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L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;Norm
ABGB §293;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Vereines XY in H, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 15. Jänner 1992, Zl. IVe-223/194, betreffend Verfahren nach dem Landschaftsschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 3. April 1991 ersuchte der beschwerdeführende Verein bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) um die Erteilung der landschaftsschutzrechtlichen Bewilligung für die Aufstellung eines Surfbrettständers auf dem Grundstück Nr. 2497/1 der KG N. Das Grundstück befindet sich im Eigentum der Republik Österreich (öffentliches Wassergut).
Die BH ersuchte daraufhin mit Schreiben vom 10. April 1991 um Vorlage der privatrechtlichen Zustimmung des Grundeigentümers.
Mit Schreiben vom 6. Juni 1991 teilte das Landeswasserbauamt Bregenz als Verwalter des öffentlichen Wassergutes mit, daß die privatrechtliche Zustimmung zum geplanten Projekt des beschwerdeführenden Vereins nicht erteilt werde. Der Verein habe jedoch die Möglichkeit, sich um diese Zustimmung beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu bemühen.
Mit Bescheid der BH vom 21. Juni 1991 wurde das Ansuchen des beschwerdeführenden Vereins gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Landschaftsschutzgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 1/1982 (Vlbg LSchG), als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde darauf verwiesen, daß die Zustimmung des Grundeigentümers nicht habe glaubhaft gemacht werden können.
Der beschwerdeführende Verein erhob Berufung, wobei er im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß eine Zustimmung des Liegenschaftseigentümers nicht erforderlich sei. Für die Benützung der gegenständlichen Liegenschaft bestünde ein Pachtvertrag vom 29. Jänner 1975. Die Statuten des Vereins würden die Förderung des Wassersportes in allen seinen Erscheinungsformen als Vereinsziel vorsehen. Eine moderne Form des Wassersportes sei das Surfen. Um diesen Sport ausüben zu können, seien Surfbretter erforderlich, welche ordentlich verwahrt werden müßten; dazu sei ein entsprechender Ständer notwendig. Durch den Bestandsvertrag werde dem Verein ex contractu und ex lege das Recht zur Aufstellung eines solchen Ständers erteilt, sodaß eine eigene zusätzliche Genehmigung nicht erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 2. September 1991 teilte der beschwerdeführende Verein mit, daß es sich beim "Pachtvertrag" in Wahrheit um einen Mietvertrag handle. Mit Vorlage dieses Vertrages und mit der rechtlichen Feststellung der Unkündbarkeit dieses Vertrages sei die Glaubhaftmachung der Zustimmung des Eigentümers gegeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. In der Begründung wurde auf Punkt IV des genannten Vertrages vom 29. Jänner 1975 verwiesen, wonach die "Verpachtung" der Grundflächen für die Errichtung eines Motorboothafens und für Bootsanlegen außerhalb des Bootshafens, die Erstellung eines Klubhauses mit Restaurantbetrieb und einer Tankstelle für den Motorbetrieb nach dem beigeschlossenen, einen wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages bildenden Plan, erfolge. Die Errichtung von Anlagen, Bauten etc., die über diesen Plan hinausgingen, sei ausgeschlossen. Die belangte Behörde schließe sich - ohne dabei dem Ergebnis eines eventuell durchzuführenden Zivilverfahrens vorgreifen zu wollen - der Ansicht des beschwerdeführenden Vereins an, daß es sich beim "Pachtvertrag" vom 29. Jänner 1975 tatsächlich um einen Mietvertrag handle. In welchem Umfang der Mietgegenstand benützt werden dürfe, sei nach § 1098 ABGB und § 8 des Mietrechtsgesetzes (MRG) zu beurteilen. Danach sei der Mieter berechtigt, den Mietgegenstand dem Vertrag gemäß zu verwenden. Entscheidend für den Umfang des Benutzungsrechtes sei daher primär