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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Beitrags- und UmlagenO der Ärztekammer für Stmk über den Einbehalt von Beiträgen und Umlagen vom Kassenhonorar durch Sozialversicherungsträger mangels gesetzlicher Grundlage bis zum Inkrafttreten der ÄrzteG-Novelle 1987Spruch
1. Der erste Satz des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark vom 28. Juni 1966 idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 war gesetzwidrig.
2. Der erste und zweite Satz des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark vom 28. Juni 1966 idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 24. Juli 1986, waren bis 31. Dezember 1986 gesetzwidrig.
3. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1065/91 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den Bescheid der Landesberufungskommission für das Land Steiermark vom 16. Juli 1991, Z LBK 1/91, richtet, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rücküberweisung der in den Jahren 1985 bis 1989 einbehaltenen und an die Ärztekammer für Steiermark zum Zwecke der Beitrags- und Umlagenzahlung überwiesenen Honorarteile im Gesamtbetrag von S 547.634,50 samt Zinsen abgewiesen wurde.
2. Bei der Beratung über die Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des ersten Satzes des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 und des ersten und zweiten Satzes des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 24. Juli 1986 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluß vom 13. Juni 1992, B1065/91 - 8, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen eingeleitet.
2.1. Im Einleitungsbeschluß ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Regelungen von der belangten Behörde angewendet wurden und auch von ihm bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides aufgrund der vorliegenden Beschwerde anzuwenden wären, sodaß die Präjudizialität dieser Bestimmungen vorzuliegen scheine.
Der Verfassungsgerichtshof äußerte gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen folgende Bedenken:
"Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß es dem ersten Satz des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 sowie dem ersten und zweiten Satz des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses vom 24. Juli 1986 bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1987, BGBl. Nr. 314/1987, mit dem u.a. das Ärztegesetz 1984 geändert wurde, an der gesetzlichen Deckung gemangelt hat. In der zitierten Ärztegesetz-Novelle wird §75 Abs5 des Ärztegesetzes 1984 dahingehend geändert, daß die Beitragsordnung nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen, 'über die Einbehalte der Kammerbeiträge und Vorauszahlungen von Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorsehen' kann. Vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung dürften die in Prüfung gezogenen Regelungen jedoch der gesetzlichen Deckung entbehrt haben. Damit dürften der erste Satz des §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 sowie der erste und zweite Satz des §11 Abs1 idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 24. Juli 1986 bis zum Inkrafttreten der Ärztegesetz-Novelle 1987 mit Gesetzwidrigkeit belastet gewesen sein."
2.2.1. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark hat eine Äußerung erstattet, in der zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im wesentlichen ausgeführt wird:
"1. ...
...
Die Landesberufungskommission hat in ihrer Entscheidung vom 16.7.1991, LBK 1/91, im Spruch unter 'angewendete Gesetzesstellen' unter anderem auch die §§38, 56 und 75 Ärztegesetz erwähnt (bezeichnenderweise nicht aber den §11 Abs1 BUO!), und in der Begründung sich ausschließlich auf die einzel- und gesamtvertragliche Rechtslage und die Rechtslage nach ASVG gestützt. So wird auf Seite sieben im zweiten Absatz erster Satz ausdrücklich festgehalten, daß nur die Bestimmung des Einzelvertrages (§5 Abs1) auf die Einwendungen der Antragstellerin hin zu prüfen ist.
Die jetzt zu prüfenden Bestimmungen der Beitrags- und Umlagenordnung wurden also nicht angewendet.
...
Da also §11 Abs1 BUO von der belangten Behörde gar nicht angewendet worden ist, ist er auch für die Beurteilung der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde nicht präjudiziell im Sinne des Artikel 139 Abs1 B-VG.
2. ...
Die Ärztegesetz-Novelle BGBl. 1987/314 hat in §75 Abs5 lediglich eine Präzisierung im Zusammenhang mit dem Inhalt der Beitragsordnung gebracht (siehe die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieser Ärztegesetz-Novelle, 137 Blg. NR XVII GP). Es wurde also hiemit nicht eine vorhandene verfassungsrechtliche Lücke im Sinne des Vorliegens einer formalgesetzlichen Delegation geschlossen, sondern lediglich eine Klarstellung über die Möglichkeit vorgenommen, unabhängig von den gesamt- und einzelvertraglichen Bestimmungen, auch in der Satzung Bestimmungen über den Einbehalt von Kammerbeiträgen vom Kassenhonorar vorzusehen. Im Zeitraum vor dem Inkrafttreten dieser Ärztegesetz-Novelle, also für die Antragsjahre 1985/1986, war die Basis für den §11 Abs1 erster und zweiter Satz BUO der §82 Ärztegesetz (in der derzeitigen Fassung des Ärztegesetzes, früher §48). §82 enthält unter Hinweis auf die §§57, 58, 62 - 81 die Ermächtigung, nähere Vorschriften, unter anderem über die 'Aufbringung der Beiträge', per Satzung zu regeln. Dazu kommt noch §41, der die grundsätzliche Verpflichtung der Kammerangehörigen regelt, die in der Umlagen- und Beitragsordnung festgesetzten Umlagen und Beiträge zu leisten.
