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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Oktober 1994, GZ GA 9-920/93, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Inhaber eines gastgewerblichen Betriebes, gab anläßlich einer vom Finanzamt W. durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung am 24. Juni 1988 an, er habe im Jahre 1983 von seiner Tante Anna E. (im Jahre 1984 verstorben) einen Barbetrag von S 600.000,-- sowie einen Scheck über S 385.000,-- geschenkt erhalten. Mit diesem Betrag seien Investitionen im Betrieb finanziert worden.
Bei einer Vernehmung gab der Beschwerdeführer am 24. Juni 1989 gegenüber einem Organ dieses Finanzamtes an, er habe die Zuwendungen als Entgelt für erbrachte und zukünftige Pflegeleistungen erhalten.
Bei einer am 13. Jänner 1992 von einem Organ des zuständigen Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern durchgeführten weiteren Vernehmung gab der Beschwerdeführer an, er sei seit dem Jahre 1971 Hälfteeigentümer einer Liegenschaft in W. gewesen. Den anderen Hälfteanteil habe seine Tante Anna E. besessen, von der er den Anteil 1984 geerbt habe. Die Substanz des (auf der Liegenschaft betriebenen) Gasthauses habe naturgemäß zur Hälfte der Tante gehört. Der geschenkte Betrag von S 985.000,-- sei zur Gänze zur Renovierung des Gasthauses verwendet worden. Am Betrieb der Gastwirtschaft sei die Tante nicht beteiligt gewesen.
Das Finanzamt erließ daraufhin an den Beschwerdeführer einen Schenkungssteuerbescheid, wobei es von einer Zuwendung von S 985.000,-- ausging.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, der Betrag von S 985.000,-- sei dem Beschwerdeführer übergeben worden, um die gemeinsam mit Anna E. aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen. Es könne dem Beschwerdeführer also nur die Hälfte des Betrages als Schenkung zugeflossen sein.
Bei einer weiteren Vernehmung am 4. März 1993 gab der Beschwerdeführer an, er habe im Jahre 1983 von seiner Tante
S 385.000,-- auf sein Konto bei der Sparkasse K. überwiesen bekommen. Auf Grund verschiedener Aufwendungen für die Renovierung des im Hälfteeigentum des Beschwerdeführers und seiner Tante befindlichen Hauses habe das Bankkonto eine Verbindlichkeit von ca. S 125.000,-- ausgewiesen. Das durch die Einzahlung entstandene Guthaben sei für weitere Renovierungsarbeiten verwendet worden. Die Renovierung des Hauses sei 1983 abgeschlossen gewesen. Das Sparbuch mit einem Guthaben von S 600.000,-- sei von der Tante der Sparkasse K. zur Kreditsicherung übergeben worden. Das Sparbuch sei 1985 von der Sparkasse K. gepfändet worden und habe in der Folge zur Schuldentilgung gedient. Die Renovierung habe ungefähr
S 2,000.000,-- gekostet; davon sei ein Betrag von
S 1,400.000,-- durch Kredite finanziert worden. Die Kredite seien jeweils an den Beschwerdeführer und seine Tante gewährt worden. Mit der Tante sei vereinbart gewesen, daß der Beschwerdeführer die Kredite allein zurückzahlte; die Unterschrift der Tante gegenüber dem Kreditinstitut habe also nur der Sicherstellung gedient. Zum Beweis seines Vorbringens wurden vom Beschwerdeführer Kontoauszüge und Kreditvertragsurkunden vorgelegt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Nach Auffassung des Finanzamtes sei aus dem Umstand, daß das Sparbuch (mit einem Einlagenstand von S 600.000,--) im Verlassenschaftsverfahren nicht angegeben wurde, zu schließen, daß der Beschwerdeführer "das Sparbuch seinem und nicht dem Vermögen der Tante zuordnete". Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Schenkung sei der Umstand, daß der gesamte für die Renovierung aufgewendete Betrag in der Bilanz des Gastbetriebes aktiviert worden sei.
