TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/4 95/10/0111

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Veröffentlicht am 04.09.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
70/05 Schulpflicht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §8;
SchPflG 1985 §23 Abs1;
SchPflG 1985 §7 Abs1;
SchPflG 1985 §7 Abs2;
SchPflG 1985 §7 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde 1.) der N A,

2.) der A A und 3.) des C A, sämtliche in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bezirksschulrates Gmunden vom 5. Mai 1995, Zl. 20-2/95, betreffend vorzeitiger Schulbesuch, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer - die Eltern der Erstbeschwerdeführerin - beantragten mit Eingabe vom 9. März 1995 bei der Leitung der Volksschule X die Aufnahme der nichtschulpflichtigen Erstbeschwerdeführerin in die erste Schulstufe dieser Volksschule.

Die Leiterin der Volksschule X unterzog die Erstbeschwerdeführerin einem Test und traf daraufhin am 16. März 1995 schriftlich die Entscheidung, daß die Erstbeschwerdeführerin nicht vorzeitig in die erste Schulstufe der Volksschule X aufgenommen werde.

In der Begründung führte die Volksschulleiterin an, die Erstbeschwerdeführerin zeige sich gesprächig und keineswegs scheu. Solle sie jedoch zu einer konkreten Situation sprechen, so versuche sie auszuweichen und zähle die dargestellten Dinge einfach auf. Sie erfasse die Situation nicht. Die Fähigkeit zur optischen Differenzierung sei noch schwach ausgebildet. Die Erstbeschwerdeführerin zeige sich als typisches Vorschulkind und könne daher nicht in die erste Schulstufe aufgenommen werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer brachten gegen diese Entscheidung eine als Ansuchen um Entscheidung über die vorzeitige Aufnahme zu wertende Berufung ein. Darin brachten sie vor, die Erstbeschwerdeführerin weise die sozialen Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Einschulung auf. Sie habe die kleinkindhafte Bindung an die Eltern überwunden, sei fähig, mehrere Stunden ohne Eltern auszukommen und sei in vielen Bereichen schon sehr selbständig (selbständiges Aus- und Anziehen). Sie sei fähig und bereit, neue außerfamiliäre Beziehungen zu anderen Kindern und Erwachsenen einzugehen, sich in Gruppen Gleichaltriger einzuordnen, mit anderen Kindern zusammenzuarbeiten und unter anderen Kindern konzentriert zu arbeiten. Alle diese Fähigkeiten und Eigenschaften seien in der Familie

(drei Kinder) und in den drei Jahren Kindergarten ausreichend trainiert worden. Was die Arbeitsqualitäten betreffe, so ließen sich fixierende Aufmerksamkeit, Durchhaltevermögen, der Wille zum Fertigstellen einmal begonnener Arbeiten, Leistungsbereitschaft (Wille und Lust am Leisten) u.ä. mit einer Fülle von erbrachten Leistungen belegen (diesbezüglich wurde auf die Beilagen verwiesen). Bezüglich der Grob- und Feinmotorik zeige sich besonders deutlich die positive Auswirkung des dreijährigen Kindergartenbesuches (auch in diesem Punkt wurde auf Beilagen verwiesen).

Zu den kognitiven Elementen Sprache, Zahlenbegriff, optische und aktustische Wahrnehmung sowie Gedächtnis wurde ausgeführt, alle Laute würden fehlerfrei ausgesprochen, der passive Wortschatz sei altersgemäß entwickelt und zeige sich u. a. darin, daß die Erstbeschwerdeführerin gerne Geschichten höre. In Situationen, in denen sich das Kind wohl fühle, spreche es gern und mit einem beachtlichen Wortschatz und einer altersgemäßen Ausdrucksfähigkeit. Sie setze sich gerne zu Bilderbüchern und freue sich, wenn ihr etwas vorgelesen werde. Was den Zahlenbegriff anlange, könne man jetzt schon von einem verläßlichen Zahlenbegriff bis sechs ausgehen. Das Heraussehen und Heraushören von Details, das Fixieren von Teilen einer größeren Menge udgl. mehr, seien von der Erstbeschwerdeführerin schon genügend geübt worden. Die optische und akustische Differenzierungsfähigkeit sei daher ausreichend entwickelt (Hinweis auf Beilagen). Mit dem Gedächtnis gebe es keinerlei Probleme. Die Erstbeschwerdeführerin könne u.a. schon viele Lieder und Sprüchlein.

Daß die angeführten Eigenschaften und Fähigkeiten bei der Erstbeschwerdeführerin schon jetzt vorhanden seien, bestätige die Kindergärtnerin nicht nur, sondern sie habe ausdrücklich den vorzeitigen Schulbesuch angeregt.