Der Verfassungsgerichtshof hat schon in seinem grundlegenden Erkenntnis Slg. 10389/1985 ausgeführt, daß das Ärztegesetz alle wesentlichen inhaltlichen Regelungen der Beitrags- und Leistungsbemessung vorsieht und somit die Satzungsermächtigung des §82 nicht verfassungswidrig ist. Bei der gegenständlichen Frage geht es um die möglichst unbürokratische Aufbringung der Beiträge, wobei es Interesse aller beitragspflichtigen und leistungsberechtigten Ärzte sein muß, daß die Ärztekammer zur Sicherung des Bestandes des Wohlfahrtsfonds und somit der Leistungen ein 100 %iges Beitragsaufkommen erreicht. Die Ärztekammer sieht u.a. aus diesem Auftrag des Ärztegesetzes (§57 Abs1) auch die rechtliche Möglichkeit, das Beitragsaufkommen durch öffentlich-rechtliche, ebenso aber auch, wie vorliegend geschehen, durch privatrechtliche Regelungen über die Einbehalte vom Kassenhonorar zu sichern und Ausfälle durch Nicht-Zahlung zu minimieren.
Im Verein mit der Notwendigkeit, den Selbstverwaltungskörpern aus ihrem Wesen und ihrer Funktion heraus einen etwas größeren Rahmen für die Gestaltung dieser Selbstverwaltung einzuräumen (die der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung stets bejaht hat), ergibt sich nach Meinung der Ärztekammer für Steiermark eine hinreichende gesetzliche Deckung für §11 Abs1 der Beitrags- und Umlagenordnung auch in der bis zum 31. Dezember 1986 gültigen Fassung."
Auch die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet; von ihr wird unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Äußerung der Ärztekammer für Steiermark insbesondere noch folgendes vorgebracht:
"In der Bundesverfassung findet sich nur im Hinblick auf die Gemeinden eine ausdrückliche Ermächtigung zur Schaffung von Regelungen praeter legem (Art118 Abs6 B-VG). Eine vergleichbare Regelung für personelle Selbstverwaltungskörper findet sich nicht. Nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung kann aus diesem Umstand aber nicht der Schluß gezogen werden, daß es personellen Selbstverwaltungskörpern verwehrt wäre, Regelungen praeter legem zu erlassen, sofern sich diese Regelungen auf die spezifischen Rechtsbeziehungen der Mitglieder des Selbstverwaltungskörpers zum Selbstverwaltungskörper beziehen.
Für diese Auffassung spricht folgendes:
Ein territorialer Selbstverwaltungskörper, nämlich eine Gemeinde, hat, soweit sie nicht in Rechtsformen des Privatrechtes handelt, ausschließlich Aufgaben zu vollziehen, die jenen der staatlichen Verwaltung gleichen. Es fehlt im Hinblick auf diese Aufgaben an jener spezifischen Nahebeziehung zwischen dem Selbstverwaltungskörper und den Personen, auf die sich seine Rechtsakte beziehen können, die bei personellen Selbstverwaltungskörpern zweifellos existiert. Daher war und ist es folgerichtig, aus den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben abzuleiten, daß territoriale Selbstverwaltungskörper für die Erlassung von Rechtsakten praeter legem, so wie Organe der staatlichen Verwaltung, einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ermächtigung bedürfen. Bei personalen Selbstverwaltungskörpern betreffen aber behördliche Akte zu einem erheblichen Teil jene spezifischen Beziehungen zwischen dem Selbstverwaltungskörper und seinen Mitgliedern, die die Grundlage für die Einrichtung des Selbstverwaltungskörpers bilden (z.B. Mitwirkung an der Willensbildung, Leistung von Beiträgen zur Schaffung der wirtschaftlichen Grundlage für die Tätigkeit des Selbstverwaltungskörpers, Beiträge zu Einrichtungen, die ausschließlich den Mitgliedern zugute kommen, u.dgl.).
