TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/29 95/05/0206

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Veröffentlicht am 29.08.1995
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §46 Abs2;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1976 §50 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. Mai 1995, Zl. BauR - 011463/1 - 1995 Gr/Lan, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, 2. JW, W 2, 3. MW, W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid kann folgender Sachverhalt entnommen werden:

Mit Ansuchen vom 12. September 1994 beantragten die Ehegatten W in P die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau einer Jauchegrube auf Grundstücken der Katastralgemeinde S. Bei der am 27. September 1994 durchgeführten Bauverhandlung sprach sich die Beschwerdeführerin als Nachbarin gegen die Erteilung der beantragten Baubewilligung unter Hinweis auf ihre schriftliche Stellungnahme vom 23. September 1994 aus. In dieser schriftlichen Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus:

"Es ist daher auf jeden Fall zu prüfen, ob durch etwaige Sprengarbeiten keine Beeinträchtigung des Brunnens aber auch des Mauerwerkes meines Hauses W 4 eintreten kann."

(Die weiteren von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen sind vom Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG nicht umfaßt).

Mit Bescheid vom 9. Februar 1995 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde P als Baubehörde erster Instanz unter Vorschreibung von Auflagen die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, die Bauführung sei auf einem nach § 10 O.ö. Bautechnikgesetz (BauTG) nicht vorgesehenen Untergrund (Fels) vorgesehen. Bei Einholung des beantragten hydrogeologischen Gutachtens wäre dies eindeutig festgestellt worden.

Mit Bescheid vom 30. März 1995 wies der Gemeinderat der Marktgemeinde P die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Auch ein hydrogeologisches Gutachten hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt. Das im Zusammenhang mit der Tragfähigkeit des Bodens stehende Berufungsvorbringen sei im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG als präkludiert anzusehen. Im übrigen käme einem Nachbarn bezüglich Fragen der Tragfähigkeit des Untergrundes kein Mitspracherecht zu.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. Mai 1995 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde P vom 30. März 1995 keine Folge gegeben und festgestellt, daß die Beschwerdeführerin durch den genannten Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt wurde. Als Rechtsgrundlagen wurden im angefochtenen Bescheid § 102 der O.ö. Gemeindeordnung 1990 i. V.m. den §§ 46, 50 und 67 der O.ö. BO zitiert. In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - aus, die Beschwerdeführerin habe weder bei der mündlichen Bauverhandlung noch im Schreiben vom 23. September 1994 einen mit § 10 O.ö. BauTG in Verbindung stehenden Einwand betreffend die Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. die Standsicherheit geäußert, weshalb sie mit diesem Einwand als präkludiert anzusehen sei. Selbst wenn Präklusion nicht vorläge, könnte das diesbezügliche Vorbringen nicht von Erfolg begleitet sein, weil dem Nachbarn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fragen der Tragfähigkeit des Untergrundes kein subjektives Mitspracherecht zustehe (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 92/05/0139).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihren Rechten gemäß §§ 42, 45 ff, 52 ff AVG, 10 Oö. BauTG verletzt". Ihrem gesamten Vorbringen in der Beschwerde zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid insoweit in ihren Rechten verletzt, als die belangte Behörde die Einwendungen, "welche im Zusammenhang mit der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standsicherheit stehen, mit der Begründung als unberechtigt erachtet, daß diese Einwendungen infolge der Präklusionsfolgen nach § 42 AVG im Rechtsmittelverfahren nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden könnten".