Schulfähige Dispenskinder hätten ein Recht darauf, in die Schule aufgenommen zu werden. Die Leiterin der Volksschule X habe auf den Wunsch nach einer vorzeitigen Aufnahme der Erstbeschwerdeführerin dahingehend reagiert, daß Dispenskinder nicht mehr aufgenommen würden; wenn auf einer Ausnahme bestanden werde, werde sie die Erstbeschwerdeführerin testen. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer seien weiters aufgefordert worden, die Erstbeschwerdeführerin dem Schularzt vorzuführen.

Das negative Ergebnis der Untersuchung der Volksschulleiterin werde nicht akzeptiert, da der Eindruck bestehe, daß die Volksschulleiterin von vornherein ein negatives Urteil wollte, kompetente Leute, mit denen die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer gesprochen hätten, eine punktuelle Untersuchung ablehnten, die Durchführung des Tests in der Klasse (neue Umgebung, neue Gesichter, Prüfungsdeutsch,....) schlechte Bedingungen geschaffen habe und aus der Stellungnahme der Volksschulleiterin hervorgehe, daß sie das Kind offenbar nur unter zwei Gesichtspunkten beobachtet habe (Gesprächsfähigkeit, optische Differenzierung). Mit einem derart kurzen und extrem oberflächlichen Gutachten eine so schicksalsbestimmende, von wertvollen Entwicklungsbedingungen ausschließende Entscheidung treffen zu wollen, sei empörend und in höchstem Maß verantwortungslos. Die Beurteilung der Schulfähigkeit sei ein halbes Jahr vor Schulbeginn erfolgt. Darüber hinaus erscheine eine Prognose im März über den Entwicklungsstand im September als sehr fragwürdig.

Diesem Schriftsatz ist die Erklärung von fünf Personen angefügt, daß sie von der Schulfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin überzeugt seien. Eine dieser Personen wird als die Kindergärtnerin der Erstbeschwerdeführerin ausgewiesen; bezüglich der anderen Personen fehlt eine nähere Bezeichnung ihrer Funktion.

Mit Schreiben vom 11. April 1995 teilte die belangte Behörde der Zweitbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer mit, gemäß § 7 Abs. 7 des Schulpflichtgesetzes 1985 (SchPflG) habe die belangte Behörde zur Feststellung, ob ein Kind die Schulreife gemäß § 7 Abs. 2 SchPflG aufweise, vor der Entscheidung ein amtsärztliches Gutachten einzuholen und forderte die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer auf, einen entsprechenden Termin mit der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu vereinbaren. Weiters informierte die belangte Behörde die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer, daß nach dem SchPflG ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen sei, wenn die Eltern dies verlangten oder es zur Feststellung der Schulreife erforderlich erscheine und die Eltern zustimmten. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer wurden ersucht, etwaige Gutachten der belangten Behörde vorzulegen.

Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer antworteten, sie hätten von einem Arzt die körperliche Schulreife bescheinigt erhalten und auch eine Untersuchung der Volksschulleiterin über sich ergehen lassen. Sie seien nicht bereit, der Erstbeschwerdeführerin noch eine weitere Untersuchung zuzumuten. Die Erstbeschwerdeführerin sei schulfähig. Das einzige, das sie der Erstbeschwerdeführerin noch zumuten würden, sei Folgendes: Sollte der Erstbeschwerdeführerin eine Aufnahme in die Schule verweigert werden, würden sie sie im September von einer qualifizierten Kommission überprüfen lassen.

