Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §415;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Mai 1995, Zl. 120.147/2-7/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung teils als unzulässig, teils als verspätet (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 16. März 1994 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, daß der Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1991 gemäß § 2 BSVG "der Versicherungs- und Beitragspflicht" unterliege.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Der Landeshauptmann von Kärnten gab dem Einspruch keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß dagegen ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei, jedoch die Möglichkeit bestehe, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach Zustellung eine begründete, mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene Beschwerde beim Verwaltungs- bzw. beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
Diesen Bescheid erhielt der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen am 6. November 1994 zugestellt. Am 20. Dezember 1994 gab er gegen diesen Bescheid eine Berufung zur Post, welche mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid, soweit sie die Beitragspflicht betraf, gemäß § 182 BSVG in Verbindung mit § 415 ASVG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde als unzulässig, soweit sie sich auf die Versicherungspflicht bezog, gemäß §§ 61 Abs. 2 und 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt darin
- zusammengefaßt - vor, daß eine Trennung der Spruchteile, wie sie die belangte Behörde hinsichtlich der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht vorgenommen habe, unzulässig sei, da der Landeshauptmann "in keiner Weise differenziert und getrennt die Versicherungspflicht von der Beitragspflicht behandelt" habe. § 415 ASVG könne nur dahin verstanden werden, daß aus verwaltungsökonomischen Gründen der Instanzenzug beim Landeshauptmann erschöpft sein solle, wenn ausschließlich über die Beitragspflicht, d.h. über die Höhe und den Umfang des Beitrages Zweifel bestünden, nicht jedoch, wenn an der Versicherungspflicht Zweifel bestünden, sodaß die Beitragspflicht untrennbar von der Versicherungspflicht zu sehen sei. Hier unterliege die belangte Behörde einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Soweit sich die Berufung gegen die Versicherungspflicht richte, habe die belangte Behörde das Rechtsmittel deshalb zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen, weil zugunsten des Beschwerdeführers ein Anwendungsfall des § 61 Abs. 3 AVG vorliege. Die Berufung des Beschwerdeführers sei innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen sechswöchigen Frist eingelangt und daher rechtzeitig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zur Beurteilung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren maßgebenden Rechtsfragen kann zunächst die Frage dahingestellt bleiben, ob die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit ihrem erstinstanzlichen Bescheid vom 16. März 1994 in einer zulässigen Weise über die Beitragspflicht in der Pensionsversicherung entschieden hat oder ob der Spruch dieses Bescheides nur dahin zu verstehen sei - worauf die Ausführungen des Beschwerdeführers hinauslaufen - daß an sich nur über die Beitragspflicht "dem Grunde nach", und damit über nichts anderes als die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers entschieden werden sollte. Selbst wenn nämlich die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern nur über die Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung des Beschwerdeführers entschieden hätte (und damit Sache des Einspruchsverfahrens nur die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers gewesen wäre), wäre eine Berufung des Beschwerdeführers betreffend seine - in diesem Fall vom Verfahren gar nicht betroffene - Beitragspflicht an die belangte Behörde unzulässig gewesen. Aber auch die vom Beschwerdeführer hervorgehobene enge Verknüpfung der Frage der Beitragspflicht mit der (im Beitragsverfahren eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellenden) Versicherungspflicht führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Instanzenzug nach der Hauptfrage und nicht nach der Vorfrage bestimmt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. November 1978, Slg. Nr. 9689/A). Der Beschwerdeführer ist daher auch aus dem Blickwinkel seines Beschwerdevorbringens durch den Abspruch im angefochtenen Bescheid, daß seine Berufung, soweit sie die Beitragspflicht betrifft, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde als unzulässig zurückgewiesen werde, in seinen Rechten nicht verletzt worden.
Soweit die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abspruch über die Versicherungspflicht als verspätet zurückgewiesen wurde, erfolgte dies aus nachstehenden Gründen ebenfalls zu Recht:
Der Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß die Möglichkeit bestehe, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach Zustellung eine begründete, mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene Beschwerde beim Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichtshof einzubringen. Diese Rechtsmittelbelehrung ist - bezogen auf die Möglichkeit, gegen den Abspruch über die Versicherungspflicht Berufung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales zu erheben - einerseits unrichtig, gleichzeitig aber auch unvollständig, weil sie eben diesen Hinweis auf die Berufungsmöglichkeit - entgegen § 61 AVG - nicht enthält.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält jedoch diese Rechtsmittelbelehrung nicht etwa eine längere als die gesetzliche Berufungsfrist, da - wie die belangte Behörde mit Recht ausführt - zwischen dem Rechtsbehelf der Beschwerde an den Verwaltungs- bzw. an den Verfassungsgerichtshof einerseits und dem aufsteigenden Rechtsmittel der Berufung im Sinne des § 66 AVG andererseits zu unterscheiden ist. Die Bestimmung des § 61 Abs. 3 AVG, wonach das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig gilt, wenn in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist, kann sich (in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AVG) schon nach ihrem Wortlaut immer nur auf die Frist jenes Rechtsmittels beziehen, welches in der Rechtsmittelbelehrung genannt ist. Für den Fall, daß ein Bescheid fälschlich die Erklärung enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig ist, sieht § 61 Abs. 2 AVG hingegen vor, daß ein Rechtsmittel (nur dann) als rechtzeitig eingebracht gilt, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde, für den Fall der Versäumung einer Rechtsmittelfrist wegen UNRICHTIGER Rechtsmittelbelehrung (nämlich: daß keine Berufung zulässig sei) räumt § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Die belangte Behörde hat daher auch die mit keinem Wiedereinsetzungsantrag verbundene, verspätete Berufung des Beschwerdeführers in der Angelegenheit der Versicherungspflicht zu Recht zurückgewiesen.
Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 AVG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen; mit der Erledigung der Beschwerde in der Hauptsache ist ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entbehrlich.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995080213.X00Im RIS seit
20.11.2000