TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/7 94/09/0259

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Veröffentlicht am 07.09.1995
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §11 Abs2;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des Dr. B in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, vom 2. August 1994, Zl. IIC/6702 B; AIS 15462 SCHE, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 2. Oktober 1993 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe einen Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für die iranische Staatsangehörige F. für die Tätigkeit als Arzthelferin (spezielles Bildungserfordernis: Diplomkrankenschwester).

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 2. Dezember 1993 mit der Begründung ab, eine Sicherungsbescheinigung dürfe gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 Abs. 6 AuslBG nach Überschreiten der Landeshöchstzahl unter anderem nur erteilt werden, wenn der Vermittlungsausschuß einhellig seine Zustimmung erklärt habe. Nach Anhörung des Sachverhaltes sei der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom Vermittlungsausschuß nicht einhellig befürwortet worden.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er benötige die beantragte Ausländerin als dringenden Ersatz für eine infolge Mutterschutz und anschließendem Karenzurlaub am 15. August 1993 ausgeschiedene iranische Krankenschwester. Er sei auf die persischen Sprachkenntnisse seiner Ordinationshilfe angewiesen, da ca. 30 % seiner Patienten aus dem Iran kämen und teilweise nur Persisch sprächen. Die Erteilung der Sicherungsbescheinigung für die beantragte Ausländerin liege auch deshalb im öffentlichen Interesse, da (nach Abschluß von vier noch ausständigen Prüfungen) eine weitere diplomierte Krankenschwester in Österreich zur Verfügung stünde, was unter dem Gesichtspunkt des großen Bedarfes an Personal in der Gesundheitspflege zur Sicherung der öffentlichen Wohlfahrt von nicht unerheblicher Bedeutung sei.

Mit Schreiben vom 18. Mai 1994 forderte das Arbeitsamt den Beschwerdeführer auf, mittels beigefügtem Vermittlungsauftragsformular bekanntzugeben, ob er an der Vermittlung einer Ersatzkraft interessiert sei.

Am 3. Juni 1994 brachte der Beschwerdeführer zusammen mit einem Vermittlungsauftrag im wesentlichen folgendes Begleitschreiben beim zuständigen Arbeitsamt ein.

"Auftragsgemäß retourniere ich die angeforderten Unterlagen, die alle näheren Informationen über die zu besetzende Stelle enthalten. Dem Angebot des Arbeitsamtes, seinerseits die Vermittlung einer Ordinationshilfe zu übernehmen, wird grundsätzlich nicht entgegengetreten.

Korrekterweise sei an dieser Stelle jedoch noch einmal auf die besonderen Umstände dieses Falles hingewiesen, die eine Anstellung gerade der beantragten Person erforderlich machen und die angebotene Hilfestellung bei der Suche einer Arbeitskraft daher erheblich erschweren würden.

(...)

Aufgrund der dargelegten Umstände kann (der Beschwerdeführer) realistischerweise kaum davon ausgehen, daß er eine ebenso qualifizierte inländische Arbeitskraft anstelle von Frau F. finden kann.

Sollten sich daher die von Ihnen in Aussicht gestellten Vermittlungsversuche im konkreten Fall als aussichtslos herausstellen, bitte ich, den Antrag möglichst rasch dem Landesarbeitsamt zur Entscheidung zu übermitteln."

