Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der U in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 16. November 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäfigungsgesetz (AuslBG) für die kroatische Staatsangehörige A für die berufliche Tätigkeit als Friseurin.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 14. Juli 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Ziffer 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer Berufung vom 2. August 1993 brachte die beschwerdeführende Partei vor, daß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AuslBG vorlägen und ihr Arbeitskräftebedarf durch das Arbeitsamt bisher nicht habe abgedeckt werden können. Die beantragte Ausländerin sei als integrierte Ausländerin im Sinne des § 4b Z. 3 AuslBG zu betrachten. Die beschwerdeführende Partei wandte ferner ein, daß Beschäftigungsbewilligungen formal erteilbar wären, da die Überziehungsreserve des Bundesministers für Arbeit und Soziales zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht völlig ausgeschöpft gewesen sei. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, die mangelnde Zustimmung des Vermittlungsausschusses könne durch eine entsprechende Zustimmung des Verwaltungsausschusses ersetzt werden. Die beantragte Ausländerin werde als dringender Ersatz für eine ausgeschiedene Arbeitskraft im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG benötigt. Des weiteren käme ihr aufgrund ihrer Praxis und hervorragenden Qualifikation eine Schlüsselkraftfunktion im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG zu.
In den Verwaltungsakten findet sich sodann ein mit Datum 6. August 1993 von der beschwerdeführenden Partei firmenmäßig gezeichneter Vordruck, auf dem die Zeile mit dem Wortlaut "Ich ersuche um Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des (r) beantragten Ausländers/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei" angekreuzt ist.
Weiters befindet sich in den Verwaltungsakten ein Stellenbewerbungsbogen mit Datum 10. September 1993. Darauf befindet sich ein Vermerk der beschwerdeführenden Partei vom 21. September 1993, daß die auf diesem Bogen genannte Bewerberin voraussichtlich eingestellt werde.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1993 forderte das Arbeitsamt die beschwerdeführende Partei zu einer Stellungnahme zu den von ihr am 30. September 1993 im Laufe eines Telefongesprächs getätigten Äußerungen auf. In diesem Gespräch habe sie "sehr unhöflich" erklärt, die betreffende Bewerberin zwar auf einen seit Jahresbeginn laufenden Vermittlungsauftrag hin eingestellt zu haben, für die beantragte Ausländerin jedoch ein Ersatzkraftstellungsverfahren ausdrücklich abzulehnen. Derzeit sei eine "Ersatzstellung" durch inländische und ausländische Friseurinnen, die Arbeitlosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden, möglich. Es sei festgestellt worden, daß die beantragte Ausländerin nicht diesem Personenkreis angehöre. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erübrige sich ein Ersatzkraftstellungsverfahren, wenn der Arbeitgeber die Stellung von Ersatzkräften von vornherein ohne zwingenden Grund ablehne.
In ihrer Stellungnahme vom 20. Oktober 1993 (verfaßt von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. S) teilte die beschwerdeführende Partei mit, daß seit September 1992 ein Vermittlungsauftrag beim Arbeitsamt laufe, bisher jedoch keine den Anforderungen entsprechenden Arbeitskräfte vermittelt worden bzw. solche zum Arbeitsantritt nicht erschienen seien. Arbeitskräfte, die arbeitswillig seien und entsprechende Qualifikationen hätten, könnten eingestellt werden. Weiters erklärte die beschwerdeführende Partei, es sei richtig, daß sie "unhöflich" mitgeteilt habe, keine Ersatzkräfte mehr zu wünschen. Sie habe nichts gegen die Vermittlung von qualifizierten Arbeitskräften, sie habe jedoch keine Zeit, sich "sozusagen mit unqualifizierten Personen herumzuschlagen", da sie "nebenbei ja auch noch Kunden betreuen" müsse. Sie ersuche nochmals um die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. November 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen stellte die belangte Behörde zur Ablehnung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG fest, daß eine Ersatzkraftstellung durch inländische und ausländische Kräfte durch im Sinne des § 4b AuslBG bevorzugt zu vermittelnde Kräfte möglich gewesen wäre, die beschwerdeführende Partei jedoch in einem Telefongespräch vom 30. September 1993 solche Ersatzkräfte ausdrücklich abgelehnt habe. Durch das Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sie sich die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können. Den Angaben der beschwerdeführenden Partei sei "der Vorrang gegenüber den Ausführungen von Dr. S" gegeben worden. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Berufungsbehörde ist im Hinblick auf § 66 Abs. 4 AVG berechtigt, die Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG (zusätzlich) auch auf einen anderen als den von der Behörde erster Instanz herangezogenen Versagungstatbestand zu stützen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0310).
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid nach der Begründung ausschießlich auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4b Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt den Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil zum Beispiel der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen - aus welchen Gründen auch immer - zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäfigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Die Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich indes dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1994, Zl. 94/09/0018, m. w.N.).
Von einer solchen unberechtigten Ablehnung einer Ersatzkraftstellung durch die beschwerdeführende Partei ist die belangte Behörde aufgrund eines Telefongespräches ausgegangen, wobei sie diesem "den Vorrang gegenüber den Ausführungen von Dr. S" einräumte.
Grundsätzlich ist dazu festzuhalten, daß Erklärungen eines Parteienvertreters als solche der vertretenen Partei anzusehen und entsprechend zu beachten sind. In der Stellungnahme vom 20. Oktober 1993 wurde zum Ausdruck gebracht, daß die "unhöfliche" telephonische Mitteilung, keine Ersatzkräfte zu wünschen, mit der Zuweisung von ungeeignetem oder nicht arbeitswilligem Personal in Verbindung stand. Daneben hat die beschwerdeführende Partei aber ihr weiteres Interesse an der Vermittlung von qualifizierten Arbeitskräften bekundet und damit insgesamt jedenfalls nicht mit der für eine darauf gestützte Abweisung des Antrages erforderlichen Eindeutigkeit zu verstehen gegeben, im vorliegenden Verfahren auch für die Zukunft keine Ersatzkraftstellung mehr zu wünschen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0379). Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht davon Abstand genommen, der beschwerdeführenden Partei konkrete Ersatzkräfte anzubieten, wozu noch kommt, daß den vorgelegten Akten - außer dem Stellungsbewerbungsbogen vom 10. September 1993 - auch nicht zu entnehmen ist, welche bei der beschwerdeführenden Partei bis dahin erschienenen Stellenwerber überhaupt auf Grund einer Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes aufgetreten sind und aus welchen Gründen die beschwerdeführende Partei solche Ersatzkräfte nicht aufgenommen hat.
Es steht daher im Beschwerdefall auf Grund einer rechtlich unrichtigen Vorgangsweise der belangten Behörde noch nicht fest, ob für die gewünschte Beschäftigung ein inländischer Arbeitssuchender oder ein diesem gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Erst entsprechende Ermittlungen werden die Beurteilung der allfälligen Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Ablehnung gestellter Ersatzkräfte durch die beschwerdeführende Partei ermöglichen.
Da die belangte Behörde somit infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung von einer ausreichenden Prüfung der Voraussetzungen für eine Abweisung des Ansuchens der beschwerdeführenden Partei abgesehen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG als inhaltlich rechtswidrig.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren für Beilagen waren nur für die in einfacher Ausfertigung erforderliche Vorlage des angefochtenen Bescheides zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993090501.X00Im RIS seit
20.11.2000