Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. April 1995, Zl. VI/4-Fo-31/9, betreffend Wiederbewaldungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 27. September 1989 stellte ein Forstaufsichtsorgan fest, daß auf näher bezeichneten Grundstücken der Beschwerdeführerin der forstliche Bewuchs (ca. fünfjährige Laubholzkultur) vor kurzem entfernt und die Flächen eingeebnet und mit Schotter planiert worden waren.
Mit Bescheid vom 22. Jänner 1990 trug die BH der Beschwerdeführerin auf, die näher bezeichneten, auf dem einen Bestandteil des Bescheides bildenden Lageplan ausgewiesenen Flächen mit standorttauglichen Holzarten bis 31. Mai 1990 wiederzubewalden.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie insbesondere die Waldeigenschaft der Flächen bestritt.
Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 1994 wurde festgestellt, daß die strittigen Flächen Wald im Sinne des ForstG sind. Der Bescheid erwuchs (infolge Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) in Rechtskraft. Ein Rodungsantrag der Beschwerdeführerin wurde abgewiesen.
Die belangte Behörde holte Befund und Gutachten eines forstfachlichen Amtssachverständigen ein. Dieser verwies zunächst auf den im Waldfeststellungsverfahren am 4. Februar 1994 erhobenen Befund. Danach grenzen die gegenständlichen Flächen im Norden, Osten und Westen an Laubholzbestände an. Auf den strittigen Flächen sei die Humusschicht entfernt und das Niveau abgesenkt worden. Es handle sich nunmehr um Rohboden, zum Teil mit Gräsern und Kräutern bedeckt und von vereinzelten zwei- bis vierjährigen Laubgehölzen (Pappel und Weide)bestanden. Die Flächen gehörten zum Wuchsgebiet nördliches Alpenvorland - Buchen-Mischwaldgebiet, auf Grund der Zugehörigkeit zur kollinen Höhenstufe sei der Eichen-Hainbuchenwald mit all seinen Nebenbaumarten (Esche, Kirsche, Weißerle etc.) typisch. In den seit der Entfernung des Bewuchses im Jahr 1989 vergangenen fünf Jahren habe sich, weil nur noch der Rohboden vorhanden sei, abgesehen von wenigen Einzelbäumen keine Naturverjüngung eingestellt. Vom derzeitigen Zustand ausgehend sei eine Naturverjüngung auch nicht zu erwarten. Infolge der mittlerweile dichten Gras- und Krautschichte könnten sich auch Pioniergehölze wie z.B. Birke nicht ausreichend durchsetzen. Es sei daher eine Aufforstung erforderlich. Um den Aufforstungserfolg sicherzustellen, müsse eine mindestens 30 cm dicke Schicht aus humosem Bodenmaterial aufgebracht werden. Ferner enthält das Gutachten detaillierte Angaben über die bei der Aufforstung zu beachtende Vorgangsweise, die zu verwendenden standorttypischen Baumarten sowie Anzahl und Pflanzabstand der Bäume.
Nach Vorhalt dieses Beweisergebnisses legte die Beschwerdeführerin dar, die Gemeinde E. strebe für die fraglichen Flächen die Widmung Bauland/Betriebsgebiet an. Dies würde bedeuten, daß die Flächen als Waldgebiete auszuscheiden und nicht wiederzubewalden wären. Es werde daher beantragt, bis zur Entscheidung über die angestrebte Umwidmung mit der Berufungsentscheidung zuzuwarten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe der Festsetzung der Leistungsfrist mit 31. Mai 1995 sowie einer näheren Vorschreibung der bei der Wiederbewaldung einzuhaltenden Vorgangsweise betreffend Baumarten, Anzahl und Verteilung der Bäume sowie Pflanzabstände. Begründend ging die belangte Behörde von jenem Sachverhalt aus, der im oben auszugsweise wiedergegebenen Befund und Gutachten des Amtssachverständigen dargelegt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 13 Abs. 1 ForstG hat der Waldeigentümer Kahlflächen und Räumden, im Schutzwald nach Maßgabe des § 22 Abs. 3, mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse rechtzeitig wiederzubewalden.
