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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. November 1993, Zl. UVS-04/22/00393/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1. Bezirk und 8. Bezirk, vom 11. März 1993 wurden über die Beschwerdeführerin wegen Übertretungen nach § 367 Z. 26 GewO 1973 Strafen in der Höhe von insgesamt S 12.100,-- verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 21. April 1993 zugestellt.
Mit Schreiben vom 25. Juni 1993 teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin infolge Mahnung vom 24. Juni 1993 der Strafbehörde erster Instanz mit, daß das Straferkenntnis vom 11. März 1993 nicht vollstreckbar sei, weil dagegen am 5. Mai 1993 Berufung erhoben worden sei. Diesem Schreiben war eine Berufungsschrift in Kopie beigeschlossen, auf deren Rückseite ein Telefaxprotokoll abgelichtet ist. Diesem kann entnommen werden, daß am 5. Mai 1993 um 21.59 Uhr ein einseitiges Telefax an die Nr. 53436 120 vom Telefaxgerät des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin übertragen worden ist.
In einem Aktenvermerk vom 29. Juni 1993 hielt der zuständige Sachbearbeiter des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk fest, daß nach dem Eingangsprotokoll die Berufung vom 5. Mai 1993 nicht eingelangt sei. Eingaben würden regelmäßig im Protokoll erfaßt und ergebe sich daraus, daß die in Kopie vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übermittelte Berufung nicht in die Einlaufstelle des MBA 1/8 gelangt sei.
Die Behörde erster Instanz legte der belangten Behörde den Akt mit dem Hinweis vor, die Berufung der Beschwerdeführerin vom 5. Mai 1993 habe sie "erst am 28.6.1993 mit Schreiben vom 25.6.1993 erhalten".
Mit Schreiben vom 20. Oktober 1993 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zum Vorhalt der Verspätung der Berufung Stellung zu nehmen und allfällige Bescheinigungsmittel vorzulegen. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Rechtsmittelfrist zur Bekämpfung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hätte am 5. Mai 1993 geendet. Die Berufung der Beschwerdeführerin sei per Fax am 5. Mai 1993 unrichtigerweise an die Nr. 534 36 120 übermittelt worden. Der Faxanschluß des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk laute jedoch 534 36 220, wie dies im Briefkopf sämtlicher Schriftstücke des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk, so auch im angefochtenen Straferkenntnis schriftlich festgehalten sei. Tatsächlich sei aber die Berufung als Beilage zum Schreiben vom 25. Juni 1993 am 28. Juni 1993 beim Magistratischen Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk eingelangt, weshalb das gegenständliche Rechtsmittel nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht worden sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochenen Bescheid in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin trägt zunächst in Ergänzung des Sachverhaltes vor, sie habe zum Verspätungsvorhalt der belangten Behörde zu Handen des Landeshauptmannes von Wien fristgerecht durch Übermittlung eines Telefax Stellung genommen; das Faxgerät der belangten Behörde sei bei Dienstschluß ausgeschaltet gewesen. Unbestritten sei, daß vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin das Telefax vom 5. Mai 1993 (Berufung) an die Schlußnummer (Klappennummer) 120 und nicht 220 übermittelt worden sei. Daraus ergebe sich jedoch eindeutig, daß es sich um ein Faxgerät bei derselben Behörde handle. Fest stehe, daß der Magistrat der Stadt Wien jedenfalls eine Behörde sei, sodaß es völlig belanglos sei, bei welchem Faxgerät der belangten Behörde - noch dazu im selben Gebäude - die Berufung eingelangt sei.
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG in der bis 1. Juli 1995 gültigen Fassung (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1994, G 20-23/94, sowie die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 686/1994) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat.
Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel auch telegraphisch, fernschriftlich, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.
