenden Mittel würden durch die Verluste aus dem Betrieb des Schreibbüros gemindert; daß die Beschwerdeführerin bemüht sei, positive Ergebnisse mit dem Schreibbüro zu erzielen, habe im Zuge der Prüfung auch der Prüfer anerkannt. Weshalb der Ansatz eines Betrages von S 750,-- monatlich für den Arbeitsraum eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bewirken sollte, könne die Beschwerdeführerin nicht verstehen.
Nachdem sich die belangte Behörde im Rechtshilfewege Gewißheit über Rechtsgrundlage und Umfang der der Beschwerdeführerin aus der Bundesrepublik Deutschland zufließenden Apanage verschafft hatte, setzte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis ihrer Ermittlungen in Kenntnis und forderte sie darüber hinaus dazu auf, einen maßstabgetreuen Wohnungsplan mit der Einzeichnung des Arbeitszimmers vorzulegen und konkrete Angaben über die zukünftigen Gewinnaussichten beim Betrieb des Bridgeartikelverkaufs zu machen. Nachdem dieser Vorhalt der belangten Behörde unbeantwortet geblieben war, erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem sie die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1983 bis "1986" sowie Umsatzsteuer 1983 bis 1986 als unbegründet abwies, während sie die angefochtenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1986 dadurch abänderte, daß sie als sonstige Einkünfte jene Beträge einsetzte, welche ihr im Rechtshilfeweg als Apanagezahlungen an die Beschwerdeführerin in den Streitjahren bekanntgegeben worden waren.
Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf den ihrer Entscheidung "zugrundeliegenden und der Beschwerdeführerin bekannten Akteninhalt" aus, daß die gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1983 bis 1985 erhobene Berufung deswegen unberechtigt sei, weil die Beschwerdeführerin in den betroffenen Jahren jeweils S 9.000,-- pauschal an Miete geltend gemacht habe, ohne darzustellen, wofür diese Beträge bestimmt gewesen seien. Erst der Prüfer habe festgestellt, daß die Aufwendungen mit Eigenbelegen im Schätzungswege ermittelt worden waren. Auf Grund der vom Prüfer angefertigten Skizze könne ersehen werden, daß es sich bei dem "Arbeitsraum" um einen Teil des Wohnzimmers der Wohnung der Beschwerdeführerin handle, welche insgesamt ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und Nebenräume umfasse und von ihr und ihrem Lebensgefährten bewohnt werde. Da es sich damit nicht um einen ausschließlich oder praktisch ausschließlich beruflich benutzten Raum handle, könnten die Kosten dafür nicht abgesetzt werden. Dies sei aus den Steuererklärungen nicht zu ersehen gewesen, weshalb allein schon aus diesem Grund eine Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt gewesen sei. Auch die Feststellungen des Prüfers über den ungerechtfertigten Ansatz von Ausgaben für Werbung im Umfang von S 1.746,95 für das Jahr 1983, S 447,27 für das Jahr 1984 und S 445,46 für das Jahr 1985 ergäben weitere Wideraufnahmegründe ebenso wie der Umstand, daß eine a conto-Zahlung von S 3.000,-- im Jahr 1985 nicht erklärt worden und ein Betrag von S 12.000,-- den sonstigen Einkünften zuzurechnen gewesen sei. Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Beurteilung des Betriebes ihres Schreibbüros als Liebhaberei sei berechtigt, wenn man die Ergebnisse dieses Betriebes für die Jahre 1980 bis 1990 betrachte, welche folgendes Bild zeigten:
1980: -S 69.438,--
1981: +S 5.039,--
1982: -S 81.534,--
1983: -S 91.415,--
1984: -S 94.861,--
1985: -S 65.146,--
1986: -S 404,--
1987: -S 38.481,72
1988: +S 5.729,40
1989: +S 17.209,45
1990: -S 21.897,41
Daß die Beschwerdeführerin in drei Jahren geringfügige Gewinne erzielt habe, könne nichts daran ändern, daß das Schreibbüro auf Dauer gesehen nicht geeignet sei, Gewinne abzuwerfen. Schließlich resultiere der Gewinn 1981 unter anderem auch aus einer Umsatzsteuergutschrift für das 4. Quartal 1980 in Höhe von S 23.291,--. Ohne diese Gutschrift hätte sich auch für 1981 ein Verlust ergeben. Das Schreibbüro sei demnach ein Liebhabereibetrieb.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Besteuerung ihres gesamten Einkommens und in ihrem Recht auf Bestandskraft rechtskräftiger Bescheide als verletzt anzusehen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist zunächst, daß die Beschwerdeführerin den im Spruch des angefochtenen Bescheides auch getroffenen Abspruch über eine von der Beschwerdeführerin gar nicht erhobene Berufung gegen einen auch gar nicht existenten Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatz- und Einkommensteuer auch des Jahres 1986 nicht bekämpft, weshalb sich eine Behandlung dieses ins Leere gegangenen Abspruches der belangten Behörde erübrigt.
