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19/05 Menschenrechte;Norm
FinStrG §33 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des N in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Mai 1995, Zl. SD 540/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Mai 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nach kurzfristigen Aufenthalten im Bundesgebiet in den Jahren 1986 und 1987 seit September 1987 in Österreich lebe. Bis zum Jahre 1990 sei er keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Ab diesem Jahr sei er (praktisch) "Alleininhaber" der N Bau-Ges.m.b.H. gewesen. Im Jahre 1991 sei er wegen illegaler Beschäftigung von drei Ausländern und im Jahre 1993 wegen illegaler Beschäftigung eines Ausländers rechtskräftig bestraft worden. Im Jahre 1991 sei er weiters wegen unerlaubten Aufenthaltes von März bis Dezember 1991 nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. April 1994 sei er wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe von S 2,0 Mio rechtskräftig verurteilt worden. Es sei daher der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 Fremdengesetz erfüllt. Es könne kein Zweifel bestehen, daß es sich hiebei um eine bestimmte Tatsache (im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG) handle, die die Annahme rechtfertige, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers dem Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes und damit den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Es sei darüber hinaus zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer, wenn auch schon vor einiger Zeit, wegen Beschäftigung von Ausländern rechtskräftig bestraft worden sei. Dieses Fehlverhalten sei mindestens so schwerwiegend, wie die Ausübung einer Beschäftigung durch den Ausländer selbst. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde daher auch die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes. Angesichts dieses Gesamtfehlverhaltens seien jedenfalls die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben.
Da der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder, seinem siebenjährigen Sohn und dem sechzehnjährigen Sohn seiner Ehegattin lebe, greife das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben ein. Diese Maßnahme sei jedoch im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil sie "im Interesse des finanziellen Wohles des Landes, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele", dringend geboten sei.
Im Hinblick auf den lang dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den Umstand, daß der im Haushalt lebende Sohn seit einem Jahr die Schule besuche, seien die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Berufungswerbers "nicht unbedeutend" doch erschienen die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung der Maßnahme als schwerwiegender.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Tatsache der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung und die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt insoweit keine Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich indes gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Er führt dazu ins Treffen, die belangte Behörde habe diese Annahme vor allem auf das wirtschaftliche Wohl des Landes gestützt, ohne dies näher auszuführen. Es sei zu berücksichtigen, daß er "Verwaltungs- und Finanzdelikte" begangen habe, welche eine selbständige Tätigkeit voraussetzten. Er sei jedoch seit 20. Dezember 1993 unselbständig erwerbstätig, sodaß weitere derartige Gesetzesbrüche ausgeschlossen seien. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, sei nicht sein weiterer Verbleib in Österreich, sondern die Verhängung des Aufenthaltsverbotes für das wirtschaftliche Wohl des Landes abträglich. Er könne die verhängte Geldstrafe nämlich nur bezahlen, wenn er weiterhin seiner gut bezahlten Beschäftigung in Österreich nachgehe. Insofern widerspreche die Verhängung des Aufenthaltsverbotes öffentlichen Interessen.
2.2. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Da gemäß § 33 Abs. 5 Finanzstrafgesetz die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum zweifachen des Verkürzungsbetrages (der unberechtigten Abgabengutschrift) geahndet wird, ergibt sich aus der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen dieses Vergehens zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 2,0 Mio, daß der Schaden aus der von ihm begangenen Abgabenhinterziehung zumindest S 1,0 Mio beträgt. Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer zweimal wegen illegaler Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften und einmal wegen unbefugten Aufenthaltes bestraft wurde, wenngleich die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot nicht auch auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gegründet hat. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers führte daher - von der belangten Behörde richtig erkannt - nicht nur (aufgrund der Hinterziehung von Abgaben in der Höhe von mindestens S 1,0 Mio) zu einer massiven Störung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, sondern auch zu einer Störung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht schließt auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht mehr selbständig erwerbstätig ist, nicht aus, daß von diesem auch in Hinkunft eine Gefährdung der genannten öffentlichen Interessen ausgeht. Sowohl die Verletzung fremdenrechtlicher Normen als auch der Verstoß gegen abgabenrechtliche Vorschriften ist auch einem unselbständig Erwerbstätigen möglich. Angesichts der sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers ergebenden negativen Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung begegnet die Auffassung der belangten Behörde, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers das wirtschaftliche Wohl des Landes und die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Arbeitsmarktverwaltung gefährde, keinen Bedenken.
