TE Vfgh Erkenntnis 1993/6/15 B320/93

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Veröffentlicht am 15.06.1993
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Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ViehwirtschaftsG 1983 §10 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festlegung von Importausgleichssätzen für den Import von Schafen und Lämmern infolge Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit über den Anwendungsbereich verschiedener Importausgleichsverordnungen

Spruch

I.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchteiles II in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchteiles II aufgehoben.

3. Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit

S 12.500,- bestimmten Prozeßkosten zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

II. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Spruchteil I des angefochtenen Bescheides richtet, zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheiden der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §5 Abs2 und 3 des Viehwirtschaftsgesetzes 1983, BGBl. 621 idF BGBl. 396/1991, (VWG), iVm der 51. und der 52. Öffentlichen Bekanntmachung für den Import von Schafen und Lämmern II bzw. III der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Z37.209/10-III/B/7/1992 bzw. Z37.209/11-III/B/7/1992, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 3. Juni 1992, 51. und 52. Stück, (51. und 52. Öffentliche Bekanntmachung 1992), die Einfuhr von bestimmten Waren im Sinne des §1 VWG in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1992 bewilligt.

Nach eigener - auch in der Äußerung der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft unwidersprochen gebliebenen - Darstellung hat die beschwerdeführende Gesellschaft auf Grund dieser Bewilligungen am 24. Juli, 14. August, 28. August und am 25. September 1992 Importe getätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Jänner 1993, Z17.352/01-IA7b/93, hat die belangte Behörde im Spruchteil I. den Bescheid des Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertreters der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 29. September 1992, Z37.779/82-III/B/7/92, aufgehoben und im Spruchteil II. für weitere fünf Importe den Importausgleich festgelegt.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß gemäß Punkt

3.1. bzw. 3.2. der 51. und der 52. Öffentlichen Bekanntmachung 1992 "die Importausgleichssätze im Rahmen dieses Einfuhrverfahrens in Form von Pauschalsätzen durch die Unterkommission festgelegt werden". Durch die 93. und 94. Verordnung für den Import von Schafen und Lämmern II bzw. III Feststellung von Importausgleichssätzen in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1992 der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Z37.209/16-III/B/7/1992 bzw. Z37.209/17-III/B/7/1992, jeweils kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 29. September 1992, 93. und 94. Stück, (93. und 94. Öffentliche Bekanntmachung 1992), seien von der Unterkommission die Pauschalsätze festgelegt worden, die von der belangten Behörde zur Bestimmung der Importausgleichssätze für die von der beschwerdeführenden Gesellschaft durchgeführten Importe herangezogen wurden.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde rügt die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der gesetzwidrigen 93. und 94. Öffentlichen Bekanntmachung 1992 und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bezeichneten Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft.

3. In der über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes abgegebenen Äußerung beantragt die Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft die Abweisung der Beschwerde und führt darin unter anderem aus:

"Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin könnte der Schluß gezogen werden, daß für jene Importe, die aufgrund der am 30. Juni 1992 erhaltenen Bewilligung am 24. Juli, 14. und 28. August sowie 25. September 1992 durchgeführt wurden, die am 29. September 1992 erlassene 94. Öffentl. Bekanntmachung 1992 (Festlegung der Pauschalsätze für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1992) zur Anwendung gekommen ist. Hier vergißt die Beschwerdeführerin zu erwähnen, daß für die vorangehenden Zeiträume mit der 62. Öffentl. Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer II und der 61. Öffentl. Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer III für den Zeitraum vom 1.7. bis 2.9.1992 sowie der

79.

Öffentl. Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer II und der

80.

Öffentl. Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer III für den Zeitraum vom 3.9. bis 30.9.1992 ebenfalls Pauschalsätze festgelegt wurden."

              4.              Die belangte Behörde verzichtet unter Verweis auf die Äußerung der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

    1. Gemäß §10 Abs1 VWG unterliegen "Waren, die im §1

angeführt sind, ... anläßlich ihrer Einfuhr in das Zollgebiet

anstelle des Zolles einem Importausgleich". §10 Abs6 VWG

bestimmt, daß "für Einfuhren, die in einem allgemeinen

Einfuhrverfahren bewilligt werden, ... die Kommission durch

Verordnung den Importausgleichssatz in Form eines Pauschalsatzes festzulegen (hat)". Die bescheidmäßige Bestimmung des Importausgleichssatzes für den konkreten Import obliegt gemäß §10 Abs2 VWG "den nach §18 jeweils Zeichnungsberechtigten".

