Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/10/0057 95/10/0059 95/10/0058Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg
vom 1. 24. Jänner 1995, Zl. UVS-18/46/11-1995,
2. 24. Jänner 1995, Zl. UVS-18/47/11-1995, 3. 24. Jänner 1995, Zl. UVS-18/48/11-1995, und 4. 24. Jänner 1995, Zl. UVS-18/49/11-1995, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 18.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit vier Strafverfügungen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 20. August 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ
der B.-Vertriebsges.m.b.H. zu verantworten, daß
am 27. Jänner 1992 im Lager dieser Firma in S., K.-Straße 3 vier näher bezeichnete - unterschiedliche - Produkte (Lebensmittel) zur Auslieferung bereitgehalten und damit in Verkehr gebracht worden seien, obwohl diese Produkte trotz sachgemäßer Lagerung am Ende der angegebenen Aufbrauchsfrist starke Verschimmelung aufgewiesen hätten, nicht mehr genußtauglich gewesen seien, der Konsument somit über die Haltbarkeit der Produkte falsch informiert worden und die Produkte daher als falsch bezeichnet zu beurteilen gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 74 Abs. 1 iVm den §§ 7 Abs. 1 lit. c und 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) begangen. Über den Beschwerdeführer wurden vier Geldstrafen in Höhe von je S 2.000,-- verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Er machte geltend, Lieferant der beanstandeten Produkte sei die Firma M. in München. Es habe noch nie Probleme mit der Haltbarkeit der von dieser Firma vertriebenen Brotsorten gegeben. Dem Beschwerdeführer sei bekannt gewesen, daß in der Erzeugerfirma laufend Haltbarkeitstests durchgeführt wurden, die bestätigten, daß die gelieferten Brotsorten bestens haltbar seien und in jedem Fall die Richtigkeit der gewählten Aufbrauchsfrist bestätigen. Der Beschwerdeführer habe daher darauf vertrauen können, daß bei der Erzeugerfirma laufend Haltbarkeitstests durchgeführt werden, die bestätigen, daß die gelieferten Brotsorten zumindest vier Wochen haltbar seien. An diese Richtlinie habe er sich gehalten.
Unter dem Datum des 13. Jänner 1994 erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg vier Straferkenntnisse, in denen dem Beschwerdeführer dieselben Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt wurden wie in den Strafverfügungen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und machte im wesentlichen dieselben Gründe wie in seinen Einsprüchen geltend.
Bei der von der belangten Behörde am 15. September 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des Beschwerdeführers, er werde der belangten Behörde bis spätestens Mitte Oktober Unterlagen über die von der Firma M. durchgeführten Tests und die Informationen des Beschwerdeführers vorlegen. Sollten ausreichende Unterlagen diesbezüglich nicht vorliegen, so beantrage er die Einvernahme des Angestellten K. der Firma M. als Zeugen. Dieser könne entsprechende Auskünfte über die durchgeführten Tests und die Informationen des Beschwerdeführers geben.
Die belangte Behörde ließ im Rechtshilfeweg durch die Polizeiinspektion Neufahrn K. als Zeugen vernehmen. Dieser erklärte, in der Firma M. würden laufend Haltbarkeitstests durchgeführt. Es würden alle Brotsorten täglich stichprobenweise auf ihre Haltbarkeit hin überprüft. Die Tests würden unter normalen Lagerbedingungen durchgeführt. Die Firma B. - deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist - sei ein ganz normaler Kunde und werde von der Firma M. nicht laufend über diese Tests informiert. Diese Tests dienten lediglich dazu, zu gewährleisten, daß die Firma M. einwandfreie Ware ausliefere.
Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, zu dieser Zeugenaussage Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer beantragte die Einvernahme des Produktionsleiters der Firma M., R., zum Beweis dafür, daß die vom Beschwerdeführer auf den beanstandeten Produkten angebrachte Aufbrauchsfrist der jahrelangen geschäftlichen Übung sowie den laufend in den vergangenen Jahren geführten Gesprächen sowie den Anweisungen seitens der Produktionsabteilung der Firma M. entspreche.
Bei einer weiteren mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 24. Jänner 1995 verwies der Vertreter des Beschwerdeführers bezüglich der Aussage des Zeugen K. auf seinen Antrag auf Einvernahme des Produktionsleiters R. und beantragte weiters die ergänzende Einvernahme des Zeugen K., da anläßlich der Einvernahme dieses Zeugen vor der Polizeiinspektion Neufahrn entscheidungswesentliche Fragen nicht gestellt worden seien. Das konkrete Beweisthema gehe dahin, daß das Stammwerk der Firma M. in München den Beschwerdeführer hinsichtlich der Haltbarkeitstests und der ermittelten Aufbrauchsfristen informiert habe und daß die vom Beschwerdeführer auf den einzelnen Produkten angebrachten Aufbrauchsfristen den Testergebnissen und Empfehlungen sowie Anweisungen des Stammwerkes entsprächen.