der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag. Nur wenn diesem Vertrag nichts oder nichts Ausreichendes entnommen werden könne, sei auf den Zweck des Bestandsverhältnisses Rücksicht zu nehmen. Führe auch diese Methode zu keinem Ergebnis, so sei auf den Ortsgebrauch und die Verkehrssitte abzustellen. Nach Punkt IV des genannten Vertrages sei die Errichtung von Anlagen, Bauten etc., die über den Plan hinausgingen, ausgeschlossen. Bei dem gegenständlichen Surfbrettständer handle es sich um eine Anlage im letztgenannten Sinne. Da im Jahre 1975 der Surfsport in Österreich gar nicht bzw. kaum verbreitet gewesen sei, sei es bestimmt nicht der Wille des Vermieters gewesen, das Aufstellen eines Surfbrettständers zu genehmigen. Die Tatsache, daß der beschwerdeführende Verein in früheren Jahren bereits um die Zustimmung zur Aufstellung des Surfbrettständers angesucht und diese auch erhalten habe, deute darauf hin, daß ihm bewußt sei, daß er zu diesem Zweck einer separaten Zustimmung bedürfe. Mit Schreiben vom 6. Juni 1991 sei jedoch vom Wasserbauamt Bregenz die Zustimmung nicht (mehr) erteilt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der den "Uferschutz" regelnde § 4 Vlbg LSchG bestimmt
auszugsweise:
"(1) Im Bereich von Seen und eines daran anschließenden 500 m breiten Uferstreifens, gerechnet bei mittlerem Wasserstand, ist jegliche Veränderung in der Landschaft verboten. Als Veränderungen in der Landschaft gelten insbesondere die Errichtung oder Änderung von Bauwerken, Einfriedungen, Ankündigungen und Werbeanlagen sowie sonstigen Anlagen, das Aufstellen von Wohnbooten, die Einrichtung von Zelt-, Lager- und Ablagerungsplätzen, das Ablagern von Abfällen, wie Altmaterial, Bauschutt u.dgl., oder die Veränderung, Beschädigung oder Beseitigung von Gehölzen, Bäumen, Hecken, Tümpeln und Schilfgürteln.
(2) Die Behörde kann Ausnahmen von der Vorschrift des Abs. 1 bewilligen, wenn Gewähr besteht, daß durch solche Veränderungen Landschaftsschutzinteressen nicht verletzt und insbesondere die Sicht auf Seen nicht erschwert wird oder wenn es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten ist. Die Behörde kann ferner Ausnahmen von der Vorschrift des Abs. 1 bewilligen, wenn andere öffentliche Interessen die Interessen des Landschaftsschutzes überwiegen. In einem solchen Falle ist durch Bedingungen oder Auflagen die Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in möglichst geringem Ausmaß zu halten."
§ 9 Abs. 1 Vlbg LSchG lautet:
"(1) Die Erteilung der Bewilligung ist bei der Behörde schriftlich zu beantragen. Der Antrag hat Art, Lage und Umfang des Vorhabens anzugeben. Das Eigentum am Grundstück oder die Zustimmung des Eigentümers sind, ausgenommen bei Vorhaben nach § 3 Abs. 1 lit. c, f, h und j, glaubhaft zu machen."
In der Beschwerde wird im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß weder nach dem Mietsrechtgesetz noch dem ABGB eine Genehmigung des Grundeigentümers zum Aufstellen eines Surfbrettständers, der nicht fest mit dem Boden verbunden sei, sondern eine bewegliche Sache darstelle, erforderlich sei. Die Aufstellung des Surfbrettständers sei bereits in den Berechtigungen des beschwerdeführenden Vereins aufgrund des Mietvertrages inbegriffen. Die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers sei bereits durch die Vorlage des Mietvertrages erbracht worden.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Aufstellung des gegenständlichen Surfbrettständers (mit einer Dimension von 4 x 2 m für acht Surfbretter) nach § 4 Abs. 1 Vlbg LSchG als Veränderungen in der Landschaft anzusehen ist. Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie die Auffassung vertrat, daß für die Aufstellung des Surfbrettständers innerhalb der Uferschutzzone eine Ausnahmebewilligung erforderlich ist, unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Surfbrettständer um eine bewegliche oder unbewegliche Sache handelt.
