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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs2 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. November 1994, Zl. I/3-S-5760/1-90, betreffend Entziehung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer, einem iranischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Juli 1990 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Diese wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid derselben Behörde vom 22. November 1994 gemäß § 34 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), von Amts wegen wieder entzogen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer mißt der Bestimmung des § 34 Abs. 2 StbG, wonach der betroffene Staatsbürger mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren ist, mit Recht maßgebliche Bedeutung zu, wobei er auch richtig erkannt hat, daß diesem Erfordernis mit dem anläßlich der Ausfolgung des Verleihungsbescheides ihm gegenüber erfolgten Hinweis auf die künftige Möglichkeit der Entziehung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Nichtausscheidens aus dem iranischen Staatsverband noch nicht entsprochen wurde (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0138, veröffentlicht in Slg. Nr. 13557/A). Bei diesem Hinweis ist es aber - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - nicht geblieben, sondern ist vielmehr eine dem Gesetz entsprechende Belehrung, in deren Zusammenhang dem Beschwerdeführer jeweils deutlich gemacht wurde, daß ein derartiges Entziehungsverfahren bereits eingeleitet wurde bzw. anhängig ist, der Aktenlage nach wiederholt, zuletzt am 6. Mai 1993, vorgenommen worden.
Was die im § 34 Abs. 1 StbG genannten Voraussetzungen für eine Entziehung der Staatsbürgerschaft anlangt, so ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich strittig, ob der Beschwerdeführer trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat (Z. 4). Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist auch § 10 Abs. 2 leg. cit. heranzuziehen, nach dessen lit. a die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden darf, wenn der Fremde die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind. Aus § 34 Abs. 1 Z. 4 StbG ergibt sich demnach (ebenso) eine Handlungspflicht des Betreffenden, die allerdings ihre Grenze in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen findet (vgl. die sich auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 319 f, beziehenden Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0129). Der Beschwerdeführer hat nie die Möglichkeit derartiger Handlungen in Abrede gestellt. Hinsichtlich ihrer Zumutbarkeit hat er im Verwaltungsverfahren im wesentlichen vorgebracht, daß er nicht mehr ungehindert in den Iran einreisen und im Falle des Ablebens seiner Eltern, die im Iran Besitz hätten, keine Erbansprüche geltend machen könne, wenn er aus dem iranischen Staatsverband ausscheide. Diese Umstände, die im übrigen in der Beschwerde gar nicht mehr konkret angesprochen werden, waren aber, auch wenn sie den Tatsachen entsprechen sollten, von vornherein nicht geeignet, die Unzumutbarkeit derartiger Handlungen darzutun. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 StbG wird deutlich, daß sich die Zumutbarkeit auf die Handlung selbst und allenfalls ihre Folgen bezieht, nicht jedoch auf die Folgen, die der Verlust der fremden Angehörigkeit nach sich zieht. Daß der Verlust der fremden Angehörigkeit für den Bewerber (Erwerber) nachteilige Folgen haben kann und daher für ihn allenfalls abträglich ist, wird vom Gesetzgeber, der das Entstehen (Bestehen) mehrfacher Angehörigkeiten vermeiden will, in Kauf genommen und muß auch von demjenigen, der österreichischer Staatsbürger werden (bleiben) will, in Kauf genommen werden (vgl. Thienel, aaO, 192 f und 320). Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, sich die von ihm behaupteten Nachteile hinreichend zu überlegen, und für den Fall, daß sie bei persönlicher Abwägung mit den sich aus der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für ihn ergebenden Vorteilen schwerwiegender erscheinen, von deren Erwerb Abstand zu nehmen. Der Beschwerdeführer zeigt daher mit seiner Rüge, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren gemäß § 37 AVG durchgeführt, die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels, soweit er die Fragen der Möglichkeit und Zumutbarkeit der von ihm gemäß § 34 Abs. 1 Z. 4 StbG geforderten Handlungen betrifft, nicht auf, weshalb darauf, insbesondere auf die dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zur Stellungnahme vorgehaltene und im angefochtenen Bescheid verwertete Note der österreichischen Botschaft in Teheran vom 10. März 1992, deren Inhalt der Annahme, derartige Handlungen seien dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, jedenfalls nicht entgegensteht, nicht weiter einzugehen ist.