Mit Bescheid vom 5. Mai 1995 sprach die belangte Behörde gemäß § 7 Abs. 2 und 7 SchPflG aus, daß die Erstbeschwerdeführerin zum vorzeitigen Besuch der ersten Schulstufe der Volksschule X im Schuljahr 1995/96 nicht berechtigt sei.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer hätten die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens oder eines schulpsychologischen Gutachtens abgelehnt. Da der belangten Behörde keine weiteren Unterlagen zur neuerlichen Entscheidung zur Verfügung stünden, könne dem Antrag auf vorzeitige Aufnahme in die erste Schulstufe nicht stattgegeben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, die Behauptungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, sie hätten ein amtsärztliches oder ein schulpsychologisches Gutachten abgelehnt, sei falsch. Insbesondere Letzteres hätte auch auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse, nämlich insbesondere ihres fachkundig bestätigten Berufungsvorbringens und der dazu vorgelegten Unterlagen erstellt werden können. Das gelte auch für ein amtsärztliches Zeugnis. Es sei ohnedies weitgehend üblich, daß sich Amtsärzte nur auf Grund schriftlicher Unterlagen äußerten, ohne eigene Untersuchungen durchzuführen. Es habe daher für die belangte Behörde eine klare Alternative gegeben. Primär werde von den Beschwerdeführern der Standpunkt vertreten, daß die aktenkundige Beweislage für eine Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Begehrens völlig ausgereicht habe. Der belangten Behörde sei nicht nur ein Berufungsvorbringen im üblichen Sinn vorgelegen, sondern ein solches, welches in seinen Sachaussagen durch fünf Personen bestätigt worden sei, welchen die erforderlichen Fachkenntnisse zugebilligt werden müßten; die fachlichen Aussagen seien auch noch durch entsprechende Unterlagen belegt worden. Es bestehe kein Begutachtungsmonopol für behördlich beigezogene Sachverständige. Die der positiven Beweisführung der Beschwerdeführer entgegenstehende Aussage der Volksschulleiterin sei völlig inadäquat. Wenn sich aber die belangte Behörde nicht in der Lage gesehen habe, selbst den Widerspruch zwischen der Verneinung der Schulreife durch die Volksschulleiterin und den untermauerten Angaben der Beschwerdeführer über deren Vorliegen zu lösen, dann habe die einzige rechtskonforme Möglichkeit darin bestanden, für diese Aufgabe fachkundige Unterstützung beizuziehen, also ein (schulpsychologisches) Gutachten auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse einzuholen. Es könne der Behörde nicht die fachliche Fähigkeit zugebilligt werden, richtig zu erkennen, ob vorliegende Beweismittel für eine solche Begutachtung ausreichten oder nicht. Hätte ein beigezogener Sachverständiger erklärt, daß die gegebenen Beweismittel für eine gesicherte Begutachtung nicht ausreichten und daß unbedingt eine weitere Untersuchung oder ein Test erforderlich seien, so wären die Beschwerdeführer vor einer anderen Situation gestanden und hätten sich allenfalls anders entschieden. Es sei daher inakzeptabel, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung allein auf die erstinstanzliche Bescheidbegründung gestützt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift beantragt, die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen, im übrigen die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten zuzusprechen.

Der Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird damit begründet, Parteien im Verwaltungsverfahren seien nur die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer gewesen, nicht aber die Erstbeschwerdeführerin. Diese komme auch nicht als Beteiligte im Sinne des § 21 VwGG in Betracht. Da der in Beschwerde gezogene Bescheid keine Rechtsposition der Erstbeschwerdeführerin begründet habe, könne auch durch eine allfällige Aufhebung dieses Bescheides die Erstbeschwerdeführerin in keinen Rechten verletzt sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des mit "Vorzeitiger Besuch der Volksschule" überschriebenen § 7

SchPflG lauten:

"(1) Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, sind auf Ansuchen ihrer Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zum Anfang des Schuljahres in die erste Schulstufe aufzunehmen, wenn sie bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres das 6. Lebensjahr vollenden und schulreif sind.

(2) Schulreif ist ein Kind, wenn begründete Aussicht besteht, daß es dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden.

....

(4) Der Schulleiter hat zur Feststellung, ob das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2 aufweist, die persönliche Vorstellung des Kindes zu verlangen und ein schulärztliches Gutachten einzuholen. Ferner hat er ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen, wenn dies die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes verlangen oder dies zur Feststellung der Schulreife erforderlich erscheint und die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes zustimmen.

(5) Über das Ansuchen um vorzeitige Aufnahme hat der Schulleiter ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Von der Entscheidung hat er die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten unverzüglich - im Falle der Ablehung unter Angabe der Gründe - schriftlich in Kenntnis zu setzen.

(6) Hat der Schulleiter die vorzeitige Aufnahme abgelehnt, so wird diese Entscheidung nach Ablauf von zwei Wochen, nachdem die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes hievon in Kenntnis gesetzt worden sind, wirksam, sofern diese nicht innerhalb der genannten Frist beim Bezirksschulrat ein Ansuchen um Entscheidung über die vorzeitige Aufnahme einbringen. Ein solches Ansuchen können die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten auch dann einbringen, wenn der Schulleiter über das bei ihm eingebrachte Ansuchen nicht innerhalb von vier Wochen entschieden hat, wobei die Frist von zwei Wochen mit Ablauf der vierwöchigen Frist zu laufen beginnt. Solange die Entscheidung des Schulleiters nicht wirksam ist oder keine gegenteilige Entscheidung des Bezirksschulrates vorliegt, darf das Kind die Schule besuchen.

