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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des BäderhygieneG über die zur Erstattung eines wasserhygienischen Gutachtens zugelassenen Sachverständigen mangels Eingriff in die Rechtssphäre des AntragstellersSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Das Bäderhygienegesetz, BGBl. 254/1976, versucht, den durch den immer häufigeren Besuch von Bädern durch die Bevölkerung und durch den ständigen Bau und Ausbau von Badeanlagen steigenden Gefahren der Übertragung von Krankheiten in Bädern präventiv zu begegnen. Diesem Ziele dienen ua. die Statuierung einer Bewilligungspflicht für die Errichtung und für den Betrieb von Bädern, von periodischen Kontrollen, die Einräumung der Möglichkeit der Vorschreibung weiterer Auflagen auch bei rechtskräftig bewilligten Anlagen uam.
In seiner Stammfassung verpflichtete §14 Abs2 leg.cit. den Inhaber eines Hallenbades oder künstlichen Freibeckenbades, dafür zu sorgen, daß hinsichtlich der hygienischen Betriebsführung innerbetriebliche Kontrollen vorgenommen und hierüber Aufzeichnungen geführt werden.
1.2. Mit Bundesgesetz BGBl. 16/1992 (in Kraft getreten gemäß Art49 Abs1 B-VG nach Ablauf des 10. Jänner 1992) wurde das Bäderhygienegesetz ua. dahingehend novelliert, daß §14 Abs2 neu gefaßt und nach diesem Abs2 die Absätze 3 bis 7 angefügt wurden, sodaß §14 Abs2, Abs3 und Abs7 nunmehr lauten:
"§14. (1) ...
(2) Der Inhaber eines Hallenbades oder künstlichen Freibeckenbades hat einmal jährlich ein wasserhygienisches Gutachten über die Beschaffenheit des Beckenwassers sowie über die Beschaffenheit des Wasch- und Brausewassers, wenn dieses nicht aus einer öffentlichen Trinkwasserversorgung entnommen wird, durch einen Sachverständigen für Hygiene einzuholen.
(3) Als Sachverständige der Hygiene sind Amtsärzte, Hygieneinstitute von österreichischen Universitäten oder Gebietskörperschaften, bundesstaatliche bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalten oder gleichartige Anstalten, die unter der Leitung eines Facharztes für Hygiene stehen, heranzuziehen.
...
(7) Der Inhaber eines Hallenbades oder künstlichen Freibeckenbades hat ferner dafür zu sorgen, daß hinsichtlich der hygienischen Betriebsführung innerbetriebliche Kontrollen vorgenommen und hierüber Aufzeichnungen geführt werden. Gutachten gemäß Abs2 und 5 sind diesen Aufzeichnungen anzuschließen und zumindest durch drei Jahre hindurch aufzubewahren."
2. Mit seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt der Antragsteller die kostenpflichtige Aufhebung des §14 Abs3 des Bäderhygienegesetzes idF des Bundesgesetzes BGBl. 16/1992, in eventu der Worte "Anstalten, die unter der Leitung eines Facharztes für Hygiene stehen", wegen Verfassungswidrigkeit, und zwar wegen Verstoßes gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG, auf Freiheit der Berufswahl und -ausbildung gemäß Art18 StGG und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG.
Dieser Antrag enthält Ausführungen zur Antragslegitimation und die nach Auffassung des Antragstellers gegen die angefochtene Regelung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Die Bundesregierung erstattete auf Grund ihres Beschlusses vom 4. November 1992 eine Äußerung, in welcher die Anfechtungslegitimation ebenso verneint wird wie die sachliche Berechtigung des Antrages. Sie beantragt, den Individualantrag zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die bekämpfte Regelung nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde, und für den Fall der Aufhebung, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Antragslegitimation erwogen:
1. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, daß ihm mit Beschluß des zuständigen Universitätsorganes vom 25. Juni 1987 - genehmigt durch den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung unter dem 31. Juli 1987 - die Lehrbefugnis als Universitätsdozent für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin erteilt worden sei. Mehr als zwei Jahre sei er als Assistenzarzt am Hygiene-Institut der Universität Wien tätig gewesen und er habe in den Jahren 1980 und 1981 eine weitere praktische Ausbildung in Hygiene und Mikrobiologie am Hygiene-Institut der Universität Wien absolviert. Während seiner Tätigkeit am Hygiene-Institut der Universität Wien habe er die mikrobiologischen und hygienischen Arbeitsmethoden, die Voraussetzung für die Anerkennung als Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie durch die Österreichische Ärztekammer sind, erlernt. Insbesondere beherrsche er die Untersuchung von Wasser in mikrobiologischer und chemischer Hinsicht sowie dessen hygienische Beurteilung.
Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz habe ihm gemäß §50 Abs2 des Lebensmittelgesetzes 1975 mit Bescheid vom Juli 1991 die Bewilligung zur Durchführung von entgeltlichen Untersuchungen nach dem Lebensmittelgesetz 1975 und zur Erstattung von Gutachten darüber mit dem Standort Institut für Wasseraufbereitung, Abwasserreinigung und -forschung, Geschäftsstelle Linz, bewilligt. Diese Bewilligung erstreckte sich auf die Untersuchung und Begutachtung von Trinkwasser und Mineralwasser (einschließlich dessen Hygiene; Mikrobiologie und Toxikologie) entsprechend dem Teilgebiet Z10 der Gruppe D der Anlage 3 der Lebensmittelgutachterverordnung BGBl. 324/1978 idF der Verordnung BGBl. 80/1991. Zur Durchführung von Untersuchungen und zur Erstattung von Gutachten stehe dem Antragsteller das Personal und die Laboreinrichtung des genannten Instituts zur Verfügung.
Auf Grund seiner Befähigung und vorgenannten Berechtigungen sei er für ein - näher bezeichnetes - Unternehmen als Gutachter für die Prüfung der Trinkwasserqualität gegen Entgelt tätig. Dieses Unternehmen habe an ihn das Angebot herangetragen, über seine bisherige gutachterliche Tätigkeit im Trinkwasserbereich hinaus für die vom genannten Unternehmen betriebenen öffentlichen Bäder entsprechende wasserhygienische Gutachten gegen Entgelt zu erstatten; er sei dazu bereit und voll befähigt, seiner Tätigkeit stehe aber das Bäderhygienegesetz entgegen. §14 Abs3 des Bäderhygienegesetzes bestimme den Kreis der zur Erstattung eines wasserhygienischen Gutachtens im Sinne des §14 Abs2 leg.cit. zugelassenen Sachverständigen für Hygiene in Form einer taxativen Aufzählung. Dadurch werde der Antragsteller von dieser Tätigkeit ausgeschlossen, es werde unmittelbar in seine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit, Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz eingegriffen und er werde in diesen Rechten verletzt. Im weiteren behauptet er das Vorliegen all jener Kriterien, die nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Individualantrages gemäß Art140 (und Art139) B-VG sind.
2. Nach Ansicht der Bundesregierung liegen im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Voraussetzungen für einen Individualantrag nach Art140 Abs1 B-VG aus mehreren Gründen nicht vor.
2.1. In erster Linie sei zu berücksichtigen, daß sich §14 Abs3 des Bäderhygienegesetzes nicht unmittelbar an den Antragsteller (gelegentlich irrtümlich als Beschwerdeführer bezeichnet) richte, sondern lediglich Inhaber eines Hallenbades oder künstlichen Freibeckenbades verpflichte, wasserhygienische Gutachten von bestimmten, als Sachverständige für Hygiene anerkannten Personen bzw. Einrichtungen einzuholen. Normadressat dieser Bestimmung sei jedenfalls nicht der Antragsteller, für diesen stelle die angefochtene Bestimmung bloß eine faktische Reflexwirkung der ausschließlich an die genannten Betreiber von Bädern gerichteten Normen dar.
2.2. Darüber hinaus sei jedoch auch die Behauptung des Antrages unzutreffend, die angefochtene Bestimmung sei für den Antragsteller unmittelbar wirksam geworden und es stehe ihm ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteten verfassungswidrigen Eingriffes in seine Rechte nicht zur Verfügung. Nach dem Regelungskonzept der angefochtenen Bestimmung sei der Kreis der Sachverständigen der Hygiene, die zur Erstellung wasserhygienischer Gutachten im Sinne des §14 Abs2 Bäderhygienegesetz berechtigt sind, nicht in so eindeutiger Weise festgelegt, daß über diesbezügliche Zweifelsfragen nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides begehrt werden könnte. Diese Bestimmung definiere als Sachverständige der Hygiene auch den bundesstaatlichen bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalten gleichartige Anstalten, die unter Leitung eines Facharztes für Hygiene stehen. Es sei somit nicht von vornherein auszuschließen, daß das Bestehen der vom Gesetz geforderten "Gleichartigkeit" durch einen - wenn auch im Bäderhygienegesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen - Bescheid festgestellt werde. Dabei handle es sich um einen zumutbaren Weg der Rechtsverfolgung.