In der Bekämpfung des die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1985 im Instanzenzug verfügenden Bescheides der belangten Behörde bestreitet die Beschwerdeführerin zunächst, daß der von ihr vorgenommene Ansatz eines monatlichen Betrages von S 750,-- einen Grund für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens bilden habe können. Sie begründet dies mit der Angemessenheit des angesetzten Betrages. Auf dessen Angemessenheit kam es aber nicht an, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend erkannt hat, daß es an den rechtlichen Voraussetzungen der Möglichkeit der Geltendmachung des Aufwandes für einen Arbeitsraum schon dem Grunde nach gefehlt hatte. Die anteilig auf ein Arbeitszimmer in der Wohnung des Steuerpflichtigen entfallenden Aufwendungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nur dann steuerlich absetzbar, wenn die ausgeübte Tätigkeit ein ausschließlich beruflichen Zwecken dienendes Arbeitszimmer im Wohnbereich nicht nur unbedingt erfordert, sondern wenn auch tatsächlich ein Raum entsprechend eingerichtet und derart genutzt wird, daß der betroffene Raum nahezu ausschließlich beruflichen Zwecken dient (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1994, 91/13/0233, ÖStZB 1995, 215, vom 21. Juli 1993, 92/13/0177, ÖStZB 1994, 10, und vom 19. Mai 1993, 91/13/0045, ÖStZB 1994, 8). Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß es sich bei dem Arbeitsraum der Beschwerdeführerin um einen Teil des Wohnzimmers ihrer Wohnung handelt, welche ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und Nebenräume umfaßt und von der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten bewohnt wird. Diesen Feststellungen tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen; sie bekämpft auch die behördliche Schlußfolgerung nicht, daß es sich bei dem Arbeitsraum somit nicht um einen solchen Raum handelt, der nahezu ausschließlich beruflich benutzt würde. Auf der Basis dieses unbekämpft gebliebenen Sachverhaltes blieb für eine Abzugsfähigkeit auch nur eines Teiles der Wohnungsaufwendungen der Beschwerdeführerin unter dem Titel der Betriebsausgaben für ihr Schreibbüro aber rechtlich aus dem Grunde des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 kein Raum mehr. Ebenso zutreffend war die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung des vom Prüfer vorgefundenen Umstandes als neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO, weil der Abgabenbehörde der von der Beschwerdeführerin angesetzte Abzug nicht abzugsfähiger Ausgaben in der festzustellenden Weise aus den Abgabenerklärungen nicht bekannt gewesen sein konnte.
Die Zulässigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme eines Verfahrens setzt nach § 303 Abs. 4 BAO allerdings nicht nur das neue Hervorkommen von Tatsachen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, voraus, sondern auch den Umstand, daß die Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigem Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Diese Tatbestandsvoraussetzung der Zulässigkeit einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens wäre von der belangten Behörde aber ebenso zu begründen gewesen. Die zur Liebhabereibeurteilung Anlaß gebenden Indizien waren schon vom Finanzamt nicht als Wiederaufnahmegrund herangezogen worden. Nach dem Inhalt der Abgabenerklärungen der Beschwerdeführerin und der ihnen folgenden Abgabenbescheide in den von der verfügten Wiederaufnahme betroffenen Verfahren ist die Erfüllung der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 303 Abs. 4 BAO nicht in einer Weise evident, die eine entsprechende Begründung des angefochtenen Bescheides entbehrlich machen hätte können. So lassen etwa insbesondere die der Abgabenbemessung auf dem Gebiete der Einkommensteuer zugrundeliegenden Daten des Beschwerdefalles für das Jahr 1984 beträchtliche Zweifel daran aufkommen, ob die Verminderung der für dieses Jahr geltend gemachten Ausgaben um den Betrag von S 9.000,-- für den "Arbeitsraum" und den Betrag von S 447,27 für "Werbung" überhaupt geeignet sein konnte, auf das steuerliche Ergebnis dieses Jahres Einfluß zu nehmen. Wäre das steuerliche Ergebnis bei gesetzeskonformer Ermittlung der Betriebsausgaben durch die Beschwerdeführerin aber kein anderes als jenes gewesen, das im Gefolge der als Wiederaufnahmegründe zu beurteilenden Sachverhalte erwuchs, dann fehlte es der Zulässigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens schon am Vorliegen des zweiten Tatbestandselementes des § 303 Abs. 4 BAO, was die verfügte Wiederaufnahme schon aus diesem Grunde als rechtswidrig erweisen mußte.
