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14 OrganisationsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Erwirkung eines BescheidesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller begehrt mit seinem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten (Individual-)Antrag mit näherer Begründung, die Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 4. Dezember 1989, BGBl. 600, über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV), in eventu den §3 Abs1, den §4 bzw. den §6 dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.
Diese Verordnung stützt sich auf die §§89a Abs1, 89b, 89c Abs1, 89d Abs1 des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. 217/1896 (im folgenden: GOG), und den §4 Abs4 und 5 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl. 501/1984, jeweils in der durch das Bundesgesetz BGBl. 343/1989 geänderten Fassung.
§89a Abs1 GOG sieht vor, daß ua. Rechtsanwälte Eingaben statt mittels eines Schriftstückes elektronisch einbringen können, soweit dies durch eine Regelung nach §89b GOG vorgesehen ist. Nach §89b Abs1 GOG hat der Bundesminister für Justiz nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine Sicherung vor Mißbrauch ua. die Eingaben zu bestimmen, die elektronisch angebracht werden dürfen. Die nähere Vorgangsweise (auch) bei diesen elektronischen Übermittlungen ist gemäß §89b Abs2 GOG durch Verordnung des Bundesministers für Justiz zu regeln; dabei ist insbesondere auch festzulegen, auf welche Art und Weise nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung (von Daten gerichtlicher Erledigungen sowie von elektronisch angebrachten Gleichschriften und Rubriken von Eingaben) zu widersprechen ist (§89a Abs2 GOG). In der Regelung kann vorgeschrieben werden, daß sich der Einbringer einer Übermittlungsstelle zu bedienen hat. Für elektronische Eingaben gelten die Bestimmungen über den Inhalt schriftlicher Eingaben; sie bedürfen weder einer Unterschrift noch der Gleichschriften und Rubriken. Soweit Gleichschriften und Rubriken einer Eingabe benötigt werden, hat das Gericht Ausdrucke herzustellen. Beilagen der elektronischen Eingabe, die nicht im Original vorgelegt werden müssen, dürfen elektronisch übermittelt werden, wenn die technischen Voraussetzungen dafür bei Gericht gegeben sind; in anderen Fällen sind die sonstigen Bestimmungen über Beilagen anzuwenden (§89c Abs1 GOG). Gemäß §89d Abs1 GOG gelten elektronische Eingaben (§89a Abs1 GOG) als bei Gericht eingebracht, wenn ihre Daten zur Gänze beim Bundesrechenamt eingelangt sind. Ist vorgesehen, daß die Eingaben über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind (§89b Abs2 GOG), und sind sie auf diesem Weg beim Bundesrechenamt tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie bei Gericht mit demjenigen Zeitpunkt eingebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hatte, daß sie die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an das Bundesrechenamt übernommen hat (§89d Abs1 GOG).
§4 Abs4 GGG bestimmt, daß dann, wenn eine Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (§§89a bis 89d GOG) angebracht wird, die Gebühren durch Abbuchung und Einziehung (iS des §4 Abs2 Z2 GGG) zu entrichten sind; in diesem Fall darf ein höchstens abzubuchender Betrag nicht angegeben werden. Gemäß §4 Abs5 GGG hat der Bundesminister für Justiz nach den Grundsätzen einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung die näheren Umstände des Abbuchungs- und Einziehungsverfahrens zu regeln, hiefür ein Justizkonto zu bestimmen und nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten den Zeitpunkt festzulegen, ab dem Gebühren durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden können.
2. Die angefochtene Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) sieht in §1 die Möglichkeit vor, Klagen, über die ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen ist (§448 ZPO), beim Bezirksgericht elektronisch anzubringen. §2 regelt die Art und Weise der elektronischen Anbringung einer Klage (nämlich durch automationsunterstützte, zeichenweise Datenübertragung).
Die §§3 und 4 ERV haben folgenden Wortlaut:
"Übermittlungsstelle, Übertragungsweise
§3. (1) Unter Berücksichtigung der erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen wird die Radio-Austria AG in Wien als Übermittlungsstelle (§89b Abs2 GOG) festgelegt. Der Einbringer einer elektronischen Klage hat sich dieser Übermittlungsstelle zu bedienen.
(2) Der Bundesminister für Justiz kann, soweit dies einer einfachen und sparsamen Verwaltung dient, auf Antrag eines Einbringers, von dem insgesamt eine große Zahl von Klagen anzubringen ist, oder auf Antrag der Übermittlungsstelle, wenn bei dieser durch gleichzeitige Anbringung einer großen Zahl von Klagen die ordnungsgemäße und rechtzeitige Übermittlung gefährdet erscheint, einem Einbringer mit Bescheid auftragen, diese Klagen unmittelbar beim Bundesrechenamt anzubringen (Direktverkehr).
(3) Für die Anordnung des Direktverkehrs (Abs2) ist überdies erforderlich, daß die technischen und organisatorischen Bedingungen für eine sichere und wirtschaftliche Datenübertragung erfüllt sind; hiezu ist das Bundesrechenamt anzuhören.
