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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §198;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Februar 1995, GZ GA 9-1353/12/94, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn Dr. Manfred B. waren Erben nach dem am 22. September 1986 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Dr. Ernst B.
Nach Abgabe der Erbserklärungen durch die gesetzlichen Erben und Annahme der Erbserklärungen mit Beschluß des Bezirksgerichtes L. vom 23. Februar 1987, 1 A nnn/86, schlossen die Erben am 17. Oktober 1988 ein "Erbteilungsübereinkommen", wonach die Beschwerdeführerin aus dem Nachlaß verschiedene Bankguthaben sowie ein Kraftfahrzeug im Gesamtwert von S 117.796,82 erhalten sollte. Demgegenüber erhielt der erbl. Sohn in einem Depot erliegende Wertpapiere mit einem Kurswert zum Todestag in Höhe von S 8,939.165,06 sowie eine Reihe von Liegenschaften.
Mit Einantwortungsurkunde vom 12. Dezember 1988 wurde der Nachlaß der Beschwerdeführerin zu einem Drittel und dem erbl. Sohn zu zwei Drittel unter Hinweis auf das Erbübereinkommen vom 17. Oktober 1988 eingeantwortet.
Mit einem Vorhalt vom 14. Februar 1989 ersuchte das Finanzamt den Erbenmachthaber und nunmehrigen Beschwerdevertreter um die Erläuterung insbesondere verschiedener eidesstättigen Vermögensbekenntnis ausgewiesenen Verbindlichkeiten. Daraufhin wurde namens beider Erben nach Fristerstreckung am 30. Juni 1989 eine Erbschaftssteuererklärung eingereicht. Nach weiteren Vorhalten und mehreren Fristerstreckungsansuchen des Beschwerdevertreters erließ das Finanzamt schließlich am 16. Oktober 1992 gegenüber dem erbl. Sohn einen Erbschaftsteuerbescheid.
In weiterer Folge schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 26. September 1994 Erbschaftssteuer vor, wobei es von einem Drittel des unter Bedachtnahme auf das eidesstättige Vermögensbekenntnis ermittelten Reinnachlasses ausging.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Bewertung der im Depot befindlichen Wertpapiere mit dem Kurswert zum Todestag (S 8,939.165,--). Der Kurswert dieser Wertpapiere habe zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde im März 1989 nur mehr S 4,590.000,-- betragen. Weiters wurde geltend gemacht, daß im Erbteilungsübereinkommen vereinbart worden sei, sämtliche Wertpapiere und auch andere Vermögenswerte würden vom Sohn übernommen. Die Beschwerdeführerin habe bis auf einen Betrag von S 117.796,82 auf ihren gesetzlichen Erbanspruch verzichtet. Schließlich wurde Verjährung des Abgabenanspruches eingewendet.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde der Bescheid damit, daß die Wertpapiere mit dem Kurswert zum Todestag des Erblassers zu bewerten seien. Das zwischen den Erben abgeschlossene Erbteilungsübereinkommen stelle ein Rechtsgeschäft unter Lebenden dar. Es könne nicht als ein Verzicht auf den Erbanspruch angesehen werden. Hinsichtlich des Einwandes der Verjährung wurde ausgeführt, das Finanzamt habe vom Erwerb erst durch die 1989 erfolgte Übermittlung des Abhandlungsaktes Kenntnis erlangt. Durch einen Vorhalt vom 14. Februar 1989 sei der Lauf der Verjährungsfrist überdies unterbrochen worden.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG gilt als ein Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall mit der Annahme der Erbschaft, also der Abgabe der Erbserklärung erfüllt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 12. Februar 1958, 1230/57, vom 24. Juni 1982, 81/15/0119). Mit der Abgabe der Erbserklärung ist also der Erwerb durch Erbanfall erbschaftssteuerrechtlich vollzogen (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, 88/16/0128).
Die Beschwerdeführerin hat mit der am 23. Februar 1987 vom Gericht angenommenen Erbserklärung die Verlassenschaft zu einem Drittel angetreten. Damit wurde in diesem Umfang der Steuertatbestand des Erwerbes durch Erbanfall von der Beschwerdeführerin erfüllt.
Soweit die Beschwerdeführerin auf das mit ihrem Sohn und Miterben nach Abgabe der Erbserklärungen abgeschlossene Erbteilungsübereinkommen verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß ein solches, unter Lebenden abgeschlossenes Rechtsgeschäft an der Verwirklichung des bereits durch die Abgabe der Erbserklärung vollzogenen Steuertatbestandes weder dem Grund noch der Höhe nach etwas zu ändern vermag. Wenn die Erben nach Abgabe der Erbserklärung miteinander ein Abkommen über die Aufteilung des Nachlasses schließen, wird der Grundsatz, daß die Erbschaftssteuer vom Erbanfall zu bemessen ist, nicht berührt. In diesem Fall gilt also der Anteil am steuerlich bewerteten Nachlaßvermögen und nicht der effektiv zugeteilte Vermögensgegenstand als angefallen (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Jänner 1987, 86/16/0021, 0022, und vom 14. Mai 1992, 91/16/0019).