Mit vier Bescheiden vom 24. Jänner 1995 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte die erstinstanzlichen Straferkenntnisse.
In der Begründung heißt es, der Vertreter des Beschuldigten habe im Berufungsverfahren angekündigt, daß noch Unterlagen über die Tests und die Information des Stammwerks an den Beschwerdeführer vorgelegt würden; derartige Unterlagen seien aber nicht vorgelegt worden, sodaß angenommen werden müßte, daß diese dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung stünden. Dies werde auch durch die Aussage des im Rechtshilfeweg einvernommenen kaufmännischen Leiters der Firma M. bestätigt. Dieser habe nämlich angegeben, daß die Haltbarkeitstests im Werk in München nur den Zweck hätten, ein garantiert einwandfreies Produkt von dort ausliefern zu können. Die Firma des Beschwerdeführers werde nicht laufend über diese Tests informiert. Aus dieser Aussage gehe also hervor, daß der Erzeugungsbetrieb in München lediglich die Haltbarkeit bei Lagerung in diesem Erzeugungsbetrieb teste. Eine allfällige Information über solche Tests an den Abnehmer könne daher keine Aussagekraft in bezug auf den Zustand des Produkts am Ende der Aufbrauchsfrist, also nach Transport, Zwischenlagerung etc. haben. Daher erübrige sich auch eine weitere Einvernahme von Angestellten des Erzeugungsbetriebs. Der Beschwerdeführer hätte bezüglich der Haltbarkeit des Produkts auch die Betriebswege, Lagerung etc. mitberücksichtigen müssen und hätte sich nicht mit Daten zufriedengeben dürfen, die die Haltbarkeit des Produkts nur bei Lagerung im Erzeugungsbetrieb betreffen.
Zur Strafbemessung sei darauf hinzuweisen, daß der Strafrahmen bis zu S 50.000,-- reiche, die im konkreten Fall verhängte einzelne Strafe also nicht einmal ein Fünftel der möglichen Höchststrafe betrage. Es liege eine einschlägige Vorstrafe vor, während Strafmilderungsgründe "bzw sonstige Tatfolgen" nicht vorlägen. Im Berufungsverfahren seien hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers keine Angaben gemacht worden; es sei daher im Schätzungsweg bei einem handelsrechtlichen Geschäftsführer von einem zumindest durchschnittlichen Angestellteneinkommen auszugehen, sodaß die von der Erstinstanz verhängte Strafe jedenfalls angemessen im Sinn des § 19 VStG sei.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 1994 sei von der belangten Behörde nicht ordnungsgemäß anberaumt worden, weil im Gegenstand eine unrichtige Zahl der erstinstanzlichen Straferkenntnisse angegeben worden sei. Dadurch sei der Vertreter des Beschwerdeführers nicht in der Lage gewesen, sich entsprechend vorzubereiten. Bei ordnungsgemäßer Ladung hätte er feststellen können, daß seinem Antrag auf Einvernahme des Produktionsleiters der Firma M. nicht nachgekommen worden sei. Durch die nicht ordnungsgemäße Ladung zur Verhandlung sei dem Beschwerdeführer die ihm nach § 51e Abs. 4 VStG zustehende Vorbereitungszeit von mindestens zwei Wochen nicht zur Verfügung gestanden.
Die belangte Behörde habe die vor der Polizeiinspektion Neufahrn aufgenommene Aussage des Zeugen K. in den angefochtenen Bescheiden verwertet, ohne daß diese Aussage in der mündlichen Verhandlung verlesen worden sei. Die Einvernahme dieses Zeugen im Rechtshilfeweg sei unzulässig gewesen. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, den vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen R., den Produktionsleiter der Firma M., als Zeugen zu vernehmen.
Die belangte Behörde gehe in der Begründung der angefochtenen Bescheide davon aus, der Beschwerdeführer hätte sich nicht mit Daten zufriedengeben dürfen, die die Haltbarkeit des Produktes nur bei Lagerung im Erzeugungsbetrieb beträfen. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer auch die Betriebswege, Lagerung etc. mitberücksichtigen müssen. Damit ziehe die belangte Behörde den Schluß, daß die Haltbarkeit eines Lebensmittels im Falle des Transportes von einem Ort zu einem anderen anders einzuschätzen sei als bei reiner Lagerung im Erzeugungsbetrieb. Einen solchen Schluß hätte die belangte Behörde nicht ohne Beiziehung eines Sachverständigen ziehen dürfen.