Mit der 51. und der 52. Öffentlichen Bekanntmachung 1992 hat die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft gemäß §5 Abs2 und 3 VWG allgemeine Einfuhrverfahren für den Import von Schafen und Lämmern II und III in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1992 beschlossen. Gemäß Punkt 3.1. bzw. 3.2. der 51. und der 52. Öffentlichen Bekanntmachung 1992 iVm der 61. Verordnung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Juli 1988 über die Übertragung bestimmter Angelegenheiten an die Unterkommission, Z37.0225/60-III/B/7/1988, idF der 31. Öffentlichen Bekanntmachung, Z37.0205/35-III/B/7/1990, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 5. Juli 1988,

61. Stück, bzw. vom 3. April 1990, 31. Stück, hat die Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Rahmen der durch die 51. und 52. Öffentliche Bekanntmachung 1992 geregelten Einfuhrverfahren die Importausgleichssätze in Form von Pauschalsätzen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 2. September 1992 durch die 62. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer II und durch die 61. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer III, für den Zeitraum vom 3. September bis 30. September 1992 durch die 79. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer II und durch die 80. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für die Schafe und Lämmer III sowie für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1992 durch die

93. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für die Schafe und Lämmer II und die 94. Öffentliche Bekanntmachung 1992 für Schafe und Lämmer

III festgelegt.

2. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist nicht nur bei absichtlichem Zufügen von Unrecht, sondern auch dann gegeben, wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig fällt; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen hat. Das Verfahren ist in einem solchen Fall derart qualifiziert mangelhaft, daß nicht bloß die Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften vorliegt, sondern die Verfassungssphäre berührt wird (VfSlg. 8737/1980, 9105/1981).

3. Ein derartiges Verhalten hat die Behörde hier gesetzt:

Gemäß §10 Abs1 VWG unterliegen die im §1 leg.cit. angeführten Waren anläßlich ihrer Einfuhr einem Importausgleich. Die Behörde hat also bei der bescheidmäßigen Bestimmung des Importausgleichssatzes jene Verordnung heranzuziehen, die für den betreffenden Zeitraum die Pauschalsätze festlegt. Entgegen ihren Behauptungen in der Gegenschrift hat die Behörde keine Feststellungen über den Zeitpunkt der Importe getroffen und ist offenbar davon ausgegangen, daß die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz geltenden Importausgleichsverordnungen, das waren die 93. und 94. Öffentliche Bekanntmachung 1992, der Entscheidung zugrunde zu legen waren, die sich inhaltlich von den anzuwendenden, zum Zeitpunkt der Importe geltenden Verordnungen unterschieden. Sie hat damit ihre Entscheidung leichtfertig gefällt und insbesondere jegliche Überlegungen über den Anwendungsbereich der verschiedenen Importausgleichssatzverordnungen unterlassen.

4. Der angefochtene Bescheid verletzt daher die beschwerdeführende Gesellschaft in dem Umfang, in dem er Importausgleichssätze festlegt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (VfSlg. 8737/1980, 9005/1981) und war sohin aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere auf die gegen die - offenkundig nicht präjudiziellen - 93. und 94. Öffentlichen Bekanntmachungen 1992 vorgebrachten Bedenken, einzugehen.

5. Soweit sich die Beschwerde gegen den Spruchteil I wendet, ist darauf hinzuweisen, daß insofern der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft Rechnung getragen und der sie belastende Bescheid zur Gänze beseitigt wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist somit nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9686/1983, 10087/1984, 10863/1986) durch den Spruchteil I des angefochtenen Bescheides nicht beschwert, weshalb die Beschwerde insoweit mangels Legitimation zurückzuweisen war.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

7. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens (teils Stattgebung, teils Zurückweisung) wurden der beschwerdeführenden Gesellschaft bloß 5/6 der Kosten des Verfahrens zuerkannt (VfSlg. 10272/1984, 10547/1985). Im zugesprochenen Betrag sind S 2.083,-- an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

Wirtschaftslenkung, Viehwirtschaft, Importausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B320.1993

Dokumentnummer

JFT_10069385_93B00320_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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