TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/3 93/10/0242

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Veröffentlicht am 03.08.1995
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Josef S. in O, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. November 1993, Zl. 18.325/05-IA8/93, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium f. Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. Dezember 1988 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von 450 m2 des Grundstückes Nr. 60/9 der KG. O ab.

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 89/10/0037, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Nach den Entscheidungsgründen war hiefür maßgebend, daß eine der nachprüfenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Interessenabwägung hinsichtlich des im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesses und des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung fehle. Dazu wäre nämlich die Feststellung der - nach der Aktenlage nicht bekannten - Tatsachen erforderlich gewesen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt hätten. Es werde auch zu untersuchen sein, ob die Aussage des Sachverständigen für Raumplanung in der Verhandlung vom 18. Februar 1987, bei der Erstellung des damals gültigen Flächenwidmungsplanes sei das gegenständliche Grundstück "offensichtlich nicht Wald im Sinne der damals geltenden forstrechtlichen Bestimmungen" gewesen, sodaß bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes seitens der Landesforstdirektion kein fachlicher Einwand erhoben worden sei, zutreffe.

Im fortgesetzten Verfahren hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. November 1992 den (das Rodungsbegehren des Beschwerdeführers abweisenden) Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. Mai 1988 gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies zur Klärung der im genannten Vorerkenntnis vom 25. November 1991 angesprochenen Fragen die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Landeshauptmann von Salzburg zurück.

Dieser holte Stellungnahmen der Gemeinde St. Gilgen und der Abteilung für Raumplanung beim Amt der Salzburger Landesregierung ein und führte am 17. Juni 1993 eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durch, an der unter anderem Amtssachverständige für Raumordnung, für Geologie und für Forsttechnik teilnahmen.

Der Amtssachverständige für Geologie legte unter Bezugnahme auf ein vom Beschwerdeführer beigebrachtes geologisches Privatgutachten dar, daß aufgrund der geologischen Gegebenheiten die Gefahr von Hangrutschungen auf der in Aussicht genommenen Rodungsfläche bestehe. Sämtliche Hanganschnitte im Zuge von Baumaßnahmen dürften daher nur abschnittsweise und nach Vornahme im einzelnen angeführter Sicherungsmaßnahmen vorgenommen werden. Der dadurch entstehende technische Aufwand sei gegenüber jenem auf einem geologisch unbedenklichen Gebiet als hoch zu bezeichnen. Es wäre wesentlich günstiger, das geplante Objekt im Anschluß an das (unterhalb gelegene) Bestandsobjekt des Beschwerdeführers zu realisieren, da in diesem Bereich von Rutschgefahr weniger bedrohtes Gelände vorhanden sei.

Der Amtssachverständige für Raumordnung wies darauf hin, daß in der Gemeinde St. Gilgen ein großer Überhang von unbebautem Bauland bestehe, der nach den Intentionen des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1992 dringend abgebaut werden sollte. Es liege auf der Hand, dazu zunächst die nicht oder nur mit großem Aufwand bebaubaren Flächen heranzuziehen. Aus raumordnungsfachlicher Sicht müsse der Gemeinde die Rückwidmung des Grundstückes Nr. 60/9 in Grünland empfohlen werden.

Der Amtssachverständige für Forsttechnik führte unter anderem aus, die gegenständliche Fläche weise im Waldentwicklungsplan die Kennzahl 212 auf. Dies bedeute, die Nutzfunktion sei als Leitfunktion bewertet, die Schutz- und Erholungsfunktion habe die Wertziffer 2 (mittlere Wertigkeit), die Wohlfahrtsfunktion habe die Wertziffer 1 (geringe Wertigkeit). Für die Wertziffer 2 bei der Schutzfunktion spreche die Gefahr von Hangrutschungen auf der gegenständlichen Fläche. Das Bestehen von Wald verzögere den Abfluß des Oberflächenwassers, bewirke die biologische Entwässerung des Bodens und festige diesen infolge Durchwurzelung mechanisch. Die hohe Bedeutung des Waldes für die Stabilität des Rutschhanges könne nur mit vergleichsweise teuren technischen Verbauungsmaßnahmen ausgeglichen werden.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1993 wies der Landeshauptmann von Salzburg das Rodungsbegehren des Beschwerdeführers neuerlich gemäß § 17 des Forstgesetzes 1975 ab. In der Begründung wird ausgeführt, das Grundstück 60/9 sei im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1968 als Bauland

- erweitertes Wohngebiet ausgewiesen. Welche Gründe dafür seinerzeit maßgebend gewesen seien, sei nicht mehr eruierbar. Es sei zu vermuten, daß der damalige Siedlungsbestand mit anschließenden Reserveflächen als Bauland ausgewiesen worden sei. Das Grundstück Nr. 60/9 sei zur Zeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1968 noch nicht Wald gewesen, daher seien damals keine forstfachlichen Einwände erhoben worden. Die nachträglich durch Naturverjüngung eingetretene Waldeigenschaft des Grundstückes Nr. 60/9 stehe aufgrund des rechtskräftigen Feststellungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 10. Juli 1986 fest.