(7) Der Bezirksschulrat hat zur Feststellung, ob das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2 aufweist, vor seiner Entscheidung ein schul- oder amtsärztliches Gutachten einzuholen. Ferner hat er ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen, wenn dies die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes verlangen oder dies zur Feststellung der Schulreife erforderlich erscheint und die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes zustimmen. Gegen diese Entscheidung des Bezirksschulrates ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

§ 7 Abs. 1 SchPflG sieht vor, daß der Antrag auf vorzeitige Aufnahme in die erste Schulstufe von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zu stellen ist. § 7 Abs. 1 leg. cit. weist diesbezüglich dieselbe Struktur auf, wie der die Befreiung vom Besuch der Berufsschule regelnde § 23 Abs. 1 SchPflG. Zu dieser letztgenannten Bestimmung hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1974, VfSlg. 7466, ausgesprochen, daß sowohl die Eltern (oder sonstigen Erziehungsberechtigten) als auch der Schulpflichtige Partei eines solchen Verfahrens sind. Das Gleiche gilt für Verfahren nach § 7 SchPflG. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ist daher zulässig.

§ 7 Abs. 7 SchPflG sieht die Einholung eines schul- oder amtsärztlichen Gutachtens durch den Bezirksschulrat vor. Ohne Vorliegen eines solchen Gutachtens darf eine vorzeitige Aufnahme in die erste Schulstufe nicht bewilligt werden. Eigene Angaben der Antragsteller können dieses Beweismittel nicht ersetzen.

Nun ist zwar die Einholung des Schul- oder amtsärztlichen Gutachtens im § 7 Abs. 7 SchPflG - anders als die Einholung eines schulpsychologischen Gutachtens - nicht an die Zustimmung der Eltern (oder sonstigen Erziehungsberechtigten) gebunden. Dies bedeutet aber nicht, daß ein solches Gutachten auch gegen den Willen der Eltern eingeholt werden müßte. Die vorzeitige Aufnahme in die erste Schulstufe ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag zu bewilligen. Die Antragsteller trifft eine Pflicht zur Mitwirkung im Verfahren. Das schließt es aus, das vom Gesetz vorgesehene schul- oder amtsärztliche Gutachten gegen den erklärten Willen der Antragsteller zu beschaffen, etwa durch zwangsweise Vorführung der Erstbeschwerdeführerin zur Untersuchung. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde versucht, das vorgeschriebene Gutachten einzuholen, was aber an der Verweigerung der entsprechenden Mitwirkung durch die Beschwerdeführer scheiterte.

Das schul- oder amtsärztliche Gutachten hat sich nach § 7 Abs. 7 SchPflG mit der Frage zu befassen, ob das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2 aufweist. Nach § 7 Abs. 2 SchPflG ist ein Kind schulreif, wenn begründete Aussicht besteht, daß es dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden. Das schul- oder amtsärztliche Gutachten hat sich demnach auf die Frage der körperlichen oder geistigen Überforderung zu beziehen. Ein (positives) Gutachten über die Schulreife konnte nicht (allein) auf Grund der Behauptungen der Beschwerdeführer, daß die Erstbeschwerdeführerin die Schulreife aufweise, erstellt werden, sondern setzte eine eigene Befundaufnahme durch den Amtsarzt voraus. Die Weigerung der Beschwerdeführer, daran mitzuwirken, hat diese Befunderhebung unmöglich gemacht. Das schul- oder amtsärztliche Gutachten soll in objektiver und fachkundiger Weise belegen, ob die Schulreife gegeben ist oder nicht. Es kann daher auch deshalb nicht (allein) auf den mit den Feststellungen der Volksschulleiterin in Widerspruch stehenden Ausführungen der Beschwerdeführer aufbauen, die jenen Sachverhalt, den das Gutachten erst unter Beweis stellen soll, nämlich das Vorliegen der Schulreife, bereits als gegeben behaupten.

Die Einholung eines schulpsychologischen Gutachtens ist nur auf Verlangen oder mit Zustimmung der Eltern zulässig. Ein solches Verlangen wurde nicht gestellt und eine solche Zustimmung wurde nicht erteilt.

Durch das Verhalten der Beschwerdeführer wurde es der belangten Behörde unmöglich gemacht, die für eine positive Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer vom Gesetz zwingend vorgesehenen Beweismittel einzuholen. Sie konnte daher nur mit einer Abweisung des Antrages vorgehen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Anforderung an ein Gutachten Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Sachverständigengutachten Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995100111.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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