Zur mündlichen Verhandlung sei nur der Vertreter des Beschwerdeführers, nicht aber dieser selbst geladen worden. Eine solche Ladung sei aber unbedingt erforderlich, da gemäß § 51g Abs. 2 VStG insbesondere der Beschuldigte ein Befragungsrecht gegenüber Zeugen besitze und weil
§ 51h Abs. 3 VStG dem Beschuldigten ausdrücklich das Recht der letzten Äußerung einräume.
Dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, daß der Konsument über die Halbarkeit des Produktes falsch informiert worden sei. Es gebe jedoch keinerlei Beweisergebnisse, daß durch die Lagerung der in Rede stehenden Produkte im Auslieferungslager der Firma B. Konsumenten über die Haltbarkeit des Produktes falsch informiert worden seien. Vielmehr sei aktenkundig, daß die Produkte niemals zum Konsumenten gelangt seien.
Die von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung durchgeführten Lagerversuche seien offenkundig erst nach Ende der Haltbarkeitsfrist durchgeführt worden. Eine solche Untersuchung sei aber nicht mehr repräsentativ und im Verfahren nicht verwertbar.
Den Beschwerdeführer treffe keine Schuld. Er sei seinen Überwachungspflichten schon dann nachgekommen, wenn er einerseits die ihm gelieferten Produkte auf ihre einwandfreie Qualität hin optisch überprüft und sich andererseits beim Hersteller überzeugt habe, daß entsprechende Tests durchgeführt wurden. Diesen Verpflichtungen sei der Beschwerdeführer nachgekommen. Auch aus der Tatsache, daß die Firma B. nicht laufend über die beim Hersteller durchgeführten Tests informiert werde, könne nicht der Schluß gezogen werden, der Beschwerdeführer habe seine Überwachungspflichten nicht erfüllt. In Kenntnis der Tatsache, daß regelmäßig Tests durchgeführt werden, habe der Beschwerdeführer nämlich durchaus davon ausgehen können, daß ihm im Falle besonderer Vorkommnisse bei diesen Überprüfungen sofort die entsprechende Mitteilung gemacht werde. Der Beschwerdeführer habe weiters davon ausgehen können, daß die von der Firma M. durchgeführten Tests auch insoweit repräsentativ seien, als die Testbedingungen auch den grundsätzlich immer notwendigen Transport zum Kunden entsprechend berücksichtigten.
Ein allfällig doch vorliegendes Verschulden des Beschwerdeführers sei jedenfalls als geringfügig anzusehen. Die Übertretung der Verwaltungsnorm habe darüberhinaus keine Folgen gehabt, da die beanstandeten Lebensmittel nicht zum Konsumenten gelangt seien. Es seien daher die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG vorgelegen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichnete Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 einer strengen Strafe unterliegt, nach § 74 Abs. 1 LMG einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
Nach § 8 lit. f LMG sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.
Unter Inverkehrbringen ist nach § 1 Abs. 2 LMG das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware (Abs. 1) ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige, dem Gesetz nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, daß die Ware (Abs. 1) in ihrer dem Gesetz nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt.
Die von einem Organ der Lebensmittelaufsicht bei der Firma B. entnommenen Lebensmittel befanden sich im Lager dieser Firma. Lagern stellt eine Form des Inverkehrbringens dar. Daß von vornherein sichergestellt gewesen wäre, daß die Ware in ihrer dem Gesetz nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangte, ist im Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen.
Die Untersuchungen durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung haben ergeben, daß die Lebensmittel am Ende der angegebenen Aufbrauchsfrist eine starke Verschimmelung aufgewiesen haben und daher nicht mehr genußtauglich waren. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Untersuchungen seien nach Ablauf der Aufbrauchsfrist erfolgt, ist aktenwidrig.
Durch das Lagern von Lebensmitteln, die unrichtige Angaben über ihre Haltbarkeit enthielten, wurde der Tatbestand des Inverkehrbringens falsch bezeichneter Lebensmittel verwirklicht. Da bereits das Lagern solcherart bezeichneter Lebensmittel den Tatbestand verwirklicht, ist es ohne Belang, daß konkrete Konsumenten über die Haltbarkeit der Produkte aufgrund der Tatsache nicht falsch informiert wurden, da diese Produkte gar nicht an die Konsumenten gelangten.
Der Beschwerdeführer bestreitet, daß ihn ein Verschulden trifft und beruft sich darauf, die von ihm festgesetzen Aufbrauchsfristen gingen auf Empfehlungen der Herstellerfirma zurück, die laufend Haltbarkeitstests durchführe.
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
§ 74 Abs. 1 LMG enthält keine Bestimmung über das Verschulden. Zum Tatbestand des Inverkehrbringens eines falsch bezeichneten Lebensmittels gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr; es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, daß der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen hatte, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf.