Dem Beschwerdeführer wurde zwar anläßlich der Ausfolgung der Verleihungsurkunde nicht zur Kenntnis gebracht, daß er das Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband innerhalb von zwei Jahren (siehe § 34 Abs. 1 Z. 1 StbG) nachzuweisen habe, sondern daß dies zu geschehen habe, "sobald dies auf Grund der Verhältnisse wieder zumutbar ist", ansonsten die Staatsbürgeschaft gemäß § 34 StbG wieder entzogen werden müßte. Nach den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift war der Umstand, daß dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht vorerst gemäß § 20 Abs. 1 StbG zugesichert wurde, darauf zurückzuführen, daß der Beschwerdeführer in seinem Verleihungsansuchen vom 26. September 1989 ausdrücklich darum ersucht habe, den iranischen Behörden über das eingeleitete Verfahren keine Mitteilung zu machen, da er auf Grund der Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft Schwierigkeiten im Iran befürchte, und der Beschwerdeführer in der Folge am 24. Jänner 1990 schriftlich seine Bereitschaft erklärt habe, im Falle einer gesetzlichen Notwendigkeit die iranische Staatsangehörigkeit zurückzulegen. Ihr ist im Hinblick darauf, daß die erwähnte, einschränkende Formulierung nicht bescheidmäßig in einer der Rechtskraft zugänglichen Weise ausgesprochen wurde (wofür nicht nur die rechtliche, sondern mangels damaliger Prüfung der Frage der Zumutbarkeit durch die belangte Behörde jegliche Grundlage gefehlt hätte), darin beizupflichten, daß damit keine Bindungswirkung dahingehend verbunden war, daß die belangte Behörde nach der Verleihung einen solchen Nachweis nicht ohne Änderung der hiefür maßgeblichen Verhältnisse im Iran, worüber ein Ermittlungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, hätte verlangen können. Allerdings kann dem Beschwerdeführer auf Grund der ihm mitgeteilten Formulierung nicht angelastet werden, diesbezüglich untätig geblieben zu sein, solange die Behörde ihm gegenüber nicht zu erkennen gegeben hat, daß sie nunmehr der Auffassung sei, daß eine derartige Handlungspflicht auf seiner Seite bestehe. Dies war aber bereits am 26. September 1991 der Fall, als der Beschwerdeführer dazu niederschriftlich befragt wurde.
Noch aus der mit ihm am 6. Mai 1993 aufgenommenen Niederschrift geht hervor, daß der Beschwerdeführer bis dahin nichts Zielführendes unternommen hat, um sein Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband in die Wege zu leiten, obwohl er bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 5. November 1992 in Aussicht gestellt hat, er werde "in den nächsten vier Wochen etwas unternehmen". Nach dem Akteninhalt hat er vielmehr zwischenzeitig die schon angeführten Nachteile, die er zufolge eines Verlustes der iranischen Staatsangehörigkeit zu erwarten habe, ins Treffen geführt und immer wieder sein Bestreben, trotz Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft die iranische Staatsangehörigkeit beibehalten zu wollen, zum Ausdruck gebracht. Am 6. Mai 1993 wurde ihm "letztmalig eine Frist bis spätestens 10. November 1993" eingeräumt, worauf er erklärt hat, daß er das Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband bei der Botschaft in Wien beantragen und eine Bestätigung, sofern er eine bekomme, vorlegen werde. Es kann nun auf sich beruhen, ob die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Sinne der Beschwerde - von sich aus verpflichtet gewesen wäre, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, einen derartigen Nachweis zu erbringen bzw. darzulegen, warum er allenfalls hiezu nicht in der Lage sei. Abgesehen davon, daß die erst der Beschwerde beigelegte, wenn auch beglaubigte Ablichtung eines Postaufgabescheines, aus dem sich ergibt, daß eine eingeschriebene Briefsendung am 20. Oktober 1993 an die Botschaft der Islamischen Republik Iran aufgegeben wurde, noch nichts über deren Inhalt aussagt, sodaß diese Urkunde für sich allein die Behauptung des Beschwerdeführers, es habe sich hiebei um seinen Antrag um Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband gehandelt, nicht zu stützen vermag, und der Beschwerdeführer nicht vorbringt, daß und aus welchen Gründen er sich keine "Bestätigung" über die Einbringung eines solchen Antrages habe beschaffen (und ebenfalls vorlegen) können, ist ihm - auch für den Fall der Richtigkeit seiner Behauptung - entgegenzuhalten, daß eine solche (ohnehin sehr spät erfolgte) Antragstellung nicht genügte, um die Entziehung der Staatsbürgerschaft abzuwehren. Der Beschwerdeführer hätte nämlich darüber hinaus sein Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband in der Folge durch entsprechende Bemühungen auch betreiben müssen (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0129). Daß er bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit der die belangte Behörde über die zuletzt bis 10. November 1993 gewährte Frist hinaus noch bis 10. Jänner 1995 zugewartet hat, diese Angelegenheit weiter verfolgt habe, seine darauf gerichteten Versuche aber vergeblich geblieben seien, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 StbG seit Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus Gründen, die er zu vertreten hat, seine iranische Staatsbürgerschaft beibehalten, im Ergebnis nicht entgegentreten.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995010038.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.08.2013