Index
41/02 Melderecht;Norm
AlVG 1977 §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 19. 2. 1992, Zl. IVb/7022/7100 B, 920/4215 260561, betr Karenzurlaubsgeld, Sondernotstandshilfe und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Datum vom 19. Februar 1992 erließ die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid, dessen Spruch folgendermaßen lautet:
"Über Ihre Berufung vom 20.12.91 gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 3.12.91 betreffend Widerruf der vom 30.4.86 bis 14.3.89 und vom 9.5.90 bis 30.9.91 bezogenen Leistung und Berichtigung des vom 1.7.85 bis 31.12.85 bezogenen Karenzurlaubsgeldes von S 199,20 täglich auf S 133,20 täglich, des vom 1.1.86 bis 29.4.86 bezogenen Karenzurlaubsgeldes von S 207,4 täglich auf S 138,7 täglich, des vom 6.7.89 bis 31.12.89 bezogenen Karenzurlaubsgeldes von S 244,8 täglich auf S 170,10 täglich und des vom 1.1.90 bis 8.5.90 bezogenen Karenzurlaubsgeldes von S 252,2 täglich auf S 175,2 täglich sowie Rückforderung der vom 1.10.86 bis 29.4.88 bezogenen Sondernotstandshilfe in der Höhe von S 104,033,--, der vom 30.4.88 bis 14.3.89 bezogenen Notstandshilfe in der Höhe von S 57.793,--, der vom 9.5.90 bis 30.9.91 bezogenen Sondernotstandshilfe in der Höhe von S 128.742,-- sowie des Differenzbetrages, der sich aus der Berichtigung des vom 6.7.89 bis 8.5.90 bezogenen Karenzurlaubsgeldes ergab, in der Höhe von S 23.227,--, insgesamt S 313.795,-- gem. §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 und Abs. 4, § 29 Abs. 1, 33 Abs. 2 lit. c, § 39 Abs. 2 und 4, § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) sowie § 2 Notstandshilfeverordnung (BGBl. Nr. 352/1973) in jeweils geltender Fassung, weiters Abweisung Ihres Antrages vom 17.9.91 auf Sondernotstandshilfe ab 1.10.91 gem. den zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Landesarbeitsamt Wien durch seinen gem. § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 58 leg. cit. zuständigen Unterausschuß des Verwaltungsausschusses mit Beschluß entschieden:
Ihrer Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt."
Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin erstmals am 30. Juli 1985 einen Antrag auf Karenzurlaubsgeld gestellt, wobei sie als Wohnsitz von ihr und ihrer Tochter Wien VII, angegeben habe. Als Kindesvater sei von ihr Dr. F, wohnhaft in Wien II, A-Gasse, genannt worden.
Am 2. September 1985 habe die Beschwerdeführerin gegenüber dem Arbeitsamt ihre laut Meldezettel vom 23. August 1985 neue Adresse in Wien XXI, bekanntgegeben. Am 29. August 1985 habe sich die Beschwerdeführerin samt ihrer Tochter auch in Wien II, A-Gasse, also in der Wohnung des Vaters ihrer unehelichen Tochter, angemeldet, was sie jedoch dem Arbeitsamt nicht bekanntgegeben habe.
In weiterer Folge habe die Beschwerdeführerin am 24. April 1986 einen Antrag auf Sondernotstandshilfe gestellt, wobei (ebenso wie in den Folgeanträgen vom 13. April 1987, vom 11. November 1987 sowie den Anträgen vom 22. April 1988 und 25. Jänner 1989) als ordentlicher Wohnsitz nur die Adresse in Wien XXI, angegeben worden sei. Am 14. Juli 1989 habe die Beschwerdeführerin für ihren am 8. Mai 1989 geborenen Sohn Karenzurlaubsgeld beantragt, wobei als Kindesvater wieder Dr. F angegeben worden sei. Als ihre Adresse habe die Beschwerdeführerin in diesem Antrag (ebenso wie in den Anträgen vom 3. Mai 1990, vom 24. Oktober 1990, vom 10. April 1991 und vom 17. September 1991) nunmehr Wien II, B-Gasse, angegeben.