Wenn die Beschwerdeführerin demgegenüber einwendet, sie habe vom gesamten Nachlaß nur einen Betrag (richtig: Vermögensgegenstände im Werte) von S 117.796,82 erhalten, so verkennt sie, daß sie durch die Abgabe der Erbserklärung tatsächlich ein Drittel des gesamten Nachlasses erhalten, den diesen Betrag von S 117.796,82 übersteigenden Teil am Nachlaß aber durch das Erbteilungsübereinkommen, also durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, an ihren Sohn weiterübertragen hat. Da jeder Erwerbsvorgang für sich der Steuer unterliegt (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, 94/16/0058, 0059), konnte diese Zuwendung an den Sohn keinen Einfluß auf die Entstehung der Erbschaftssteuerschuld haben, zumal eine mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes unmittelbar auf Grund des Gesetzes entstandene Steuerschuld durch privatrechtliche Vereinbarungen nicht mehr beseitigt werden kann.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, das Erbteilungsübereinkommen habe dem Willen des Erblassers entsprochen, so stellt dies ein im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliches neues Vorbringen dar. Abgesehen davon, daß der Erblasser nach dem Inhalt der vorgelegten Akten keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat, kommt die - allenfalls von der Beschwerdeführerin angestrebte - Anwendung des § 9 ErbStG betreffend die Erfüllung einer wegen Formmangels nichtigen Verfügung schon deswegen nicht in Betracht, weil einerseits ein bloßer Wunsch nicht dem Begriff der Verfügung im Sinne des § 9 ErbStG entspricht und andererseits die Anwendung des § 9 ErbStG eine bestimmte erblasserische Erklärung voraussetzt, somit einen Umstand, der selbst in der Beschwerde nicht behauptet wurde.
Hinsichtlich der Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Bewertung der im Nachlaß befindlichen Wertpapiere mit ihrem Kurswert zum Todestag des Erblassers ist die Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 18 ErbStG zu verweisen, wonach für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld - das ist im Beschwerdefall der Todestag des Erblassers (vgl. § 12 Abs. 1 ErbStG) - maßgebend ist. Infolge dieser im Gesetz normierten Stichtagsbewertung können nach dem Stichtag liegende Wertänderungen nicht berücksichtigt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1988, 87/16/0123). Es führt (auch) eine nachträgliche Entwertung nicht zu einer Minderung der Steuer, wie auch eine nachträgliche Wertsteigerung nicht zu einer Erhöhung der Steuer führt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1978, B 213/76, Slg. Nr. 8405).
Im Hinblick auf die eindeutige Bestimmung des § 18 ErbStG kommt es entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch nicht darauf an, wann der Erwerber die Verfügung über die einzelnen Nachlaßgegenstände erlangt.
Wenn die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde die Auffassung vertritt, es wäre unbillig, die Wertpapiere mit ihrem Wert zum Todestag anzusetzen, und dazu auf die Bestimmungen der §§ 236 f BAO verweist, so übersieht sie, daß der angefochtene Bescheid die BEMESSUNG der Erbschaftssteuer zum Inhalt hat. Bei einem derartigen, im Instanzenzug ergangenen Abgabenbescheid sind aber ausschließlich die zwingenden Bestimmungen des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes anzuwenden. Für Billigkeitsmaßnahmen ist demgegenüber bei der Vorschreibung der Abgabe kein Platz. Die Bestimmungen des §§ 236 f BAO sehen vielmehr die Nachsicht bereits fälliger - und damit hinsichtlich der Erbschaftssteuer mit Abgabenbescheid i.S. § 198 BAO festgesetzter - Abgabenschuldigkeiten vor, wobei Voraussetzung einer solchen Billigkeitsmaßnahme zunächst ein entsprechender Antrag des Abgabepflichtigen ist.
Soweit schließlich von der Beschwerdeführerin Verjährung des Abgabenanspruches eingewendet wird, verkennt sie das Gesetz in mehrfacher Hinsicht. Wird nämlich ein der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegender Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß der Abgabenbehörde angezeigt, so beginnt die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung dieser Abgabe gemäß § 208 Abs. 2 BAO nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt. Ordnungsgemäß angezeigt heißt in diesem Zusammenhang richtig, vollständig und bei der richtigen Behörde angezeigt. Der Lauf der Bemessungsverjährungsfrist wird also erst dann in Gang gesetzt, wenn die Abgabenbehörde vom steuerpflichtigen Umfang tatsächlich in einer Weise und in einem Umfang Kenntnis erlangt hat, daß ein vollständiges Bild über den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt gewonnen werden kann und demgemäß eine sachgerechte Festsetzung objektiv möglich ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, 93/16/0026, 0027 und 93/16/0028). Im Beschwerdefall wurde der Abgabenbehörde insbesondere der Wert eines in Deutschland gelegenen Grundstückes erst nach einem lange andauernden Vorhalteverfahren und nach zahlreichen, vom nunmehrigen Beschwerdevertreter eingebrachten Fristverlängerungsansuchen am 9. Oktober 1991 bekannt. Erst mit diesem Zeitpunkt hat die Abgabenbehörde im Sinne des § 208 Abs. 2 BAO vom Erwerbsvorgang vollständig Kenntnis erlangt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage war der Umstand nicht weiter von Bedeutung, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Verlassenschaftsakt sei dem Finanzamt vom Abhandlungsgericht noch im Dezember 1988 übermittelt worden, nach den von der belangten Behörde mit der Gegenschrift vorgelegten Nachweisungen nicht den Tatsachen entsprach.
Schließlich war der Verjährungseinwand überdies deswegen unzutreffend, weil die Abgabenbehörde ab dem Jahre 1989 mehrfach Unterbrechungshandlungen gesetzt hat, die der Geltendmachung des Abgabenanspruches gedient haben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995160098.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
10.08.2009