TE Vwgh Erkenntnis 1995/8/31 94/19/1404

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Veröffentlicht am 31.08.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §45 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1994, Zl. 4.344.964/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Südafrikas, der am 29. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. September 1994 einen Asylantrag gestellt hat, hat diesen, soweit es für die Erledigung der Beschwerde von Bedeutung ist, wie folgt begründet:

Er gehöre der Volksgruppe der Venda an. Am 29. Juli 1994 seien fünf zuvor an einem unbekannten Ort ermordete Menschen in sein Haus gelegt worden zu einem Zeitpunkt, als seine Familie schlief. Er habe dies am Morgen entdeckt. Vor dem Haus sei bereits eine Menschenmenge von Angehörigen der Venda versammelt gewesen, die seinen Vater für die Ermordung verantwortlich machen wollten. Sein Vater habe ihm gesagt, er solle zu Herrn G laufen und habe ihm seinen Paß gegeben. Der Beschwerdeführer sei über die Mauer ins Nachbargrundstück entkommen und zu Herrn G gelaufen. In der Zwischenzeit seien seine Eltern ermordet worden. Der Beschwerdeführer sei bei Herrn G geblieben, dieser habe ihm in der Folge einen Touristensichtvermerk verschafft. Er habe den Reisepaß am 28. August 1994 gegen 20.00 Uhr zurückerhalten und sei sogleich zum Flughafen gefahren. Der Beschwerdeführer sei geflüchtet, weil er Angst vor der Ermordung durch sein Volk gehabt habe, Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden habe er niemals gehabt.

Mit Bescheid vom 7. September 1994 wies das Bundesasylamt den Asylantrag ab. Das Bundesasylamt begründete unter anderem, daß die Verfolgung (bzw. die Furcht davor) an sich im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben muß. Die südafrikanische Polizei sei durchaus in der Lage, Verbrechen aufzuklären oder Opfern von Verbrechen den nötigen Schutz zu gewähren. Es möge zutreffen, daß die Polizei den Beschwerdeführer in unmittelbarer Umgebung seines Hauses nicht mehr ausreichend hätte schützen können, jedoch habe die Möglichkeit bestanden, sich in anderen Regionen sicher aufzuhalten.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung ergänzte der Beschwerdeführer seine Ausführungen bei der niederschriftlichen Einvernahme mit der Begründung, daß seine Muttersprache Venda sei, er nur etwa drei Jahre eine Schule besucht habe und daher die englische Sprache nur sehr schlecht beherrsche. Deshalb sei ein wesentlicher Punkt seiner Fluchtmotivation unberücksichtigt geblieben. Er habe erklärt, daß seine Eltern und er die einzigen Mitglieder der Inkatha Freedom Party (IFP) in ihrem Ort gewesen seien, der ANC jedoch die Mehrheit stelle. Mitglieder des ANC hätten versucht, seiner Familie die Morde an den fünf Personen anzulasten, um unter diesem Vorwand gegen sie vorgehen zu können. Zur Fluchtalternative führte er an, "keinesfalls der Auffassung zu sein, daß ich Schutz durch die Polizei in Südafrika erhalten hätte, noch in einem anderen Teil dieses Landes vor Verfolgung durch die Mörder meiner Eltern sicher gewesen sei."

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1994 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Der Bescheid wurde damit begründet, daß keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß sich die vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände auf das gesamte Gebiet seines Heimatlandes bezögen. Dies zeige sich daran, daß er laut eigenen Angaben ca. einen Monat nach den behaupteten Vorfällen im Heimatland verblieben sei, ohne irgendwelche Verfolgungen erlitten zu haben, wobei er sich offenbar sogar in der Nähe seines Elternhauses aufgehalten habe, weil er im Zuge des Vorfalles vom 29. Juli 1994 zu "Herrn G" gelaufen sei. Zudem habe der Beschwerdeführer ausdrücklich angeführt, Angst vor seinem eigenen Volk, dem Stamm der Venda, zu haben. Dieses Volk besitze lediglich einen Anteil von ca. 1,2 % an der schwarzen Bevölkerung, weshalb nicht anzunehmen sei, daß Venda dem Beschwerdeführer im gesamten Gebiet seines Heimatlandes nachstellen würden bzw. dazu die Möglichkeit hätten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde bringt gegen die Annahme der inländischen Fluchtalternative lediglich vor, daß die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nach § 16 Asylgesetz nicht nachgekommen sei, weil sie keine Ermittlungstätigkeit über die tatsächlichen Zustände im Heimatland des Beschwerdeführers aufgenommen habe. Insbesondere bleibe die belangte Behörde jegliche Erklärung dafür schuldig, warum sie davon ausgehe, daß sich die drohende Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr nicht auf das gesamte Staatsgebiet von Südafrika beziehen solle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß der angefochtene Bescheid mehrere Begründungselemente für die Annahme einer inländischen Fluchtalternative enthält. Der belangten Behörde kann nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus der Angabe des Beschwerdeführers, er sei am 29. Juli zum Bekannten seines Vaters (G) GELAUFEN, einerseits den Schluß zieht, daß sich der Aufenthaltsort (Haus des G) in relativer Nähe zum Wohnhaus des Beschwerdeführers befinde und andererseits in Verbindung mit dem vom 29. Juli bis 28. August 1994, 20.00 Uhr, dauernden verfolgungsfreien Aufenthalt bei G den Schluß zieht, daß in diesem Haus für den Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative bestanden habe. Hier ist noch zu bedenken, daß der Beschwerdeführer niemals behauptet hat, daß er sich in diesem Haus versteckt gehalten habe. Auch der zur Ergänzung herangezogenen Annahme, daß ein Volk mit ca. 1,2 % Anteil an der schwarzen Bevölkerung den Beschwerdeführer nicht im gesamten Gebiet des Heimatlandes nachstellen würde bzw. hiezu auch gar nicht die Möglichkeit hätte, ist ohne konkrete Gegendarstellung nicht von vornherein die Richtigkeit abzusprechen.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang Ermittlungstätigkeit der Behörde vermißt, so ist ihr entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112 - auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) die Behörde nur im Fall HINREICHEND DEUTLICHER HINWEISE im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen hat. Jedoch enthalten weder das erstinstanzliche Vorbringen noch die Berufung ausreichend deutliche Hinweise gegen die Annahme der inländischen Fluchtalternative, wobei die für die Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten Sprachprobleme für die schriftlich eingebrachte Berufung nicht behauptet wurden. Letztlich hat auch die Beschwerde der Annahme des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative in concreto nichts entgegengesetzt.

Da sich die Beschwerde somit bereits im Hinblick auf die Annahme einer bestehenden inländischen Fluchtalternative als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne daß noch auf das weitere, mittelbare staatliche Verfolgung durch mangelnden Schutz der Behörden behauptende Vorbringen der Beschwerde einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191404.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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