Nach Abs. 3 leg. cit. sollen standortgerechte Altbestände möglichst naturverjüngt werden. In diesem Fall sowie bei Nutzungsarten und auf Standorten, bei denen die Naturverjüngung durch Samen, Stock- oder Wurzelausschlag innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren die Regel ist, darf mit der Wiederbewaldung über den in Abs. 2 festgelegten Zeitraum hinaus zugewartet werden. Unterbleibt jedoch die Naturverjüngung oder reicht sie zur vollen Bestockung nicht aus, dann ist spätestens im achten, dem Entstehen der Kahlfläche oder Räumde nachfolgenden Kalenderjahr die Wiederbewaldung durchzuführen.
Die Beschwerde vertritt zunächst - zusammengefaßt - die Auffassung, es dürfe die Aufforstung nicht aufgetragen werden. Diese sei nicht zur Walderhaltung erforderlich, weil ohnedies Naturverjüngung vorliege. Der Naturverjüngung sei nach dem Gesetz der Vorzug zu geben. Bereits im ersten Vegetationsjahr nach der Entfernung der ursprünglichen Bepflanzung und des Bodenmaterials sei "eine Naturverjüngung von Erle und Pappel" hervorgegangen. Im Jahr 1994 sei ein zwei- bis vierjähriger Nebenbaumartenbestand konstatiert worden, im Jahr 1995 auch ein "entsprechender Eschenbestand", der aus dem Hauptbaumbestand herrühre, der an den verfahrensgegenständlichen Bereich anschließe. Dieser sei - die Südseite ausgenommen - von standorttypischen Waldflächen umgeben; die Voraussetzungen für die Annahme einer Naturverjüngung lägen somit vor. Davon ausgehend sei "die Auffassung des Sachverständigen, daß trotz vorhandener Naturverjüngung der gegenständliche Bereich hiefür nicht geeignet sei", nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin habe auch die an und für sich besten Maßnahmen zum Gelingen einer Naturverjüngung gesetzt, nämlich "die Abschiebung und Aufreißung des Bodenmaterials". Erst nach dem Verstreichen einer Frist von acht Jahren, ohne daß zu diesem Zeitpunkt eine Naturverjüngung vorliege, wäre die Erlassung eines Aufforstungsauftrages zulässig.
Diese Darlegungen zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Behörde hat der Naturverjüngung im Sinne des § 13 Abs. 3 ForstG dann den Vorzug vor der Aufforstung zu geben - und damit ein Zuwarten mit der Aufforstung für die Dauer des längeren Wiederbewaldungszeitraumes des § 13 Abs. 3 zweiter Satz ForstG zuzulassen - wenn nach den Gegebenheiten des konkreten Falles das Aufkommen eines zur vollen Bestockung (vgl. § 13 Abs. 3 letzter Satz ForstG) ausreichenden standortgerechten Folgebestandes innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3 zweiter Satz ForstG erwartet werden kann. Unter anderem setzt die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 3 ForstG Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen voraus, die dafür Gewähr bieten, daß sich ein den Anforderungen der zitierten Gesetzesstelle entsprechender Folgebestand entwickeln kann (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juli 1993, Zl. 90/10/0097). Dafür, daß im Beschwerdefall Eigenschaften des Standortes vorlägen und eine Behandlung des Waldbodens erfolgt wäre, die den soeben dargelegten Anforderungen entspräche, bieten die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf den nicht als unschlüssig zu erkennenden Darlegungen des Sachverständigen aufbauen, keine Grundlage.
Die Beschwerde irrt, wenn sie aus dem festgestellten vereinzelten Vorkommen von Bäumen - im übrigen nicht standortgerechter Arten - ableitet, daß "ohnedies Naturverjüngung vorliegt". Nach den im Verwaltungsverfahren unwidersprochen gebliebenen, nicht als unschlüssig zu erkennenden Darlegungen des Sachverständigen, auf deren Grundlage entsprechende Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, sei ungeachtet des beschriebenen vereinzelten Vorkommens von Bäumen das Aufkommen einer Naturverjüngung im Sinne des § 13 Abs. 3 ForstG nicht zu erwarten. Die - im übrigen neue (vgl. § 41 VwGG) - Behauptung, die "Abschiebung und Aufreißung des Bodenmaterials" könne als "an und für sich beste Maßnahme zum Gelingen einer Naturverjüngung bezeichnet" werden, ist auch ohne sachverständige Kenntnisse als falsch zu erkennen. Es ist allgemein bekannt, daß die im vorliegenden Fall festgestellte Entfernung der Humusschicht eine den Pflanzenwuchs nicht fördernde, sondern hindernde Maßnahme ist. Nach den Ergebnissen des Waldfeststellungsverfahrens stellt sich diese Vorgangsweise der Beschwerdeführerin auch nicht als eine die Naturverjüngung vorbereitende oder begleitende Waldbaumaßnahme, sondern als Baumaßnahme zur Errichtung eines Autoabstellplatzes dar. Nach dem mängelfrei festgestellten Sachverhalt kann somit nicht davon die Rede sein, daß die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 ForstG vorlägen.
