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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. August 1994, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 27. April 1994 beim Arbeitsamt Angestellte Wien den Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens legte er zwei Arbeitsbescheinigungen vor: Nach der Arbeitsbescheinigung der L. AG vom 17. Mai 1994 stehe er vom 19. Juli 1989 bis "laufend", zuletzt als Flugbegleiter, in einem Beschäftigungsverhältnis; er sei u.a. in der Zeit vom 19. November 1993 bis 31. März 1994 in einem unbezahlten Urlaub gewesen und stehe in der Zeit vom 1. Mai 1994 bis 30. Juni 1994 neuerlich in einem unbezahlten Urlaub. Nach der (undatierten) Arbeitsbescheinigung der Firma X. GmbH sei der Beschwerdeführer in der Zeit vom 26. November 1993 bis 31. März 1994 als Büroleiter beschäftigt gewesen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1994 wies das Arbeitsamt für Sicherungsdienste Wien den Antrag gemäß § 12 i.V.m. § 7 AlVG mangels Arbeitslosikeit ab. Begründet wurde der Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer laut der von ihm vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 17. Mai 1994 laufend in einem Dienstverhältnis mit der L. AG stehe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer Nachstehendes ein: Er stehe in einem durchgehenden Arbeitsverhältnis mit der L. AG. Aufgrund großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätte die L. AG mit Kündigungen bzw. mit drastischen Arbeitszeitverkürzungen der dienstjüngsten Flugbegleiter gedroht. Da der Beschwerdeführer im Senioritätsprinzip der L. AG (Dienstalter) als sehr jung gelte und somit als in die untere 10 %-Grenze falle, habe er einer "freiwilligen" Arbeitszeitverkürzung zugestimmt, indem er nur 4 Monate pro Jahr aktiv fliege und die restliche Zeit als Mitarbeiter im unbezahlten Urlaub geführt werde. Dieser Regelung habe er zugestimmt, weil er bei einem österreichischen Reisebüro, der X. GmbH, für die Zeiten des unbezahlten Urlaubs eine gutbezahlte Tätigkeit habe aufnehmen können. Nun sei er jedoch auch bei der X. GmbH aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und drohendem Konkurs Opfer der Personaleinsparung geworden. Somit resultiere seine Arbeitslosigkeit nicht aus dem deutschen Arbeitsverhälntis, sondern aus der Kündigung durch die österreichische Gesellschaft. Er werde die derzeitige Regelung mit der L. AG nicht ändern, weil sie sich auf dem Weg der finanziellen Besserung befinde und er für seine Zukunft diesen Arbeitsplatz sichern und erhalten möchte. Selbstverständlich habe er auch versucht, seinen unbezahlten Urlaub bei der L. AG abzubrechen, was jedoch unter keinen Umständen möglich sei. Er habe um Arbeitslosen-Unterstützung nur für den Monat Mai 1994 eingereicht, obwohl er auch in den Monaten Juni und September 1994 sowie in der Zeit von November 1994 bis März 1995 kein Einkommen seitens der L. AG haben werde. Für Juni und September 1994 werde er einen Sprachkurs in Spanien belegen, um über das höhere Bildungsniveau seinen Arbeitsvertrag bei der L. AG zusätzlich zu sichern, und werde ihn auch aus eigenen Mitteln finanzieren. Für die Wintermonate habe er sich als Reiseleiter beworben und habe gute Chancen diesen Job zu bekommen. Da er sich somit trotz seiner schwierigen Lage immer bemüht habe, die Arbeitslosigkeit zu verhindern, was ihm mit Ausnahme des Monates Mai 1994 auch gelungen sei, ersuche er daher, ihm auf dem Kulanzweg die Arbeitslosenunterstützung für den Monat Mai 1994 nachzugewähren.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sowie nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschens ausgeführt, daß bei einer Karenzierung eines Dienstverhältnisses, wie im Fall des Beschwerdeführers in der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1994, das Dienstverhältnis dem Grunde nach aufrecht sei und lediglich ein Teil der beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeitspflicht einerseits, Entgeltzahlungspflicht andererseits) ruhe und deshalb mangels Beendigung des Dienstverhältnisses die erste Voraussetzung des § 12 Abs. 1 AlVG nicht erfüllt sei. § 12 Abs. 7 AlVG stelle den einzigen Ausnahmsfall davon dar. Deshalb habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beeindigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, in eingehender Auseinandersetzung mit dem bis dahin vorliegenden Schrifttum die (in der Folge, so z.B. in den Erkenntnissen vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0047, vom 22. Juni 1993, 92/08/0036, und vom 21. September 1993, 92/08/0157, beibehaltene) Auffassung vertreten, daß durch eine einen Monat (§ 11 Abs. 3 lit. a ASVG) übersteigende Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeits- bzw. Entgeltpflicht) zwar die Pflichtversicherung nach dem ASVG, nicht aber das (als Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierende) Arbeitsverhältnis erlösche. Das erste Tatbestandsmerkmal des § 12 Abs. 1 AlVG ("Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses") sei aber - sehe man von den Abs. 7 und 8 des § 12 leg. cit. ab - nur im Falle der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfte, erfüllt, d.h. dieses müsse gelöst (und nicht bloß karenziert) sein, damit die (gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche) Arbeitslosigkeit i.S.d. genannten Gesetzesstelle vorliege. Bestanden mehrere arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, so liegt konsequenterweise Arbeitslosigkeit nur dann vor, wenn alle diese Beschäftigungsverhältnisse beendet sind (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0182). Ob dies auch dann zutrifft, wenn - trotz Karenzierung eines Beschäftigungsverhältnisses - die Anwartschaft i.S.d. § 14 AlVG schon aufgrund des anderen, beendeten Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, braucht im Beschwerdefall nicht geprüft zu werden, weil aus dem vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Beschäftigungsverhältnis mit der X. GmbH allein die Anwartschaft nicht erfüllt wäre.
Dieser Rechtslage entspricht der angefochtene Bescheid. Eines Ermittlungsverfahrens, dessen Durchführung der Beschwerdeführer vermißt, bedurfte es nicht, weil die relevanten Tatumstände (aufrechter Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der L. AG und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mit der X. GmbH) unstrittig sind. Die Zitierung des § 12 Abs. 7 AlVG, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer meint, es sei nicht ersichtlich, was dies "zum gegebenen Sachverhalt beizutragen" vermöge, hatte den in der Bescheidbegründung ohnedies zum Ausdruck gebrachten Zweck, darzulegen, daß diese Bestimmung den einzigen Ausnahmefall von der dargestellten Regelung des § 12 Abs. 1 AlVG bilde, und diente damit offensichtlich auch dazu, dem Ersuchen des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenunterstützung für den Monat Mai 1994 "auf dem Kulanzwege" zu entgegnen, daß dies angesichts der dargestellten Rechtslage nicht möglich sei.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht VertragsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080288.X00Im RIS seit
18.10.2001