TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/31 95/19/0359

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Veröffentlicht am 31.08.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
StbG 1985 §6;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/19/1700 E 25. Jänner 1996

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995, Zl. 300.945/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. April 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 12. Oktober 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm begründend als erwiesen an, daß die von der Beschwerdeführerin geschlossene Ehe am 20. Februar 1995 vom Bezirksgericht Hernals für nichtig erklärt worden sei. Das Urteil sei seit 24. April 1995 rechtskräftig; die Beschwerdeführerin sei eine Scheinehe zum Zwecke der Erlangung des Aufenthaltsrechtes eingegangen. Dies stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und somit einen zwingenden Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar. Eine Interessenabwägung habe ergeben, daß die öffentlichen Interessen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin überwiegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn als rechtswidrig aufzuheben.

Die Beschwerde läßt den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt unbekämpft. Sie wendet sich jedoch gegen die Schlußfolgerung, daß die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin eine Ehe zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen, wie etwa eines Befreiungsscheines oder der Aufenthaltsbewilligung, eingegangen sei, ergebe, daß sie die öffentliche Ordnung gefährde. Es sei zwar durchaus richtig, daß das Eingehen einer derartigen "Scheinehe" einen evidenten Rechtsmißbrauch darstelle. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß die Ehe zu einem Zeitpunkt in Österreich geschlossen wurde, zu welchem, auch nach der damaligen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, eine Ehe nur dann mit Nichtigkeit bedroht gewesen sei, wenn sie zu dem Zweck geschlossen wurde, einem Ehepartner die Erlangung der Staatsbürgerschaft oder den Familiennamen des anderen zu verschaffen. Erst durch eine Änderung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Jahre 1994 habe auch der Verwaltungsgerichtshof eine ständige Judikatur in die Richtung entwickelt, daß er in diesen Verhaltensweisen einen Rechtsbruch erblicke, der den Interessen einer geordneten Fremdenpolitik zuwiderlaufe. Somit sei erst ab diesem Zeitpunkt eine zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile geschlossene Ehe als "Fehlverhalten" normiert. Als Sichtvermerksversagungsgrund sei dieser Tatbestand erst mit BGBl. vom 19. Mai 1995 in die Rechtsordnung aufgenommen worden. Daher könne aus einem zum Zeitpunkt der Eheschließung legalen Verhalten nunmehr Jahre später nicht der Schluß abgeleitet werden, daß weitere Rechtsbrüche zu erwarten seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung nach dem genannten Gesetz Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021, und vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0380, und Zl. 93/18/0443).

Die Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin sind aus folgenden Gründen verfehlt:

Zunächst verkennt die Beschwerdeführerin die Absicht des Gesetzgebers, bei Einführung des § 23 Ehegesetz (6. Juli 1938) und bei dessen Rezeption in die Rechtsordnung der Zweiten Republik, durch die Nichtigkeitssanktion des § 23 Ehegesetz nicht nur Scheinehen zu verhindern, die ausschließlich oder überwiegend dazu dienten, Namen oder Staatsbürgerschaft als solche zu erlangen, sondern auch - so ausdrücklich die Begründung zum Ehegesetz (DJ 1938, 1105) - zu verhindern, daß Ausländer über diesen Umweg eine Beschäftigungsmöglichkeit in Österreich erlangten. Dies war damals im wesentlichen nur über den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft möglich. Damals konnte der Gesetzgeber jedoch die spätere Entwicklung - nämlich die Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechtes sowie die nunmehrige Regelung von Aufenthalt und Beschäftigung von Ausländern in Österreich - nicht voraussehen. Daß der OGH die durch die genannten Änderungen entstandene planwidrige Gesetzeslücke durch den Beschluß vom 30. März 1994, 8 Ob 577/93, und darauf aufbauend mit Erkenntnis vom 30. September 1994, 4 Ob 554/94, seither in ständiger Rechtsprechung dadurch schloß, daß die Nichtigkeit des § 23 Ehegesetz auch auf jene Ehen anzuwenden sei, welche nur oder überwiegend zu dem Zweck geschlossen werden, einen Befreiungsschein zu erlangen, der dem Inhaber die Beschäftigung im Inland ermöglicht, oder auch sonst die Beschäftigungsbestimmungen zu umgehen bzw. leichter eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen, ist nur der Nachvollzug des bereits ursprünglich vorhandenen Normzweckes. Daß die Rechtsprechung sich erst nach Eheschluß der Beschwerdeführerin in diese Richtung änderte, macht nicht ungeschehen, daß der Zweck der Eheschließung der Beschwerdeführerin bereits bei Eheabschluß dem Normzweck des § 23 Ehegesetz widersprach.

Im wesentlichen verkennt die Beschwerdeführerin aber, daß es nicht Sache des angefochtenen Bescheides ist, wegen der Nichtigerklärung der Ehe die Aufenthaltsbewilligung zu versagen, sondern daß die Motive der Beschwerdeführerin, welche sie veranlaßten, die gegenständliche "Scheinehe" zu schließen, von allem Anfang an den Interessen einer geordneten Fremdenpolitik zuwiderliefen, um eben die Regelungen der Zugangsbeschränkungen Fremder nach Österreich zu umgehen.

Da sohin die Eheschließung ausschließlich zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen von allem Anfang einen Rechtsmißbrauch (sowohl des Aufenthaltsgesetzes, Fremdengesetzes, Ausländerbeschäftigungsgesetzes etc. als auch des Ehegesetzes) und solcherart ein Verhalten darstellte, welches den Schluß rechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung (nicht die öffentliche Ruhe oder die öffentliche Sicherheit) gefährden würde - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0266, vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0220, und vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0859) - kann der diesbezüglichen Schlußfolgerung der belangten Behörde nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden. Daß im Beschwerdefall eine solcherart rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe als erwiesen und deshalb der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz in Ansehung der Gefährdung der öffentlichen Ordnung als verwirklicht anzusehen sei, wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend und mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Der Interessenabwägung der belangten Behörde, daß die öffentlichen Interessen die Privatinteressen der Beschwerdeführerin überwiegen, ist die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich entgegengetreten. Die Anmerkung, daß die Beschwerdeführerin als Reinigungskraft in aufrechter Stellung beschäftigt ist, kann die Interessenabwägung der belangten Behörde nicht erschüttern, da die Beschäftigung gerade Ausfluß der gegenständlichen rechtsmißbräuchlichen Eheschließung ist. Die Beurteilung der belangten Behörde, daß die privaten Interessen der Beschwerdeführerin hinter den maßgeblichen Interessen zurückzustehen hätten, begegnet demnach keinen Bedenken.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995190359.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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