Es wird daher die Auffassung vertreten, daß die Bundesverfassung für diesen eben umschriebenen Bereich der behördlichen Tätigkeit der Selbstverwaltungskörper nicht dasselbe Maß an gesetzlicher Determinierung vorschreibt wie für die staatliche Verwaltung und für territoriale Selbstverwaltungskörper. Damit sei freilich nicht in Abrede gestellt, daß jene behördlichen Tätigkeiten personaler Selbstverwaltungskörper, welche grundrechtlich garantierte Rechtspositionen der Mitglieder des Selbstverwaltungskörpers betreffen, wie z.B. Entscheidungen über Berufsberechtigungen oder die Disziplinargewalt, also Rechtsakte, die ihrer Art nach solchen der staatlichen Verwaltung gleichen, dasselbe Maß an gesetzlicher Determinierung bedürfen wie Rechtsakte der staatlichen Verwaltung."
3. Zu den Rechtsgrundlagen:
3.1.1. §11 der Beitrags- und Umlagenordnung idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 - die in Prüfung gezogene Regelung ist hervorgehoben - lautet:
"§11 Abzugsvorgang
(1) Bei Vorliegen einer kassenärztlichen Tätigkeit werden die Beiträge und Umlagen (Vorauszahlungen) grundsätzlich durch Abzug vom Kassenhonorar erhoben. Dessenungeachtet gelten die Bestimmungen der BUO über Fälligkeit, Mahnungen, Exekutionen usw.
(2) Bei Einkünften aus nicht selbständiger ärztlicher Tätigkeit werden der Kammerbeitrag und die sonstigen Umlagen durch Abzug vom Gehalt erhoben (§44 Abs5 Ärztegesetz). Ergibt sich die Unmöglichkeit, aus welchen Gründen immer, den Abzug vom Gehalt durchzuführen, werden eigene Vorschreibungen erlassen, für die die einschlägigen Bestimmungen der BUO u.a. über Fälligkeit und Mahnungen gelten."
3.1.2. Mit Beschluß der Vollversammlung vom 24. Juli 1986, genehmigt gemäß §104 Abs2 letzter Satz des Ärztegesetzes 1984, wurde §11 Abs1 geändert, sodaß dieser (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben) wie folgt lautet:
"§11 Abzugsvorgang
(1) Bei Vorliegen einer kassenärztlichen Tätigkeit werden die Beiträge und Umlagen (Vorauszahlungen) grundsätzlich durch Abzug vom Kassenhonorar erhoben. Zu diesem Zwecke gibt die Ärztekammer für Steiermark bei Vertragsärzten der steirischen §-2-Krankenversicherungsträger diesen, bei Ärzten mit einem Vertrag mit der Sozialversicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter oder anderen Sozialversicherungsträgern der Versicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter bzw. den betreffenden anderen Sozialversicherungsträgern den einzubehaltenden Betrag bekannt.
(2) Bei Einkünften aus nicht selbständiger ärztlicher Tätigkeit werden der Kammerbeitrag und die sonstigen Umlagen durch Abzug vom Gehalt erhoben (§44 Abs5 Ärztegesetz). Ergibt sich die Unmöglichkeit, aus welchen Gründen immer, den Abzug vom Gehalt durchzuführen, werden eigene Vorschreibungen erlassen, für die die einschlägigen Bestimmungen der BUO u.a. über Fälligkeit und Mahnungen gelten."
3.2. Die Ermächtigung zur Erlassung der näheren Bestimmungen über die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds findet sich im §75 des Ärztegesetzes 1984.
3.2.1. §75 des Ärztegesetzes 1984, BGBl. Nr. 373/1984, lautet:
"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten.
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen.
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.
(4) ...
(5) Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen; wenn dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung; diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Beiträge bedeutsamen Umstände vorzunehmen.
(6) ...
..."
3.2.2. §75 des Ärztegesetzes 1984 idF BGBl. Nr. 314/1987 lautet:
"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten.
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen.
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.
(4) ...
(5) Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen, über die Einbehalte der Kammerbeiträge und Vorauszahlungen von Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorsehen. Darüber hinaus kann die Beitragsordnung nähere Bestimmungen vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen; wenn dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung; diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Beiträge bedeutsamen Umstände vorzunehmen.
(6) ...
..."