In diesem Zusammenhang kann auch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin über die von ihr gesehene Geringfügigkeit der zur Rechtfertigung der Wiederaufnahme herangezogenen Sachverhalte Berechtigung insoweit nicht abgesprochen werden, als die belangte Behörde für die von ihr vorgenommene Ermessensübung im angefochtenen Bescheid eine Begründung ungeachtet des Umstandes nicht gegeben hat, daß die Beschwerdeführerin diese Ermessensübung schon in ihrer Berufung ausdrücklich als unbillig kritisiert hatte. Die in der Entscheidung über die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 20 BAO gebotene Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit, wobei die Geringfügigkeit anhand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkungen zu beurteilen ist, die infolge Änderungen auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. April 1994, 90/14/0044, ÖStZB 1994, 755, und vom 25. März 1992, 90/13/0238, ÖStZB 1992, 786). Bei Ermessensentscheidungen sind die maßgebenden Umstände und Erwägungen in einer Weise aufzuzeigen, welche die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes ermöglicht (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 13 zu § 93 BAO, mit den dort gegebenen Nachweisen aus der hg. Judikatur).
Daß die von der belangten Behörde gewählte Form der Begründung ihres Bescheides, anstelle der gebotenen zusammenhängenden Darstellung des von ihr konkret festgestellten Sachverhaltes auf das "bekannte Aktenmaterial" zu verweisen, den an die Begründung eines Bescheides zu stellenden Anforderungen regelmäßig nicht genügt, hat der Verwaltungsgerichtshof angesichts dieser im wachsenden Maße wahrzunehmenden Gepflogenheit schon wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 92/13/0018, mit weiteren Nachweisen). Der Hinweis auf das "bekannte Aktenmaterial" konnte auch im Beschwerdefall nachvollziehbar begründete Feststellungen darüber nicht ersetzen, welche der festgestellten Wiederaufnahmegründe weshalb gemäß § 303 Abs. 4 BAO in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des von der Wiederaufnahme betroffenen Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid zum einen rechtlich überhaupt herbeigeführt hätten und zum anderen bejahendenfalls auf der Basis der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe steuerliche Auswirkungen gezeitigt hätten, die in ihrem Ausmaß die in der amtswegigen Wiederaufnahme gelegene Ermessensübung zulasten der Beschwerdeführerin gerechtfertigt hatten; der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, daß bei der Beurteilung, ob ein in der Ermessensentscheidung nach § 303 Abs. 4 BAO zu berücksichtigendes Mißverhältnis zwischen steuerlicher Auswirkung des Wiederaufnahmegrundes und den zu erwartenden tatsächlichen Bescheidänderungen vorliegt, eine Saldierung von Einkommen- und Umsatzsteuer nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1994, 94/14/0024).
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid in seinem Abspruch über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1983 bis 1985 damit in einer Weise unzulänglich begründet, die den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung dieses Bescheides sowohl im Umfang des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Wiederaufnahme als auch im Umfang der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Ermessenskontrolle hindert. Daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem im Ergebnis anderslautenden Bescheid gelangen hätte können, kann aus den an früherer Stelle beispielshaft zur Einkommensteuer für das Jahr 1984 angestellten Erwägungen nicht ausgeschlossen werden und bedarf damit in Ansehung aller Streitjahre und aller Abgabenarten keiner anzustellenden Erörterungen mehr, weil es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, einen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht geleisteten Begründungsaufwand seinerseits zu ersetzen. Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheides betreffend die Jahre 1983 bis 1985 schlägt auf die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Sachbescheide durch.