Auf Grund der von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung durchgeführten Untersuchungen steht fest, daß die untersuchten Lebensmittel nicht bis zum Ablauf der angegebenen Aufbrauchsfrist mängelfrei blieben. Daraus folgt, daß die Haltbarkeitstests und die darauf basierenden Empfehlungen des Herstellerwerkes keine Gewähr dafür bieten, daß bei Einhaltung dieser Empfehlungen Lebensmittel bis zum Ablauf der Aufbrauchsfrist mängelfrei bleiben.
Mit dem bloßen Hinweis des Beschwerdeführers auf die Einhaltung der auf Haltbarkeitstests der Erzeugerfirma beruhenden Empfehlungen wurde nicht glaubhaft gemacht, daß den Beschwerdeführer an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, von sich aus der Behörde Art und Funktionsweise der in Rede stehenden Tests bekanntzugeben und darzulegen, daß er sich durch eine entsprechende Kontrolle vergewissert hat, daß diese Tests Gewähr für die Mängelfreiheit von Lebensmitteln bis zum Ablauf der auf diese Tests gegründeten Aufbrauchsfristen bieten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Jänner 1989, Zl. 88/10/0169, ausgesprochen hat, trifft den für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Verantwortlichen im Falle der Beiziehung eines Sachverständigen diesem gegenüber eine gewisse Kontrollpflicht. So hat er das Gutachten des Sachverständigen nicht nur auf seine Vollständigkeit, sondern auch daraufhin zu überprüfen, ob ihm sonstige, auch für einen Laien bei Anwendung der nötigen und zumutbaren Sorgfalt erkennbaren Mängel anhaften, wie etwa, daß es auf offenkundig unrichtigen Voraussetzungen beruht. Diese Kontrollpflicht wurde selbst für den Fall angenommen, daß der für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Verantwortliche einen Sachverständigen mit der Erstellung eines auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb bezogenen Gutachtens beauftragt. Umsomehr muß eine Kontrollpflicht in einem Fall wie dem vorliegenden angenommen werden, wo dem Beschwerdeführer keine auf seinen Betrieb bezogenen Gutachten zur Verfügung standen, sondern lediglich allgemeine Tests der Herstellerfirma. Der Beschwerdeführer durfte sich nicht allein auf diese Tests verlassen; er mußte sich über deren Art und Funktionsweise informieren und - erforderlichenfalls - sich durch Beiziehung eines Sachverständigen Gewißheit darüber verschaffen, ob diese Tests Gewähr dafür boten, daß die Lebensmittel während der ganzen Dauer der auf Grund dieser Tests festgesetzen Aufbrauchsfrist mängelfrei blieben.
Der Beschwerdeführer hat der Behörde gegenüber weder die Art und die Funktionsweise dieser Tests dargelegt, noch behauptet, daß er ihre Funktionstüchtigkeit überprüft habe. Er hat daher nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG dargetan, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Auf die im Zusammenhang mit der beantragten Einvernahme des Zeugen R. und der ergänzenden Vernehmung des Zeugen K. sowie der Gewinnung und Verwertung der Aussagen des letztgenannten Zeugen vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften braucht nicht eingegangen werden, da das Verschulden des Beschwerdeführers auf Umständen basiert, die mit dem Beweisthema, zu dem die erwähnten Zeugen gehört wurden bzw gehört werden sollten, nichts zu tun haben.
Der Vertreter des Beschwerdeführers hat an der mündlichen Verhandlung am 24. Jänner 1995 teilgenommen und entsprechendes Vorbringen erstattet, ohne geltend zu machen, daß er infolge eines Fehlers bei der Ausschreibung dieser Verhandlung nicht in der Lage gewesen sei, sich vorzubereiten. Der Beschwerdeführer vermag auch in der Beschwerde nicht darzulegen, daß er an der Geltendmachung seiner Rechte gehindert gewesen wäre.
Unzutreffend ist auch die Auffassung des Beschwerdeführers, es hätte nicht nur sein Vertreter, sondern auch er selbst zur mündlichen Verhandlung geladen werden müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es keiner zusätzlichen persönlichen Ladung des Beschuldigten, wenn dieser zu Handen seines Rechtsvertreters zur mündlichen Verhandlung entsprechend § 51e Abs. 1 VStG ordnungsgemäß geladen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0107, und die dort angeführte Volljudikatur).
Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Nach den unbestrittenen Feststellungen in der Begründung der angefochtenen Bescheide weist der Beschwerdeführer eine einschlägige Vorstrafe auf. Die belangte Behörde handelte nicht rechtswidrig, wenn sie sich von einem Absehen von der Strafe nicht veranlaßt sah, weil im Hinblick auf die bereits einschlägige Strafvormerkung des Beschwerdeführers es an der hiefür erforderlichen Voraussetzung des geringfügigen Verschuldens mangelt (vgl. hiebei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 815, unter Nr. 9 angeführte Rechtsprechung).
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995100056.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
09.09.2009