TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/31 95/19/0099

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Veröffentlicht am 31.08.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1995, Zl. 4.285.051/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge hat der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 1. Februar 1990, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, mit Berufung bekämpft.

Mit ihrem Bescheid vom 18. April 1995 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Die belangte Behörde gab folgende Ausführungen des Beschwerdeführers wieder: Der Beschwerdeführer hätte bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 3. Oktober 1989 vorgebracht, daß er nach seiner Schulausbildung von 1981 bis 1985 die Militärakademie in Moskau besucht hätte und im Jahre 1985 die Militärakademie in Harar mit Matura abgeschlossen hätte. Von 1985 bis 1987 hätte er in Addis Abeba ein Studium in Betriebswirtschaft belegt, dieses jedoch nicht abgeschlossen. In diesen Jahren hätte er in verschiedenen Kasernen in Addis Abeba politischen Unterricht erteilt. Er hätte diese Vorträge gegen seine politische Meinung halten müssen. Er hätte sich trotz seiner Tätigkeit für die Armee mit anderen Offizieren über die Möglichkeit eines Putschversuches unterhalten, der Geheimdienst sei damals jedoch zu mächtig gewesen. Danach sei er von 1988 bis 1989 wieder an der Militärakademie in Moskau gewesen und hätte dort das Doktorat vorbereitet. Er sei von den äthiopischen Behörden weder verfolgt worden noch hätte er auf Grund seiner Abstammung Probleme gehabt. Im Mai 1989 hätte ein Militärputsch stattgefunden, nach dessen Scheitern seien viele seiner damaligen Kollegen des Offizierskorps entweder in Haft genommen oder getötet worden. Er hätte damit rechnen müssen, von der äthiopischen Regierung aus Moskau zurückbeordert zu werden und hätte deshalb mit zwei anderen Offizieren beschlossen, die Sowjetunion zu verlassen. Bei einer Auslieferung nach Äthiopien hätte er mit der Todesstrafe zu rechnen gehabt, weil er seit seiner Flucht als Verräter gelten würde.

In der Berufung hatte der Beschwerdeführer im wesentlichen diese Ausführungen wiederholt und Ergänzungen angebracht, wie etwa, daß er seine Heimat aus politischen Gründen hätte verlassen müssen, weil Äthiopien eine Militärdiktatur mit marxistisch-leninistischem Einfluß ohne Wahrung der Menschenrechte sei und politische Gegner hingerichtet würden. Er sei zur Militärlaufbahn ausgesucht worden und hätte keine Chance gehabt dies abzulehnen, man hätte ihn zu dieser Laufbahn gezwungen. Da die Regierung während seiner Vortragstätigkeit erfahren hätte, daß er mit dem Kommunismus nicht einverstanden sei, sei er im Hauptquartier unter ständiger Beobachtung gestanden. Er sei aus Angst, er würde sich an einer Verschwörung gegen die Regierung beteiligen, im Jahre 1987 bis 1988 wieder an die Militärakademie nach Moskau befohlen worden. Auf Grund des fehlgeschlagenen Putsches hätten einige Moskauer Kollegen der äthiopischen Botschaft in Moskau gemeldet, daß er mit den Putschisten sympathisiert hätte. Deshalb hätte für ihn die Gefahr bestanden, wieder nach Äthiopien zurückgeholt und dort hingerichtet zu werden.

Die belangte Behörde ging auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Berufungsvorbringen nicht näher ein, weil keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (in der bereinigten Fassung) für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens vorgelegen seien. Die belangte Behörde begründete weiters, daß aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers asylrechtlich relevante Verfolgungen (bzw. wohlbegründete Furcht vor solchen) nicht zu ersehen seien. Die militärische Ausbildung spreche dafür, daß der Beschwerdeführer sich regimekonform und unauffällig verhalten habe. Hätten die Behörden jemals eine Abweichung seiner politischen Ansichten vermutet, oder wäre er im Verdacht gestanden, politisch unzuverlässig zu sein, wäre es ihm keinesfalls möglich gewesen, in Abbis Abeba und in Moskau an der Militärakademie zu studieren und dort politischen Unterricht zu erteilen. Zudem habe er ausdrücklich angegeben, von den äthiopischen Behörden weder verfolgt worden zu sein noch wegen seiner Abstammung Probleme gehabt zu haben. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb er im Falle der Rückkehr in die Heimat Furcht vor einer schweren Bestrafung oder einer Hinrichtung hätte. Die bloße ablehnende Haltung gegenüber dem im Heimatstaat herrschenden politischen System bilde für sich allein keinen Grund, den Beschwerdeführer als Flüchtling anzuerkennen.

Überdies sei die Flüchtlingseigenschaft eines Asylwerbers zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu beurteilen. Hiezu führte die belangte Behörde aus, daß sich die politische Situation im Mai 1991 durch die Flucht des damaligen Präsidenten grundlegend geändert habe und das kommunistische Militärregime gestürzt worden sei. Seither hätten im Juni 1994 freie Wahlen stattgefunden und es werde am Aufbau der Demokratie gearbeitet. Somit habe die Regierung, die im Jahr 1989 vom Beschwerdeführer abgelehnt worden sei, nicht mehr existiert. Daher wäre auch eine eventuelle Furcht vor Verfolgung nicht wohlbegründet im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, da eine solche Furcht auf Grund der äußeren Umstände objektiv nicht nachvollziehbar und begründbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde läßt die Wiedergabe der Ausführungen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid unbekämpft.

Insoweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe nach Aufhebung des in dieser Sache zunächst ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 12. Oktober 1993 durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. B 2201/93-9) keine Möglichkeit zur Berufungsergänzung eingeräumt, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß eine solche im Fall des Vorliegens einer den Erfordernissen des § 63 Abs. 3 und 5 AVG entsprechenden Berufung jederzeit - auch ohne eine entsprechende Aufforderung durch die Behörde - zulässig ist, wobei die Berufungsbehörde dann auf das neue Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen und sich mit diesem auseinanderzusetzen hat. Dem Beschwerdeführer stand überdies seit der Kundmachung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94-10, mit welchem das Wort "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 als verfassungswidrig aufgehoben wurde, mit BGBl. Nr. 610/94 vom 5. August 1994 die uneingeschränkte Möglichkeit offen, durch eine Berufungsergänzung auch einfache Verfahrensmängel zu rügen. Diese Möglichkeit hat der Beschwerdeführer jedoch nicht genützt und darüber hinaus auch in der Beschwerde keine relevanten Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt. Denn wenn der Beschwerdeführer in Ausführung der Verfahrensrüge vorbringt, die Ermittlungsbehörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß aus § 13a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der unbestrittenermaßen keine Angaben macht, denen ein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er sein Vorbringen konkret zu gestalten habe, um den gewünschten Erfolg zu erreichen, nicht abgeleitet werden kann (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Soweit der Beschwerdeführer der Ermittlungsbehörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist ihm zu entgegnen, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.

Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. aus vielen abermals das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Da sohin relevante erstinstanzliche Verfahrensmängel nicht vorliegen und der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren keine Bescheinigungsmittel vorlegte, die ihm im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugänglich waren, hat die belangte Behörde auf Grund des von ihr in der bereinigten Form anzuwendenden § 20 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens aus Gründen einer Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zu Recht unterlassen.

Unter dem Titel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerde, daß der Beschwerdeführer deshalb als Flüchtling anerkannt hätte werden müssen, weil aus seiner Fluchtgeschichte "wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung abzuleiten sei. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, daß es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus vielen das Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0746, welches auch vom Beschwerdeführer herangezogen wird) entspricht, daß die Gewährung asylrechtlichen Schutzes nicht ausschließlich an das Vorliegen von bereits gesetzten Verfolgungsmaßnahmen geknüpft werden darf, sondern auch dann in Frage kommt, wenn sich ein Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht, verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß auch die "wohlbegründete Furcht" Umstände voraussetzt, die geeignet sind, eine solche Furcht auszulösen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0746, lag ein Fall zugrunde, in welchem der damalige Beschwerdeführer an Ereignissen direkt beteiligt war (Schulsperre, gewaltsames Zurückdrängen der Lehrer, Registrierung der Lehrernamen, Entlassung aus dem Staatsdienst, dagegen gerichteter Protest), welche zusammen mit den danach anschließenden Verhaftungen und Mißhandlungen anderer ebenso beteiligter Lehrer grundsätzlich geeignet gewesen wären, eine "wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung auszulösen.

Im gegenständlichen Fall ist aber zu beachten, daß der Beschwerdeführer nur behauptet hat, er sei zur Militärlaufbahn "gezwungen" worden, ohne diesen "Zwang" darzulegen und ohne zu behaupten, daß er gegen die Militärlaufbahn etwas unternommen hätte; im Gegenteil hat er sich angepaßt, die Militärausbildung erfolgreich abgeschlossen und im Zuge seiner Tätigkeit sogar politische Vorträge gehalten. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, auch zu diesen Vorträgen "gezwungen" worden zu sein, ohne jedoch darzulegen, worin dieser Zwang bestand und daß er etwas gegen die Abhaltung der Vorträge unternommen habe. Daß er sich im Zuge von Gesprächen als Sympathisant der Putschisten des Mai 1989 zu erkennen gab, blieb bis zum Fluchtzeitpunkt 24. August 1989 jedenfalls ohne Folgen. Lediglich ergänzend wird zur unbeachtlichen Neuerung, die Kollegen hätten die Sympathie des Beschwerdeführers mit den Putschisten nach Abbis Abeba gemeldet, bemerkt, daß selbst diese Meldung nicht die Rückbeorderung des Beschwerdeführers aus Moskau oder eine Verfolgungshandlung nach sich gezogen hat.

Dem Schluß der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer weder verfolgt wurde noch eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vorlag, kann in Berücksichtigung der genannten Umstände nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Auf die Änderung der politischen Situation in Äthiopien, die von der belangten Behörde hilfsweise zur Begründung ihrer abweislichen Entscheidung herangezogen wurde, war daher ebensowenig einzugehen wie auf die Frage der Berechtigung der belangten Behörde hiezu.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt sohin erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Damit erübrigt sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995190099.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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