Für die danach verbleibende Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in seinem Abspruch über Umsatz- und Einkommensteuer 1986 ist entscheidend, ob die von der belangten Behörde auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung vorgenommene Beurteilung, daß das Schreibbüro der Beschwerdeführerin nicht zur Erzielung von Einkünften betrieben wurde, Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer schlüssigen Beweiswürdigung war. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ihre Sachfragenlösung mit dem Umstand begründet, daß der Betrieb des Schreibbüros durch die Beschwerdeführerin auf Dauer gesehen zur Erwirtschaftung von Gewinnen nicht geeignet sei, und hat diese Feststellung auf die aufgelisteten Betriebsergebnisse der Jahre 1980 bis 1990 gestützt. Die Schlüssigkeit dieser von der belangten Behörde angestellten Überlegungen bestreitet die Beschwerdeführerin zu Recht.
Zutreffend rügt die Beschwerdeführerin schon, daß die belangte Behörde in der Darstellung der Betriebsergebnisse des Schreibbüros auch für das Jahr 1986 von einem Verlust ausgegangen ist, während die Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung für dieses Jahr einen Gewinn ausgewiesen hatten; es gibt die belangte Behörde für ihre von den Ergebnissen der abgabenbehördlichen Prüfung in diesem Punkt abweichende Beurteilung im angefochtenen Bescheid tatsächlich auch keine Begründung. Des weiteren verweist die Beschwerdeführerin auf die Aufwärtsentwicklung der Ertragslage ihres Schreibbüros, indem sie auf das Vorliegen positiver Betriebsergebnisse gerade in den späteren Jahren 1986, 1988 und 1989 hinweist. Daß das erneut negative Betriebsergebnis des Jahres 1990 seine Ursache in einer mit aufwendigen Therapien verbundenen Erkrankung der Beschwerdeführerin hat, trägt sie deswegen ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor, weil auch die belangte Behörde die Betriebsergebnisse der Beschwerdeführerin ab dem Jahre 1987 als Begründungselement des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, ohne der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, zur Indizienwirkung dieser Betriebsergebnisse Stellung zu beziehen.
Vor allem aber hält die Beschwerdeführerin der behördlichen Beurteilung mit Recht die Art der in Rede stehenden Betätigung entgegen. Beim Betrieb eines Schreibbüros handelt es sich dem äußeren Erscheinungsbild einer solchen Betätigung nach um einen Gewerbebetrieb. Bei solchen Tätigkeiten, die nicht der Liebhaberei in der ursprünglichen Bedeutung dieses Begriffes zugezählt werden können, die also nicht einer persönlichen Neigung des Steuerpflichtigen entspringen, kann Liebhaberei nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 5. August 1993, 93/14/0036, wie etwa auch das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1995, 95/14/0001). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ist im Beschwerdefall auch nicht deswegen zu erkennen, weil die Beschwerdeführerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes über andere Einkunftsquellen verfügt hat. Eine Betrachtung des oben wiedergegebenen Ausmaßes der aus diesen anderen Quellen fließenden Einkünfte indiziert vielmehr das naheliegende Bestreben der Beschwerdeführerin, ihren durch diese Einkünfte offenkundig nicht sonderlich reichhaltig gedeckten Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit aufzubessern. Daß der Beschwerdeführerin dies mit den von ihr erwirtschafteten Ergebnissen aus dem Schreibbüro durch geraume Zeit nicht gelungen ist, rechtfertigt nach dem Gesamtbild der Umstände zumal auch im Kontext mit der dargestellten Aufwärtsentwicklung der Ertragslage des Schreibbüros in den letzten Jahren nicht die von der Behörde gezogene Schlußfolgerung, daß die Beschwerdeführerin ihr Schreibbüro bei objektiver Betrachtung in einer Weise betreibe, welche nicht der Einkünfteerzielung diene; daß es einer im Bereich der Lebensführung wurzelnden persönlichen Neigung der Beschwerdeführerin entspräche, Schreibarbeiten für andere zu verrichten, kann nicht ernstlich angenommen werden.
Die Erwägungen der Beweiswürdigung der belangten Behörde, in deren Ergebnis sie zur rechtlichen Beurteilung der steuerlichen Unbeachtlichkeit von Betriebsergebnissen und Umsätzen der Beschwerdeführerin aus dem Schreibbüro gelangt ist, halten der dem Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Schlüssigkeitskontrolle somit nicht stand.
Der angefochtene Bescheid war im Umfang seiner Bekämpfung somit insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; an Stempelgebührenersatz stand lediglich ein Betrag von S 360,-- für die Beschwerde und von S 120,-- für die nur einfach vorzulegende Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zu.
Schlagworte
ErmessenBegründung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993130065.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009