TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/5 93/08/0220

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Veröffentlicht am 05.09.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der H in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. August 1993, Zl. VII/1-B-16.366/93, betreffend Pflegegeld nach dem NÖ Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 11. September 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden die Zuerkennung von Pflegegeld nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz (NÖ SHG). Nach Einholung des gemeindeärztlichen Gutachtens vom 13. Oktober 1992, wonach die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, ohne fremde Hilfe ihren Haushalt zu versorgen und für ihre täglichen Bedürfnisse selbst zu sorgen, erfolgte am 16. November 1992 eine amtsärztliche Begutachtung. Danach sei für die Beschwerdeführerin kaum Bedarf an fremder Hilfe zum An- und Auskleiden, zur täglichen Körperreinigung und Pflege, zum Essen und Trinken, zur Verrichtung der Notdurft bzw. dieser wegen Inkontinenz, zur Zubereitung einfacher Speisen, zur Beheizung des Wohnraumes oder zum Zurechtmachen der Schlafstelle sowie zur Besorgung von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Heizmaterial und sonstigen lebenswichtigen Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs, zum Waschen der Leib- und Bettwäsche und zum Aufräumen und zur Reinigung der Wohnung gegeben.

Nach Vorlage der gemeindeärztlichen Bestätigungen vom 5. Jänner 1993 durch die Beschwerdeführerin, wonach sie den Haushalt aus gesundheitlichen Gründen nicht alleine versorgen könne und deshalb Hilfe dafür benötige sowie vom 15. Jänner 1993 über ihre Arbeitsunfähigkeit und Abgabe einer Stellungnahme vom 14. Jänner 1993 wurde ihr Antrag mit Bescheid der BH vom 26. Jänner 1993 mit der Begründung abgewiesen, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen vom 16. November 1992 die Voraussetzungen für einen Zuspruch des Pflegegeldes nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz, nämlich ständig Wartung und Hilfe für einzelne lebenswichtige Verrichtungen zu benötigen, nicht erfüllt seien.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen fristgerecht Berufung, in der sie im wesentlichen vorbrachte, daß im von ihr bekämpften Bescheid auf den in ihrer Stellungnahme geschilderten Gesundheitszustand ebensowenig eingegangen worden sei wie auf den von ihr vorgelegten gemeindeärztlichen Befund vom 5. Jänner 1993. Außerdem fehle eine Begründung dafür, auf welchen medizinischen Grundlagen die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens beruhten, sowie welche Verrichtungen von ihr selbst besorgt werden könnten. Auf Grund der mangelnden Sachverhaltsfeststellung sei ein neuerliches Sachverständigengutachten, in welchem ihr Vorbringen Berücksichtigung finde, einzuholen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes seien sehr wohl erfüllt.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 7. April 1993, Abgabe einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin am 13. Mai 1993 und Gewährung von Akteneinsicht gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft. In der Bescheidbegründung wird unter Bezugnahme darauf, daß die Beschwerdeführerin von der auf ihren Antrag hin gewährten Akteneinsicht in die medizinischen Gutachten zwar Gebrauch gemacht habe, in der Folge dazu jedoch keine Stellungnahme abgegeben habe, ausgeführt, daß - gestützt auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 7. April 1993 - die medizinischen Tatsachen nicht die Annahme der Notwendigkeit eines Bedarfes an dauernder persönlicher Hilfestellung und Wartung gestatten würden. Das Ausmaß des festgestellten Bedarfes an Wartung bzw. Hilfe sei so gering, daß die Kosten hiefür nicht annähernd die Höhe des Pflegegeldes der Stufe 1 (§ 33 Abs. 3 lit. a NÖ SHG) erreichen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin den Antrag stellt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften ausgeführten Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 7. April 1993 gestützt habe, dieses Gutachten aber in mehrfacher Hinsicht mangelhaft sei.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Beschwerdeführerin dieses Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde, worauf sie mit Schriftsatz vom 13. Mai 1993 um Bekanntgabe des von der Bezirkshauptmannschaft eingeholten Sachverständigengutachtens ersuchte. Ohne Kenntnis dieses Gutachtens sei sie nicht in der Lage, eine substantielle Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführerin wurde daraufhin mitgeteilt, daß sie bis 30. Juli 1993 jederzeit Akteneinsicht nehmen könne. Aus einem Aktenvermerk ergibt sich, daß ein Vertreter der Beschwerdeführerin am 26. Juli 1993 Akteneinsicht nahm. Eine Stellungnahme zum Sachverständigengutachten vom 7. April 1993 erfolgte jedoch nicht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Juni 1959, VwSlg. Nr. 5007/A, und vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0008), befreit der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 39 Abs. 2 AVG), die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist - wie der Verwaltungsgerichtshof weiter ausgesprochen hat - die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat.

Die Feststellung der belangten Behörde, daß - gestützt auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 7. April 1993 - bei der Beschwerdeführerin die Annahme der Notwendigkeit eines Bedarfes an dauernder persönlicher Hilfestellung und Wartung nicht gegeben sei, kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden.

Wenn in der Beschwerde ferner auch das von der Behörde erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten als mangelhaft kritisiert wird, ist darauf zu verweisen, daß dieses Gutachten nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Gutachten Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993080220.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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