Der neugefaßte Abs5 des §75 Ärztegesetz 1984 ist mit 1. Jänner 1987 in Kraft getreten.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
Die Ärztekammer für Steiermark tritt der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Regelungen mit dem Argument entgegen, im angefochtenen Bescheid seien wohl die §§38, 56 und 75 des Ärztegesetzes 1984 erwähnt,"bezeichnenderweise nicht aber der §11 Abs1 BUO"; in der Begründung habe sich die belangte Behörde ausschließlich auf die Einzel- und Gesamtvertragsrechtslage und die Rechtslage nach dem ASVG gestützt. Dieses Argument ist jedoch nicht zielführend. Präjudiziell sind Regelungen nicht nur dann, wenn sich eine Behörde im Bescheid expressis verbis auf sie stützt, sondern auch dann, wenn sie diese Bestimmung anzuwenden hatte. Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Der angefochtene Bescheid setzt sich mit dem Abzugsvorgang ausdrücklich auseinander; wenn er dies nur mit der Regelung im Einzel- und Gesamtvertrag rechtfertigt, ändert dies nichts daran, daß die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Regelungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beachten hatte, und daß sie auch der Verfassungsgerichtshof bei Erledigung der an ihn gerichteten Beschwerde anzuwenden hätte. Die Präjudizialität ist daher zu bejahen.
Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
5.2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen auch zu:
Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, daß das Legalitätsprinzip des Art18 Abs2 B-VG - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesagt hat (vgl. VfSlg. 7837/1976, 10389/1985 ua.) - auch für die Besorgung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung gilt.
Die Ärztekammer für Steiermark meint, daß diesem Gebot entsprochen sei, da die Ärztegesetz-Novelle BGBl. Nr. 314/1987 in §75 Abs5 des Ärztegesetzes 1984 lediglich die Möglichkeit klargestellt habe, daß in der Beitragsordnung Bestimmungen über den Einbehalt von Kammerbeiträgen vom Kassenhonorar vorgesehen werden können. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden:
Weder in §46 Abs3 noch in §75 Abs5 des Ärztegesetzes 1984 ist eine Ermächtigung enthalten, die es erlaubt hätte, in der Beitrags- und Umlagenordnung eine Regelung für den Einbehalt von Beiträgen und Umlagen von Kassenhonorar durch Sozialversicherungsträger vorzusehen. Eine solche Ermächtigung findet sich erst in §56 Abs3 und §75 Abs5 des Ärztegesetzes 1984 idF der Novelle 1987. Es ist keineswegs so, daß mit der Ärztegesetz-Novelle 1987 eine bereits bestehende Regelung nur klargestellt worden wäre. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Regierungsvorlage zur Ärztegesetz-Novelle 1987 (137 BlgNR XVII. GP). Bis zur Novelle 1987 war im Gesetz ein Einbehalt von Beiträgen und Umlagen von Kassenhonorar durch Sozialversicherungsträger nicht vorgesehen.
Wenn weiters die Landesregierung ausführt, es sei für jenen Regelungsbereich, der nur die spezifischen Beziehungen zwischen dem Selbstverwaltungskörper und seinen Mitgliedern betrifft, nicht dasselbe Maß an gesetzlicher Determinierung erforderlich, wie für Rechtsverordnungen im allgemeinen, übersieht sie, daß sich die angefochtenen Bestimmungen gerade nicht auf den inneren Organisationsbereich beschränken. Die angefochtenen Regelungen richten sich nach außen, nämlich an den Sozialversicherungsträger. Der Verfassungsgerichtshof vermag schon deshalb die Ansicht der Landesregierung, daß bereits das Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373/1984, eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für den Inhalt der angefochtenen Bestimmungen der BUO darstellt, nicht zu teilen. Vom Wortlaut des Ärztegesetzes 1984 sind derartige Regelungen jedenfalls nicht umfaßt; hinsichtlich des Einbehaltes von Beträgen, die die Ärztekammer den Sozialversicherungsträgern bekannt gibt, gab es bis zur Novelle 1987 keine gesetzliche Grundlage.
7. Die Ärztegesetz-Novelle 1987, durch die das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Fassung vom 24. Juli 1986 saniert wurde, ist mit 1. Jänner 1987 in Kraft getreten. Es war daher auszusprechen, daß der erste Satz des §11 der BUO der Ärztekammer für Steiermark idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 gesetzwidrig war, und daß der erste und zweite Satz des §11 Abs1 BUO idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 24. Juli 1986 bis 31. Dezember 1986 gesetzwidrig waren.
Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Ärzte Versorgung, Selbstverwaltungsrecht, Versorgungsrecht Ärzte, LegalitätsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:V44.1992Dokumentnummer
JFT_10069383_92V00044_00