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer solchen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin hiezu vor, sie habe diesbezüglich rechtzeitig konkretisierte Einwendungen erstattet. Hiezu verweist die Beschwerdeführerin auf die eingangs wörtlich wiedergegebenen Einwendungen in ihrer Eingabe vom 23. September 1994. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei davon auszugehen, daß dieses Vorbringen mit dem Einwand in der Berufung bzw. in der Vorstellung korrespondiere, daß die erteilte Baubewilligung § 10 O.ö. BauTG LGBl. Nr. 67/1994 widerspreche, da vom Boden her die Voraussetzungen für die Errichtung baulicher Anlagen nicht gegeben seien. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätten sich die Verwaltungsbehörden mit diesen Einwänden auseinandersetzen müssen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin hätten sich nicht auf die Eignung des Untergrundes auf dem vorgesehenen Standort beschränkt, vielmehr ergäben sich daraus berechtigte Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen über die Grundstücksgrenze hinaus auf die Liegenschaft und die Bauwerke der Beschwerdeführerin. Diesbezüglich hätte die Beschwerdeführerin die Prüfung beantragt, ob durch die notwendigen Sprengarbeiten Beeinträchtigungen des Brunnens, aber auch des Mauerwerkes eintreten könnten. Die Bestimmung des § 10 O.ö. BauTG, welche die Voraussetzungen des Untergrundes hinsichtlich eines Bauwerkes regle, diene auch als Schutzbestimmung nachbarrechtlicher Interessen. Es sei unzweifelhaft, daß die Errichtung von Bauwerken auf ungeeignetem Untergrund schwerwiegende Auswirkungen auf das Nachbargrundstück und die hierauf befindlichen Gebäude habe, insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Bauführung unmittelbar an der Grundstücksgrenze erfolge. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre über die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen ein Beweisverfahren abzuführen gewesen und hätte die belangte Behörde insbesondere das beantragte hydrogeologische Gutachten einholen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 2 O.ö. BO können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Gemäß § 50 Abs. 1 leg. cit. ist im Bescheid, in welchem eine Baubewilligung erteilt wird, auch über die Einwendungen der Nachbarn abzusprechen.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen nicht die Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das Bauvorhaben behauptet wird, öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren nicht zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 3), sowie privatrechtliche Einwendungen der Nachbarn, die zwingenden, von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmungen widersprechen, als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin sieht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde ihre Einwendungen im Zusammenhang mit der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standsicherheit als präkludiert angesehen hat.

Die im vorliegenden Fall als unstrittig feststehende Parteistellung der Beschwerdeführerin als Nachbarin im Baubewilligungsverfahren ist insoweit beschränkt, als der Nachbar nur im Zusammenhang mit der Regelung des § 42 AVG einen Rechtsanspruch darauf hat, daß ein Bauvorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch baurechtliche Bestimmungen eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte nicht verletzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0294). Hat der Nachbar als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß geladen wurde, rechtzeitig - spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung - gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben, dann ist anzunehmen, daß er dem Bauvorhaben zustimmt. Verspätet erhobene Einwendungen finden keine Berücksichtigung. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentliches Rechtes haben die Rechtsfolgen der Präklusion zu berücksichtigen. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorhaben die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat und dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0294, mwN.).

Es bedarf keiner weiteren Untersuchung, ob es sich bei dem Einwand der "Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standsicherheit" der im gegenständlichen Fall bewilligten Jauchegrube um eine öffentlich-rechtliche Einwendung im Sinne der dargestellten Rechtslage handelt, wie dies die Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 10 O.ö. BauTG, LGBl. Nr. 67/1994, vermeint, da die Beschwerdeführerin - wie sie selbst in der Beschwerde darlegt - rechtzeitig im Sinne des § 42 AVG diesbezüglich nur vorgebracht hat, es sei "auf jeden Fall zu prüfen, ob durch etwaige Sprengarbeiten keine Beeinträchtigung des Brunnens aber auch des Mauerwerkes meines Hauses Wögersdorf 4 eintreten kann". Bei diesem Vorbringen handelt es sich nämlich um eine Frage der Ausführung des Bauvorhabens, nicht aber eine solche der Bewilligungsfähigkeit desselben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. November 1990, Zl. 90/05/0105, vom 27. November 1990, Zl. 89/05/0026, und vom 5. Februar 1991, Zl. 90/05/0157), und somit um keine Einwendung, mit welcher Bedenken betreffend die Bodenverhältnisse und die Tragfähigkeit des Bodens vorgetragen wurden.

Da somit keine rechtzeitige Einwendung im Sinne der dargestellten Rechtslage bezüglich des vom Beschwerdepunkt umfaßten Rechtes vorliegt, vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß die Baubehörden die Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend die Beeinträchtigung des Brunnens und des Mauerwerkes auf Grund befürchteter etwaiger Sprengarbeiten zu Recht als unzulässig zurückgewiesen und das erstmals im Berufungsverfahren erstattete Vorbringen im Zusammenhang mit der Tragfähigkeit des Untergrundes bzw. der Standsicherheit des Bauvorhabens als präkludiert angesehen haben.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die obige Erledigung erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050206.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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