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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1995, Zl. VI/4-Fo-146/2, betreffend Wiederbewaldungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. Jänner 1994 erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) der Beschwerdeführerin den Auftrag, eine im Lageplan, der einen Bestandteil des Bescheides bildet, ausgewiesene Teilfläche von 600 m2 des Grundstückes Nr. 159/10 KG K. bis zum 30. April 1994 mit Fichte, Kiefer, Lärche, Rotbuche oder Eiche wiederzubewalden. Nach der Begründung des Bescheides habe eine Überprüfung ergeben, daß eine unerlaubte Rodung vorliege. Es sei auf einer Fläche von 600 m2 der Baumbestand entfernt worden; diese werde nunmehr durch den Anbau von Gras und Blumen gärtnerisch genutzt.
Die Beschwerdeführerin bestritt in ihrer Berufung unter anderem die Waldeigenschaft der erwähnten Fläche.
Mit einem sodann im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 23. November 1994 stellte der Landeshauptmann von Niederösterreich die Waldeigenschaft der im Lageplan bezeichneten Teilfläche von 600 m2 des Grundstückes Nr. 159/10 KG K. fest. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 30. November 1995 als verspätet zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der BH vom 19. Jänner 1994, mit dem die Wiederbewaldung aufgetragen worden war, nach Zitat der §§ 13 Abs. 1, 2 und 172 Abs. 6 lit. a ForstG als unbegründet ab. Die Leistungsfrist setzte sie neu mit 30. April 1995 fest. Begründend wurde dargelegt, in Vollziehung der zwingenden Bestimmungen des § 13 Abs. 1 und 2 leg. cit. über die Pflicht zur Wiederbewaldung von Kahlflächen und Räumden binnen drei Jahren nach ihrer Entstehung sei gemäß § 172 Abs. 6 lit. a leg. cit. die Wiederbewaldung aufzutragen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 172 Abs. 6 ForstG hat die Behörde, wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
a)
die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,
b)
die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,
c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,
d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder
e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen,
dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.
Tatbestandsvoraussetzung des § 172 Abs. 6 ForstG ist ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften, z.B. das Rodungsverbot (§ 17 Abs. 1 ForstG), das Verbot der Waldverwüstung (§ 16 Abs. 1 ForstG), oder das Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung (§ 13 Abs. 1 und 2 ForstG). In der Begründung des angefochtenen Bescheides finden sich keine Sachverhaltsfeststellungen, aus denen sich eindeutig ergäbe, welche forstrechtliche Vorschrift die belangte Behörde im Beschwerdefall als verletzt ansah. Das Zitat des § 13 Abs. 1 und 2 ForstG sowohl im Spruch als auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides legt den Schluß nahe, daß die belangte Behörde einen Verstoß gegen das Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung von Kahlflächen oder Räumden annahm. Angesichts des Zitates dieser Gesetzesstellen kann nicht ohne weiteres angenommen werden, die belangte Behörde hätte insoweit den erstinstanzlichen Bescheid, der noch von einem Verstoß gegen das Rodungsverbot (§ 17 Abs. 1 ForstG) ausging, übernommen. Auch von der Annahme ausgehend, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Wiederbewaldung (§ 13 Abs. 1 und 2 ForstG) gründete, entspricht der Bescheid weder in der Frage, ob ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften vorliegt, noch in der Frage des vorgeschriebenen Leistungstermines dem Gesetz.
Nach § 13 Abs. 1 ForstG hat der Waldeigentümer Kahlflächen und Räumden, im Schutzwald nach Maßgabe des § 22 Abs. 3, mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse rechtzeitig wiederzubewalden.
Nach Abs. 2 leg. cit. gilt die Wiederbewaldung als rechtzeitig, wenn die hiezu erforderlichen Maßnahmen (Saat oder Pflanzung) bis längstens Ende des dritten, dem Entstehen der Kahlfläche oder Räumde nachfolgenden Kalenderjahres ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
Der Begriff der "Rechtzeitigkeit" der Wiederbewaldung wird in § 13 Abs. 2 ForstG definiert; für die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 13 Abs. 3 leg. cit. (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juli 1993, Zl. 90/10/0097, und Bobek/Plattner/Reindl, ForstG2 (1995), Anm. 7 zu § 13) liegen keine Anhaltspunkte vor. Ein Verstoß gegen das sich aus § 13 Abs. 1 und 2 ergebende Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung liegt nur vor, wenn die hiezu erforderlichen Maßnahmen (Saat oder Pflanzung) nicht bis längstens Ende des dritten, dem Entstehen der Kahlfläche oder Räumde nachfolgenden Kalenderjahres ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Ein gesetzliches Gebot, die zu einer Wiederbewaldung erforderlichen Maßnahmen vor Ablauf jenes Zeitraumes durchzuführen, in dem die Wiederbewaldung als rechtzeitig gilt, besteht nicht. Ein auf Grund des § 172 Abs. 6 lit. a in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 ForstG erlassener, (allein) auf einen Verstoß gegen das Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung gegründeter Bescheid entspricht somit nur dann dem Gesetz, wenn er auf Sachverhaltsfeststellungen beruht, aus denen sich ein Verstoß gegen das Gebot zur rechtzeitigen Wiederbewaldung ergibt, und einen Leistungstermin vorschreibt, der nicht vor dem Ende des dritten, dem Entstehen der Kahlfläche oder Räumde nachfolgenden Kalenderjahres liegt. Es sind daher konkrete Feststellungen über den Zeitpunkt der Entstehung der Kahlfläche oder Räumde, jedenfalls aber darüber geboten, daß diese - bezogen auf den bescheidmäßig vorgeschriebenen Leistungstermin - mehr als drei volle Kalenderjahre zurückliegt.
Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid. Dieser Feststellungsmangel betrifft einen für die Entscheidung in mehrfacher Hinsicht wesentlichen Umstand. Denn zum einen steht nicht fest, daß ein Verstoß gegen das Gebot der rechtzeitigen Wiederbewaldung vorliegt, weil nicht ausgschlossen werden kann, daß die vom Gesetz für die rechtzeitige Wiederbewaldung gesetzte Frist im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Wiederbewaldungsauftrages noch offen war; zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, daß der gesetzte Leistungstermin (30. April 1995) vor dem Ende jenes Zeitraumes liegt, in dem die Wiederbewaldung nach § 13 Abs. 2 ForstG als rechtzeitig gilt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß nach der Aktenlage die Fällung von Bäumen und die Entfernung von Wurzelstöcken auf der fraglichen Fläche erstmals am 24. November 1993 festgestellt wurde (vgl. den Aktenvermerk der Bezirksforstinspektion St. Pölten vom 24. November 1993).
Die belangte Behörde beruft sich in der Gegenschrift auf die bei Wohanka-Stürzenbecher, Forstgesetz 1975, Auflage 1991, Anm. 2 zu § 13 vertretene (in der Folgeauflage 1993 allerdings nicht mehr enthaltene) Auffassung, die Dreijahresfrist des § 13 Abs. 2 ForstG gelte nicht, wenn jemand unbefugt rode; diesen treffe die sofortige Wiederaufforstungspflicht. Dieser Hinweis ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, weil in der Begründung des angefochtenen Bescheides kein Sachverhalt festgestellt wird, der es erlaubte, von einem Verstoß gegen das Rodungsverbot (§ 17 Abs. 1) auszugehen; in den Verwaltungsakten vorkommende Hinweise auf einen solchen Sachverhalt vermögen Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Beschwerdefall nicht zu ersetzen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist im soeben erwähnten Zusammenhang auf folgendes hinzuweisen: Die Aufzählung der "zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen" in § 172 Abs. 6 lit. a bis e ForstG ist demonstrativ (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 1987, Slg. Nr. 12456/A); die Vorschrift beschränkt die Behörde daher nicht darauf, eine der aufgezählten Vorkehrungen aufzutragen. Mit der Anführung der "rechtzeitigen und sachgemäßen Wiederbewaldung" (lit. a) nimmt das Gesetz offenbar auf jenen Fall Bezug, in dem die "Außerachtlassung forstrechtlicher Vorschriften" allein im Verstoß gegen das Wiederbewaldungsgebot (§ 13 ForstG) besteht. Aus der Anführung des Begriffes "rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung" in § 172 Abs. 6 lit. a ForstG kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die Behörde - vom zuletzt erwähnten Fall abgesehen - bei der Erlassung eines Wiederbewaldungsauftrages auch dann eine Leistungsfrist zu setzen hätte, die frühestens mit dem Ablauf der in § 13 Abs. 2 ForstG normierten Frist endet, wenn die "Außerachtlassung forstrechtlicher Vorschriften" nicht (allein) in einem Verstoß gegen das Wiederbewaldungsgebot besteht. Liegt ein Verstoß gegen andere forstrechtliche Vorschriften, z.B. das Rodungsverbot (§ 17 ForstG) vor, so ist im Rahmen des § 172 Abs. 6 ForstG - sofern es sich um eine "zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes mögliche Vorkehrung" handelt - bei der Erlassung eines Wiederbewaldungsauftrages die Setzung einer Leistungsfrist zulässig, die - im Rahmen des § 59 Abs. 2 AVG - vor dem Ablauf der in § 13 Abs. 2 ForstG normierten Frist endet.
Weiters ist darauf hinzuweisen, daß der angefochtene Bescheid nicht der Vorschrift des § 59 Abs. 1 AVG entspricht. Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, wird dem Bestimmtheitserfordernis nur gerecht, wenn er einer zwangszweisen Durchsetzung - hier durch Ersatzvornahme - zugänglich ist. Wird die Wiederbewaldung durch Aufforstung (Saat oder Pflanzung) vorgeschrieben, hat die Behörde der Vollstreckbarkeit wegen die zu setzenden Pflanzen nach botanischer Art, Qualität und Anzahl oder Pflanzenabstand vorzuschreiben (vgl. Bobek/Plattner/Reindl, aaO, Anm. 4 zu § 13). Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nur in Ansehung der Bezeichnung der Pflanzen nach botanischer Art. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt sich.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Zuletzt ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof - in einem Fall, in dem die Wiederbewaldung einer Fläche von 30 m2 in Rede stand - ausgesprochen hat, die Rechtmäßigkeit eines Wiederbewaldungsauftrages hänge von Feststellungen ab, wonach die Wiederbewaldung im konkreten Fall zur Walderhaltung erforderlich sei (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 1987, Zl. 87/10/0044). Im Beschwerdefall war die Erforderlichkeit der Wiederbewaldung zur Walderhaltung im Verwaltungsverfahren nicht strittig; nach der Aktenlage mußte diese im Hinblick auf die Größe der Kahlfläche (600 m2) auch nicht als zweifelhaft angesehen werden.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseInhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungInhalt des Spruches DiversesBesondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995100065.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
16.03.2011