Bei der Überprüfung des Antrages vom 17. September 1991 habe das Arbeitsamt festgestellt, daß auf den Meldezetteln der Kinder dieselbe Adresse wie die des Kindesvaters aufscheine. Aufgrund einer Meldeanfrage habe das Arbeitsamt daraufhin in Erfahrung gebracht, daß die Beschwerdeführerin auch an der Adresse des Kindesvaters in Wien II, A-Gasse, seit 29. August 1985 gemeldet sei.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 1991 sei das Arbeitsamt Versicherungsdienst zur Auffassung gelangt, daß die Beschwerdeführerin seit 29. August 1985 nicht alleinstehend sei; außerdem sei der Bestand einer Lebensgemeinschaft als erwiesen angenommen worden.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer dagegen erhobenen Berufung vorgebracht, ihre Anmeldung und die ihrer Tochter in der Wohnung des Kindesvaters sei lediglich deshalb erfolgt, um das Eintrittsrecht in die Wohnung zu sichern. Eine Anmeldung im Sinne des Meldegesetzes 1972 liege nicht vor, da ihr die Wohnung des Kindesvaters nicht zur Befriedigung ihrer Wohnbedürfnisse gedient habe. Das Arbeitsamt habe zu Unrecht aus der bloßen Tatsache einer Doppelmeldung abgeleitet, daß die Beschwerdeführerin nicht alleinstehend sei. Es sei auch nicht richtig, daß sie dem Arbeitsamt nicht bekanntgegeben habe, daß sie an der Adresse des Kindesvaters gemeldet sei, da sie bei jeder Antragstellung ihre Meldezettel vorgelegt habe, auf denen der Umstand der Doppelmeldung vermerkt sei. Zwischen ihr und dem Kindesvater bestünde auch keine Lebensgemeinschaft. Der Abschluß einer Lebensversicherung zugunsten der Kinder und die Tatsache einer Doppelmeldung könnten das Bestehen einer solchen nicht erweisen.
Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei die Beschwerdeführerin seit 23. August 1985 in Wien XXI, gemeldet. Seit 29. August 1985 bestünde auch eine Doppelmeldung an der Adresse des Kindesvaters in Wien II, A-Gasse. Seit
26. April 1989 sei die Beschwerdeführerin in Wien II, B-Gasse, gemeldet. Die Beschwerdeführerin habe dem Arbeitsamt ihren Wohnsitz in Wien II, A-Gasse, nicht bekanntgegeben. Das Berufungsvorbringen, wonach auf den vorgelegten Meldezetteln der Vermerk "Doppelmeldung" aufscheine, stehe im Widerspruch zur Aktenlage, wonach das Arbeitsamt erst aufgrund der Meldezettel der Kinder der Beschwerdeführerin von der Doppelmeldung erfahren habe. Im übrigen sei die Beschwerdeführerin verpflichtet, in den Leistungsanträgen ALLE für den Leistungsbezug entscheidenden persönlichen Verhältnisse anzugeben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien ledige Mütter schon dann nicht als alleinstehend zu betrachten, wenn sie und der Kindesvater des außerehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 an der gleichen Adresse angemeldet seien oder anzumelden wären (Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0127). Bei Zutreffen dieses Umstandes sei nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenlebten und einen gemeinsamen Haushalt führten. Aufgrund des Umstandes, daß am 14. Juli 1989 das zweite Kind der Beschwerdeführerin geboren worden sei, dessen Vater ebenfalls Dr. F sei, vertrete die belangte Behörde die Ansicht, daß auch eine Lebensgmeinschaft vorliege. Nach dem Ermittlungsverfahren sei die Beschwerdeführerin nach wie vor an der Adresse des Kindesvaters aufrecht gemeldet. Wo sie in der Zeit vom 30. April 1988 bis 14. März 1989 tatsächlich überwiegend gewohnt habe, könne nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden. Zum Wesen einer Lebensgemeinschaft gehöre die Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen könnte. Nach den allgemeinen Erfahrungen des Lebens spreche die Tatsache, daß beide Kinder von ein und demselben Kindesvater stammten und dieser auch Schritte gesetzt habe, um die Kindesmutter und die Kinder finanziell abzusichern (gemeint: Abschluß einer Lebensversicherung), für das Bestehen einer engeren Verbundenheit, wie es eben eine Lebensgemeinschaft auszeichne. Der Bescheid des Arbeitsamtes sei daher zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführerin hat dazu eine Gegenäußerung
erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 27 Abs. 2 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 594/1983 erhalten alleinstehende Mütter ein erhöhtes Karenzurlaubsgeld.