Im Rahmen der Interessenabwägung waren für den Landeshauptmann von Salzburg folgende Erwägungen maßgebend: Die Ausweisung dieses Grundstückes als Bauland - erweitertes Wohngebiet im Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Gilgen spreche zwar für das Vorliegen eines öffentlichen Siedlungsinteresses. Der Gemeinde St. Gilgen sei aber aus raumordnungsfachlicher Sicht die Rückwidmung des Grundstückes in Grünland empfohlen worden, und zwar wegen desser schwieriger Bebaubarkeit infolge der instabilen geologischen Verhältnisse, des großen Überhanges von nicht bebautem Bauland in der Gemeinde und der allgemeinen Zielsetzungen des räumlichen Entwicklungskonzeptes 1988, wonach im Bereich O und U unter anderem Wälder in ihrem Bestand erhalten bleiben sollten. Die Gemeinde habe die empfohlene Rückwidmung allein wegen der zu erwartenden Entschädigungsansprüche nicht vorgenommen. Im örtlichen Interesse der Gemeinde gelegene Gründe an der Baulandausweisung seien nicht hervorgekommen. Dazu komme, daß die volle Bebauung der Rodungsfläche im Hinblick auf die vorgeschriebenen Sicherheits- bzw. Mindestabstände von der 25 kV-Leitung der OKA problematisch sei. Dem stehe die vom Amtssachverständigen für Forsttechnik aufgezeigte hohe Schutzfunktion des Waldes auf der in Aussicht genommenen Rodungsfläche gegenüber. Dieser verhindere Hangrutschungen und biete solcherart Schutz für das unterhalb gelegene Wohnobjekt des Beschwerdeführers und den oberhalb gelegenen Wald der Österreichischen Bundesforste. Aus diesen Gründen könne das Siedlungsinteresse jenes an der Walderhaltung nicht überwiegen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Sie wurde mit dem angefochtenen Bescheid - im wesentlichen aus den bereits im Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg angeführten Gründen - abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, kann die Forstbehörde die Bewilligung zur Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 kann ein öffentliches Interesse im Sinne des Abs. 2 unter anderem im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß § 17 Abs. 4 des Forstgesetzes 1975 hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Die Beschwerde bekämpft mit weitwendigen Ausführungen die Interessenabwägung als mangelhaft begründet und als insgesamt rechtswidrig. Es fehlten ausreichend konkrete Ermittlungen hinsichtlich der einzelnen Gewichtungsfaktoren. Die Forstbehörden hätten ihre Bindung an den rechtsgültigen Flächenwidmungsplan nicht beachtet und ungeachtet ihrer Unzuständigkeit hiezu die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Grundstückes Nr. 60/9 als Bauland im Flächenwidmungsplan selbständig geprüft. Bei richtiger Beurteilung hätte die belangte Behörde das Überwiegen des im Siedlungswesen begründeten Rodungsinteresses gegenüber jenem an der Erhaltung von Wald auf der gegenständlichen Fläche bejahen müssen.

Vorweg ist festzuhalten, daß nach dem Ergebnis der Ermittlungen im fortgesetzen Verfahren das Grundstück Nr. 60/9 im Jahre 1968 noch nicht Wald im Sinne der forstrechtlichen Bestimmungen war. Damit bestand kein Anlaß, bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1968 die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme von Waldgrund für Siedlungszwecke zu prüfen. Im Hinblick darauf erübrigte sich die vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 25. November 1991 vermißte Feststellung jener Tatsachen, die zur Ausweisung des in Rede stehenden Grundstückes als Wald geführt hatten. (Der Verwaltungsgerichtshof ging damals unausgesprochen von der Annahme aus, dieses Grundstück sei bereits bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes Wald gewesen, und es bedürfe deshalb für die Interessenabwägung der Klärung, aus welchen Gründen es dessen ungeachtet als Bauland gewidmet worden sei.)