§ 13 Abs. 1 AVG ermöglicht somit die Einbringung der Berufung durch Telefax (vgl. schon für die Gesetzeslage vor der AVG-Novelle BGBl. Nr. 357/1990 das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0119). Die zugelassene Möglichkeit der Einbringung von Anträgen und Eingaben mittels Telefax kann jedoch nur nach Maßgabe der von den Behörden zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten genutzt werden. Ein Recht auf Einbringung mit einer bestimmten Art der automationsunterstützten Datenverarbeitung ist aus § 13 Abs. 1 AVG nicht abzuleiten, weshalb der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihre Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt der belangten Behörde, welche - infolge nicht in Betrieb befindlichen Telefaxgerätes der belangten Behörde - an den Landeshauptmann von Wien übermittelt wurde, eine unbeachtliche Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG darstellt.
§ 13 Abs. 1 AVG ermöglicht somit eine Wahl für die Form des Anbringens einer Partei nach Maßgabe der bei den Behörden vorhandenen technischen Möglichkeiten. Ob eine bestimmte technische Einrichtung zum Empfang von Nachrichten bei einer Behörde auch tatsächlich vorhanden ist bzw. sein muß, wird nicht geregelt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Anm. 1a zu
§ 13 AVG, S. 159 f abgedruckten erläuternden Bemerkungen zur Novelle BGBl. Nr. 357/1990). Ob ein Berufungswerber eine Berufung an die Einbringungsbehörde mittels Telefax einbringen kann, hat daher der Berufungswerber zu ermitteln und er hat sich auch zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt worden ist.
Die belangte Behörde hat in der Annahme, die Berufung der Beschwerdeführerin sei erstmals mit dem am 28. Juni 1993 bei der Strafbehörde erster Instanz eingelangten Schreiben eingebracht worden, diese als verspätet zurückgewiesen. Der Faxanschluß des Magistratischen Bezirksamtes für den 1. und 8. Bezirk laute - wie dies im Briefkopf sämtlicher Schriftstücke ersichtlich sei - "53436 220".
Die belangte Behörde geht in den Feststellungen ihres Bescheides aber auch davon aus, daß die Berufung der Beschwerdeführerin an die Nr. 53436 120 - unrichtigerweise - übermittelt worden ist.
Mangels Vorliegens von Sachverhaltsgrundlagen aufgrund entsprechender Ermittlungen kann jedoch derzeit abschließend nicht beurteilt werden, ob die Berufung von der Beschwerdeführerin am 5. Mai 1993 - also noch innerhalb der 14-tägigen Frist des § 63 Abs. 5 AVG - eingebracht worden ist. Die Telefonnummer des Magistratischen Bezirksamtes für den
1. und 8. Bezirk lautete zum damaligen Zeitpunkt "53436", die daran jeweils anschließende dreistellige Nummer kennzeichnete die Nebenstelle. Aus dem mit dem Schreiben vom 25. Juni 1993 der Beschwerdeführerin übermittelten Faxprotokoll vom 5. Mai 1993 ist ersichtlich, daß die um 21.59 Uhr angeordnete Übertragung auch durchgeführt worden ist (Vermerk unter der Spalte "Result": "o.k."). Es kann aufgrund dieses Ergebnisses keineswegs ausgeschlossen werden, daß die Nebenstellennummer "120" keine Telefaxnummer ist bzw. war. (Eine telefonische Anfrage beim Magistratischen Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk hat vielmehr ergeben, daß in einem nicht näher eingrenzbaren Zeitraum die Nebenstelle "120" tatsächlich die Telefaxnummer war.) Ob am 5. Mai 1993 die Nebenstelle "120" eine Übertragung im Wege der Telekopie an das Magistratische Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk als Empfänger erlaubt hat, kann somit derzeit nicht beurteilt werden.
Es bedarf daher ergänzender Erhebungen durch die belangte Behörde, ob die an die Nebenstelle "120" am 5. Mai 1993 übermittelte Berufung der Beschwerdeführerin zum Empfang derselben durch das Magistratische Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk als Einbringungsstelle im Sinne des § 63 Abs. 5 AVG eingerichtet war.
Der angefochtene Bescheid leidet somit an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenaufwand für die vorgelegte Stellungnahme vom 10. November 1993 konnte, da deren Vorlage für die Beurteilung der Beschwerdesache nicht erforderlich war, nicht zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040013.X00Im RIS seit
11.07.2001