Die Beschwerde erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ferner darin, daß eine Aufforstung mit insgesamt 4000 Bäumen angeordnet wurde. Dies bedeute eine Stammanzahl von fast 12000 pro Hektar, was jeder forstlichen Vernunft widerspräche. Im Erhebungsbericht vom 27. September 1989 sei "eine Aufforstung von 700 Stück festgelegt" worden.
Aus § 13 Abs. 7 und 8 ForstG folgt, daß das Ziel der Wiederbewaldung die Herbeiführung einer "gesicherten Verjüngung" ist; diese ist - nach Abs. 8 leg. cit. - insbesondere dann erreicht, wenn sie nach drei Wachstumsperioden angewachsen ist und eine "nach forstwirtschaftlichen Erfordernissen ausreichende Pflanzenzahl" aufweist. Die Behörde hat sich bei der Vorschreibung der Pflanzenzahl somit an forstwirtschaftlichen Erfordernissen zu orientieren; welche Pflanzenanzahl sie vorzuschreiben hat, ist daher eine Sachverhaltsfrage, die - sofern die Behörde nicht selbst über ausreichende forstfachliche Kenntnisse verfügt - auf sachverständiger Ebene zu lösen ist. Die belangte Behörde hat ihren Auftrag am Gutachten des Sachverständigen orientiert; dieses ist auch insoweit nicht als unschlüssig zu erkennen. Die Beschwerdeführerin ist dem ihr vorgehaltenen Gutachten, auch was die vom Sachverständigen als erforderlich erachtete Pflanzenzahl betrifft, nicht entgegengetreten; auf welcher Grundlage nunmehr ihre in der Beschwerde vertretene Auffassung beruht, der erteilte Auftrag widerspreche die Pflanzenanzahl betreffend "jeder forstlichen Vernunft", ist nicht zu erkennen.
Eine Auseinandersetzung mit dem im Erhebungsbericht eines Organes der Forstaufsicht vom 27. September 1989 enthaltenen, nach der Aktenlage durch Streichungen und Radierungen mehrfach veränderten Vermerk, "die Fläche wäre mit ... Weißerle 200 Stück, Eschen 300 Stück, Eichen 200 Stück aufzuforsten", war nicht geboten, weil es sich dabei nicht um ein Beweismittel handelt, das mit Befund und Gutachten des Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene in Beziehung hätte gesetzt werden können.
Der Beschwerde gelingt es somit mit ihrem Hinweis auf die vorgeschriebene Pflanzenanzahl nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerde gegen den Auftrag wendet, "zur Sicherstellung des Wiederbewaldungserfolges eine zumindest 30 cm dicke Schicht aus humosem Bodenmaterial aufzubringen". Die Beschwerdeführerin ist im Verwaltungsverfahren trotz gebotener Gelegenheit der Auffassung des Sachverständigen, diese Maßnahme sei zur Gewährleistung des Wiederbewaldungserfolges erforderlich, nicht entgegengetreten; schon unter diesem Gesichtspunkt kann es der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, wenn nunmehr die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme bestritten wird.
Schließlich erblickt die Beschwerde eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde "die Auffassung vertritt, es handle sich bei den strittigen Flächen um Kahlflächen"; richtigerweise könne - "wenn überhaupt" - nur von Räumden gesprochen werden. Dem ist entgegenzuhalten, daß an keiner Stelle des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten wird, es handle sich bei den strittigen Flächen um Kahlflächen. Im übrigen könnte mit dem oben wiedergegebenen Hinweis der Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit aufgezeigt werden, weil nach der Anordnung des § 13 Abs. 1 ForstG nicht nur Kahlflächen, sondern auch Räumden (zu den Begriffen vgl. § 1 Abs. 7 ForstG) wiederzubewalden sind.
Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 41 Abs. 2 VwGG als unbegründet abzuweisen. Es erübrigt sich daher eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Entfall der Beiziehung Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995100103.X00Im RIS seit
20.11.2000