Was das öffentliche Siedlungsinteresse anlangt, ist im fortgesetzten Verfahren nichts hervorgekommen, was für ein besonderes Gewicht dieses Rodungsinteresses sprechen könnte. Insbesondere hat sich nicht etwa eine Knappheit an Bauland, sondern im Gegenteil ein erheblicher Überhang von unbebautem Bauland in der Gemeinde St. Gilgen ergeben, was - zwecks Abbaues dieses Überhanges, aber auch wegen der aus geologischer Sicht bestehenden Bedenken gegen die vorgesehene Verbauung der Rodungsfläche - zur Empfehlung an die Gemeinde St. Gilgen geführt hat, das Grundstück Nr. 60/9 in Grünland rückzuwidmen. Dem ist die Gemeinde laut Schreiben vom 31. März 1993 bisher (nur) wegen der zu erwartenden Entschädigungsansprüche des Beschwerdeführers nicht nachgekommen.

Dem Einwand, die Forstbehörden seien mangels Zuständigkeit nicht berechtigt gewesen, selbständig die Rechtmäßigkeit der bestehenden Baulandwidmung zu prüfen, ist entgegenzuhalten, daß die Forstbehörden eine solche Prüfung nicht vorgenommen haben. Sie haben vielmehr im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Vorerkenntnis vom 25. November 1991 und die dort angeführte Vorjudikatur) im Hinblick auf die Ausweisung des gegenständlichen Grundstückes im geltenden Flächenwidmungsplan als Bauland ein öffentliches Interesse an seiner Verwendung zu Siedlungszwecken bejaht. Bei der Gewichtung dieses Rodungsinteresses war es den Forstbehörden entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht verwehrt, auf sämtliche hiebei relevanten Umstände, darunter auch auf die geänderten Zielsetzungen der örtlichen Raumplanung, Bedacht zu nehmen. Die Forstbehörden waren im Rahmen der ihnen obliegenden Interessenabwägung dazu sogar verpflichtet, da erst die Berücksichtigung auch der besagten Zielsetzungen eine zutreffende Beurteilung des Gewichtes des öffentlichen Siedlungsinteresses ermöglichte.

Bei der Beurteilung des Interesses an der Erhaltung von Wald auf der in Aussicht genommenen Rodungsfläche maß die belangte Behörde im Sinne des § 17 Abs. 4 des Forstgesetzes 1975 der Schutzwirkung des Waldes zu Recht besonderes Gewicht bei. Sie konnte sich dabei auf die Gutachten der Amtssachverständigen für Forsttechnik und Geologie stützen, wonach es im Falle der Verwendung dieser Fläche zur Errichtung des geplanten Wohnobjekts umfangreicher Sicherungsmaßnahmen zur Hintanhaltung von Hangrutschungen bedarf. Diese vom Beschwerdeführer niemals bestrittene Notwendigkeit aufwendiger Sicherungsmaßnahmen bei Verwirklichung des Rodungszweckes läßt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hinreichend die besondere Bedeutung des Bestehens von Wald auf der Rodungsfläche für deren Stabilität erkennen.

Im Hinblick auf die hohe Schutzwirkung des Waldes auf der in Aussicht genommenen Rodungsfläche einerseits und den erheblichen Baulandüberhang in der Gemeinde St. Gilgen in Verbindung mit dem Fehlen jeglichen Hinweises auf ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Verwendung der gegenständlichen Waldfläche zu Siedlungszwecken andererseits hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, das Rodungsinteresse überwiege nicht jenes an der Erhaltung von Wald auf dieser Fläche. Für diese Beurteilung spricht auch der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß bei Vorhandensein geeigneter Nichtwaldflächen zunächst auf diese zurückzugreifen ist, bevor Waldgrund für Siedlungszwecke in Anspruch genommen wird (vgl. die Erkenntnisse vom 25. September 1986, Zl. 83/07/0366, vom 19. November 1990, Zl. 90/10/0156, und vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0191).

Die behaupteten Verfahrensmängel sind, soweit sie überhaupt vorliegen, nicht relevant. Es ist nicht ersichtlich, daß sich bei ihrer Vermeidung ein in einem wesentlichen Punkt anderer Sachverhalt ergeben hätte und die belangte Behörde damit zu einem anderen Ergebnis der Interessenabwägung hätte kommen können. Das Beschwerdevorbringen läuft im Ergebnis auf eine andere Bewertung der Gewichtungsfaktoren hinaus. Eine Rechtswidrigkeit der vorliegenden Interessenabwägung wird damit aber nicht dargetan.

Die Beschwerde ist somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz für die Einbringung der Gegenschrift stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993100242.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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