Da der beschwerdeführende Verein nicht Grundstückseigentümer ist, hatte er gemäß dem oben wiedergegebenen § 9 Abs. 1 Vlbg LSchG die Zustimmung des Grundeigentümers glaubhaft zu machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß die Zustimmung des Grundeigentümers dabei liquid nachgewiesen werden. Liquid ist der Nachweis dann, wenn ein entsprechender Beleg vorgelegt wird, aufgrund dessen keinesfalls fraglich sein kann, ob die Zustimmung erteilt wurde. Bedarf es etwa diffiziler Erwägungen über die Fortgeltung und den Inhalt einer Zustimmungserklärung, dann liegt der vom Gesetz geforderte unzweifelhafte Zustimmungsnachweis nicht vor. In einem solchen Fall fehlt eine der Bewilligungsvoraussetzungen. Die zitierte Regelung über das Erfordernis eines liquiden Zustimmungsnachweises ist eine gesetzliche Regelung im Sinne der Subsidiaritätsbestimmung des § 38 AVG ("sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen") und verwehrt es der Behörde, sich im Falle einer zweifelhaften Erklärung des Grundeigentümers vorfragenweise in eine materielle Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Zustimmung desselben einzulassen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 91/10/0089, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Diese Überlegungen haben auch in einem Fall wie dem vorliegenden zu gelten, wenn der Grundstückseigentümer (hier: der Bund) die Zustimmungserklärung ausdrücklich NICHT erteilt, der Antragsteller (beschwerdeführender Verein) jedoch die Auffassung vertritt, zur Durchführung seines Vorhabens schon aufgrund seiner Rechtsstellung als Bestandnehmer - ohne besondere Zustimmung des Bestandgebers - berechtigt zu sein. Der vom VORARLBERGER LANDSCHAFTSSCHUTZGESETZ geforderte unzweifelhafte Zustimmungsnachweis liegt in einem solchen Fall jedenfalls nicht vor. Aufgrund der ausdrücklichen Verweigerung der Zustimmung des Grundeigentümers bestand für die belangte Behörde auch keinerlei Verpflichtung, vorfragenweise zu beurteilen, ob der bestehende Vertrag vom 29. Jänner 1975 eine solche Zustimmung enthält bzw. sich eine solche daraus ableiten läßt. Der belangten Behörde lag somit keine liquide Zustimmung des Grundeigentümers vor, auch nicht etwa in Form eines diese ersetzenden Urteils eines Zivilgerichtes.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der beschwerdeführende Verein des weiteren vor, ihm sei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Gelegenheit zur Einsichtnahme in den gegenständlichen Verwaltungsakt gegeben worden. Es sei auch keine Aufforderung erfolgt, zu der im angefochtenen Bescheid aufgeworfenen Frage, ob der Mietvertrag auch einen erst zukünftigen Surfsport umfasse, Stellung zu nehmen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde ihre Bereitschaft, Akteneinsicht zu gewähren, der Partei nicht ausdrücklich mitzuteilen. Wenn die Partei vor Erlassung des Bescheides nicht von ihrer Befugnis, Akteneinsicht zu nehmen, Gebrauch gemacht hat, dann kann diese Unterlassung nicht der Behörde angerechnet werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. April 1974, VwSlg. 8603/A). Daß der beschwerdeführende Verein von der genannten Befugnis hätte Gebrauch machen wollen, ist nicht aktenkundig.
Unrichtig ist auch die Auffassung des beschwerdeführenden Vereins, die Behörde wäre verpflichtet gewesen, ihn zur Abgabe einer Stellungnahme zur Frage, ob der Mietvertrag auch einen erst zukünftigen Surfsport umfasse, aufzufordern. Nach § 45 Abs. 3 AVG ist die Behörde lediglich verpflichtet, den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Tatsachen) Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Eine Pflicht der Behörde, Parteien zu Rechtsfragen zu hören, besteht nicht.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Zur Klärung der vorliegenden Rechtsfragen war die vom beschwerdeführenden Verein beantragte mündliche Verhandlung nicht erforderlich; von dieser wurde daher gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
AkteneinsichtVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992100054.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.08.2010