In dem daraufhin eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde zusammengefaßt ausgeführt, dem Beschwerdeführer und seiner Tante Anna E. sei ein Hypothekarkredit von S 600.000,-- und ein Kontokorrentkreditrahmen von S 800.000,-- eingeräumt worden. Der Erlös aus dem von Anna E. 1983 getätigten Verkauf einer Liegenschaft von S 985.000,-- sei zur Abdeckung bzw. Besicherung der Kredite verwendet worden. Der Beschwerdeführer sei nach dem Tod der Anna E. alleiniger Kreditnehmer geworden; die Hälfte der offenen Kredite seien auf den Beschwerdeführer im Erbweg übergegangen. Da der Beschwerdeführer und Anna E. je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft gewesen seien, seien die Renovierungsarbeiten auch beiden Eigentümern zugute gekommen. Der Verweis des Finanzamtes darauf, daß das Sparbuch bei der Verlassenschaft nicht angegeben wurde, sei untauglich, weil sich das Sparbuch und die aushaftenden Kredite saldierten, sodaß keine Erbschaftssteuer angefallen wäre. Die Behörde habe übersehen, daß auf der Passivseite vom Steuerpflichtigen Schulden übernommen worden seien, die Anna E. aufgenommen hatte. Der Schenkungsbetrag sei daher um die Hälfte der aushaftenden Kredite zu kürzen gewesen, sodaß höchstens ein Betrag von S 285.000,-- an den Beschwerdeführer übergegangen wäre.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde von der belangten Behörde ausgeführt:
"Um Wiederholungen zu vermeiden, werden daher die in der Berufungsentscheidung vom 26. März 1993 dargelegten Ausführungen und Begründungen zu einem Bestandteil der Berufungsentscheidung erhoben.
Somit vertritt auch die Finanzlandesdirektion im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Ansicht, daß die Übergabe der § 985.000,-- an den Bw. zur Gänze als Schenkung bzw. freigebige Zuwendung anzusehen ist."
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten sowie die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 12. Jänner 1994, 92/13/0272, und vom 27. Juli 1994, 92/13/0140). Des weiteren muß aus der Begründung eines Bescheides hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens entsprechen.
Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid in keiner Weise. Ein bloßer Hinweis auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung kann die Behörde ihrer Verpflichtung zu einer sachgerechten Begründung ihres Bescheides nicht entheben.
Auch die Verweisung auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung - die den angeführten Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Begründung ebenfalls nicht entsprach - ist im Beschwerdefall schon deswegen ungeeignet, weil im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz substantiierte Einwendungen gegen die Abgabenvorschreibung erhoben und entsprechende Urkunden vorgelegt wurden. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde aber überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die Entscheidung der belangten Behörde kann damit nicht nachvollzogen werden, sodaß der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastet ist.
Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, daß die fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 607 mit weiteren Hinweisen). Der darin vertretenen Meinung, den Aussagen am Beginn eines Verfahrens sei ein höherer Wahrheitsgehalt beizumessen, kann im übrigen in dieser allgemeinen Form nicht beigetreten werden. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz den gesamten Betrag von S 985.000,-- als "geschenkten Betrag" bezeichnet hat, können dabei schon deswegen keine für eine Abgabepflicht dieses Gesamtbetrages sprechenden Schlüsse gezogen werden, weil der Beschwerdeführer gleichzeitig auf das Hälfteeigentum der Zuwendungen an der Liegenschaft ausdrücklich hingewiesen hat.
In rechtlicher Hinsicht ist aus verfahrensökonomischen Gründen darauf hinzuweisen, daß Voraussetzung für die Annahme eines steuerpflichtigen Vorgangs im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG in objektiver Hinsicht der Eintritt eines Vermögensvorteiles im Vermögen des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden ist (vgl. das Erkenntnis vom 17. März 1986, 84/15/0048). Werden von einem Miteigentümer einer Liegenschaft somit wie im Beschwerdefall Aufwendungen (Verbesserungen) der Liegenschaft, in welcher rechtlichen Form auch immer, finanziert, so ist hiedurch insoweit, als die Zuwendung dem Grundstücksanteil des Zuwendenden entspricht, eine Verminderung im Vermögen desjenigen, der die Geldleistung erbracht hat, gar nicht eingetreten; vielmehr lag bloß eine Vermögensumschichtung aus der Sicht der die Leistung erbringenden Miteigentümerin vor. Im Gegensatz zur Auffassung der Abgabenbehörde kommt dabei auch der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung der in Rede stehenden Aufwendungen für die Liegenschaft keine entscheidende Bedeutung zu, weil dies nur Folge des von der Abgabenbehörde festzustellenden tatsächlichen Sachverhaltes sein kann. Im übrigen stehen die für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung maßgeblichen Bestimmungen des § 6 EStG und auch des § 24 BAO in keinem Zusammenhang mit der Frage der Zuordnung von Vermögen aus bürgerlich-rechtlicher Beurteilung.
Schließlich ist darauf zu verweisen, daß es sich bei der Zuwendung des Jahres 1983 und dem Erbfall nach Anna E. um zwei verschiedene Erwerbsvorgänge gehandelt hat, die jeder für sich der Steuer unterliegen (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, 94/16/0058, 0059).
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kosten im Sinne der §§ 47 ff VwGG waren im beantragten Ausmaß zuzusprechen.
Schlagworte
Begründung Allgemein Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994160290.X00Im RIS seit
25.01.2001