Als nicht alleinstehend gilt nach § 27 Abs. 4 AlVG eine Mutter, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre.
Alleinstehende Mütter, die wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlaß für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil erwiesenermaßen für das Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, ist nach § 39 Abs. 1 AlVG bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres dieses Kindes Notstandshilfe zu gewähren, sofern der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erschöpft ist und, mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit, die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt werden.
Nach § 39 Abs. 2 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 594/1983 gilt auch hier eine Mutter nicht als alleinstehend, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre.
In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß nach den §§ 27 Abs. 4 und 39 Abs. 2 AlVG eine Mutter nicht als alleinstehend gelte, die ledig, geschieden oder verwitwet sei und mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet sei oder anzumelden wäre. Entscheidend sei somit nicht die bloße Anmeldung, sondern ob eine Meldung nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 vorliege. § 1 Abs. 1 des Meldegesetzes bestimme, daß sich derjenige anzumelden habe, der in einer Wohnung Unterkunft nehme. Unterkunft sei überall dort anzunehmen, wo Räume von einer Person zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses benützt würden. Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob die Anmeldung an der Adresse des Kindesvaters überhaupt den Vorschriften des Meldegesetzes entsprochen habe. Die Beschwerdeführerin habe in den Räumlichkeiten des Kindesvaters niemals gewohnt. Die Anmeldung sei nur erfolgt, um im Falle des Ablebens des Kindesvaters das Eintrittsrecht in die Wohnung zu sichern. Die Anmeldung an der Adresse des Kindesvaters entspreche daher nicht den Vorschriften des Meldegesetzes. Nach den Ermittlungen der belangten Behörde wohne Dr. F in Wien II, A-Gasse, alleine (vgl. die Hausumfrage der Behörde vom 15. Jänner 1992). In der Wohnung seien auch keinerlei Hinweise auf die Beschwerdeführerin gefunden worden. Der frühere Wohnungsgeber der Beschwerdeführerin in Wien XXI, habe bestätigt, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter in der Zeit vom August 1985 bis April 1989 dort gewohnt habe. MR, die Wohnungsinhaberin in Wien II, B-Gasse, habe in einer Niederschrift vom 4. Februar 1992 als Zeugin angegeben, daß die Beschwerdeführerin seit April 1989 dort bei ihr wohne. Erhebungen an dieser Adresse hätten auch ergeben, daß die Beschwerdeführerin mit ihren beiden Kindern in diesem Haus wohne und täglich zu verschiedenen Zeiten gesehen werde. Was die Annahme einer Lebensgemeinschaft anlange, so könne aus der bloßen Tatsache, daß der Kindesvater seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nachkomme und eine Lebensversicherung zugunsten seiner Kinder abgeschlossen habe, noch keineswegs auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft geschlossen werden.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin "nicht alleinstehend" ist. Diese Auffassung hat sie einerseits auf die (Zweit)Meldung der Beschwerdeführerin an der Adresse des Kindesvaters gestützt, andererseits darauf, daß der Vater des zweiten, am 14. Juli 1989 geborenen Kindes der Beschwerdeführerin ebenfalls Dr. F ist und dieser zugunsten der Beschwerdeführerin und der Kinder eine Lebensversicherung abgeschlossen hat. Diese rechtliche Beurteilung der Tatsachenfeststellungen entspricht jedoch nicht dem Gesetz:
Nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes gilt eine Mutter unter anderem dann nicht als alleinstehend, wenn sie mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 an der gleichen Adresse angemeldet ist. Bei Zutreffen dieses Umstandes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0127). Nur dann, wenn die ledige Mutter NACH DEN VORSCHRIFTEN DES MELDEGESETZES 1972 an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre, ist nicht mehr zu prüfen, ob die Elternteile tatsächlich zusammenleben oder einen gemeinsamen Haushalt führen.
Nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972 (ab 1. März 1992 nach den - diesbezüglich im wesentlichen gleichlautenden - Vorschriften des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992) ist unter anderem zu melden, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt (vgl. § 1 Abs. 1). Eine Unterkunftnahme liegt dabei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn von einer Unterkunft (Wohnung) widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Dies wird bei der Unterkunft in einer Wohnung zumeist erst dann der Fall sein, wenn eine Person diese tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benützt. Eine Unterkunftnahme wird daher überall dort anzunehmen sein, wo Räume von einer Person zur Befriedigung eines, wenn auch nur vorübergehenden, Wohnbedürfnisses tatsächlich benützt werden (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0195). Gerade das Vorliegen dieses Umstandes ist jedoch von der Beschwerdeführerin im gesamten Verwaltungsverfahren stets bestritten und statt dessen eine sogenannte "Scheinmeldung", also eine Meldung ohne entsprechende Unterkunftsnahme, behauptet worden, die lediglich dazu dienen sollte, der Beschwerdeführerin und deren Kindern ein Eintrittsrecht nach dem Mietrechtsgesetz in die Wohnung des Dr. F zu ermöglichen. Zum Beweis dafür sind von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren die in der Beschwerde erwähnten Zeugen bzw. deren Angaben angeführt worden. Die belangte Behörde hat sich aufgrund ihrer verfehlten Rechtsauffassung, daß die (bloße) Anmeldung an der gleichen Adresse wie der des Kindesvaters (ungeachtet der Frage, ob sie auch den Bestimmungen des Meldegesetzes 1972 entspricht) bereits dazu führt, daß die Beschwerdeführerin nicht als alleinstehend anzusehen ist, mit den angeführten Beweismitteln nicht auseinandergesetzt.
Auf eine Anmeldung im Sinne des Meldegesetzes 1972 könnte allerdings das tatsächliche Bestehen einer Lebensgemeinschaft hindeuten.
Das Wesen einer Lebensgemeinschaft besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt hiebei regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung dafür zukommt, daß an eine Wohngemeinschaft als eheähnlich die gleichen Rechtsfolgen geknüpft werden dürfen wie an eine Ehe (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1990, Zl. 90/08/0031, und vom 31. Jänner 1995,
Zlen. 92/08/0013, 0100, mit weiteren Judikaturhinweisen). Demgemäß führt eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, die nicht über das hinausgeht, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet wird, noch nicht zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft; es müssen zumindest noch so gewichtige Elemente einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinzutreten, daß für den Außenstehenden das Bild einer eheähnlichen Bindung besteht (vgl. z.B. EFSlg. 63.514 und 66.485). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist weder der Umstand, daß Dr. F auch der Vater des zweiten Kindes der Beschwerdeführerin ist noch der Abschluß einer Lebensversicherung zugunsten der Beschwerdeführerin und deren Kinder geeignet, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zu erweisen.
Ob die der Beschwerdeführerin zuerkannten Leistungen gesetzlich nicht begründet waren, kann daher im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt werden, ebenso nicht, ob der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1991 Sondernotstandshilfe zusteht.
Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der beantragen mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde besteht kein Anspruch auf Schriftsatzaufwand, weil § 48 Abs. 1 VwGG einen solchen nur für die Einbringung der Beschwerde vorsieht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 686 wiedergegebene Rechtsprechung).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992080076.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010