TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/31 94/19/1319

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Veröffentlicht am 31.08.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid

des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1994, Zl. 4.330.461/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Ghana, der am 13. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am selben Tag einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 30. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen, abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 13. Juni 1994, Zl. B 586/94, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 20. Februar 1992 angegeben, er sei nach seiner Flucht aus Ghana vom 28. November 1991 bis 3. Dezember 1991 in Togo geblieben. Sodann sei er von Lagos mit dem Flugzeug nach Belgrad gelangt und habe Österreich illegal am 13. Dezember 1991 betreten.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Togo bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 des im Beschwerdefall gemäß seinem § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in dem genannten Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu u.a. vor, die Behörde habe es unterlassen zu prüfen, ob in dem genannten Staat tatsächlich Verfolgungssicherheit gewährleistet gewesen sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil von Togo regelmäßig Abschiebungen von "türkischen" Staatsangehörigen (gemeint wohl: Staatsbürgern Ghanas) in die "Türkei" (gemeint wohl: nach Ghana) vorgenommen würden. Die belangte Behörde habe es unterlassen, ein vollständiges Ermittlungsverfahren durch Einschaltung der österreichischen Vertretungsbehörden in dem genannten Staat durchzuführen. Hiedurch sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

Weiters rügt der Beschwerdeführer mangelndes Parteiengehör zur "Verfolgungssicherheit". Es sei keineswegs auszuschließen, daß im Falle der Nichtanwendung der Drittlandklausel die Flüchtlingseigenschaft nicht doch zuerkannt worden wäre.

Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Togo hätte von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der dem Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier: gemäß §§ 11, 16 AsylG 1991 i.V.m. §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ihren abweislichen Bescheid zutreffend nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Togo vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in dem genannten Land "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191319.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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