Einbringungsdatum
§4. (1) Hat die Übermittlungsstelle die Daten der Klage zur Weiterleitung an das Bundesrechenamt übernommen, so hat sie dies dem Einbringer sofort mitzuteilen und den Zeitpunkt dieser Rückmeldung zu protokollieren; dieses Datum ist mit den Klagsdaten zu übermitteln.
(2) Das Bundesrechenamt hat zu protokollieren, wann die Daten der Klage bei ihm eingelangt sind und dieses Datum im Fall des Direktverkehrs (§3) mit den Klagsdaten weiterzuleiten."
§5 ERV enthält nähere Vorschriften über die Form der Klage.
§6 ERV lautet:
"Zugangskontrolle
§6. Zur Sicherung vor Mißbräuchen ist von den am elektronischen
Rechtsverkehr Beteiligten durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, daß die Klage nur von demjenigen elektronisch angebracht werden kann, der für das Gericht als ihr Einbringer tatsächlich aufscheint."
Der mit "Anschriftcode" überschriebene §7 Abs1 ERV schreibt für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr die Erstellung einer siebenstelligen Zeichenfolge für den Einbringungsberechtigten vor, unter welcher dessen Name und Anschrift sowie eine Kennung, daß und in welcher Art er am elektronischen Rechtsverkehr teilnimmt, im Bundesrechenamt gespeichert werde. Gemäß §7 Abs2 ERV ist der Anschriftcode für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgemeinschaften von den zuständigen Rechtsanwaltskammern, für Notare von den zuständigen Notariatskammern und für sonstige Antragsteller vom Bundesminister für Justiz auf Antrag oder von Amts wegen zu erstellen. Elektronisch angebrachte Klagen haben den jeweiligen Anschriftcode des Einbringers zu enthalten (§7 Abs3 ERV). Nach §8 Abs1 ERV hat das Gericht von jeder elektronisch angebrachten Klage einen Ausdruck der Klagsdaten herzustellen. §8 Abs2 ERV enthält nähere Vorschriften über die Gestaltung dieses Ausdruckes. §8 Abs3 ERV schließlich trägt dem Gericht auf, für die weitere Erledigung, insbesondere für die gekürzte Urschrift des Zahlungsbefehls, diesen Klagsausdruck zu verwenden.
3. Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Legitimation zur Antragstellung im wesentlichen aus:
Er sei als Rechtsanwalt Teilnehmer an dem vom Bundesminister für Justiz in Zusammenarbeit mit der Radio-Austria AG eingerichteten elektronischen Rechtsverkehr iS der §§89a ff. GOG und der ERV und bringe ständig Klagen, über die ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen ist, bei österreichischen Gerichten elektronisch an, und zwar sowohl im Namen von Klienten als auch im eigenen Namen. Die Aufnahme des elektronischen Rechtsverkehrs erfolge durch einfache Anmeldung bzw. durch Abschluß einer (privatrechtlichen) Vereinbarung mit der Radio-Austria AG, einer Rechtsperson des Privatrechtes, wobei eine bescheidmäßige Zulassung nicht vorgesehen sei. Die im GOG und in der ERV vorgesehene Möglichkeit der Anbringung von Klagen unmittelbar beim Bundesrechenamt (Direktverkehr) bestehe tatsächlich nicht. Die Bestimmungen der ERV würden daher für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar wirksam. Ein anderer Weg zur Geltendmachung der nach Auffassung des Antragstellers gegebenen Rechtswidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Verordnung bestehe nicht bzw. sei jedenfalls unzumutbar.
4. Der Bundesminister für Justiz hat sich in einer schriftlichen Äußerung für die Zurückweisung des Verordnungsprüfungsantrages, in eventu für dessen Abweisung ausgesprochen und für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Verordnung oder ihrer hilfsweise angefochtenen Bestimmungen beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist von sechs Monaten, in eventu von einem Jahr zu setzen.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist (s. die mit dem Beschluß VfSlg. 8058/1977 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).
Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. etwa VfSlg. 8009/1977, 10511/1985, 11726/1988 u.v.a.). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. zB VfSlg. 8060/1977).
2. Im vorliegenden Fall steht dem Antragsteller iS der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung geltend zu machen. Dieser Weg besteht in der Möglichkeit, beim Bundesminister für Justiz iS des §3 Abs2 ERV die Erlassung eines Bescheides zu beantragen, mit dem die Anbringung der Klagen unmittelbar beim Bundesrechenamt, also ohne die - vom Antragsteller für bedenklich gehaltene - Einschaltung der Übermittlungsstelle iS des §3 Abs1 ERV, aufgetragen wird. Wird seinem Antrag nicht stattgegeben, so hat er die Möglichkeit, im Wege einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der ERV an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen und die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens von Amts wegen anzuregen.
3. Der (Individual-)Antrag war daher schon aus diesem Grund mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
EDV, Gericht Organisation, VfGH / Individualantrag, Rechtsverkehr elektronischerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:V17.1991Dokumentnummer
JFT_10069382_91V00017_00