Mit dem daraufhin ergangenen Bescheid vom 2. August 1994 gab die belangte Behörde ohne weitere aktenkundige Verfahrensschritte der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 11 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde aus, unter Berücksichtigung sämtlicher entscheidungsrelevanter Ermittlungsergebnisse könne die Stellung einer den Anforderungen entsprechenden und für den gegenständlichen Arbeitsplatz geeigneten Arbeitskraft nicht von vornherein als offenkundig aussichtslos betrachtet werden. Nur dann, wenn kein derart qualifizierter Arbeitnehmer gestellt werden könne, erlaube die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung der beantragten Ausländerin. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erübrige sich diese Beweisführung jedoch dann, wenn der Arbeitgeber die Stellung von Ersatzkräften von vornherein ablehne. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme erklärt, dem Angebot des Arbeitsamtes, die Vermittlung einer Ordinationshilfe zu übernehmen, nicht entgegentreten zu wollen. Gleichzeitig habe er betont, daß die beantragte Ausländerin alle persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfülle und daß realistischerweise kaum davon ausgegangen werden könne, daß eine ebenso qualifizierte inländische Arbeitskraft gefunden werden könne. Damit habe der Beschwerdeführer jedoch keine anerkennenswerten, die grundsätzliche Ablehnung der Ersatzkräfte sachlich rechtfertigenden Gründe vorgebracht, da ohne grundlegende Kenntnis der Arbeitsmarktlage "a priori" nicht die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung ausgeschlossen werden könne. Die Tatbestände des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG seien nicht weiter zu prüfen gewesen, da durch die erfolgte Ablehnung von Ersatzkräften bereits die Erteilungsvoraussetzung nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht gegeben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Zur Gegenschrift hat der Beschwerdeführer eine Gegenäußerung eingebracht, die belangte Behörde hat hiezu wiederum repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 11 Abs. 1 AuslBG ist einem Arbeitgeber auf Antrag einer Sicherungsbescheinigung auszustellen, wenn dieser beabsichtigt, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben. Nach § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG darf die nur ausgestellt werden, wenn

1.

die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und

2.

aufgrund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 AuslBG zur Verfügung stehen wird.

Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der beantragten Sicherungsbescheinigung (nach dem Spruch und auch nach den Begründungsausführungen) ausschließlich auf § 11 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt.

Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, 92/09/0179, und viele andere).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. auch das Erkenntnis vom 23. April 1993, 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, denn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 1993, 93/09/0155, vom 19. Februar 1993, 92/09/0242, und vom 20. April 1995, 94/09/0390).

Im Beschwerdefall glaubte die belangte Behörde, aus dem - im Sachverhalt in seinen wesentlichen Passagen wörtlich wiedergegebenen - Begleitschreiben des Beschwerdeführers ableiten zu können, dieser lehne die Stellung von Ersatzkräften von vornherein und grundlos ab. Zwar hat der Beschwerdeführer im erwähnten Begleitschreiben die Erfolgsaussichten einer Vermittlung von Ersatzkräften in Frage gestellt, sich erkennbar jedoch grundsätzlich nicht gegen ein Ersatzkraftstellungsverfahren ausgesprochen. Die gegenteilige, von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung findet - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - in der Aktenlage keine Deckung. Soweit in der Gegenschrift in Richtung eines überzogenen Anforderungsprofils für den zu besetzenden Arbeitsplatz argumentiert wird, ist dies allein schon deshalb unbeachtlich, weil die Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang im übrigen darauf, daß dem Beschwerdeführer zu den in der Gegenschrift getroffenen Annahmen keinerlei Parteiengehör gewährt worden ist, und es beispielsweise aktenmäßig nicht nachvollziehbar ist, ob außerhalb der laut Gegenschrift als unzulässig angesehenen Altersgrenze - laut Vermittlungsauftrag 30 bis 40 Jahre - geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung gestanden wären).

Da die belangte Behörde damit zu Unrecht davon Abstand genommen hat, dem Beschwerdeführer konkrete Ersatzkräfte anzubieten und so ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung von einer ausreichenden Prüfung der Voraussetzungen für eine Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers abgesehen hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0379).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Schriftsatzaufwand war gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur für die Beschwerde, Stempelgebühren waren für die Beschwerde und die in einfacher Ausfertigung erforderliche Vorlage des angefochtenen Bescheides zuzusprechen (die Vorlage der weiteren Beilagen und die Einbringung der Gegenäußerung waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090259.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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