Soweit der Beschwerdeführer meint, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gefährde die Bezahlung der über ihn verhängten Geldstrafe und damit öffentliche Interessen, ist ihm entgegenzuhalten, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers nur den privaten und familiären Bereich betreffende Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0332, und vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0286). Das öffentliche Interesse an der Bezahlung der über den Beschwerdeführer (wegen der Schwere seiner Straftat) verhängten hohen Geldstrafe kann auch keinesfalls zur Annahme führen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers - trotz der sonst gegebenen Voraussetzungen - die im § 18 Abs. 1 FrG angeführten Interessen nicht gefährde. Überdies kann der Beschwerdeführer die Bezahlung der Geldstrafe - ebenso wie Unterhaltsleistungen und Kreditrückzahlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1142) - auch vom Ausland aus leisten.
2.3. Weiters vermeint der Beschwerdeführer, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dem § 19 FrG widerspreche und die belangte Behörde bei der nach § 20 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung die - richtig festgestellten - privaten und familiären Umstände nicht ausreichend berücksichtigt habe. Art. 8 MRK verlange "eine gewisse Schwere des (für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zum Anlaß genommenen) Verbrechens", was bei der vorliegenden gerichtlichen Verurteilung wegen eines Finanzvergehens nicht der Fall sei. Im Hinblick auf die Tatsache, daß sein Sohn bereits in Österreich geboren sei und nur deutsch spreche, sei diesem die Nachreise in das Ausland nicht zuzumuten.
2.4. Hiezu ist auszuführen, daß die belangte Behörde die private und familiäre Situation des Beschwerdeführers, insbesondere dessen langen Aufenthalt im Inland und den Aufenthalt des Sohnes im gemeinsamen Haushalt nicht nur festgestellt, sondern daraus auch einen Eingriff des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben sowie eine "nicht unbeträchtliche" Auswirkung dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) abgeleitet hat.
Im Hinblick auf die hohe Schadenssumme aus der Abgabenhinterziehung des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Maßnahme für das wirtschaftliche Wohl des Landes, sohin zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.
Wenngleich den privaten (familiären) Interessen des Beschwerdeführers - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - ein bedeutendes Gewicht zukommt, kann der belangten Behörde dennoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu einem für den Beschwerdeführer ungünstigen Ergebnis der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung gelangt ist. Das durch das beschriebene gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers (Finanzvergehen nach § 33 Finanzstrafgesetz, aber auch - wenn auch schon länger zurückliegend - illegale Beschäftigung von Ausländern und unbefugter Aufenthalt) begründete öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme wiegen schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.
3. Als "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" rügt der Beschwerdeführer, daß sich die Begründung des angefochtenen Bescheides seiner Meinung nach - entgegen der Bestimmung des § 60 AVG - auf die Wiedergabe des gesetzlichen Tatbestandes beschränke und daher nur eine "Scheinbegründung" darstelle.
Dem ist - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit des geltend gemachten Begründungsmangels nicht dargetan hat - entgegenzuhalten, daß aus dem angefochtenen Bescheid klar der von der Behörde als erwiesen angenommene (und vom Beschwerdeführer nicht bestrittene) Sachverhalt hervorgeht. Wie bereits zu 2.2. bis 2.4. ausgeführt, hat die belangte Behörde auch die die rechtliche Grundlage des Bescheides bildenden gesetzlichen Vorschriften der §§ 18 ff FrG und deren Anwendbarkeit auf den konkreten Fall ausreichend dargelegt, sodaß eine Überprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit möglich ist (vgl. zu alldem die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 600 ff zitierte hg. Rechtsprechung).
4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Ausspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995181162.X00Im RIS seit
20.11.2000