Dies werde im übrigen gerade durch die - diesbezüglich unklaren - Ausführungen im Antrag unterstrichen, aus welchen nicht eindeutig hervorgehe, ob der Antragsteller in einem Leitungsverhältnis zu dem im Antrag genannten Institut stehe. Wäre dies nämlich der Fall, so wäre der Antragsteller keineswegs vom Kreis derjenigen Personen ausgeschlossen, die wasserhygienische Gutachten im Sinne des §14 Abs2 leg.cit. erstatten dürften. Ein vom Antragsteller angestrengtes Feststellungsverfahren könnte gerade diese Unklarheiten beseitigen und die Rechtslage im Sinne des Antragstellers klären.
3. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
4. Wie immer auch der Inhalt der bekämpften Regelung gedeutet wird, greift sie nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein, sodaß sich der Antrag im Sinne dieser ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls als unzulässig erweist:
4.1. Erfaßt nämlich §14 Abs3 des Bäderhygienegesetzes in Übereinstimmung mit der Auffassung des Antragstellers und der Bundesregierung mit der Formulierung "gleichartigen Anstalten, die unter der Leitung eines Facharztes für Hygiene stehen," auch private, mit entsprechender sachlicher Ausstattung versehene Einrichtungen, griffe die Regelung deshalb nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers ein, weil sie sich seit dem Inkrafttreten des Akkreditierungsgesetzes, BGBl. 468/1992, mit 1. Jänner 1993 (vgl. ArtV Abs1 leg.cit.) nur an akkreditierte Prüfstellen richtet; zu diesen zählt aber der Antragsteller nicht.
Gemäß §1 Abs1 Akkreditierungsgesetz regelt nämlich dieses Bundesgesetz die Akkreditierung von Prüf-(, Überwachungs- und Zertifizierungs)stellen und legt die Voraussetzungen hiezu fest; es gilt nach Abs2 dieser Bestimmung in Bereichen, in denen der Bund für die Gesetzgebung und Vollziehung zuständig ist, sofern die diese Bereiche regelnden Bundesgesetze keine den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechenden Regelungen über die Akkreditierung solcher Stellen enthalten. Das Bäderhygienegesetz regelt eine Materie, welche in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes fällt, und es enthält keine Regelungen über die - allfällige - Akkreditierung von Prüfstellen. Sogesehen wendet sich also die wiedergegebene Wortfolge des §14 Abs3 des Bäderhygienegesetzes - nunmehr - nur an akkreditierte Prüfstellen.
Gewiß stand im Zeitpunkt der Antragstellung, nämlich im August 1992, das Akkreditierungsgesetz noch nicht in Kraft. Doch muß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu (Individual-)Anträgen nach Art. (139 und) 140 B-VG die Legitimation nicht nur zur Zeit der Einbringung des Antrages, sondern auch der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gegeben und die angefochtene generelle Norm daher noch im Entscheidungszeitpunkt für den Antragsteller wirksam sein (VfSlg. 9868/1983, 9881/1983, 11808/1988, 12178/1989, 12182/1989, 12413/1990; 12632/1991, 12731/1991, 12756/1991; VfGH 12.10.1991, V61/91).
Dies wäre hier unter der eingangs angegebenen Voraussetzung nicht (mehr) der Fall.
4.2. Geht man jedoch davon aus, daß es sich bei den gemäß §14 Abs2 des Bäderhygienegesetzes seitens der Inhaber von Hallen- bzw. Freibeckenbädern einzuholenden Gutachten um Amtsgutachten handelt, ist es ebenfalls ausgeschlossen, daß die bekämpfte Rechtsvorschrift in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift; er ist auch unter dieser Voraussetzung nicht ihr Adressat. Wie nämlich der Verfassungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, berühren Rechtsvorschriften, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, selbst die Rechtssphäre der diese Funktion innehabenden Organwalter nicht (vgl. VfSlg. 8187/1977, 8210/1977, S 447, 8385/1978, 8774/1980, 9713/1983, aber auch 12399/1990).
4.3. Der Antrag erweist sich sohin als unzulässig, er war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Gesundheitswesen, Bäderhygiene, OrganwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G168.1992Dokumentnummer
JFT_10069384_92G00168_00